Dienstag, der 14. Oktober 1975

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Dienstag, 14. Oktober 1975

Da wir eine Stunde zu früh nach Salzburg gekommen waren,
fuhren wir in die Handelskammer wo eine außerordentliche
Vollversammlung stattfand. Dies wußte ich nicht, der Portier
ist ganz schüchtern reingegangen, der Kammer-Amtsdirektor
dann erschienen und mußte mich mehr oder minder einladen daran
teilzunehmen. Der Präsident Haidenthaller ist schwer erkrankt,
weshalb sein Vizekonsul Trost den Vorsitz führte. Sallinger
hielt das Hauptreferat und las eine mit ganz wenigen und
leichten Angriffen gegen die Regierung gehaltene Rede herunter.
Er meinte dann, hätte er gewußt, daß ich komme, wäre die Rede
viel schärfer ausgefallen. Ich bin allerdings überzeugt, daß das
Gegenteil der Fall gewesen wäre.

Der Festakt fand im Kongreßhaus statt. Ich hatte Gott sei Dank
auf der Fahrt hinaus einen Artikel über die Geschichte der Handels-
kammer Salzburgs gelesen, daraus erfuhr ich, daß der erste Handels-
minister Freiherr von Doblhoff sofort eine Handelskammer schon
1848 gründen wollte, durch den Rückschlag der Reaktion aber dann
erst 1850 tatsächlich gegründet wurde. Ich zitierte entsprechende
Stellen, die insbes. die Unterwürfigkeit vom damaligen Kreisamt
Salzburg über das Landespräsidium Linz und ganz besonders gegen-
über das k.u.k. Ministerium betraf.

Der Festredner war LH-Stv. Haslacher, ehemaliger Kammeramtsdirektor
von Salzburg. Ich kannte ihn seit längerer Zeit aus dem Wirtschafts-
und Sozialbeirat. Er war sehr kooperationsfreudig und blitzge-
scheit. Was ich nicht wußte und was mich sehr überraschte, war,
daß er ein blendender Redner ist. Die ganze Festrede hielt er
ohne eine schriftliche Aufzeichnung, nicht einmal Stichwörter
hatte er. Ein blendender Rhetoriker. Wenn der wirklich, was fast
nicht mehr zu verhindern ist, Nachfolger von LH Lechner wird, hat
sein sozialistischer Gegenpart es äußerst schwer. Wenn es aufs
gescheit Reden ankommt, hat er überhaupt keine Chance. Im kleineren
Kreis meinte Steinocher dann beim Mittagessen, wo Haslacher auch
anwesend war, ein Goebblischer Abraham a Sancta Clara. Haslacher
lachte dazu, ich meinte nur, diese Bezeichnung sei sehr ungerecht.



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Ein gewisser Fallenegger, Spediteur, wollte gar nichts anderes
als umständlich mich erklären, daß er einen Kommerzialrat-Titel
braucht weil er jetzt mit den Leuten verhandelt, die alle schon
Prokuristen geworden sind und er nicht nur Fallenegger heißen
kann. Ich verwies ihn selbstverständlich an die Handelskammer,
da ich kein Kontingent mehr habe.

Beim Essen gestand mir auch Sallinger, daß er seinerzeit die
Absicht gehabt hatte, Haslacher als Kammeramtsdirektor in die
Bundeskammer zu bringen. Wenn es für die Salzburger SPÖ eine
Chance geben soll, müßte es wirklich gelingen, ihn nach Wien zu
ziehen. Haslacher, mit dem auch darüber gesprochen habe, lehnte
aber ab, er begründete dies damit, daß zwar Wakolbinger von Kärnten
nach Wien geholt wurde, einen Vertrag hatte, daß er Kammeramts-
direktor wird, und dann letzten Endes dem Mussil vorgesetzt wurde.
Haslacher mußte allerdings zugeben, daß sich Wakolbinger eben nicht
durchsetzen konnte. Bei Haslacher bin ich überzeugt, der würde
sich durchsetzen.

Da ich schon in Kleßheim war, besichtigte ich die Fremdenver-
kehrsschule, was den Direktor Eder und die dortigen Lehrer, aber
auch die Schüler, insbes. die aus fast der ganzen Welt, Unterent-
wicklungsländer bevorzugt kommend, sehr begeistert. Hofrat Eder
teilte mit, daß sie immer nach Wien auf Besuch kommen, dort aber
niemals von einem Ministerium aber jemals empfangen wurden. Ich
versprach sofort, für sie einen kleinen Empfang im Handelsministerium
zu organisieren. Meisl hat übernommen, die Details und den Zeit-
punkt auszuarbeiten.

Anmerkung für GEHART: Bitte mit Meisl und Würzl Besuch vorbereiten.

Konsul Vogel von Borregaard, der Betriebsrat und die Direktoren
erwarteten mich, führten mich durch den Betrieb und diskutierten
dann die offenen Probleme mit mir. Für den 500 Mio Zinsenzuschuß
ist alles o.k. Die Firma, eine österreichische Aktiengesellschaft
nun, die Promessen vorhanden, so daß wir den Zuschuß jetzt ohne-
weiters auf Grund der Richtlinien geben können. Viel interessanter
ist, daß Turnauer sich wegen der Sulfat-Zellstoffproduktion noch
nicht an die Borregaard konkret gewendet hat. Auch die Giro-Zentrale
und die Genossenschaftliche Zentralbank, die dieses Projekt
finanzieren sollen, haben noch keine Verhandlungen mit Borregaard
aufgenommen. Der Vorstand und ganz besonders der Aufsichtsrat ist


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verhandlungsbereit, wartet aber ab, bis die andere Seite
an sie herantritt. Ob Turnauer dies wirklich tut oder sich
vielleicht doch anders überlegt, ist deshalb noch nicht end-
gültig klar. Der Betriebsrat Recheis berichtete, daß in der
Gewerkschaft der Neusiedler Betriebsrat gesagt hat, daß
Turnauer noch nicht endgültig dazu entschlossen ist. Turnauer,
der zur Neusiedler Papierfabrik wie die Jungfrau zum Kind ge-
kommen ist, ersuchte eine Kapitalanlage für seine Supergewinne
bei Stollack, gilt in Papierkreisen eben nicht als gestandener
Papierindustrieller. Außerdem hat er bis jetzt wirklich nur
viel Kapital in die Papierfabriken reingesteckt und Stuppach ge-
schlossen, Schlöglmühl an Ueberreuter verkauft, der jetzt dort
Gewinn herauswirtschaftet. Beim Betriebsbesuch hat der General-
direktor und der Betriebsrat in einer Abteilung wo das Papier
geschnitten und sortiert wird die Arbeiterinnen und Arbeiter zu-
sammengerufen damit ich ein paar Worte an sie richten kann. Ich
war davon sehr überrascht, hatte aber einen guten Aufhänger. Ich
erklärte, daß ich ausdrücklich nach der Wahl komme, damit ja
niemand sagt, ich möchte hier Wahlpropaganda machen, daß aber
der Landeshauptmann jetzt bei der 125-Jahrfeier im Kongreßhaus
erwähnt hat, daß jetzt die Salzach jetzt vom Schmutz Borregaards
befreit werden muß, was man schon lange wollte und versprach, wir
machen es, hat deutliche Zustimmung der Arbeiterinnen und Arbeiter
gefunden.

Anmerkung für REIM: Da jetzt alle Punkte unserer Richtlinien er-
füllt sind, bitte Projekt so schnell als möglich endgültig zur
Unterschrift vorlegen.

Auf der Fahrt erklärte ich Jagoda, der bei der Preisreferenten-
tagung in Hallein bleibt, wir müßten dieses allumfassende Preis-
gesetz zu einem Wettbewerbsgesetz, zumind. der Überschrift nach,
ablösen. Wir hatten auch in unserem Entwurf für den Verkauf unter
den Einstandspreis also für faieren Wettbewerb entsprechende Be-
stimmungen. In-das neue Gesetz sollten wir diese Wettbewerbsbe-
stimmungen mehr herausstreichen, damit die Handelskammer ihm
vielleicht doch zustimmen kann. Vor allem brauchen wir einen
entsprechenden zugkräftigen und nicht mit negativ Image behafteten
Titel. Gesetz für den fairen Wettbewerb ist vielleicht auch schon
abgegriffen und würde dann wahrscheinlich die Rute im Fenster be-
züglich der Preisregelung zu wenig charakterisieren. Hier wäre es


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notwendig, außer der Konzeption, die in Grundzügen ja schon
feststeht, einen wirklich guten Arbeitstitel zu finden.

Anmerkung an ALLE, insbes. KOPPE: Wie können wir dieses schwierige
Problem bis anfangs nächsten Jahres lösen?

Mit Meisl besprach ich die Beschwerden der Textilindustrie, insbes.
Kindermodenerzeuger und schlug vor, daß wir doch noch außer der
Entliberalisierung auf die letzten Endes die ganzen Schwierigkeiten
der Firmen hinauslaufen werden, ein Mittelding zwischen Vidierung
und Entliberalisierung brauchen. Bezüglich der Niedrigstpreisein-
fuhren soll die Schweiz, Belgien, Frankreich ja sogar Norwegen
jetzt ein besseres System des Schutzes haben als wir in Österreich.
Hier müßte man unverzüglich die entsprechenden Informationen ein-
holen.

Anmerkung für WANKE und REIM: Bitte entsprechende Vorarbeiten
schnell weitertreiben.

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Tagesprogramm, 14.10.1975

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Tagesordnung 182. Ministerratssitzung, 14.10.1975


Tätigkeit: MR, Leiter Gruppe FV u. Gewerbeförd. HM


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    Tätigkeit: SChef HM
    GND ID: 12195126X


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      Tätigkeit: Industrieller


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        Tätigkeit: GS-Stv. HK


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          Tätigkeit: Leiter Sekt. III HM


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            Tätigkeit: LH Sbg.


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              Tätigkeit: Beamter HM


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                  Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


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                    Tätigkeit: LH-Stv. Sbg., SPÖ


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                      Tätigkeit: Ministerialrat, Leiter Grundsatzabteilung


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                          Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


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                            Tätigkeit: LH Sbg.


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                              Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


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