Samstag, der 19. Juni 1976

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Samstag, 19.6.1976

In der Sozialakademie habe ich trotzdem meine Stimme nicht gerade
sehr hervorragend war, doch das geplante Pensum vortragen können und
wir haben auch eingehend über Probleme diskutiert. Durch reinen
Zufall war, oder vielleicht war es gar nicht so ein Zufall, auch der
Leiter der Sozialakademie Klimpt anwesend. Er hat nächste Woche vor
den Landwirtschaftslehrern in Tirol einen Vortrag zu halten. Er war
deshalb an die Informationen über die Agrarpolitik und überhaupt
aktuell politische Probleme sehr interessiert. Er hat zwar die Hörer
alle aufgefordert sie sollen sich entsprechende Aufzeichnungen machen,
was nur teilweise von diesen geschehen ist. Er selbst aber hat, wie
er mir zum Schluss sagt, über 20 Seiten sich notiert, die er in Tirol
bei der Diskussion mit Landwirtschaftslehrern aus ganz Österreich
dringendst gebrauchen wird.

Ich besichtigte bei der Gelegenheit auch gleich das neue Schulungshaus
und das neue Unterkunftshaus für die beiden in Hinkunft dort ansässigen
Akademien. Auf der einen Seite wird die Sozialakademie wie bisher
weitergeführt, auf der anderen Seite kommt aber jetzt ein laufender
Kurs, genannt Mitbestimmung, wo die Betriebsräte, die bereits in
Aktiengesellschaften im Aufsichtsrat sitzen, oder die einmal eine
Chance haben dort hineinzukommen, in Mitbestimmungsfragen geschult
werden sollen. Klimpt sagt mit Recht, da wird es grosse Schwierigkeiten
mit der Freistellung geben. Wenn ein Betriebsrat bereits in einem
Aufsichtsrat sitzt, dann wird er kaum durch Monate hindurch abwesend
sein können. Der, der noch nicht drinnen sitzt und gerne hinein
möchte, wird sich zu den Kurs melden in der Hoffnung dann sobald als
möglich in einen Aufsichtsrat berufen zu werden. Zusammenfassung
mehrerer Kurse in ein Heim ist auch problematisch. Klimpt scheidet aber
nächstes Jahr vollkommen aus und die Sozialakademie wird Dozent
Weissel übernehmen. Weissel ist der Sohn des justifizierten Feuerwehr-
hauptmanns vom 34-er Jahr und ich kenne ihm seit der zweiten
Republik. Kennengelernt habe ich ihm durch Afritsch, der sich na-
türlich um den damaligen ganz jungen Burschen sehr angenommen hat.
Afritsch war ja in der ersten Republik schon Funktionär, hat dann aber
in der illegalen Zeit als Verbindungsmann zu den Quäkern und zu allen
Hilfsorganisationen gigantisches geleistet. Selbstverständlich hat
er sich daher um den damaligen Buben Weissel ganz besonders ange-
nommen. Weissel hat sein Studium absolviert, ist dann durch mein Zutun


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in die Arbeiterkammer gekommen und hat sich hier als der Theore-
tiker bestens profiliert. Sein Ziel war und er hat es auch erreicht,
auf der Universität entsprechend vertragen zu können. Leider war es
bis jetzt nicht möglich ihm eine Professur zu verschaffen. Weissel wird,
und das ist das Erfreuliche, die Sozialakademie, die er selbst auch
lange Jahre schon als Dozent vortragend genau kennt, sicher als
theoretische Bildungsstätte gut führen. Klimpt hat nur Angst, dass es
sehr in die Theorie abweichen wird. Klimpt bedauert jetzt schon, dass
so wenig aus der praktischen Wirtschaftspolitik vorgetragen wird.
Klimpt fürchtet scheinbar auch, dass ich ihm in Stich lassen werde.
Genau das Gegenteil ist aber der Fall. Wenn Weissel will, werde ich
selbstverständlich so wie bisher meine Stunden, zweimal 4 Stunden,
womöglich an Samstagen, ohne weiteres fortsetzen.

ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte für das nächste Jahr vorfühlen, ob es
dabei bleibt.

Der Neubau, den ich auch besichtigte, hat mich nur wieder in meiner
Meinung bestätigt, dass der Architekt-seinen Namen vergesse ich immer
wieder- scheinbar ist er mir wirklich in seiner Leistung so unbedeutend,
dass er mir entfällt, genau wie in Vöslau auch jetzt in Mödling seine
Konstruktion dorthin stellt. Um es architektonisch anders zu gestalten
war es ein normales Haus, entstehen bei ihm immer schreckliche
Winkelwerke Ungeheuer viel Kubatur wird verbaut und die Nutzfläche
ist im Verhältnis zur Gesamtbauleistung sehr gering. Aus mir uner-
klärlichen Gründen wird jetzt das alte Schulungshaus und die alte
Verwaltervilla in den Bau einbezogen, was eine scheussliche Archi-
tektonik ergibt und das einigermassen neu errichtete Wohnhaus mit dem
Küchentrakt wird ganz einfach weggerissen. Ich kenne natürlich nicht
die Details, ich weiss nicht die Auflagen der Gemeinde usw. Eines
nur möchte ich zum Schluss schon sagen – blöder gehts wirklich nicht.

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Tagesprogramm, 19.6.1976


Tätigkeit: wirtsch.wiss. Abt. AK Wien, VWL-Doz. AK-Sozialakad., Doz. f. Sozialpol. Uni Wien
GND ID: 122269667


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    Tätigkeit: AK


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      Tätigkeit: ehem. Innenmin., SPÖ


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        Tätigkeit: Verbund, Prokurist Dampfkraftwerk Korneuburg, Vorstand DoKW


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