Mittwoch, der 15. Oktober 1975

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Mittwoch, 15. Oktober 1975

Die Kronen-Zeitung bringt eine Karikatur von mir, wo ich
vorher bei den Wahlveranstaltungen versprochen habe, daß der
Ölpreis nicht erhöht wird und nachher sieht man wie ein Ölfaß
über mich drüberrollt mit einer 20 %-igen Preiserhöhung. Unter
dem ersten Bild steht versprochen, dann kommen ...unter dem
zweiten Bild, gehalten. Der Text ist wesentlich milder und
schildert den Tatbestand, daß ich mich nicht durchsetzen konnte.
Die Karikatur würde mich weniger stören als wie die Unterschrift,
wo ich als unglaubwürdig und als erster, unmittelbar nach der
Wahl, eben Wahlversprechen breche, die härteste Kritik, die je-
mals an mir geübt wurde und die wirklich ungerecht ist. Ich habe
bei den Wahlen niemals versprochen, daß der Ölpreis nie erhöht
wird, sondern daß ich mich nur einsetzen werde sowie bisher den
Heizöl-Extraleicht-Preis so wenig wie möglich erhöhen. Auch
Heindl ist wegen dieser Kritik sehr erschüttert. Alle wissen wir,
daß dies der schwerste Vorwurf ist, der mir gemacht werden kann.
Bis jetzt galt ich als glaubwürdig, da ich mit Aussagen und insbes.
Versprechungen sehr vorsichtig gewesen bin und sie bis jetzt tat-
sächlich immer halten konnte. Die neue Periode beginnt hier wirk-
lich auf diesem Gebiet sehr sehr schlecht. Zuerst meint Heindl
und auch die anderen Kollegen, ich sollte doch den Ölgesellschaften
einen tieferen Heizöl-Extraleicht-Preis im Preisverfahren dik-
tieren, dieser Meinung ist auch ganz besonders die Arbeiterkammer,
Zöllner, greift mit Blaha nicht nur die Ölgesellschaften an, sondern
wie er mir dann sagt, auch das Handelsministerium. Ich weiß nicht
ob es mir geglückt ist ihn zu überzeugen, daß es bei einer zu-
künftigen Preiserhöhung wo die Ölgesellschaften einen höheren Preis
als 3 Schilling verlangen werden, sehr zweckmäßig ist. Die Argumente
die Zöllner bringt, daß in der Schweiz und in Deutschland das Heiz-
öl, extra leicht bedeutend billiger ist, stimmen nicht. Unterberg
ist imstande nach Rücksprache mit unserer Botschaft in Bonn und
Bern Ziffer zu liefern, die dies klar und deutlich zeigen, dabei
haben die Schweiz gar keine Steuer und Deutschland 6 Groschen
Mineralölsteuer zum Unterschied mit Österreich mit 48 Groschen
in diesem Preis. Heindl erzählt mir am Abend als ich mit ihm dann
die Eröffnung von Kargls neuen Werbebüro besuche, daß Wailand von
der Kronen-Zeitung ihm auch auseinandersetzte, man sollte momentan


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gar nichts machen. Wailand ist, und das glaube ich, über die
Karikatur sehr erschüttert, weil nach Meinung von ihm sie
absolut daneben geht. Alle geben jetzt zu, daß mir unrecht
geschehen ist, alle teilen meinen Standpunkt, man kann in
Wirklichkeit gar nichts dagegen unternehmen.

GD Mieling von Shell kommt mit dem Managing Director Pocock,
Mieling hat zu seiner Reputation mir immer ihre Shell-Direktoren,
die neu im Amt sind, vorgestellt. Bei Shell herrscht eine sehr
starke Rotation, dies erinnert mich ein wenig an das jugoslawische
Prinzip, auch dort wird rotiert, aber aus anderen Gründen. Bei
Shell hofft man, daß wenn einer die verschiedensten Posten kennen-
lernt, er Erfahrung sammelt, und man auch ihn in den verschiedensten
Ländern und Stellungen kennenlernt, dadurch wird die Beförderung
und insbes. die Spitzenstellung weitestgehend von der Tüchtigkeit,
die jeder kennt, beeinflußt. In Jugoslawien geschieht ja die
Rotation damit einer nicht zu viel Macht ansammeln kann um einer
Diktatur vorzubeugen. Ich nütze natürlich die Gelegenheit um
Mieling und gleich auch dem Ausländer zu zeigen, wie in Österreich
die Ölindustrie ihre Politik macht und wie dann letzten Endes ich
das Bad ausgießen muß. Dies war bei der Verknappung 1974 genauso
als jetzt bei der Rabattaufhebung. Trotzdem werde ich die koopera-
tive Politik sowohl mit den internationalen als auch mit den natio-
nalen Gesellschaften fortsetzen. Allerdings, wie ich gleichzeitig
ankündige, auch unter Ergänzung der Osthändler und insbesondere
der weißen Tankstellen. Pocock meinte, dadurch sei die österreichi-
sche Versorgung auf viele Quellen aufgebaut, was nur gut sein kann,
genau dies ist auch meine Überlegung und Politik.

Shell hat die Hauptbezüge für Europa in Nigeria, Kuwait und Iran.
Jetzt versuchen sie sich mit Saudi-Arabien zu richten und wollen
eine Gesellschaft 50 zu 50 mit den Saudi-Arabern machen. Es soll
eine Raffinerie mit 12.5 Mio Tonnen errichtet werden. Dort könnte
dann Shell entweder Produkte oder aber auch Rohöl beziehen.

Shell hat genau so Sorgen wo sie die Supergewinne von der RAG
unterbringt. Zu diesem Zweck will sie mit der ÖMV eine gemeinsame
Betriebs- u. Aufsuchungsgesellschaft für Ägypten gründen, ÖMV 65 %
Shell 35 %, dasselbe was also Mobil mit Tunesien macht, macht
Shell mit Ägypten. Es ist noch nicht sicher, ob die ÖMV mit einsteigt


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oder ob Shell sich nicht um einen anderen Partner umsehen
muß.

Am interessantesten sind die Ausführungen, daß Pocock ernstlich
glaubt, daß Shell Austria sich im Kohlengeschäft etablieren kann.
Shell International hat in Indonesien große Kohlenvorkommen für
Japan, in Südafrika hat sie entsprechende neue Kohlenfelder und
will jetzt auch in Polen sich durch entsprechende Kredite und
Aufschließungen Kohlenabsatzmöglichkeiten erschließen. Shell
Austria soll dann diese polnische Kohle in Österreich verkaufen.
Ich erklärte ihm, daß jeder bei uns Kohle einführen kann, daß
aber eingestammte Firmen und ganz besonders ein Fastmonopol der
VÖEST-Alpine-Bezugsgesellschaft mit dem größten Kohlenimport aus
Polen besteht.

Anmerkung für REIM: Bitte diese Entwicklung genau verfolgen und
mit Shell, Mieling, oder seinem Beauftragten diesbezüglich Kontakt
halten.

Die Zuckersitzung, an der Habig, Mauthner, Smolka und der Nachfolger
im Zucker-Evidenzbüro Leyerer sowie Zöllner, Blaha, Bachmayer, Singer
und Reim daran teilnehmen, bringt das von mir angestrebte Kompromiss.
Bezüglich der Exporte von 30.000 Tonnen herrscht Einverständnis,
ebenso sind wir uns einig, daß dieser Zuckerexport nicht mit den
Fixkosten belastet wird. Strittig ist nur, daß Zöllner auch wünscht,
die 8 %-ige Gewinnspanne gestrichen, wenn der Weltmarktpreis über-
haupt eine solche zuläßt. Ich glaube es handelt sich hier um einen
Streit um des Kaisers Bart, denn es wird nicht bei die 30.000 t
Export bleiben, wir werden mehr exportieren müssen, die Preise
werden weiterhin sinken, so daß auch dann, wenn die Zuckerindustrie
es will, gar nicht genug übrig bleibt. Für heuer hat die Zucker-
industrie sich verpflichtet, auch für Exportzucker den vollen Rüben-
preis zu bezahlen, dieser wird 54 Groschen betragen wodurch die
Zuckerindustrie auf alle Fälle wahrscheinlich bei 60.–70.000 to
Export nicht einmal die variablen Kosten ohne Gewinn gedeckt haben
wird. Singer wird für Montag einen Bescheid mit den einzelnen
Interessensvertretungen besprechen und rausgeben. Als Formalist
fragt er sofort ob das das letzte Mal auch die Preiskommission
passierte, was niemand genau wußte, allerdings viele vermuteten.
Wir entschließen uns, daß auf alle Fälle die Preiskommission ge-
fragt wird. Ich bin überzeugt, daß dort kein Widerstand sein wird.



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Die Zuckerindustrie wird dort auf ihren formellen
8 %-igen Gewinn beharren und die Arbeiterkammer wird sich
dagegen aussprechen. Beide Standpunkte werden im Protokoll
verankert, die Auseinandersetzung über diesen Punkt werden
nicht erst nach den Exporten durchgeführt werden, wo man dann
erst weiß, was der Erlös wirklich ist, sondern eigentlich erst
bei der nächsten Preisfestsetzung, dies wird garantiert nicht
vor der neuen Ernte 1976, 1977 sein.

Dr. Zluwa ist einverstanden, mit der Stellvertretung von der
Sektion VI, Rechtsabteilung, Schmidt-Vertretung zu sein. Er will
von mir nur die Zusicherung, daß wenn Schmidt in 2 Jahren in
Pension geht, er dann als Abteilungsleiter nachfolgt. Ich ver-
spreche ihm, daß ich mich dafür einsetzen werde. Der Posten
muß ausgeschrieben werden, Zluwa wird sicherlich der beste
Kandidat sein, die einzige Schwierigkeit die er sieht, daß er
dann erst Oberkommissär ist. Gehart beruhigt ihn insofern, als
auch er erst diesen Dienstgrad hatte, als ich ihm zu Abteilungs-
leiter 1970 ernannte. Damals gab ich allerdings zu bedenken, war
es insofern leichter als ich nicht ausschreiben mußte.

Bei der Diskussion teilt mir Gehart gleich mit, daß ihm Böhm
berichtete, die Personalvertretung wird Engelmayer und Herold
in die Ausschreibekommission senden. Böhm erwartet, daß auch er
von mir dorthin delegiert wird. Ich erkläre gleich dezidiert, daß
dies überhaupt nicht in Frage kommt, sondern zwei Sektionschefs
dafür von mir vorgesehen sind, was Gehart ja wußte und sicherlich
Böhm auch nicht die Spur einer Hoffnung gemacht hat. Böhm wird,
fürchte ich, sehr enttäuscht sein, doch ich ihm in diesem Fall
wirklich nicht helfen. Die Personalpolitik in diesem Haus bis
1970 hat mir klar und deutlich gezeigt, daß man nicht nur Partei-
freunde in Positionen gebracht hat sondern daß man nicht einmal
bestrebt war, die tüchtigsten Leute in diese Positionen zu bringen.
Ich habe volles Verständnis, daß man in der Personalpolitik auch
Parteipolitik macht, gar kein Verständnis aber habe ich dafür, wenn
man die Parteipolitik so übertreibt, daß man nicht einmal dann mehr
schaut, ob wirklich dies der beste Mann ist, den man zur Verfügung
hat. In der Ausschreibungskommission muß deshalb für mich die
Gewähr gegeben sein, daß ausschließlich nach sachlichen Gesichts-
punkten vorgegangen wird.



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Wiesinger erzählt mir am Abend beim Nachhausefahren, daß
einige wegen der Ölpreiserhöhung angerufen haben. Sie selbst
versuchte, wie natürlich auch das ganze Büro, den Leuten die
Situation zu erklären, unter anderem wollte ein Pensionist,
der eine ganze Gruppe vertritt, mit mir reden. Das Gespräch
ist leider nicht zustande gekommen. Ich glaube, daß ich in
Hinkunft, wenn irgendjemand in einer Frage, die durch die
Zeitungen oder durch die Ereignisse hochgespielt ist, wie z.B.
diese Ölpreiserhöhung jetzt, mit mir sprechen will, unbedingt
ein Weg gefunden werden muß, daß ich dieses Gespräch auch tat-
sächlich bekomme.

Anmerkung an ALLE: Wenn es nicht gelingt die Leute zu beruhigen,
dann bitte auf alle Fälle mit mir verbinden.

In der Betriebsrätekonferenz der Soz. Gewerkschafter der Land-
straße konnte ich mich bei den Funktionären für ihren Einsatz
sehr herzlichst bedanken. Auf der Landstraße haben wir ein sehr
gutes Verhältnis und eine sehr gute Fraktionsgruppe. Ich erörterte
die politische und insbes. die wirtschaftliche Situation und deren
Aussicht. So lange zwischen Partei und Gewerkschaft, wie bei uns
im 3. Bezirk, aber auch in der Spitze, ein doch so gutes Verhältnis
besteht, ist mir um die Zukunft nicht bange.

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Tagesprogramm, 15.10.1975

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: Personalvertretung HM


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Lebensmittelhändler
    GND ID: 118579304


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: GD Shell


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Personalvertreter HM


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Beamter HM


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Min.Sekr. HM


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: AK


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Beamter HM


                Einträge mit Erwähnung:


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Präs. Verb. d. öst. Zuckerindustrie


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: Wirtschaftsredakteur Kronen-Zeitung


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Beamter HM


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Büro des Bundesministers (Sekretärin)


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: GF Fachhandel Nahrungs- u. Genussmittelindustrie


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: GF Evidenzbüro öst. Zuckerfabriken


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: AK


                                Einträge mit Erwähnung:
                                  Tätigkeit: Personalvertreter HM, Christgewerkschafter, ÖVP-Politiker


                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                                    GND ID: 102318379X


                                    Einträge mit Erwähnung:
                                      Tätigkeit: Beamter HM


                                      Einträge mit Erwähnung: