Donnerstag, der 25. September 1975

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Donnerstag, 25. September 1975

Landtagsabgeordneter Laurich entschuldigt sich, dass er vor einer
Woche wie vereinbart nicht kommen konnte, weil er eine dringende
Sitzung wo anders hatte. Er erzählt Heindl und mir, dass die Bäder-
gesellschaft in Schladming nicht bereit ist den Gewährsmann zu
nennen, der angeblich 10 % der Stützung für Zinsenzuschüsse von
1.5 Millionen Schilling, die das Handelsministerium geben soll,
an Ortmann weitergeben muss. Für diese Abgabe seien alle Fraktionen
in der Gemeinde dafür, man hätte nur versucht herunterzuhandeln.
Angeblich seien diese Praktiken seit einem Jahr bekannt und man will
nur die Geschäftsbeziehungen nicht stören, weshalb man immer wieder
versucht auch die Zustimmung von Laurich zu bekommen. Dieser erklärt
dezidiert, dass er auf gar keinen Fall einer solchen Methode zustimmt
und berichtet, dass er als einziger sich gegen die Bezahlung ausge-
sprochen hat. Rechnungsmässig wäre dies so gewesen, dass entweder
höhere Rechnungen fingiert bezahlt worden wären, oder dass dies als
Vermittlungsgebühr ausgewiesen wird. Den Gewährsmann könne Laurich nicht
nennen, weil er durch Beschluss gebunden ist. Ich erkläre Laurich
dezidiert, dass ich in einem solchen Fall nur mehr die Staatsanwalt-
schaft verständigen könne. Ich diktiere sofort einen Brief an die
Staatsanwaltschaft in Wien, wo ich den gesamten Schriftverkehr mit
Laurich beilege. Ich rufe noch in Anwesenheit von Laurich Justiz-
minister Broda an, um ihn zu informieren, um zu fragen, an wen ich
am besten dieses Schreiben richten soll. Bukowski hat bei Broda einen
Abschiedsbesuch und nimmt dieses Schreiben gleich mit, da es über das
Ministerium der zuständigen Abteilung sofort an die Staatsanwalt-
schaft weitergeleitet wird. Wenn es tatsächlich solche Zustände seit
Jahren im Handelsministerium geben soll und niemand mich konkret
von den Kreditnehmern oder Subventionsempfängern davon verständigt
hat, so verstehe ich dies wirklich nicht mehr. Jeder muss doch wissen,
dass wenn jemand von ihm solche Vermittlungsgebühren oder wie immer
das benannt wird verlangt, dass er dies doch keinesfalls zahlen muss,
selbst wenn er befürchtet dass er den Zinsenzuschuss oder den Kredit
nicht bekommen sollte, so würde ich an seiner Stelle formell darauf
eingehen, wenn es dann aber zum Zahlen kommt, sofort mich verständigen
womit der Betreffende den Kredit hätte resp. den Zinsenzuschuss
und ich die Handhabe dagegen ganz rigoros einzuschreiten. Ich erinnere
mich noch an einem Fall, wo ein alter Bekannter mich fragte, ob er


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den Zuschuss für einen Hausbau von der Gemeinde Wien bald erhält.
Ich erkundigte mich und konnte feststellen, dass dies positiv schon
erledigt ist. Nach Jahren erzählte mir dann der Bekannte, dass,
nachdem er diese Information von mir hatte, ein sehr guter Freund bei
ihm erschien und erklärte er müsse jetzt einen grösseren Betrag be-
kommen, damit er den Beamten schmiert, damit der Akt erledigt wird.
Als ihm entgegengehalten wurde, dass ist doch schon längst erledigt,
bekam er einen hochroten Kopf und ist abgezogen. Leider habe ich dies
zu spät erfahren und der Betreffende war schon gestorben. Solche Be-
schuldigungen müsste man nämlich sofort verfolgen, um anständige
Beamte, die in Verdacht kommen zu schützen und sollten es wirklich
unanständige Beamte sein, dann entsprechend durchzugreifen. Ich ver-
ständigte von meiner Anzeige an die Staatsanwaltschaft auch sofort
Kreisky, der auf einer Wahlreise in der Steiermark war.

Das Gespräch mit der BRD-Delegationsleitung, Morowitz, bestätigte mir
nur das Gespräch, das ich auch bereits mit Friderichs gehabt habe,
die Wirtschaftssituation in der BRD. Österreichischerseits wurde
nämlich besonders auf die Einfuhrbeschränkungen für Agrarprodukte
in die Gemeinschaft hingewiesen. Auch Morowitz meinte, dass der
Agrarmarkt wahrscheinlich nicht erst 1978 oder wie Friderichs meinte
garantiert 1980, sondern schon 1976 kaum mehr gehalten werden kann.
Die deutsche Bundesregierung wird jetzt beschliessen, dass der
Agrarfond plafoniert werden muss. Sie wollen nicht mehr wie in
ein Fass ohne Boden ständig Milliarden-Beträge hineinschütten,
mit dem Ergebnis, dass jetzt noch mehr produziert wird und noch
grössere Absatzschwierigkeiten gibt. Friderichs hat den drastischen
Vergleich gebracht, dass die Industrie-Nation Deutschland durch die
hohen Agrarpreise, durch die Abnahmegarantie, jetzt in der BRD eine
so starke Agrarproduktion einsetzt, dass sie nicht mehr die französi-
schen Überschüsse und die italienischen übernehmen können, sondern
schon selbst fast mehr produzieren als sie brauchen können. Unter diesen
Umständen sehe ich für auf längere Sicht gesehen die Absatzmärkte der
österreichischen Agrarier in der Gemeinschaft immer mehr schwinden.
Ausser diesem Problem gibt es eigentlich mit der BRD kaum irgendwelche
Schwierigkeiten die zur Lösung anstehen.



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Reim wurde vom Betriebsrat der EPA-Sesselfabrik angerufen, da die
Gewerkschaft erklärt, sie könne gegen die Schliessung nichts unter-
nehmen. Ich spreche mit Dr. Fürtauer, dem bevollmächtigten Vertreter,
und er bestätigt mir, dass sie tatsächlich die 220 Beschäftigten
kündigen müssen. Er versucht allerdings mit Sleepy, Steinegger,
Joka resp. Hosak in der nächsten Woche Gespräche zu führen um eine
der drei grossen Sesselfabriken zur Übernahme des Betriebes zu ver-
anlassen. Die Ursache, dass der Betrieb jetzt schliessen muss, sieht
Fürtauer nicht zuletzt in einem 1962 abgeschlossenen Vertrag. Dort
wurde unter Streikdruck festgelegt, dass in Hinkunft der Betrieb
stets den perzentuellen Lohnerhöhungssatz der auf die Kollektiv-
verträge ausgemacht wird, auf die Ist-Löhne der Firma EPA zu
zahlen sei. Die Gewerkschaft hat an sich sonst immer die Gewohnheit
auf Kollektivvertragslöhne einen höheren Erhöhungssatz zu vereinbaren
als auf die Ist-Löhne. Durch die Anwendung aber dieses höheren Perzent-
satzes der Kollektivvertragserhöhung auf die tatsächlich bezahlten
Löhne der Firma EPA sei im Laufe der Jahre eine 40 bis 50 %-ige höhere
Lohnsumme herausgekommen und um 100 % höhere Gehaltssumme, als in
anderen vergleichbaren Betrieben. Dies könne der Betrieb auf die Dauer
eben nicht tragen. Bei einem Umsatz von 79 Millionen Schilling 1974
machen die Lohn- und Gehaltssumme 30 Millionen Schilling aus. Der Um-
satz ist auch ständig zurückgegangen. 1971 noch 103 Millionen auf
98.72, 88.73 und nur 79 Millionen im 74-er-Jahr. Die Firma hat jetzt
33 Millionen Schilling Bankschulden, deren Verzinsung allein über
3 Millionen Schilling kostet. Durch den Konkurs dreier Firmen
Maier 800.000, Kastner 200.000 und Pastejrik 2 Millionen Schilling
Verlust ist die Situation jetzt endgültig so, dass Fürtauer erklärt
er muss jetzt den Betrieb liquidieren, ansonsten würde ein Konkurs
unmittelbar in den nächsten Jahren entstehen. Fürtauer meint er mache
dasselbe, was auch Bally auf dem Schuhsektor tat. Hier greife ich
ein und sage, dass er also den Handelsbetrieb weiterführen will, was
er auch bestätigt. Bally hat es genauso getan. Ich beschwere mich
dass mir Fürtauer so spät erst auf meine Anfrage diese Information
gibt. Er hat wohl mir einen Brief am 7.2.73 geschrieben, hat auch auf der
Wiener Messe auf die schwierige Situation verwiesen, aber niemals
Schliessungsabsichten gesagt. Ich ersuche ihn, wenn er irgendwelche
neue Entwicklung hat, mir dies sofort mitzuteilen und verspreche ihm,
dass ich mich in jeder Beziehung einsetzen werde, falls es möglich
sein wird, den Betrieb einer anderen Firma zu überantworten, ihm


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jedwede Unterstützung zu gewähren.

ANMERKUNG für REIM: Bitte das Sozialministerium über die Details jetzt
verständigen und das Schreiben des Betriebsrates gegen die Kündigung
übermitteln.

Bei der Spatenstichfeier für Donau-Plastik im Auhof Betriebsansied-
lungsgesellschaftsgelände erklärt Dr. Witt von der Handelskammer Wien,
Industriesektion, der ebenfalls ein Plastikerzeuger ist, dass ohne
Genehmigung der Paritätischen Kommission die Rohstoffe, wie er mir
nachher sagte, um 12 % erhöht wurden. Herr Stern, der jetzt diese neue
Fabrik hier errichtet, weil er in seinem Wiener Betrieb nicht mehr
genug Platz hat, bestätigt, dass solche Preiserhöhungen vorgenommen
wurden. Am Nachmittag bei der Besichtigung eines ebenfalls kunststoff-
verarbeitenden Betriebes in Altlengbach wird mir von dort wieder
mitgeteilt, dass nicht alle Kunststoff-Rohstoffe erhöht wurden. Ich
ersuche OR Marsch in der Paritätischen Kommission dieses ganze Problem
zur Sprache zu bringen. Bei der Spatenstichfeier teilt Stadtrat Mayr
mit, dass sie für die Betriebe jetzt anstelle einer Zinsenzuschuss-
aktion eine Prämienaktion eingeführt haben. Im Budget waren 320
Millionen Schillinge vorgesehen und jetzt liegen schon Anträge
von über 550 Millionen Schillinge vor. Die Stadt wird deshalb diese
Aktion aufstocken. Ich selbst kann den Anwesenden dort auch mitteilen,
dass wir bei der BÜRGES jetzt einen wesentlich grösseren Antrags-
einlauf haben als im Vorjahr. Die Mittleren-und Kleinbetriebe dürften
also die Konjunktursituation anders beurteilen als die Grossbetriebe
und der grösste Teil der Wirtschaft. Ansonsten würden sie nicht durch
Investitionen grössere Beträge anfordern.

Wanke und Marsch berichten von der Prognosesitzung im Wirtschafts-
forschungsinstitut, wo über die Minus-Entwicklung des BNP
Man konnte nur erklären, wie so man zu dieser zuerst so positiven
Auffassung für das Jahr 1975 gekommen ist. Ausser Österreich haben
die anderen Staaten kaum ein Deficit-Spending in so grossem Ausmass
gemacht, um der Arbeitslosigkeit und der Wirtschaftsrezession ent-
sprechend gegenzusteuern. Dies setzt wahrscheinlich erst jetzt
ein. Deshalb erwartet der deutsche Sachverständigenrat im nächsten
Jahr eine über 5 % reales Brutto-Nationalproduktzuwachsrate. So daneben
wie die Wirtschaftsforschung Prognostiker im letzten Jahr gelegen sind
und so wenig genau sie für das zukünftige Jahr prognostizieren können
ist mir eigentlich seit meiner 20 jährigen Tätigkeit noch niemals
untergekommen. Schwierigkeiten gab es immer, aber eine solche Unsicher-


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heit in der Prognose habe ich noch nie erlebt. Durch das Gegen-
steuern können wir höchsten eine noch weitere Verschlechterung
verhindern. Wir können mit öffentlichen Aufträgen aber den Export-
rückgang und vor allem auch die private Nachfragerückgang nur
geringfügig ausgleichen.

Beim offiziellen Besuch der Gemeinde Altlengbach zeigt mir der
Bürgermeister Leidenfrost, der sich in dieser ÖVP-Gemeinde ganz
hervorragend bewährt und durchgesetzt hat seine Leistungen. Die
Gemeinde hat nicht nur einen Kindergarten der einmalig ist, sondern
auch eine Hauptschule Laabental, die die besteingerichtete ist,
die ich jemals besuchte, sondern bemüht sich auch noch Betriebe in seine
Gemeinde zu bringen. Bei der Plastikschilderfirma die jetzt von
Wien nach Altlengbach übersiedelt, hat er glaube ich wirklich einen
krisenfesten Betrieb. Diese Firma arbeitet mit Patenten, wonach
nicht wie dies in Spritzguss üblich ist, komplizierte Formen ange-
fertigt werden müssen, die sich nur bei ganz grossen Serien
rentieren, sondern es werden hier durch einen tüchtigen Schildermaler
der sich als Gesellschafter und ganz besonders als Erfinder jetzt
mit 10 Patenten ein ganz neues Produktionssystem aufgebaut hat,
Voraussetzung geschaffen, kleinste Serien von einigen Stücken
herzustellen. Dadurch sind sie konkurrenzlos und billig und haben daher
auch sehr gute Auftragslage. Was mich am meisten verwundert, dass sie
um einen ERP-Kredit angesucht haben und fragen ob sie auch einen be-
kommen können. Ausser im Fremdenverkehrssektor sind auf allem anderen
im Industriellen-und im Mittelbetriebssektor reichlich ERP-Mittel
vorhanden und ich verspreche sofort zu intervenieren.

ANMERKUNG für REIM: Bitte diesen Betrieb im Auge halten und ständig
beobachten ob er Investitionsmittel für eine neue Halle vom ERP-Büro
tatsächlich bekommt.

Der Besuch im COOP-Markt in St. Pölten brachte für den Markt ein
gewisses Prestige, weil der Geschäftsführer mir sagte, andere Mini-
ster – und ich glaube sogar der Bundespräsident – waren schon ein-
mal dort, nur noch nie ein Handelsminister. Dort käme man mit anderen
Personen als nur mit Genossen in Kontakt, doch ist der Besuch nicht
allzu stark. Bei den Versammlungen dann in Altlengbach und
Tausendblum glaube ich waren es wieder zu 99 % nur Genossen.

ANMERKUNG FÜR KOPPE: Die Propagandisten müssen sich auch einmal etwas
Neues einfallen lassen. Die Versammlungswelle ist glaube ich nur noch
für Kreisky und Taus, als grössere Massen dort zusammenkommen, inter-
essant.

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Tagesprogramm, 25.9.1975

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: SChef HM
GND ID: 12195126X


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    Tätigkeit: Beamter HM


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            Tätigkeit: Sprecher der Plastik-, Glas- und Metallflaschenerzeuger


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              Tätigkeit: Justizminister


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                Tätigkeit: Wr. Wirtschafts- u. Finanzstadtrat


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                  Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
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                    Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


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                      Tätigkeit: BRD-Wirtschaftsminister
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                        Tätigkeit: Bundeskanzler
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                          Tätigkeit: Straßburg


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