Mittwoch, 24. September 1975
Bei der Bürges kam es tatsächlich zu keinerlei Anträgen von Seiten
der Handelskammerseite, wie Mussil es versprochen hatte. Die Be-
fürchtungen von unseren Leuten, dass die ÖVP-Seite dies als Ge-
legenheit nützen wird, um eine Attacke gegen das Handelsministerium
oder die Regierung zu reiten, war daher wirklich unbegründet. Im
Gegenteil, ich finde, dass die Entwicklung der Bürges so günstig ist
für uns, dass wir viel zu wenig Propaganda damit machen. Die An-
träge nehmen ständig zu gegenüber dem Vorjahr und können eigentlich
alle erfüllt werden. Durch das neue Arrangement mit dem Finanzmini-
sterium, wonach nicht mehr die Banken das Geld überwiesen bekommen,
sondern bis zur Auszahlung bei der Bürges verbleibt, gibt schöne
Erträge, die ausschliesslich wieder dem Gewerbebetrieben zugutekommen.
Die 120 Mill. S, die 1975 auf dem Kapitalkonto der Bürges zuwachsen
werden und die 1976 bis 250 Mill. anwachsen, geben eine schöne Geld-
anlage. Die Bürges hat es in Wertpapieren angelegt, 9 % verzinst
aber doch jederzeit wieder einlösbar. 1974 ist dadurch ein Ertrag
von 7 Mill. S erwachsen. Der ebenfalls wieder dem Gewerbe zugute-
kommt. Gehart hat aber vollkommen recht, dass wir eine Lösung mit
dem Finanzministerium gemeinsam finden müssen. Ansonsten be-
steht die grosse Gefahr, dass der Finanzminister früher oder später
die Überweisung einstellt, weil der Bürges-Kapitalstock gross geworden
ist. Die Bürges aber gibt natürlich ständig Zusagen von Zinszuschüssen
z.B. mit Stichtag 19.9. 113 Mill., obwohl sie nur 73,4 Mill. vom
Handelsministerium überwiesen bekommen hat. Im Budget 1975 sind zwar
180 Mill. vorgesehen, durch die kritische Kassenlage aber hat der
Finanzminister nicht den aliquoten Teil bis jetzt überwiesen. Mit
Jahresende wird allerdings erst der gesamte Betrag von 180 Mill. S
fällig.
ANMERKUNG FÜR GEHART: Bitte Besprechung mit Marhold vereinbaren, weil
wir dieses Problem zeitgerecht in Angriff nehmen müssen.
Bei der feierlichen Inbetriebnahme vom Dampfkraftwerk Korneuburg II
sprach vor mir LH Maurer. Er war sehr friedlich, bedankte sich nur,
dass er überhaupt hier Gelegenheit hat zu sprechen und wies beson-
ders auf die Notwendigkeit der Energiesicherung und Vorratshaltung hin.
Dies gab mir die Möglichkeit zu sagen, dass bei allen Kraftwerken,
die vom Bund d.h. über die Verbund oder die Sondergesellschaften
eröffnet werden, die LH immer Gelegenheit haben, zu sprechen.
Die, die Inside-Verhältnisse kennen, wussten, dass ich darauf Bezug
genommen habe, dass die NEWAG bei der Eröffnung des Theiss-Kraft-
werkes mir keine Möglichkeit gab, eine Ansprache zu halten, obwohl
ich dorthin eingeladen wurde, allerdings dann nicht hingegangen
bin. Ich unterstrich dann das gemeinsame Vorgehen der Landesgesell-
schaften und der Verbund und insbesondere dass es notwendig ist, ein
neues Ausbauprogramm zu koordinieren. Durch den Rückgang des Konsums
0,3 % Mehrverbrauch gegenüber dem Vorjahr beweist die Notwendigkeit.
Bezüglich der Energiesicherung meinte ich, dass es in der neuen Legis-
laturperiode möglich sein wird, gemeinsam ein solches Gesetz zu
beschliessen, das ja auch einer Zweidrittel-Mehrheit bedarf. Kreisky
rief mich an, teilte mir mit, dass er ein Telegramm von den Philharmo-
nikern bekommen hat, die ich bei meiner Rede beleidigt haben soll.
Ich erklärte ihm, dass ich eine sehr schlechte Rede gehalten habe,
mich aber nicht erinnern könnte, dass ich jemanden beleidigt habe.
Ich hatte nur sicherlich ganz unnötig auf das Kolloquium am Vortag
im Konzerthaus verwiesen und dabei als Fremdenverkehrsminister hingewiesen,
dass man auch dort Konzerte hören kann. Kreisky meinte, er wird mir
das Telegramm schicken. Bukowski hat angefragt, ob die Rede mitge-
schnitten wurde, was diesmal Gott sei Dank der Fall war, so dass
wir sie bekommen und ich kontrollieren kann, wie weit tatsächlich die
Philharmoniker ich beleidigt habe. Mit einer solchen Entwicklung hatte
ich allerdings nicht gerechnet. Wir diskutierten dann im Büro lang und
breit das ganze Problem von dieser Rede, wobei Reim die beste Analyse
gab. Ich war furchtbar gehemmt, wie er richtig feststellte, hatte
nicht nur viele Versprecher sondern auch einige Mal den Faden verloren.
Er meinte, dies sei auf die Attacke von Sallinger und auf die be-
sonders gute Rede von Friderichs zurückzuführen. Mit der Hemmung hat er
vollkommen recht, die Attacke Sallingers aber hat mich weniger beein-
druckt, da ich ausserdem ja sofort beschlossen hatte, darauf zu antworten,
die sehr gute Rede Friderichs dagegen mich natürlich sehr beeindruckte.
Wie ich auch schon gestern abdiktierte. Der wirklich Grund der Hemmung
glaube ich war aber, dass ich festliche Rahmen und noch viel mehr ge-
scheite Reden hasse. Ich kann sie nicht, herunterlesen will ich sie
nicht und dann kommt es eben zu solchen Ergebnissen. Ich habe Kreisky
daher gesagt, die Schuld liegt ausschliesslich bei mir, nur werde
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ich keinerlei Vertretungen mehr übernehmen.
Fast zum Glück würde ich sagen, hatte ich dann um 15 Uhr eine Pensio-
nistenversammlung in Ottakring und am Abend eine öffentliche Versamm-
lung auf der Landstrasse. In beiden Fällen gelang es mir, da ich reden
konnte, wie es meiner Art entspricht, die Leute nicht nur mitzureissen
und zu begeistern, sondern auch Probleme darzustellen, ohne dass selbst
der politische Gegner beleidigt sein konnte. Dies hat zumindestens Reim
festgestellt, der Gott sei Dank ein sehr kritischer Beobachter ist.
Was mich nämlich wirklich erschüttert, ist, dass ich jemanden beleidigt
haben soll. In meiner ganzen politischen Laufbahn habe ich trotz oft
harter sachlicher Auseinandersetzung niemals noch jemanden beleidigt.
Mit Min.Rat Hauffe besprach ich bei der Bürges die Frage der Stärke-
stützung. Er meinte, er hätte noch 3 Mill. S zu vergeben und schlug
vor, die Rechnung von 80 % auf 100 % des Differenzbetrages zu er-
höhen. Dagegen hatte ich grösste Bedenken, weil erstens diese 80 %
seinerzeit einvernehmlich festgelegt wurden und zweitens wir ja nicht
wissen, wie weit wir auch beim neuen Budgetansatz von 35 Mill. S statt
25 Mill. im nächsten Jahr auskommen werden. Hauffe möchte nun ver-
suchen einen Plan zu entwickeln, wonach dem Gmünder jetzt ein Akonto
gegeben wird. Damit könnte sie ihre schwierige Situation meistern, ohne
dass ein Präjudiz für die endgültige Abrechnung entsteht.
ANMERKUNG FÜR REIM: Bitte unbedingt darauf achten, dass nicht eine
Systemänderung eintritt.
Mit Kienzl besprach ich die letzten Ergebnisse der Meinungsumfrage,
weil doch hier gewisse Zweifel bei mir bezüglich der Berechnung von
Kreisky auftauchten. Wie ich dann feststellen konnte, hat Kienzl eine
solche Berechnung gar nie gemacht. Er weiss genau, dass in Wirklichkeit
aus Meinungsumfragen nur Tendenzen festzustellen sind und niemals Wahler-
gebnisse abgeleitet werden können. Die Tendenz ist jetzt genau dieselbe
wie 1971. Wir verlieren ca. 2 % vor den Wahlen von den Leuten, die SPÖ
wählen würden, an die Unentschlossenen. Nach seiner Umfrage waren dies
von nicht ganz 43 % auf 40,7, während die ÖVP von 28 auf 28,5 % zunahm.
Die FPÖ und die KPÖ blieben unverändert. Erhöht hat sich die Zahl der
unentschlossenen Wähler von 19 auf 21 %. Bezüglich der Benotung, die
allerdings sehr wenig sagt, nur typisch ist, hat zwar Taus von 7 auf 26
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aufgeholt, Kreisky hat aber von 47 auf 54 zugenommen. Kienzl
wollte mir dann noch unbedingt auch die Ziffern erklären, die
meine Person betreffen, die mich aber wirklich überhaupt nicht
interessieren. Auch dann, wenn er sagt, nach Androsch komme dann
schon ich an dritter Stelle. Meine höchste Benotung war glaube ich
zur Zeit der Ölkrise 13 hat dann auf 7 abgenommen und jetzt dann
wieder auf 8 zugenommen, soviel ich mich erinnern kann. Ich finde
das wirklich so uninteressant, dass ich sie nicht einmal aufge-
schrieben habe. Bei dieser Ziffer kann es sich übrigens nicht um
Benotung handeln, sondern nur um ein ähnliches Verfahren, vielleicht
aach zwischen Bekanntheit und Benotung, ich weiss es auf alle Fälle
nicht genau.
Beim Abendessen, das Gratz für die OPEC gab, musste er dieselbe
Erfahrung machen wie auch ich bei einer Einladung. Es kommt nur ein
verschwindend kleiner Teil der Minister und selbst die, die zuge-
sagt haben, kommen nicht immer. U.a. fehlte Algerien, Iran, Irak.
Ich kam neben dem saudi-arabischen Prinz – glaube ich – Yamani
zu sitzen, nachdem das Essen eine Stunde nach Einladungsbeginn
endlich begonnen hatte. Die fehlenden Minister dürften wahrscheinlich
Telefongespräche mir ihren Ländern abwarten, weil sie eben auch nicht
gekommen sind. Die Sitzung der OPEC war nämlich bis jetzt gar nicht
erfolgreich, da der Antrag Iran und Irak um 25 % die Ölpreise zu
erhöhen, der zweite Antrag um 20 % zu erhöhen, niemals die einstimmig
Zustimmung fand. Diese ist aber, so behauptet zumindestens Gen.Dir.
Bauer, notwendig.
Bauer hat mir übrigens mitgeteilt, dass er mit algerischen Leuten
Kontakt hat, die erklären, das Konsortium sei endgültig geplatzt.
Sie würden aber Gas auf alle Fälle produzieren und auch verkaufen,
und wollten wissen, ob die ÖMV gegebenenfalls daran Interesse hät-
te. Bauer hält sich aber hier weitestgehend zurück und meinte nur,
sie sollten den grossen europäischen Firmen anbieten und die ÖMV
würde dann, da sie mit diesen grossen Firmen besten Kontakt hat,
sich eventuell daran beteiligen.
Ich ersuchte Bauer, Feichtinger, Meszaros, Kreutler und Mackowski
alle ÖMV-Leute waren vertreten, ob sie nicht doch Straight-run von
der CSSR beziehen könnten, Die Tschechen erwarten, zumindestens
habe ich es in Erinnerung, dass diese Menge in dem Papier steht,
das man mir übergeben hat, heuer noch 50–60 t Straight-run-Abnahme.
Möglich ist, dass es sich hier um einen Tippfehler handelt
und 50 – 60.000 t heissen soll. Kreutler nämlich behauptet, dass
1.500 t sowieso bezogen werden. Ich versprach der ÖMV, das
Originalpapier zu schicken.
ANMERKUNG FÜR GEHART: Bitte das Kohout-Papier sofort an Kreutler
senden.
Der polnische Botschafter Karski rief mich an, um darauf zu drängen,
dass mit dem 10-Jahres-Kohleliefervertrag, der jetzt paraphiert ist,
gleichzeitig auch der Stahlexport-Vertrag unterzeichnet werden könnte.
Zu diesem Zweck meinte er, sollte die VÖEST-ALPINE die Verhandlungen
beschleunigen, damit beides noch vor dem 5. Oktober unterschrieben
werden kann. Karski gibt vor, ohne dass er es sagt, wegen des
Wahltermines und damit für die Propaganda der Regierung schnell
zu arbeiten. In Wirklichkeit glaube ich spürt er nur, dass die VÖEST-
ALPINE nicht daran interessiert ist, so schlechte Konditionen bei
den Stahllieferungen zu akzeptieren. Er möchte deshalb, dass ich
einen gewissen Druck auf die VÖEST ausüben. Genau das werde ich aber
nicht tun. Wenn die VÖEST-ALPINE und ganz besonders die Edelstahl-
firmen glauben, dass das Geschäft für sie nicht interessant ist,
dann werde ich mich hüten, sie aus politischen ja nicht einmal
aus beschäftigungspolitischen Gründen dazu zu zwingen. Für mich ist
es selbstverständlich, dass die Verantwortung ausschliesslich bei
der VÖEST-ALPINE und den Edelstahlwerken liegt, ob und inwieweit
sie Geschäfte akzeptieren oder ablehnen. Kreisky äussert zwar manchmal
seinen Unmut, wenn irgendwelche entrierten Geschäfte nicht zustande-
kommen. Ich persönlich habe keinerlei Prestige bei diesen Verhand-
lungen. Ich kann und will nur Unterstützung den österreichischen
Firmen geben, vermeide aber strikt, mich in ihre Geschäftskonzeption
einzumischen. Auch hier mein alter Grundsatz, Service für die Wirtschaft
und nicht Gängeln der Wirtschaft.
Tagesprogramm, 24.9.1975
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)