Dienstag, der 30. November 1976

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Dienstag, 30. November 1976

Im Ministerrat hatte Kreisky den Auftrag, der Verfassungsdienst hätte
zu prüfen, wer eigentlich die Aussenhandelsstellen und die Ausgaben
der Bundeshandelskammer auf Grund des Aussenhandelsförderungs-
gesetzes prüft. Er wünscht eine genaue Kontrolle Post für Post.
Ich erklärte ihm sofort, dass auf Grund des Aussenhandelsbeitrags-
gesetzes der Rechnungshof dazu ausdrücklich bestimmt wird. Da der
Rechnungshof ein Kontrollorgan des Parlamentes ist, war Kreisky sehr
überrascht, dass in diesem Fall er auch für die Kontrolltätigkeit
die eigentlich der zuständige Ressortminister ausüben sollte, ausdrücklich
genannt wird. Die gesamte Repräsentationskosten-Diskussion spitzt
sich ständig zu. Die ÖVP-Abgeordneten – und dies konnte ich im Parlament
immer wieder feststellen – verweisen bei jeder passenden und unpassenden
Gelegenheit auf die 24 Mill. S Repräsentationsausgaben der Regierung.
z.B. hat Abg. König, als er Minister Rösch wegen Abstellung von Flug-
sicherungsgeräten, die eindeutig die AUA oder der Flughafen Wien
zu leisten hätte, ganz unsachgemäss demagogisch gemeint, die Regierung
könnte dies bezahlen, wenn sie die 24 Mill. S nicht für Repräsentations-
ausgaben ausgibt. Für mich ist es ganz klar, dass der grosse Krach mit
der Handelskammer unvermeidlich ist, wenn nicht tatsächlich eine ver-
nünftige Repräsentationsvereinbarung zwischen der Oppositionspartei
und der Regierung zustandekommt. Der Verhältnis zwischen Regierungs-
partei und der Opposition insbesondere der ÖVP verschlechtert sich
in meinen Augen immer zusehends. Ich bin fest davon überzeugt, dass
niemand in der ÖVP Gebiete sozusagen zwischen den Parteien ausser Streit
zu stellen, schon gar nicht die Repräsentationskosten und Aufwendungen.
Früher oder später muss deshalb auch die ganze Aussenhandelsstellen-
organisation in den Strudel hineingezogen werden. Das Ergebnis wird
für Kreisky unbefriedigend sein, sodass auch diese Frage eskalieren wird.
Der nächste Schritt wird dann sein, man könne und solle dort entspre-
chend sparen, indem man Vorschriften der Handelskammer macht wieviel
sie für oft wirklich überdimensionierte Delegationen ins Ausland aus-
geben dürfte. Der nächste Schritt wird sein, dass man dann überhaupt ge-
wisse Aufwendungen als unzweckmässig bezeichnen wird und damit ein
direkter Einfluss genommen wird. Diese Politik wird Sallinger ganz
hart treffen, da er damit die Aussenhandelsstellen als gefährdet und
die ganze Organisation, die heute die Handelskammer hat, zusammenbrechen
sehen wird. Ob er sich dann trotzdem in der ÖVP durchsetzen kann, bezweif-
le ich. Die stillschweigende Erklärung zwischen Sallinger und mir, die
Aussenhandelsstellenorganisation nicht zu ändern, ja selbst die


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offizielle Erklärung von Kreisky, dass diese Organisation bleiben
soll, wird damit ins Wanken kommen. Wichtig erscheint mir nur
eines, dass niemals ich oder das Handelsministerium als Anstoss
gelten darf, (nicht einmal optisch !).

Im Ladenschlussausschuss hat der Vorsitzende Schönbichler, aber auch
der neue Stellvertreter Freitag von der Gewerkschaft der Angestellten
in der Privatwirtschaft sowie alle Teilnehmer meinen Vorschlag
die Erhebungen durchzuführen und damit das Institut Fessel und
IFES zu betrauen, allgemeine Zustimmung gefunden. Alle waren
überrascht, dass als Minimum jetzt 600.000 S von mir genannt wurden.
Die letzten Erhebungen, die man vor etlichen Jahren machen wollte,
haben mit 1,2 Mill. S begonnen und sind dann bis auf 1,8 Mill. S
gestiegen. Die Handelskammer hat damals 500.000 S bis 800.000 S
bereitgestellt, wie ich jetzt erfahren habe. Die Arbeiterkammer hat
selbstverständlich niemals daran gedacht, einen so hohen Betrag zur
Verfügung zu stellen. Auch jetzt hat der neue junge Vertreter der
AK, Dr. Schwarz, darauf hingewiesen, dass wie er sich ausdrückte, einige
Funktionäre der Arbeiterkammer erwarten, dass es nicht bei der Drittel-
regelung bleibt. Die Landwirtschaft hat sowieso niemals beabsichtigt,
auch nur einen Groschen dazuzuzahlen und Dr. Massauer hat dies neuer-
dings bestätigt. Der Grund, warum ich zuerst mit 600.000 S begonnen
habe, ist, weil ich natürlich hier erwarten kann, dass jeder Teil
200.000 S tatsächlich bezahlt. Die Handelskammer hat aber neuerdings
dezidiert erklärt, immer paritätisch mit der Arbeiterkammer den-
selben Beitrag zu leisten. Wahrscheinlich werde ich dann, wenn
Spezialerhebungen notwendig sind oder besondere Arbeiten anfallen
letzten Endes dann noch einen kleinen Zusatzbetrag als Handelsministerium
allein zahlen müssen. Die beste Lösung für eine befriedigende wissen-
schaftliche einwandfreie Arbeit wird sein, neben den Erhebungen, die
ja meistens nur als Omnibus bei anderen dieser Institute angehängt
werden können, dann zusätzliche Spezialfragen und Aufgaben auf
andere Art als über Vollerhebungen zu lösen. Natürlich wird eine
solche Arbeit dann längeren Zeitraum in Anspruch nehmen, überein-
stimmend wurde festgestellt, dass wir uns weder unter Druck setzen
lassen, noch zeitlich diese Frage unter einen Terminablauf stellen soll-
ten. Gewissenhafteste, billige Arbeit soll hier geleistet werden.

ANMERKUNG FÜR TIEBER: Bitte sofort mit Gehmacher ein Vorgespräch
und anschliessend dann mit IFES und FESSEL eine Besprechung mit mir
vereinbaren.



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Die Aussenhandelsstellenleiter Europa-West sind derzeit auf
Österreich-Information. So wie alle anderen Aussenhandelsstellenleiter
wurde diese Gelegenheit wieder mit einer Besprechung im Handelsministe-
rium, an der ich ständig teilnehme, vereinbart. Aus Abstimmungsgründen
haben wir sie im Parlament abgehalten. Der Eindruck bei diesen Tagungen
verstärkt sich bei mir, dass hier nur über allgemeine Wirtschafts-
probleme gesprochen wird und kaum über spezifische des Landes oder gar
unserer Exportpolitik in diesem Land. Natürlich ist es auch
für mich interessant, Direktinformationen von den Aussenhandels-
stellenvertretern zu bekommen, die gesamten Ergebnisse sind aber sehr
mager. Dass jetzt in allen westeuropäischen Staaten man einen Konjunktur-
einbruch wieder erwartet, ist wahrlich nichts Neues. Wirklich inter-
essant war nur die Diskussion mit Gleissner und dem neuen österr.
Handelsdelegierten in der Schweiz Koch über unser Vorgehen gegen-
über den Importrestriktionen z.B. von der Schweizer Administration
bei unserem Weinexport. Im Jahre 1975 haben wir 25 Mill. exportiert
und jetzt versucht das Wirtschaftsdepartement infolge der überhöhten
Inlandsproduktion in der Schweiz mit allerhand Mätzchen die Mengen
zu reduzieren. Das von Brugger mit zugestandene Härte-Kontingent
kann angeblich deshalb nicht in Anspruch genommen werden, weil die
Exporteure und die Importeure ihre grosse Anzahl, jeder bekommt ein
paar tausend Liter, unrentabel exportieren und auch die Schweizer
kaum importieren können. Mein Vorschlag, dann müssen sie sich eben
zusammenschliessen wird als unmöglich bezeichnet.

ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte lass die Organisationsabwicklung sofort
durch das Landwirtschaftsministerium und unser Haus prüfen.

Gleissner ist der Meinung, man solle jetzt durch Retorsionsmassnahmen
die Schweiz dazu zwingen, dass sie sowohl das Fruchtsaftproblem als
vor allem auch die Milchpulverlösung und damit im Zusammenhang die
Schokoladen-Importe durch entsprechende Kündigungen der Vereinbarungen
eventuell auch bei Käse gegenüber den Schweizern, ich würde fast
sagen, stark auftreten sollten. Ich verwies Gleissner darauf, dass
Min.Rat Steiger genau die gegenteilige Meinung hat und ich Steiger
recht gebe. Koch, der noch am Flughafen in Zürich bei meinen Zwischen-
landungen unsere Meinung vertreten hat, meint jetzt auch, die zweckmässig-
ste Lösung wäre, die Schweiz bei jeder passenden Gelegenheit zu zwingen
gegenüber Österreich eine legerere Politik zu machen. Alle geben zu,
dass Brugger durch die Inlandsproduktion jetzt auch bei Wein und Obst
zu riesigen Überschüssen kommt. Koch meinte sogar, man sollte durch


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die Rüstungskäufe, die Österreich in der Schweiz tätigt, die
gesamte Industrie der Schweiz durch entsprechendes Androhen
diese einzustellen, zum Nachgeben auf dem landwirtschaftlichen
Sektor heranziehen. Ich verwies Koch darauf, dass diese Regierung
erstmalig jetzt vor nicht allzu langer Zeit das Kompensationssystem
bei Rüstungskäufen eingeführt hat. Etwas was wir in Wirklichkeit
bei den Oststaaten so hart kritisieren, wird jetzt auf diesem Sektor
auch gegenüber dem Westen und ich kann sagen mit Erfolg angewendet.
Bis jetzt war es üblich, dass Rüstungskäufe teilweise durch andere
Bezüge des Rüstungslandes in Österreich kompensiert wurden. Erstmalig
ist es jetzt Lütgendorf geglückt, mit der Schweiz eine hundert-
prozentige Kompensation zu vereinbaren. Die über das Handelsministeri-
um abgewickelt wird. Der österr. Handelsdelegierte in Frankreich,
Kourimsky, meinte sogar, die Franzosen hätten jetzt so grosses
Interesse, Hubschrauber nach Österreich zu liefern, dass die
eine hundertprozentige und sogar noch höhere Kompensation anbieten
würden. Die franz. Produktionsfirma Aero Special möchte unbedingt
mit mir Kontakt aufnehmen.

ANMERKUNG FÜR WANKE UND PLESCH: Bitte über unseren Kompensations-
ausschuss feststellen, was das Verteidigungsministerium dazu sagt.

Durch die Einführung der Lizenzpflicht in Belgien z.B. kann man fest-
stellen, dass die österr. Bekleidungsindustrie mit Ausnahme der
Lodenbekleidung, die jetzt grosser Hit in Belgien ist, Export-
rückgänge wird verzeichnen müssen. Die ausländischen Importeure
sind nicht bereit, die Formulare auszufüllen, die für die Lizen-
zierung notwendig sind. In diesem Fall weichen sie lieber auf
andere EG-Staaten aus, wo diese Lizenzpflicht ja nicht gilt.

Mussil hat bei seinem Debattenbeitrag im Parlament darauf hingewiesen,
dass sie nicht nur die 1.000 S Kaution beim Autokauf ablehnen sondern
auch wie ich dann den Zeitungen entnommen habe, dass Plastikflaschen-
Verwendungsverbot. Wenn sich herausstellt, dass tatsächlich wir
im Handelsministerium rechtlich auf Grund von internationalen Ver-
trägen gar nicht imstande sind, ein solche Verbot wegen nichttarifa-
rischer Hemmnisse zu erlassen, so passt mir diese Stellungnahme der
Handelskammer sehr gut. Ich halte die endgültige Lösung, ob so oder
so, dringendst erforderlich. Da sich die Unternehmer danach richten
müssen, ob sie Plastikflaschenproduktionen aufnehmen sollen oder
nicht.

ANMERKUNG FÜR WANKE UND WAIS: Bitte alle rechtlich relevanten Unter-
suchungen sofort einleiten.



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Mit Ing. Engelmayer hatte ich, da das Parlament ja bis 24 Uhr
tagte, eine lange Aussprache. Engelmayer möchte ein grosses personal-
politisches Geschäft machen. Engelmayer hat klar erkannt, dass die
OB als Sektion nicht mehr zu retten ist. Durch die Zustände in dieser
Sektion, die er selbst so wie alle anderen, die ich bis jetzt
gefragt habe, sofort zugibt, sieht er ein, muss eine organisatorische
Änderung Platz greifen. Wenn er nun der Eingliederung der OB in
die Energiesektion zustimmt, möchte er dafür als Gruppenleiter
Ing. Wüstrich. Ich erklärte ihm sofort, dass mir niemand vorwerfen
kann, dass diesmal vielleicht auch eine politische Absicht dahinter-
steckt, wie er dies bei allen anderen Bestellungen der Sektionsleiter
natürlich immer jetzt intern und sicherlich später einmal im Parlament
bei einer dringlichen Anfrage oder im Laufe einer Diskussion bei
der Budgetdebatte die ÖVP machen wird. Die Besetzung der OB wird von
allen Bewerbern, die ich jetzt kenne, vom Engelmayer-Standpunkt
politisch neutral betrachtet werden müssen. Die Schwierigkeit für
mich aber auch für Engelmayer ist nur, dass ich von vornherein
nicht erklären kann und will, wer eigentlich diese Gruppe führen
soll. Auf Grund des Ausschreibungsgesetzes und wenn es nicht
wäre würde ich auf alle Fälle trotzdem ausschreiben, werden sich
eine ganze Anzahl von Interessenten melden. Sterk, Pelzl, Mock,
Wüstrich, Berghauptmann von Leoben, und ich weiss nicht, wer aller noch.
Engelmayer würde, wenn er weiss oder zugesichert bekommt, dass
Wüstrich die Gruppe bekommt, nichts gegen eine Eingliederung in die
Energiesektion haben. Ich erklärte aber, ich werde mir zwar die
Aktivitäten Wüstrichs noch genau anschauen, kann aber noch keines-
falls eine Präferenz für ihn auch nur den von mir als Minister
zu entsendenden Ausschreibungskommissionsmitgliedern sagen.
Engelmayer stellt sich vor, dass ich eben schon in den Ausschrei-
bungsbedingungen meine Präferenz festlegen sollte. Die beste Lösung
wäre, wenn ich die organisatorischen Fähigkeiten, die der betreffende
Gruppenleiter mitbringen sollte, besonders herausstreichen müsste. Ich
habe ihm keinerlei Versprechungen gemacht sondern nur versichert,
ich werde mir die ganze Frage noch einmal gründlich überlegen, wie
ich seinen Wünschen ein objektives Ausschreibungsverfahren garan-
tiere und der beste Mann dann an die Spitze der Gruppe berufen wird.



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Mit Heindl besprach ich diese Angelegenheit nachher eingehend
und wir kamen überein, dass ich mit den zwei vom Ministerium zu ent-
sendenden Sektionschefs Frank und Wanke, die sachlich am engsten mit der
OB zu tun haben werden, zu einer Besprechung einlade.

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Tagesprogramm, 30.11.1976

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)

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Tagesordnung 53. Ministerratssitzung, 30.11.1976

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hs. Notizen (TO Ministerratssitzung Rückseite)




Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: AK


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: SChef HM
      GND ID: 12195126X


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Sekr. JS, Tiroler SPÖ-Politiker


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: OB


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Innenminister bis 1977, danach Verteidigungsminister


            Einträge mit Erwähnung:


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: OB


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: MR HM


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Chef Energiesektion


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: Kardinal


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Schweizer BR f. Wirtsch.


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: IFES


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


                            Einträge mit Erwähnung:
                              GND ID: 1017902909


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                                GND ID: 102318379X


                                Einträge mit Erwähnung:
                                  Tätigkeit: Obmann Sektion Handel BHK


                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    Tätigkeit: Außenhandel BWK


                                    Einträge mit Erwähnung:
                                      Tätigkeit: Kabinett Staribacher


                                      Einträge mit Erwähnung:
                                        Tätigkeit: MR HM


                                        Einträge mit Erwähnung:
                                          Tätigkeit: Sekr. GPA


                                          Einträge mit Erwähnung:
                                            Tätigkeit: öst. Handelsdelegierter Schweiz


                                            Einträge mit Erwähnung:
                                              Tätigkeit: Personalvertreter HM, Christgewerkschafter, ÖVP-Politiker


                                              Einträge mit Erwähnung:
                                                Tätigkeit: Bundeskanzler
                                                GND ID: 118566512


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                                                  Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


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