Samstag, 27. September 1975
Um 1/2 7 Uhr begann ich mit den Betriebsräten von der Möbes-Schule
einen Vortrag und eine Diskussion über die wirtschaftliche Si-
tuation. In diesem Milieu fühle ich mich ausgesprochen wohl.
Beim Marktbesuch in Graz hat man allen Ernstes vorgesehen, dass ich
nur durch die Stände durchgehe und vielleicht ein paar Hände schüttle.
Gott sei Dank war dort ein Lautsprecherauto, so dass ich eine Markt-
diskussion beginnen konnte. Zu meiner grössten Verwunderung hat sich
aber überhaupt niemand gemeldet. Ich musste also gleichzeitig dort
arrangieren, dass mir wenigstens die jungen Genossen, die herumstanden
Fragen stellten damit wir dort eine Diskussion vortäuschen konnten.
Ich hatte aber so Gelegenheit zum ganzen Markt über den Lautsprecher
zu reden und doch sehr interessante Themen zu besprechen. Ähnlich
war es ja auch beim Marktbesuch in Innsbruck, wo sich auch niemand
getraute den Minister zu fragen; weder die eigenen Genossen, geschweige
denn Passanten. Ich habe den Organisatoren in der Steiermark erklärt,
dass sie das nächste Mal mich fragen sollen was sie in den Betrieben
oder bei Aussprachen im kleineren Kreis immer als Angriffe des Gegners
hören und beantworten sollen. So gebe ich ihnen erstens Argumente und
zweitens will dass auch die Bevölkerung hören. Ob es etwas genützt
hat werde ich ja feststellen, wenn ich das nächste Mal in die Steier-
mark komme.
Bei der Messeeröffnung war Niederl sehr friedlich, er meinte nur er
hätte gerne, wenn mehr Steirer nach Wien kämen. Hier konnte ich na-
türlich sofort antworten, sind die Minister Moser, Weihs, Rösch,
Lütgendorf, Staatssekretär Haiden, nicht genug und hatte natürlich
die Lacher auf meiner Seite. Niederl meinte er hätte ja nur gemeint
einen bestimmten Steirer. Zum Glück sagte er dies nach der Ansprache
erst, denn sonst hätte ich ihm noch geantwortet, dass ist aber auch
kein Steirer, sondern bekanntlicherweise ein Wiener. Dass Niederl
vom Taus-Erfolg nicht mehr überzeugt ist, dass er andererseits mir
gegenüber ein ungeheures Vertrauen haben muss, zeigt mir, dass er
nach der Messeeröffnung auf einen Hirsch gegangen ist. Das Vertrauen
hat mich sehr geehrt, er hätte mir nämlich davon überhaupt nichts mit-
teilen müssen. Die Einsatzbereitschaft aber der ÖVP, insbesondere der
höheren Funktionären, zeigt mir aber einen ganz neuen Gesichtspunkt.
Wallnöfer hat, als er Taus begleitete, ihm die ganze Show gestohlen,
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weil er in Wirklichkeit der grosse Redner und Taus in der Politik
und als Redner sich als sehr unerfahren präsentierte. In der Steiermark
wo man ihn zum Spitzenkandidat gemacht hat, sagt man, wenigstens dort
muss er gut abschneiden und setzt sich scheinbar auch nur mit halber
Kraft ein. Uns kann es nur recht sein.
Die anschliessenden Versammlungen waren teilweise sehr gut besucht.
In Mitterndorf beschwerte sich der Ortsobmann bei mir, weil gleichzeitig
Krieglach Kreisky besuchte und natürlich dort viele Leute anzog.
Trotzdem waren die obersteirischen Versammlungen ganz gut besucht.
Tagesprogramm, 27.9.1975