Sonntag, 28. November 1976
Die Aussprache mit Heindl wegen der Sekretariatsbesetzung, wenn
Tieber nach Tirol zurückgeht, bringt keinerlei neue Erkenntnisse.
Die beste Lösung wäre natürlich vom Haus tüchtige Mitarbeiter
oder zumindestens einen von den Sektionen abzuziehen. Dagegen
spreche ich mich entschieden aus, denn erstens würden die Sektions-
leiter dagegen sein, zweitens würde der Kollege einen Prestige-
verlust erleiden. Tüchtige Leute sind entweder selbst schon Abteilungs-
leiter oder in einer Position, wo sie, wenn die Mindestzeiterfordernis
erfüllt ist, Abteilungsleiter werden. Eine weitere Voraussetzung
um vom Haus jemanden zu nehmen, wäre, dass diese selbst freiwillig
und zwar wirklich aus voller Überzeugung und nicht weil ich es
wünsche, diesen Posten übernehmen würde. Von auswärts jemanden zu
nehmen, stösst wieder auf grosse Schwierigkeiten wegen der Gehalts-
verrechnung. Ich bin überzeugt, dass die ÖVP neuerdings dieses Problem
wird anschneiden, ganz besonders vor der nächsten Wahl. Das grösste
Problem aber ist, dass selbstverständlich der neue Mann mit Plesch
und Wais harmonieren müsste.
Dr. Egger hat mir mitgeteilt, dass es ihm grosse Freude macht, vom
Handelsministerium, insbesondere Min.Rat Gröger zu Auskünften und
Stellungnahmen herangezogen zu werden. Egger, der ein ungeheuer tüchti-
ger Gesellschaftsrechtler ist und Sanierungen, Kapitalgesellschafts-
umwandlungen usw. durchführt, ist in seiner Branche als Spitzenmann
bekannt. Er fühlt sich ungeheuer geschmeichelt, wenn er Gelegenheit
hat, sein Wissen sozusagen im Dienste der Öffentlichkeit auch ver-
werten zu können. Ich unterhielt mich längere Zeit über das Garantie-
gesetz mit ihm und konnte feststellen, dass er die Meinung der AK
und des ÖGB teilt. Egger sieht eine grosse Gefahr, wenn das Gesetz
jetzt konkreten Bestimmungen abgeändert wird. Derzeit ist es so
nebulos allgemein gehalten, dass entweder der E u.E-Fonds rein
nach Ermessensbestimmung jeden Fall entscheiden wird müssen, nur
er wird dann wegen dieses Ermessensspielraumes die Fälle nicht
kategorisieren, abgrenzen und vielleicht dann gar nichts entscheiden.
Egger teilt daher die Meinung, es muss in das Gesetz sehr konkrete
Bestimmungen aufgenommen werden, unter welchen Bedingungen die
Garantie gegeben wird. Egger hat auch verfassungsrechtliche Bedenken,
wenn der Ermessensspielraum so gross bleibt, wie er jetzt ist. Dadurch
könnte sich eine willkürliche Entscheidungspolitik in der Praxis
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herausstellen. Die AK und der ÖGB wollen also eine Änderung des
Entwurfes, weil sie befürchten, dass sie bei den Sanierungsfällen
dann immer entweder dafür sind und d. Fonds damit sehr bald seine
Mittel verbraucht hat oder dagegen sein müssten und dann die betrof-
fene Arbeiterschaft gegen sie ist. Egger kommt zu einem ähnlichen
Ergebnis, nur von einer ganz anderen Betrachtungsweise.
Egger, der die Textilfusion Ost gemacht hat und natürlich
weiss, dass die 24 Mill. S von rumänischen Strumpfhosenlieferungen,
die Piering theoretisch mit eingebracht hat, dringend benötigt
werden, schnitt auch dieses Problem an. Ich erklärte ihm und
Herrn Böhm, dass die vorgesehene Lösung – Veredlungsgenehmigung –
von der Handelskammer, sowohl Industriesektion, Placek, als auch
Handelspolitische Abteilung – Gleissner – entschieden abgelehnt wird.
Egger meinte dann müsste man versuchen, dass Böhm diese Transaktion
durchführt. Dieser ist aber nicht bereit, zumindestens bis jetzt
noch nicht, sich in das Strumpfhosengeschäft einzuschalten. Seiner
Meinung nach könne es nur gelingen, die Strumpfhosen aus Rumänien
wieder in ein anderes Ostblockland, wahrscheinlich Polen, zu verkaufen
gegen andere Kompensationsgüter. Das ganze Strumpfhosengeschäft ist
derzeit deroutiert. Da alle Firmen ihre Geschäftspolitik zwar nach
der Strumpfhosenverordnung ausrichten aber jede Lücke oder In-
formation nützen. Heindl und Böhm behaupten, dass noch niemals
so viele Strumpfhosen importiert wurden wie seit der Zeit, wo die
Verordnung existiert. Kunert z.B. soll vor der Ergänzung der
Strumpfhosenverordnung auf Rohlinge noch schnell 1,5 Mill. einge-
führt haben.
ANMERKUNG FÜR WANKE UND PLESCH: Bitte jetzt einmal einen genauen
Bericht verlangen.
Heindl fürchtet, dass auf den Rennweger Kasernengründen durch
die Politik der dort anwesenden Dienststellen letzten Endes wieder
nur Büroräume entstehen werden. Durch die Ausschreibung Mosers
wegen Urbanisierung dieses ganzen Gebietes sollte auf Vorschlag
Kreiskys eine optimale Lösung von Architekten und Raumplanern
gefunden werden. Jetzt fürchtet Heindl, dass die Ausschreibungsbedin-
gungen schon so lauten werden, dass der grösste Teil in Bürohäusern
auf diesem teuren Grund zu stehen kommen wird. Ich fürchte, das
die Gemeinde Wien in den nächsten Jahren, um nicht zu sagen, Jahr-
zehnten, gar keine sehr grosse Wohnbautätigkeit mehr entfalten wird
können. Schon im nächsten Jahr sollen nur 3 Projekte, nämlich
Schöpfwerk, Marco-Polo-Gasse, also Trabrennvereinsgründe und
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ein drittes, das ich vergessen habe, nur gebaut werden. Die
ursprüngliche Kreisky-Idee, die Gemeinde baut dem Kasernenbesitzer,
d.h. dem Militär, der Gendarmerie usw. am Rand der Stadt ent-
sprechende neue Unterkünfte und kriegt die teuren Zentrumsgründe
dadurch frei, wird – fürchte ich – an der finanziellen Schwierig-
keit, abgesehen von den technischen, die die erste Fühlungnahme
schon ergab, scheitern. Als die Gemeinde noch viel Geld gehabt hatte,
und eine bessere budgetäre Situation, hätte sie solche Ideen
ohne weiteres verwirklichen können. Jetzt aber ist die Finanzlage
des Bundes kritisch und die der Gemeinde durch entsprechende
Grossprojektausgaben auf längere Zeit verpflastert. Bei Planung
Projekten resp. Untersuchungen und Überlegungen wegen der Ge-
staltung von Gebieten werden deshalb, fürchte ich, nur ständig
ein Projekt vom anderen immer abgelöst, ergänzt und verändert,
die praktische Durchführung wird auf alle Fälle noch sehr
sehr lange auf sich warten lassen.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte mit Moser verbinden oder mich
für Ministerrat erinnern.