Freitag, 26.9.1975
Bukowski hat S.Chef Jagoda über die Anzeige an die Staatsanwalt-
schaft in der Angelegenheit Ortmann informiert. Jagoda, der erst
heute dies hörte, verlangte sofort von mir eine Aussprache und
verwies darauf, dass er als zuständiger S.Chef unbedingt mit Ortmann
sprechen muss. Als sein höchster Vorgesetzter betrachtet er dies
nicht nur als ein faires Verhalten, sondern vor allem auch als den
Usancen und Vorschriften entsprechend. Ich habe dagegen gar nichts
einzuwenden, da ja auf alle Fälle von der Staatsanwalt klargestellt
werden muss, die meiner Meinung nach die einzig richtige zuständige
Stelle für solche schwerwiegende Beschuldigungen ist, ob sie zutreffen
oder ob sie nicht eine ganz ungeheure Verleumdung darstellen.
Bei der Aussprache mit den Fahrschulvertretern aus den Ländern, die
nicht die Empfehlung der Paritätischen Kommission eingehalten haben,
erklärt mir ihr Sprecher, Komm.Rat Rainer, dass sie den Tarif seit
1962 stets eingehalten haben, obwohl alle Leistungen dort geregelt sind.
Sie haben also keine Möglichkeit auszuweichen. Dies sei der Grund,
warum einzelne Länder die 13 % Erhöhung für die Fahrstunde akzeptiert
haben die nicht kostendeckend ist, aber die 13 % auf die Theorie
auch verlangt haben. Die Paritätische Kommission hat aber nur 10 %
genehmigt. Einzelne Fahrschulen müssen 12 bis 60 Stunden pro Jahr
Theorieergebnisse rechnungsmässig den Fahrstunden dazurechnen, um
überhaupt zu ihren positiven Betriebsergebnissen zu kommen. Mit
anderen Worten die Theorie subventioniert die Fahrstunden. Der
Vertreter der Steiermark erklärte mir, dass er bei 148 Schilling
für die Fahrstunde mit 18 Schilling von der Theorie diese subven-
tionieren muss. Ich schlug deshalb nach längerer Diskussion vor,
Beamte meines Hauses sollten mit den Fahrschulvertretern einen
neuen Tarif erarbeiten, an den sich dann womöglich wieder alle halten
können. Die Arbeiten sollten unmittelbar an diese Sitzung beginnen.
ANMERKUNG für WAIS: Bitte Arbeiterkammer und Gewerkschaftsbund ein-
laden mitzuarbeiten, vor allem aber jetzt verständigen.
Min.Rat Dinzl berichtet mir, dass Dir. Giessrigl von der Vöslauer
doch dem ORF ein Interview gegeben hat, indem er mitteilt, dass die
Entscheidung über die Textilkonzentration und Reorganisation beim
Minister liegt. Ich rufe deshalb Dr. Helbich, Gen.Sekr. der Industriellen-
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vereinigung an, um ihm zu sagen wenn ich jetzt von dem ORF gefragt
werde, muss auch ich entsprechende Antworten geben ohne Detail-
informationen mitzuteilen. Helbich hat mit Igler bereits über das
ORF-Interview gesprochen und ist mit dieser Vorgangsweise einver-
standen. Typisch war für mich, dass man zuerst besorgt war, dass
ich eventuell in der Öffentlichkeit das Problem erörtere und jetzt
stellt sich heraus, dass die eigenen Leute der Unternehmerorgani-
sationen nicht imstande sind beim ORF entsprechend dicht zu halten.
Dinzl berichtet, dass der Sozialplan fertig ist und dass die Vös-
lauer 1 Million Schilling für Härtefälle zur Verfügung stellen
wird. Die Arbeiter bekommen auch entsprechende Abfertigungen, die
0–4 Jahre beschäftigt sind 2 Monate, die sich bei längerer Beschäftigung
bis 12 Monate vergrössern. Bei Arbeitslosigkeit wird das Arbeitslosen-
geld bis auf 90 % des Lohnes aufgebessert. 300 Beschäftigte können da-
von betroffen sein. Die Finanzierungsgruppe ist fertig, es ist nur
mehr zu entscheiden ob die Banken beiden E+E-Fonds die Haftung er-
halten. Dem Komitee gehörten die Banken, die Firmenvertreter an und
man beschloss einen Fusionierungssachverständigen zu bestellen.
Im Gesellschaftsstrukturkomitee ist nur mehr die Stellungnahme der
Creditanstalt Umwandlung von Forderungen in Beteiligung ausständig.
Nach Dinzls Dafürhalten wird es in den nächsten Wochen zu einer
endgültigen Beschlussfassung kommen. Dinzl muss jetzt leider sich
in Spitalspflege begeben, musste dann die Geschäfte übergeben, weil
er mit Jahresende ausscheidet. Römer schlägt für diese jetzt laufende
Aktion Grumbeck vor, womit ich einverstanden bin.
Bei meinem Besuch der BRD-Delegation, die über Wirtschaftsfragen
mit einer interministeriellen Kommission verhandelt, unterstreiche
ich neuerdings die Notwendigkeit, dass wir auf dem Agrarsektor mit
der EG zu einer befriedigenden Lösung kommen. Der deutsche Delegations-
führer bestätigt mir, was Friderichs schon getan hat, dass die Deutschen
an einer solchen Lösung grosses Interesse haben. Er sieht die Agrar-
situation in der EG nur noch viel schlechter, weil er glaubt nicht
dass 1978, sondern schon 1976 die derzeitige Agrarlösung der EG
zusammenbricht. Die Deutschen können und wollen die notwendigen Geld-
mittel für den Agrarfonds nicht mehr unbegrenzt zur Verfügung stellen.
Nach der Sitzung ersuche ich den Delegationsführer nochmals um Unter-
stützung bei dem deutschen Anteil an der Zellulose- und Papierfabrik
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in Kuba. Das Geschäft dass 3,3 Milliarden kosten würde und wo sich
die VÖEST, Siemens und AEG daran beteiligen, hat einen deutschen
Anteil von 934 Millionen Schilling. Die deutsche Regierung hat aber
für Kuba den Hermes-Kredit auf 15 Millionen DM beschränkt, ist
bereit ausnahmsweise auf 50 Millionen DM erhöht, was aber immer
nur noch bei 7.– Schilling Umrechnung rund 350 Millionen Schilling,
das ist ein bisschen mehr als 1/3 des notwendigen Betrages beträgt.
Dies wird sofort von ihm, nach Bonn zurückgekehrt, neuerdings be-
sprochen werden.
Ein gewisser Brettschuh ruft an und meint er hätte für Saudi-Arabien
ein Petro-Chemie-Geschäft für 170 Milliarden Schillinge, das er
bereits am 9.9. der ÖIAG mitgeteilt hat. Ich sage dem Mann sofort
am Kopf zu, das es ihm doch nur darum geht, Provision für ein
Riesenprojekt zu bekommen, ohne dass er konkret vorweist, welche
Leistung er dabei erbringt. Er gesteht mir, er hätte einen Partner
der dieses Geschäft in der Hand hat, dass für Österreich auch sehr
interessant wäre. Ich verweigere ihm zwar einen Termin, den er unbe-
dingt wollte, bin aber bereit, dass er mir die Unterlagen schicken
soll.
ANMERKUNG für REIM: Erkundige Dich bei der ÖIAG, der er ebenfalls die-
ses Angebot machte.
Vor der tschechischen Vertragsunterzeichnung der Kooperations -
Gemischten Kommission informiere ich noch die tschechische Dele-
gation über die Aussprache mit der ÖMV und dass diese bereit ist,
die 50 bis 60 Tonnen Straight-run zu kaufen. Ich habe das Original des
Aktenvermerkes der Tschechen der ÖMV geschickt, bin aber selbst
überzeugt, dass es sich hier nur im einen Tippfehler handeln kann.
Trotzdem ich dies wiederhole, sind die Tschechen mit der Lösung und
vor allem mit allen anderen Beantwortungen ihrer vorgebrachten
Wünsche einverstanden. Ich glaube am meisten waren sie überrascht,
dass innerhalb von einem Tag ihre Vorschläge, Kritiken und Wünsche
sofort bearbeitet und beantwortet wurden. Auch dann wenn die Antwort
negativ war, hätten sie sicherlich nicht erwartet, dass wir so schnell
reagieren. Als ich bei der Messeeröffnung in Graz den tschechischen
Botschafter Komárek traf, war dieser auch über die ungeheure schnelle
Reaktion von mir mehr als überrascht. Die Tschechen, so wie alle anderen
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Oststaatenvertreter brauchen um irgendeine Reaktion auf einen Vor-
schlag abgeben zu können immer wochen- und monatelang, weil sie dies
in ihren Ministerien und den dafür staatlichen Aussenhandelsorganisa-
tionen wahrscheinlich bis ins Detail beraten müssen und kaum zu Ent-
scheidungen kommen. Bei uns ist es doch viel leichter möglich eine
Stellungnahme abzugeben, die allerdings meistens dann für separate
Wünsche wie z.B. Zollermässigung für tschechische Autos, negativ ist.
Positiv habe ich dagegen entschieden, dass wir so wie bisher die
Glaseprouvetten für Laevosan weiterhin einführen müssen, obwohl
durch die Umstufung in eine andere Zollposition, die Tschechen auf
alle Fälle mehr Zoll dafür zahlen müssen. Das Finanzministerium wird
den anderen Zollwunsch, bei Einfuhr von Traktoren, wo angeblich
25–30 % höhere Preise als Berechnungsgrundlage für den Zoll von der
Finanz festgesetzt sind, überprüfen. Stiedl behauptet, das könne sich
nur um 2–3 % Preisaufschlag vom Fakturenwert auf dem Normalpreis
handeln. Ich versichere den Tschechen neuerdings, dass die bei den
Vermögensverhandlungen zugesagte Liberalisierung von uns jetzt in
Angriff genommen wird, wir uns aber gleichzeitig über eine Art
Escape clause, wie wir sie auch in den anderen Staatshandelsländern
haben, einigen müssen. In formeller Hinsicht bin ich gerne bereit
anstelle eines Vertragspunktes einen Briefwechsel, der auch streng
vertraulich sein kann, zu akzeptieren. Die Tschechen werden dieses
Problem überlegen. Es soll im November bei den Wirtschaftsverhand-
lungen in Prag, wenn möglich abgeschlossen werden. Die Koopera-
tionsgespräche mit den Tschechen haben in Wirklichkeit ausser der
Vertragsunterzeichnung des Protokolls nur eine neue Arbeitsgruppe
für Chemie gebracht. Die Wirtschaftsbesprechungen im November in Prag
werden auch zu keinen besonderen Ergebnissen ausser wieder ein
Jahresprotokoll kommen. Es ist in Wirklichkeit schrecklich, wieviel
ständig Kommissionsbesuche und Besprechungen mit den Staatshandels-
ländern stattfinden. Ich möchte wirklich genau wissen, ob dies zu
der Steigerung unseres Exportes nach den Staatshandelsländern, die
eigentlich gigantisch ist und wesentlich besser als bei anderen
westeuropäischen Ländern, diese vielen Sitzungen wirklich notwendig
waren. Auf die Dauer werden wir dies finanziell und personalmässig
gar nicht durchstehen können.
Architekt Mang hat bei der Ausstellungseröffnung "Gute Form" mit den
Deutschen gesprochen und Friderichs hat angeregt, dass sie die
österreichische "Gute Form" zu einer Ausstellung gemeinsam mit den
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Deutschen in einem Jugendstilbahnhof bei Bonn einladen werden,
Mang fragt ob ich damit einverstanden bin, was ich sofort zustimme,
weil ich diesbezügliche Zusagen auch Friderichs gemacht habe. Das
Institut für Formgebung wird die Durchführung übernehmen. Gegebenen-
falls werden sie zu uns um eine Subvention kommen.
Architekt Mang ersucht mich bei S.Chef Beier im Bautenministerium zu
intervenieren, weil er für seine 10 Ingenieure und Techniker und
3 Sekretärinnen, in seinem Architekturbüro keine Beschäftigung mehr
hat. Ich rufe Moser an, der nicht hier ist, seine Sekretärin aber
verspricht Mang zu helfen.
In Lebring besichtige ich die Philips-Farbbildröhren-Fabrik. Vorher
und nachher habe ich eine Aussprache mit dem Generaldirektor von
Philips, dem Direktor des Werkes und vor allem des ganzen
Zentralbetriebsrates den die Philips-Gesellschaft ebenfalls eingeladen
hat. Ich erkläre, dass wir sofort, nachdem jetzt auch die Arbeiterkam-
mer und der Gewerkschaftsbund zugestimmt haben, die Zollkündigung im
GATT, die allerdings nur gegen Japan und eventuell Spanien wirksam
wird, in Auftrag zu geben. Der Wunsch des Betriebsrates auch zu
entliberalisieren und Kontingente vorzuschreiben, werde ich prüfen
lassen, erkläre aber sofort dass dies kaum möglich sein wird, weil
bei Entliberalisierung entsprechende andere Produkte angeboten
werden müssen, die wir durch unser freizügiges Verhalten in der
Vergangenheit nicht mehr haben. In Lebring arbeiten ausschliesslich
Männer, weil der Betrieb mit 450 Millionen Investition und 400
Beschäftigte nur in Schichtbetrieb rentabel geführt werden kann.
In Japan und wahrscheinlich auch woanders, sind dagegen auch
Frauen eingesetzt. Die Investitionen sind gigantisch, bei Einschicht-
betrieb käme auf den Arbeitsplatz ca. 3 Millionen Schilling.
ANMERKUNG für REIM: Willenpart soll sofort Zollkündigung durchführen
und Entliberalisierung prüfen und mir berichten.
Die Wahlveranstaltungen waren steirisch; dies soll keine Kritik sein,
weil die mittleren Funktionäre sowieso schon sehr gedeftet sind,
weil sie immer wieder hören, dass man in Wien sagt, sie würden die
Wahl verlieren. Dabei bin ich überzeugt plagen sie-sich auch so gut
sie können. Ich habe aber den Eindruck, dass man eben um irgendwelche
Aktivitäten zu zeigen, z.B. in der Steiermark die Idee gehabt hat,
man wandert von Bauernhof zu Bauernhof in den Bergbauerngebieten.
So eine Wahlveranstaltung wünsche ich mir schon lange. In die Berge,
in der Luft, nicht viel Reden zu halten, nur nach stundenlangen
Wanderungen einen Bauernhof besuchen. Die Effizienz ist natürlich
ausser dem Gag fast null.
Sehr sinnvoll war der Besuch des COOP-Marktes in Leibnitz auch
nicht. Der Besuch war Freitag abends entsprechend schlecht und
bringt, wie glaube ich alle COOP-Markt-Besuche fast nichts. Hier
habe ich fast den Eindruck, dass man den Handelsminister einlädt
um zu dokumentieren, wie man auch in Leibnitz mir sagte, dass jetzt
endlich einmal ein Handelsminister auch in die Konsumläden kommt.
Anschliessend unterhielten wir uns über die Ladenschlusszeiten
und ich konnte glaube ich die Konsumfunktionäre überzeugen, dass die
beste Lösung ist beim jetzigen Zustand zu bleiben.
Die Landesorganisation hat vorgesehen, dass ich in einem Bauerndorf
in der Nähe Radkersburg/Tieschen eine Diskussion führen sollte. Mir
war unerklärlich warum dies erst um 8 Uhr angesetzt war, doch be-
hauptete man früher kämen die Bauern nicht zu der Versammlung.
In Wirklichkeit war es gerade umgekehrt, sie waren schon längst
dort und viele von ihnen schon sehr unter Alkoholeinfluss. Ich habe
in meinem Leben noch niemals eine Kapelle so falsch spielen gehört.
Die Diskussion erstreckte sich dann ziemlich lange, ich hatte Ge-
legenheit die paar anwesenden Genossen mit Argumenten zu versorgen,
diese waren auch bei jeder treffend sitzenden Antwort begeistert,
doch gebracht hat die ganze Diskussion sicherlich wenig, um nicht zu
sagen nichts. Ausser auch mit einem betrunkenem Chauffeur und dem
Begleitfahrzeug mit dem ich seit Lebring fahre ganz schönen Zusammen-
stoss, Gott sei Dank nur mit Blechschaden, war das Ergebnis sehr
mager.
Tagesprogramm, 26.9.1976
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)