Donnerstag, 17. Juni 1976
Der Bundesvorstand des Gewerkschaftsbundes, d.h. alle Fraktionen
besichtigen auf Einladung von Benya die Heime der Jugendfürsorge
und die neuen Erholungsheime und Campinglager vom Sozialtourismus.
Als erste Station fuhren wir allerdings nach Lindabrunn in der
Nähe von Enzersfeld, NÖ, wo die Handels- und Transportarbeitergewerk-
schaft ein ganz grosses Erholungszentrum gebaut hat. Ursprünglich
war es mit 30 Mio geplant, 80 Mio sind dann daraus geworden. Die
Gewerkschaft hat nicht annähernd das Geld, um diesen gigantischen
Bau zu finanzieren. Deshalb muss sich jetzt der Gewerkschaftsbund daran
beteiligen. Ich habe selten einen solchen aufwendigen Bau und eine
so grosszügige Lösung gefunden. Hier kann man wirklich sagen, wie
weniger Geld, umso mehr haut man am Tisch. Problematisch wird in meinen
Augen nicht die Bausumme, sondern wie dieses ganze Areal so bewirt-
schaftet und gelegt werden kann, damit das Defizit nicht allzu gross
ist. Wir haben in Hartberg seinerzeit um 1/10 ein Erholungsheim
hingestellt und was ich befürchtete ist eingetreten, wir haben obwohl
wir keinerlei Küche dort haben, ja nicht einmal einen grösseren Per-
sonalaufwand, weil wir nur einen Verwalter sitzen haben, ein jähr-
liches Defizit von 500.000 Schilling. Das Defizit vom Lindabrunn HTV
muss ein vielfaches dieses Betrages sein. Neuerdings versuchte ich
Benya klarzumachen, dass der Gewerkschaftsbund früher oder später
alle Heime der Gewerkschaften zusammenfassen sollte, damit die Ge-
werkschaftsmitglieder die Möglichkeit haben in alle Heime gleichmässig
unterzukommen und vor allem das Defizit der Einzelgewerkschaften dann
aufzuteilen auf den Gewerkschaftsbund, weil ansonsten Einzelgewerk-
schaften daran verbluten können. Benya ist mehr den je dieser Idee
abgeneigt und meint, es wäre eben Aufgabe der Gewerkschaften bevor
sie ein solches Projekt angehen, sich zu überlegen wie sie es betreiben
können. Die Einzelgewerkschaften möchten übrigens dann ihre Heime
ihren Mitgliedern in den Monaten Juli, August, wo sie alle überlaufen
sind, zur Verfügung stellen. In der anderen Zeit, wo das Heim nicht voll
von der eigenen Organisation ausgelastet ist, können heute sowieso
überall schon andere Gewerkschaftsmitglieder, ja sogar nicht Gewerk-
schaftsmitglieder darin wohnen. Am meisten störte mich, dass neben dem
Heim ein Schiessplatz einer Privatgesellschaft ist, wo die Vereins-
mitglieder von 8–11 Uhr ständig an Sonntagen und Feiertagen Klein-
kaliberschiessen veranstalten. Ich hätte die Gemeinde gezwungen
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als Projektträger, der immerhin 80 Mio. Schilling dort investiert
und der Gemeinde gleichzeitig auch ein Bad baut, diesen Schiess-
platz wo anders hinzuverlegen. Das Gewerkschaftsbad steht den breiten
Publikum offen, was ein weiterer Wahnsinn in der Belastung und dem
Betrieb dieses Erholungszentrums bedeutet. Die Hoffnung, dass jetzt
die umliegende Bevölkerung und vor allem die Wiener kommen, um hier
zu baden und dann gleichzeitig im Restaurant zu essen und ich weiss
nicht was alles in dem Erholungszentrum machen und Geld dort lassen,
wird nicht aufgeben. Ich bin davon überzeugt, dass letzten Endes nur
ständig Reibereien zwischen den Einbewohnern, resp. Bungalow-Bewohnern
und den Fremden sein werden, die Kosten auf alle Fälle kaum wesentlich
gedrückt oder gedeckt werden durch die Einnahmen, die die Fremden
am Bad und an Ausgaben zahlen, in meinen Augen ein total falsches
Projekt. Die zweite Möglichkeit, das Heim zu füllen, ist, dass ein
Schulungssaal eingerichtet wurde, wo man Kurse mit bis ca. 40 Leuten
abhalten könnte. Hier soll auch der Gewerkschaftsbund einspringen
und das Bildungsreferat wird hier sicherlich einen oder den anderen
Kurs hinauslegen können.
Wesentlich anders ist das Problem bei den Lehrlingserholungsheimen.
Ich selbst war in der ersten Republik noch in Bad Fischau, wo ver-
hältnismässig primitiv gegen heutige Maßstäbe gemessen, die Jugend-
lichen primär zur Erholung, d.h. zur Gewichtszunahme hingeschickt wurden.
Jetzt ist es manchmal gerade umgekehrt. Manche Burschen, aber vor allem
Mädchen gehen auf Erholungsurlaub, um Gewicht abzunehmen. Die Heime
werden jetzt auch immer moderner ausgebaut und wie in Sigmundsherberg
sogar ganz grosszügig neu gebaut. Selbstverständlich mit Schwimmbad
Das Ergebnis war, dass wir in Aflenz das Mädchenheim besichtigten,
welches noch kein Schwimmbad hat, ausser einen Swimmingpool im Freien
und die Mädchen natürlich dann Benya auch ersuchten, sie möchten gerne
auch ein Hallenbad. Benya ist in der Beziehung ein "weicher Bruder"
und er hat deshalb sofort von Ströer verlangt, er soll sich überlegen,
wie man dies am besten machen und vor allem finanzieren kann. Ströer ist
darüber sehr unglücklich, denn der Gewerkschaftsbund hat jetzt einige
grössere Bauvorhaben. Am Ossiacher See besichtigten wir solches, wo
Milota nach Kriegsende Holzbaracken aufgestellt wurden in Form
von kleinen Bungalows. Jetzt wird dort von Universale ein riesiger
Zentralbau und gemauerte Bungalows resp. Appartementhäuser er-
richtet. Die Baufirma ist Universale und bei der Gelegenheit konnte
ich gleich mit Gen.Dir. Freibauer über das Ägypten-Tunnelprojekt reden.
Freibauer ist nicht ganz sicher, ob es zweckmässig ist den Geschäfts-
führer der Arbeitsgemeinschaft Dr. Angerer so oft nach Kairo zu schicken.
Er wird in der nächsten Zeit wieder einmal hinunter fahren. Alle
sind wir überrascht, dass der Zuschlag noch immer nicht erfolgte.
Freibauer allerdings meint, er hätte die Erfahrung, dass auch die
Engländer bevor sie ihr Tunnel-Projekt zugeschlagen bekommen hatten,
Monate, ja fast sogar ein Jahr warten mussten resp. Zwischenverhand-
lungen führen mussten. Der General, der jetzt in die ganzen Verhand-
lungen eingeschaltet wurde, war in Österreich und hat österreichische
Tunnelprojekte besichtigt, Meine Vermutung, dass die ganzen Tunnels
hauptsächlich aus militärpolitischen Gründen gebaut werden, hat sich
bei diesen Besuch bestätigt. Der Baumann, der ihn begleitete, berichtete
uns, dass er sich insbesondere vom militärischen Standpunkt für die
Tunnelausrüstung und den Betrieb besonders interessierte.
Natürlich kam bei dieser Fahrt, bei der Kienzl auch teilnahm, nicht
nur wirtschaftspolitische, sondern auch personalpolitische Probleme
zur Sprache. Dallinger als Vizepräsident und auch gleichzeitig Obmann
der Privatangestellten-Gewerkschaft wurde wieder einmal von der Wochen-
presse wegen eines Mietzinsvorzahlvertrages mit Martinuzzi hart
attackiert. Die Wochenpresse hat dann zwar einen Leserbrief von
Dallinger abgedruckt, anschliessend aber sofort wieder ein bissiges
Kommentar gegeben, welches die sachliche Darstellung entwertete. Benya
selbst meint, man soll sich ganz einfach mit diesen Zeitungen über-
haupt nicht einlassen, sondern gleich nur über einen Anwalt mit ihnen
verhandeln. Ähnlich verhält er sich – behauptet er zumindestens –
mit Wünschen von Reportern, der sogenannten Boulevard-Presse. Als
grossen Erfolg bucht er, dass es gelungen ist die Kronen-Zeitung, die
vorher sehr gehässig über den Gewerkschaftsbund und ganz besonders
über ihn geschrieben hatte, jetzt auf eine neutrale Haltung gebracht
zu haben. Benya vergisst dabei allerdings, dass sich eben innerhalb
der Kronen-Zeitung ein wesentlicher Wandel vollzogen hat, an den er
nicht wenig selbst beteiligt war. Die Art von Personalpolitik, wie sie
Benya gerne betreibt, nämlich mit niemand darüber zu reden, niemand
zu informieren, dann aber, bevor es soweit ist, wirklich in den ent-
scheidenden Gremien Beschlüsse herbeizuführen und dann ganz einfach
durchzuziehen, diese Art der Personalpolitik gelingt nicht einmal
ihm ganz. Andere Leute aber schreiben, resp. lassen schreiben, welche
Personalabsichten sie sich vorstellen könnten. Gierig greifen die
Journalisten solche Vorschläge auf, vor allem aber nehmen jede Andeutung
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sofort als bare Münze und bringen irgendwelche Kombinationen. Dies
kann manchmal sehr unangenehm sein, stört aber z.B.Kreisky glaube ich
überhaupt nicht. Kreisky weiss nämlich ganz genau, dass man auch
die Öffentlichkeit auf gewisse Entwicklungen und Personaländerungen
vorbereiten muss ohne dass es gesagt wird, das ist seine Idee. Fest
steht, dass er seit Monaten, ja vielleicht schon seit Jahren, sein
Staatssekretär Veselsky gerne wo anders hinbringen möchte. Immer
wieder tauchen deshalb neue Kombinationen auf. Die letzte, die wahr-
scheinlich die zutreffendste ist, dass Prof. Nussbaumer als Staats-
sekretär zu ihm kommen soll. Da er sicherlich keinen vierten machen
will, muss er oder will er Veselsky irgendwo anders hinbringen.
Niemand wird dann, wenn er die Personaländerungen im Herbst durch-
führen wird sich darüber wundern, wenn es gelingt. Gelingt es ihm
aber nicht, weil er keinen entsprechenden Platz für Veselsky findet,
dann wird auch niemand darüber besonders erstaunt sein. Kreisky hat
ja schliesslich und endlich niemals persönlich gesagt, dass er Veselsky
weggeben will. Benya dagegen möchte am liebsten über die Personal-
fragen überhaupt nichts aussagen, sondern meint, z.B. in der Frage
wer Nachfolger von Weissenberg im Hauptverband wird, wo es jetzt
bereits wieder Zeitungsmeldungen gibt, das werden wir dann, bis es
so weit ist, zeitgerecht beschliessen. Mir persönlich ist die ganze
Personalpolitik egal, weil ich davon ja nicht betroffen bin. Ich glaube
aber auch, dass obwohl es für manche Betroffene sehr unangenehm ist,
Kreisky mit seiner Methode mehr die Öffentlichkeit aufschliesst für
Änderungen als dies bei der Benya-Methode der Fall ist. Ausserdem kann
Kreisky anfangs von Personaldiskussionen schon testen, wie die Blätter
über den Mann denken resp. über die ganze Personaländerung. Da ich
die verschlossene Politik Benyas in Personalfragen jetzt seit Jahr-
zehnten beobachten kann und da ich auf der anderen Seite die geschickte,
nach aussen hin wirkende Personalpolitik Kreiskys nicht goutiere, so
habe ich daraus einen einzigen Schluss gezogen, ich frage nicht, ich
diskutiere nicht und halte mich daher aus all diesen Problemen bewusst
heraus.
Bei der ÖDK-Ordensverleihung hatte ich vorher Gelegenheit mit den
neuen Präsidenten LH-Stellvertreter Frühbauer und Hautzenberg zu reden.
Frühbauer beginnt die neue Ära als Aufsichtsratspräsident meiner Meinung
nach ganz richtig. Er hat als der schwarze Direktor Dichtl .........
an sich distanzieren wollte, sofort erklärt, er kann ruhig hier
bleiben, weil er hören soll, wie sich Frühbauer die Arbeit vorstellt.
Vorher hat sich Hautzenberg glaube ich mit Recht beklagt, dass in
den Personalfragen mit Dichtl kaum eine vernünftige Lösung gefunden
werden kann. Immer dann, wenn Techniker gebraucht werden und die ÖDK
ist durch die grossen Baugeschehen jetzt unterbesetzt, verlangt er
für die überbesetzten kaufmännischen Abteilungen auch irgendwelche
Personalzugeständnisse. Frühbauer und ich kamen überein, dass wir die
entsprechenden Fälle sammeln und dann vorgelegt bekommen. In
diesem Fall wird Frühbauer dann als Aufsichtsratspräsident eine ge-
nerelle Entscheidung herbeiführen. Sollte dies auch nichts nützen,
dann wird ganz systematisch auf ein Dirimierungsrecht von Hautzen-
berg hingearbeitet. Frühbauer setzte Dichtl auseinander, er wünscht
in Hinkunft, dass kooperierend zusammengearbeitet wird und wenn
es Streitfragen gibt, dann muss man sie ihm sofort vorlegen, damit er
entscheidet, ob dies im Aufsichtsrat kommt und dort gegebenenfalls
entschieden wird. Dichtl unterstrich, dass er an einer Zusammenarbeit
lebhaftig interessiert ist.
Hautzenberg teilte mir mit, dass sie wegen des Kohlenlieferungsver-
trages mit der GKB nicht weiterkommen. Der Preis mit 112.– ist seiner
Meinung nach noch überhöht, weil 12% Gewinn in diesem Preis von der
GKB kalkuliert sind. Ich verwies darauf, dass bis jetzt alle Kalku-
lationen der GKB nicht gestimmt haben. Immer wieder werden Vorschläge
gemacht, wo die GKB aus der Verlustzone herauskommt und sich dann bei
der Durchführung herausstellt, dass im Gegenteil durch höhere Personal-
kosten und nicht mögliche Reorganisationen dann die GKB in roten Zahlen
endet. Ich stehe daher auf dem Standpunkt, man soll sich jetzt endgültig
über den Kohlenpreis einigen. Die Gleitklausel wird ebenfalls von der
ÖDK nicht akzeptiert. Da sie hier aber kaum einen besseren Vorschlag
machen kann, den die GKB auch noch akzeptieren kann, ersuchte ich eben-
falls man möge jetzt so schnell als möglich zu einem endgültigen
Resultat oder Vertrag kommen. Die Bauarbeiten für Voitsberg III
müssten nämlich jetzt endgültig in Angriff genommen werden. Frühbauer
hat zugegeben, dass es zwar nicht schön ist, aber er zustimmen würde,
wenn heuer im Herbst bereits Bauvorleistungen, wie Kainachtal-Umleitung
erbracht wird, ohne dass ein Baubeschluss jetzt schon gefasst werden
kann. Der Prüfungsausschuss bei der Verbundgesellschaft wird im Herbst
das Projekt einer Prüfung unterziehen können.
ANMERKUNG FÜR TIEBER UND WAIS: Bitte die notwendigen Schlüsse vorberei-
ten resp. urgieren.
Frühbauer erklärte mir dann unter vier Augen, dass Phänomen, welches
ich bei der letzten Aussprache mit den sozialistischen Direktoren
feststellen musste. Frühbauer sagt mit Recht, dass Frank bis jetzt
halt keine Chance gehabt hat, seinen Fähigkeiten und vor allem seinen
Wissen nach sich gegen die Direktoren zu profilieren. Jetzt als
Sektionschef hat er diese Möglichkeit. Früher haben alle ihm mehr
oder minder als einen Wissenschaftler und Techniker behandelt, aber
doch mehr oder minder links liegen lassen. Jetzt hat Frank die Mög-
lichkeit seine Ideen zu verwirklichen und vor allem die schlechtere
Behandlung, die er durch Jahrzehnte ertragen musste zu kompensieren.
Ausserdem war es unter Frühbauer selbstverständlich, dass der damalige
schwarze Sektionschef ganz systematisch ausgeschaltet wurde. Die
Direktoren haben sich deshalb in jeden Fall an ihn gewendet. Der
Sektionsleiter hat dann, wenn er überhaupt irgendwelche andere Ideen
verfolgt hätte, was bei ihm aber nie der Fall war, gegebenenfalls eine
Weisung bekommen. Jetzt müssen die Direktoren zur Kenntnis nehmen,
dass eben ein Sektionschef, der das Vertrauen des Ministers hat,
zwischen ihnen und dem Minister eingeschaltet ist. Hautzenberg teilte
mir mit, dass anschliessend an die Aussprache sie noch weiter über die-
se Probleme gesprochen haben. Er hat den Eindruck und hat dies auch
angeblich auch dort gesagt, dass wäre wie in einer Schule gewesen,
wo man sich beim Direktor über einen Lehrer beklagt hätte.
ANMERKUNG FÜR TIEBER UND WAIS: Wir müssen über das ganze Problem
eingehend beraten und dann eine Aussprache mit Frank herbeiführen.