Montag, 16. Feber 1976
Beim Jour fixe griff ich die Handelskammer an, dass sie zulässt
den Besuch der rumänischen Wirtschaftsdelegation zu Verhandlungen
mit der ÖVP. Fragte an, ob dies eine neue Politik sei, dass nicht
nur die Handelskammer oder das Handelsministerium den Aussenhandel
mit Rumänien abwickelt, sondern die Österreichische Volkspartei.
Sallinger und Mussil erklärten sofort, dass sie davon nichts
gewusst hätten und dass es sich hier nur um eine Aktion der Kronen-
Zeitung handelt. Gnam hat als erstes berichtet und etwas aufbauscht was gar nichts ist. Sallinger erklärte,, dass die Einladung
an Rumänien auf einem Gesuch der Österreichischen Volkspartei
unter Schleinzer und Kohlmaier noch zurückging. Sallinger und Mussil
telefonierten deshalb auch mit Taus und dann mit dem Pressesprecher
Buxkandl und ersuchten, dass man die Delegation auf gar keinen
Fall als eine mit Wirtschaftsproblemen und gar vielleicht zu Ver-
handlungen nach Wien eingeladen, sondern eben um eine Tour
d'Horizon, wie es bei solchen Delegationen üblich ist. Damit
hoffte Sallinger und Mussil auf die Intervention des Aussen-
ministers, der bei mir anfragte wie so etwas überhaupt zustande
kommt und möglich ist, befriedigt zu haben.
Sallinger erwähnte einen Brief den Fälbl an die Handelskammer
schrieb, wo er sich über die CSSR-Verhandlungen und die Stellungnahme
des Handelskammer-Vertreters Schwarz beschwerte. Die Handelskammer
steht hinter Schwarz und wird mir diesbezüglich ein Schreiben
schicken, dass er nur nach den Intentionen und Aufträgen der
Handelskammer gehandelt hat. Ich kenne den Brief nicht und weiss
nicht warum Fälbl ohne mir davon auch nur ein Wort zu sagen,
ein solches Schreiben geschickt hat. Er musste rechnen, dass die
Handelskammer auf alle Fälle bei mir diesbezüglich interveniert.
ANMERKUNG FÜR TIEBER: Bitte kläre was Fälbl mit dem Schreiben
beabsichtigte, und warum er es uns nicht sagte.
Sallinger hat wegen der Interkalarfrist für den Kommerzialrats-
antrag Berger aus Kitzbühel und Zach aus Innsbruck mit dem Bundes-
präsidenten gesprochen und dieser ist bereit, obwohl noch 2 - 3
Jahre fehlen, auf diese zu verzichten.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte die Anträge durch Ottahal weiter-
leiten lassen.
Mussil ersuchte mich, ich solle darauf Einfluss nehmen,
dass im Preisunterausschuss doch der Semmelpreis erhöht wird.
Ich erklärte mich dazu ausser Stande, da ja seinerzeit mit
Zustimmung der Handelskammer eine Zug-um-Zug-Regelung ohne
den Semmelpreis vereinbart wurde. Die Handelskammer hat jetzt
auch mit der Landwirtschaft grosse Schwierigkeiten und zwar ist
diese nicht bereit, wenn sie nicht eine Getreidepreiserhöhung
bekommt, z.B. der Metallarbeiter um Erhöhung bedingten Preis-
erhöhungen zuzustimmen. Mein Hinweis, dass bei Getreide jetzt
versucht wird, eine Kostenentlastung durch Dünger- und sonstige
Preissenkungen für dieses Jahr auszusetzen, ist nach Meinung
Sallingers und vor allem einmal Mussils vollkommen unbefriedigend.
Mussil sieht sogar darin dieselbe Taktik, die die Bauern jetzt
haben, wenn sie in dem Preisunterausschuss und in der Paritätischen
Kommission keinen Preiserhöhungen zustimmt und ich sogar auf der
anderen Seite Preissenkungen für Produktionsmittel wahrscheinlich
auch bei de Maschinen erreichen will und vielleicht erreiche,
ein gemeinsames Vorgehen gegen die Interessen des Handels und
der Industrie.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte versuche doch dann auch mit der Land-
wirtschaftskammer schön langsam Kontakt wegen der Preissenkungen
aufzunehmen, ohne natürlich Konkretes zu sagen.
Als ich im Vorzimmer bemerkte, nützte ich die Gelegenheit, um
die Handelskammer aufmerksam zu machen, dass sie immer gegen die
Belastung der Unternehmer protestiert und dann der ÖAAB wesentlich
höher lizitiert als überhaupt erträglich ist. Der Pflege-Urlaub
6 Tage pro Jahr, der heuer noch eingeführt werden soll, und dann
der 4 Wochen Mindesturlaub im nächsten Jahr wird von der Handels-
kammer – und da muss ich zugeben, dass sich die Handelskammer gegen
alle Urlaubsänderungsvorschläge gestellt hat – auch abgelehnt.
Natürlich gibt Mussil sofort zu, dass der Vorschlag Häuser wesentlich
vernünftiger ist und wenn überhaupt maximal dieser von der Handels-
kammer akzeptiert werden könnte. Allerdings nicht in dem Zeit-
plan, wie Häuser vorsieht.
Mussil will meine Stellungnahme für die ERP-Aufstockung wissen.
Ich erkläre ihnen sofort, dass hier die Meinung oft zwischen die
Parteien aber auch innerhalb der Parteien ganz verschieden ist.
Niemand bestreitet, dass es notwendig ist, den ERP-Fonds zu er-
höhen. Auch Mussil gibt das zu, möchte allerdings, dass Mittel
aus dem Budget insoferne genommen werden, als aus dem Kapitalmarkt
die entsprechenden Anleihen durch den Bund erfolgen sollen und dann
durch den Bund die Stützung auf einen 5 %-igen Zins oder bei der
Kohlekredit-Aktion auf einen 1 %-igen Zins Abstützung erfolgen müssten.
Mussil lehnt ab, dass der ERP-Fonds emittierte Anleihen gibt, ebenso
lehnt er ab, das andere System. Hier würde die ÖNB Kassenscheine mit
10 Jahre Laufzeit durch den Kreditapparat aufnehmen lassen, dieser
dem ERP-Fonds zur Verfügung stehen, mit einer Rediskontzusage durch
die ÖNB. Auch dies erscheint ihm schon höchst fraglich, da die ÖNB
nach seiner Auffassung nur die Aufgabe hat, die Währung abzusichern
und keinesfalls eine Industriepolitik durch Aufstockung des ERP-Fonds
oder gar durch Mittel-Bereitstellung durch den Bund betreiben dürfe.
Sallinger und Mussil geben zu, dass es für sie viel schwieriger
wäre, wenn mein System vom Finanzminister angewendet wird, nämlich, da
er mit ihnen gemeinsam die Angelegenheit bespricht um dann eine Lösung
zu finden, der sie ja im Interesse der Industrie und des wirtschaftli-
chen Aufschwunges zustimmen müssten. Den beiden ist deutlich sichtbar
auf der einen Seite unangenehm, dass sie Androsch vollkommen links
liegen lässt und auf der anderen Seite aber auch dadurch aus der
Verantwortung herauslässt, die sie bei meinem System durch Zustimmung
mittragen müssten. Ich erklärte nämlich, einleitend gleich, ob die
Handelskammer tatsächlich der Meinung ist, es wäre richtig, ERP-
Mittel nicht aufzustocken und damit die notwendigen Finanzierungsmitte
für die Privatwirtschaft zu verweigern.
Zum Energiesicherungsgesetz haben wir eine längere Diskussion und
Mussil erklärt sich letzten Endes bereit, in seinem Klub dafür zu
sorgen, dass die Lagergesetzvorschläge, wie sie die Experten jetzt
ausgearbeitet haben, angenommen werde. Er verlangt bezüglich der
Preisbestimmung nur eine einzige Ergänzung, dass dargelegt wird,
die Einlagerungstarife und die Ersatzzahlung dürfe nicht höhere sein
als in den Derivat-Preisen für die Bevorratung einkalkuliert wurde.
Er verzichtet auf eine Determinierung der Kosten dieser Einlagerung.
Mussil möchte dann eine Zustimmung von mir, dass die
restlichen Bestimmungen insbesondere über die Lenkung in das
Rohstofflenkungsgesetz und das Lastverteilergesetz aufgenommen
werden. Da mache ich keine Zusage sondern erkläre nur, ich bin bereit,
wenn die ÖVP verlangt, dass wir den ersten Teil des Energiesicherungs-
gesetzes jetzt endgültig dann im Unterausschuss beschliessen, den
zweiten Teil nämlich Lenkung usw. weiter zu verhandeln. Ich bin mir
auch vollkommen klar darüber, dass dies wahrscheinlich dann im Roh-
stofflenkungs- und Lastverteilergesetz landen wird, ohne eine dies-
bezügliche Zusage gemacht zu haben. Mussil verlangt dann auch noch,
dass gleichzeitig mit dem Lagergesetz im Energiesicherungsgesetz die
steuerliche Neutralisierung und die Bundeshaftung im Finanzausschuss
für das Abgabenänderungsgesetz vorbereitet gehört. Diesbezüglich wird
er mit dem Finanzministerium eine Besprechung führen.
ANMERKUNG FÜR TIEBER: Frank soll diesbezügliche Besprechungen sofort
mit dem Finanzministerium aufnehmen.
Ich informiere die Handelskammer über meine jetzigen Verhandlungen
mit der Landwirtschaft und den Händlern wegen der Kartoffelpreise
und abgelehnten Einfuhren von Gemüsekonserven für Hofer sowie
der Entliberalisierung von Schmelzkäse. Mussil und Sallinger
sind sehr einverstanden, dass diese Entliberalisierung von Schmelz-
käse nur dann erfolgt, wenn eine Kompensation von Seiten der Land-
wirtschaftskammer geboten wird. Sie sind zwar gegen die Einfuhr von
Schmelzkäse durch Hofer, weil damit auch wirklich der Handel deroutiert
wird, möchten aber keinesfalls wie dies unter Klaus der Fall gewesen
ist, wo für Futtermittellizenzen dann die Amerikaner die Ski-Schuhe in
Amerika dann diskriminiert haben. Damals haben sie sich vergeblich
gegen den Plan der Regierung Klaus gewehrt, die Landwirtschaft kriegt
einen Schutz und die Industrie zahlt die Kosten. Bei dieser Gelegenheit
habe ich Mussil neuerdings darauf aufmerksam gemacht, dass wir mit
Japan nicht mehr eine längere Artikel-XXXV-Regelung anwenden können.
Mussil ist noch immer nicht davon überzeugt, dass man tatsächlich jetzt
den Japanern diese Lösung geben kann.
ANMERKUNG FÜR TIEBER UND WAIS: Die Streichung des Artikel XXXV mit Ja-
pan GATT muss jetzt auch optisch und propagandistisch so vorbereitet
werden, dass die Handelskammer dann nicht uns die Schuld geben kann.
Aussenminister Bielka hat mich ersucht, dass er doch für seine
Reise nach Abu Dhabi die Ermächtigung gerne hätte, den Kooperations-
vertrag zu unterschreiben. Ich habe ihm zugesagt, dass wenn es
möglich ist, im Rahmen einer interministeriellen Kommission noch
im Laufe dieser Woche einen Beschluss zustande zu bringen, dass ich
dann nächste Woche im Ministerrat einen diesbezüglichen Antrag stel-
len werde. Bielka braucht eine Möglichkeit in Abu Dhabi den Leuten
dort zu beweisen, dass Österreich alles sofort daransetzt, um Wünsche
die sie haben, zu erfüllen. Er hofft damit, dass die Vorschläge der
österreichischen Industrie leichter dort unterkommen. Meisl, mit
dem ich vor längerer Zeit darüber sprach, sieht darin ein gefähr-
liches Präjudiz für die Aktivitäten des Aussenministeriums im Ver-
hältnis zum Handelsminister-um. Ich teilte zwar diese Meinung, bin aber
jetzt ehrlich gestanden der Auffassung, dass man Bielka diesen Wunsch
erfüllen sollte.
ANMERKUNG FÜR TIEBER: Bitte veranlasse, dass nach Rücksprache mit
Meisl eine interministerielle Kommission einberufen wird.
Beim Journalistenfrühstück wurde die Ausdehnung der Komfortzimmer-
aktion auch auf die Kücheneinheiten natürlich zum Anlass genommen,
zu fragen, was wir eigentlich bereit sind, für den Fremdenverkehr
heuer budgetmässig aufzuwenden und wie die weiteren Ergänzungen und
Wünsche der Handelskammer auf Erhöhungen von Grenzbeträgen beurteilt
werden. Ich verwies sofort und weiss, dass dies Min.Rat Würzl
gar nicht passt, eine Erhöhung nicht in Frage kommt. Durch den
Andrang von Ansuchen in einem Ausmass, wie sie gar niemand er-
wartet hat, wird es der grössten Anstrengungen bedürfen, die not-
wendigen Mittel aus dem Budget bereitzustellen, so dass eine weitere
Erhöhung von Grenzbeträgen oder Aufstockung nicht in Frage kommt.
Hier darf ich nicht nur allein das Jahr 1976 sehen, so durch die
jetzige Begutachtung dieser Komfortzimmer-Aktion-Ausdehnung und
dann erst richtig im Anlauf im Herbst dieses Jahres nichts passieren
kann. Ich muss auch auf die nächsten Jahre denken und hier werde ich
kaum grössere Mittel vom Finanzministerium bekommen.
Beim zweiten Tagesordnungspunkt: einfachgesetzliche Preisregelung
habe ich einleitend darauf verwiesen, dass hier nicht ein
Gesetz vorgelegt wird, das die Verfassung biegt, wie dies die
ÖVP gerne darstellen möchte, sondern nur in der verfassungsrecht-
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lichen Verschiebung der Kompetenzen in der wirtschaftlichen Ent-
wicklung Rechnung getragen wird. Anschliesend habe ich dann Tieber
neuerdings ersucht, wir müssten einen Arbeitstitel für dieses einfach-
gesetzliche Preisgesetz finden, den ansonsten wird sich der Negativ-
Begriff "Ersatzlösung" überall einprägen.
ANMERKUNG AN ALLE: Wer weiss die beste Bezeichnung?
Präs. Leberl erklärt mir dezidiert, dass wenn sein Vizepräsident
Schebesta 1976 in Pension geht, er sofort innerhalb kürzester Zeit
einen neuen Vizepräsidenten bestellen muss, denn im Gesetz ist vorge-
sehen, dass der Präsident und die zwei Vizepräsidenten mindestens
einen Techniker und einen Juristen beinhalten müsste. Derzeit sind
zwei Techniker und Schebesta der einzige Jurist. Da wir diesen Posten
für Min.Rat Böhm, der aus dem Patentamt kommt, freihalten wollen, wird
es notwendig sein, dass Leberl versucht, Schebesta auf ein Jahr zu
verlängern. Schebesta selbst aber hat durch Krankheit und vor allem
einmal durch Einfluss seiner Frau schon klar und deutlich zu erkennen
gegeben, dass er so schnell wie möglich in Pension gehen wird.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Dieses Personalproblem müssen wir ganz entschieden
zeitgerecht in Angriff nehmen.
Die Aussprache im ÖGB mit Benya, Hofstetter, Schmidt und Tumpel und
Präs. Czettel, Zöllner, Hruby und Maurer brachte nach langer leb-
hafter Diskussion dann das Ergebnis, dass ich doch mit 8 Groschen
versuchen sollte durchzukommen. Wir haben dann Abends mit den soz.
Direktoren Reisinger, Göbel, Wiener Stadtwerke, Horwath, BEWAG und
Pacheiner, KELAG, Bandhauer, Verbund sowie Frank und Burian mit AK
und ÖGB weiter verhandelt. Man einigte sich nach stundenlangen Ver-
handlungen und Diskussion aller Variationsmöglichkeiten auf 11,3 %
was ungefähr den 8 Groschen über dem österr. Durchschnitt entspricht
und der Preisvorbesprechung mit der Handelskammer, der Landwirtschafts-
kammer im Einvernehmen zu erzielen. Ich hatte bereits im Wiener
Vorstand mit Bürgermeister Gratz, Stadtrat Nekula und Mayr versucht,
eine diesbezügliche Einigung, auf dieser 8-Groschen-Basis.
Ich glaube schön langsam sehen alle ein, dass dies das einzige
Kompromiss ist, das ich leicht erzielen kann. Wie es im nächsten Jahr
mit der Endlösung ausschauen wird, bin ich mir derzeit überhaupt noch
nicht klar. Die Schwierigkeiten sind gigantisch. Ich bin fast davon
überzeugt, dass man die Endlösung dann nicht am 1. Jänner wird machen kön-
nen sondern zu einem späteren Zeitpunkt hinausschieben wird.
Da sich die Schwierigkeiten nur noch vergrössern werden. Die Akonto-
lösung war wirklich nicht sehr glücklich. Für mich ist der einzige
Vorteil, dass ich in der Zwischenzeit die Möglichkeit habe, die Reorga-
nisation der Elektrizitätswirtschaft – Konzentration der Kernkraft-
werke – weiter voranzutreiben. Die EVUs rechnen nämlich damit, dass sie
ansonsten kaum bei der zweiten Etappe eine befriedigende Preiserhöhung be-
kommen werden.
ANMERKUNG FÜR TIEBER: Bitte der Reorganisation auch propagandistisch
grösstes Augenmerk zuwenden.
Im Wiener Vorstand wurde von Nittel mitgeteilt, dass 156 Anträge bis
jetzt schon von den Bezirken für den Reform-Parteitag vorliegen. Der
Wiener Vorstand hat ein Referat von ihm über diese Anträge bekommen.
Da mit die Reform wirklich nicht interessierte, habe ich zwischen-
durch die Preisverhandlungen mit den Stadträten geführt.
Von Nittel wurde auch mitgeteilt, dass die Bezirksblätter jetzt doch
endgültig in die Hände der ÖVP übergeben werden. Birkfellner, der
Eigentümer, ein Genosse glaube ich sogar, hat jetzt 800.000 S Steuer
bezahlt, sodass anzunehmen ist, er hat einen Finanzier gefunden.
Bis jetzt hat er nur von den Annoncen mehr schlecht als recht existie-
ren können. Sollte die ÖVP die Blätter erwerben wird selbstverständlich so-
fort jedwede Aktivität auch die Seite der Vorsteher dort aufgelassen.
Nittel berichtete auch, dass mit dem Wir und dem Profil noch immer
die Beschuldigung, dass der Bauring 67 Mill. Provision irgendwohin
gezahlt hat und gleichzeitig dann die neue Zeitung eingestellt wurde
und damit das Defizit gezahlt werden sollte, ein Rechtsstreit sich ent-
wickelt. Nittel erklärt neuerdings und dezidiert, dass die Partei keiner-
lei Provisionen vom Bauring bekommen hat. Slavik hat jetzt die Aus-
kunft gegeben, dass das Startkapital 20 Mill. betragen hat und sehr
bald verbraucht war, so dass mit Dezember 2970 die Zeitung eingestellt
werden musste. Die Provision wurde aber erst im Juli 1971 vom Bauring irgend-
wohin bezahlt. Temptel, ein Redakteur, der früher bei der Presse war,
dann von Slavik für die U-Bahn-Propaganda zur Gemeinde genommen wurde
und jetzt in der Handelskammer tätig ist, soll erklärt haben, es gäbe
zwei Geheimkonten über diese 67 Mill. Nittel erklärt dezidiert, dass
er davon nichts weiss. Die Neue Zeitung hätte nur Inserate vom Bauring
bekommen so wie auch von anderen befreundeten Organisationen und hier
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könne man das genau feststellen, wieviel dadurch vom Bauring an die
Neue Zeitung wenn man so sagen will Geld geflossen ist. Das ist aber
etwas was auch andere Firmen getan haben, weder verboten noch besonders
zu tarnen, weil Inserate bekanntlicherweise jederzeit erkenntlich sind,
wer sie aufgibt und was sie kosten.
Der Verband soz. Studenten bekommt ein neues Lokal am Amerling-Platz, wo
die Partei allerdings als Mieter auftreten wird, da auch in der Werder-
torgasse des öfteren die Miete vom VSStÖ schuldig geblieben ist. eine
Renovierung dort kommt nicht in Frage, weil das 1 Mill. S kosten würde.
Ausserdem wird der Verband soz. Studenten jetzt einen Angestellten
dem man 1.000 S pro Monat brutto bezahlen wird, von dem die Wiener
Organisation ein Drittel, d.h. 3.000 S übernehmen wird. Dazu kommt
eine weitere Subvention von 3.500 S durch die Wiener und 3.500 S
durch die Zentralpartei. Ich hoffe, dass es der Partei gelingt, den
Verband soz. Studenten stärker an die Organisation zu binden. Bei
aller geistigen Freiheit und ideologischem Linkstümlertum des
Verbandes gegen den ich gar nichts einzuwenden habe, wird es primär
notwendig sein, Kontakte mit den Leuten dort mehr zu halten als dies
in der Vergangenheit der Fall gewesen ist. Immer und das war schon
zur Zeit da ich noch Obmann ganz kurz der soz. Studenten war, hat
es natürlich innerhalb dieser Organisation besondere ideologische
Kämpfe und Abgrenzungen gegen die, wie man sich auch damals ausdrückte
rechtsgerichtete lahme sozialistische Partei gegeben. Dagegen ist
gar nichts einzuwenden, wenn die Diskussion innerhalb unserer Partei
durchgeführt wird.
ANMERKUNG FÜR TIEBER: Wieweit kann man hier durch befreundete der Linken
wie Du und Fischer ein besseres Verhältnis herstellen?
Gemeinderat Sevcik von der Landstrasse wurde von Nittel als Bundes-
sekretär der Volkshilfe dem Vorstand mitgeteilt und damit der Streit mit
dem Sozialbau als beendet erklärt. Ich habe Nittel gesagt, dass diese
Lösung auch vom Standpunkt der Landstrasse aber auch vom Standpunkt
Sevciks die beste ist, die er finden konnte.
Im Wiener Ausschuss hat dann ausser über das Referat Anträge zum
Parteitag auch durch Czettel als neuer Präsident seine Politik
erörtert. Er meinte mit Recht, man solle nicht erwarten, dass
ein neuer Präsident sofort alles ändert, weil sonst hiesse es, der
andere habe es falsch gemacht. Er aber hat sich vorgenommen, Schritt
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für Schritt erst einmal das Verhältnis zur Wiener Organisation
und zur Gemeinde zu verbessern. Zu diesem Zweck hat er ein
kommunalpolitisches Referat geschaffen. In der Plösslgasse soll
auch ein kulturelles Zentrum entstehen. In jeder Arbeiterkammer
wo heute eine Jugendschutzstelle ist, soll in den Bezirken eine
Informationsstelle geschaffen werden. Czettel hat eine gute Ab-
sicht und ich hoffe, dass ihm alles gelingt. Was nur Edlinger
der neben mir sitzt im Ausschuss befürchtete, war, dass jetzt die
sogenannten Linken innerhalb der Arbeiterkammer sehr wohl und in
starkem Ausmass den kommunalpolitischen Stellen Vorschläge machen
werden, die kaum akzeptabel sein werden. Wie Edlinger sich
ausdrückte, ist die "linke Blase in der Arbeiterkammer" heute schon
scheinbar für die Gemeindeverwaltung sehr suspekt.
Bei der Feier im Konzerthaus, der 300.000-ste Organisierte in der
Gewerkschaft der Privatangestellten hat Dallinger ein sehr geschicktes
Referat gehalten. Er hatte sich jeden Satz überlegt, allerdings
auch aufgesetzt und heruntergelesen, weil er gerade die Stellungnahme
der Gewerkschaft der Privatangestellten vor diesem Forum aber auch
vor den 15 anderen Delegierten der Brudergewerkschaften und ganz
besonders vor dem Präsident Benya des ÖGB darlegen wollte. Er
meinte, die Selbstständigkeit der Privatangestellten müsste unter
allem Umständen gewahrt werden, aber sie seien bereit, in Solida-
rität mit den anderen Pläne in Angriff zu nehmen und zu lösen.
Benya, der nach ihm kam, hat dann auf die Entwicklung der Privatangestell-
ten verwiesen, die aus verschiedensten Gruppen zersplittert um die
Jahrhundertwende entstanden sind. Natürlich kam Benya dann
auf den ersten Kongress des Gewerkschaftsbundes 1949 zu sprechen, wo
Böhm damals und ich erinnere mich noch einigermassen daran, das
Problem Industriegruppen-Organistionen, wie es die Arbeiter-
gewerkschaften teilweise ja ich kann sagen zum grössten Teil verlangten
und wie die Angestelltengewerkschaft das damals schon mit aller Vehemenz
ablehnte, diskutiert wurde. Damals konnte keine Lösung gefunden
werden und heute – 30 Jahre danach – ist auch noch keine. Mit diesem
Problem wird der Gewerkschaftsbund nicht zerbrechen, die Spannungen
aber innerhalb der Gewerkschaften werden immer grösser. Die Entwicklung
ist einmal so, dass jeder Betrieb versucht, die für ihn beste Lösung
ohne Rücksicht auf die gewerkschaftlichen Probleme, die daraus entstehen,
zu finden. Bei uns ist es momentan die Konsumgenossenschaft Wien,
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bei den Metallarbeitern ist nach Eumig die bereits alle
Arbeiter in den Angestelltenstand erhoben haben, diese Tendenz
in anderen Betrieben festzustellen. Die Privatangestellten er-
klären nun mit Recht, sie können zwar nicht verhindern, dass
die Betriebe solche Beschlüsse fassen, wollen aber nur die
Angestellten betreuen, die wirklich Angestelltentätigkeit aus-
üben. Dadurch würde so eine Kollektivvertragsaktivität der Arbei-
tergewerkschaften selbst der Nur-Angestellten-Betriebe notwendig
sein. Wie allerdings die Abgrenzung arbeitsrechtlich erfolgt,
ist heute noch immer nicht gelöst. Sicher ist, dass der Zug
der Beschäftigten zum Angestellten nach wie vor nicht nur vorhanden
ist sondern sogar immer stärker wird. Mehr soziale Sicherheit
höheres soziales Ansehen als Angestellter veranlasst oft Arbeiter
selbst Lohneinbussen in Kauf zu nehmen. Wie dieses Problem gelöst
wird, ist mir derzeit noch vollkommen schleierhaft. Dass Benya
dieses Problem lösen muss, ist ihm vollkommen klar. Dass anderer-
seits die Arbeitergewerkschaften ständig schwächer werden, steht
auch fest. Dass die Privatangestelltengewerkschaft als grösste
Gewerkschaft und dann wenn man will sofort die öffentlich Be-
diensteten kommen, wenn man sie als einen Block betrachtet, ja
sogar noch stärker sind als die Privatangestellten, erleichtert
diese Frage auch nicht.
Tagesprogramm, 16.2.1976
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)