Donnerstag, 15. Mai 1975
Mit Androsch sprach ich bei der Staatsvertragsfeier, weil er
neben mir zu sitzen kam, wegen der Hoteltreuhand. Er war bereits
informiert und meinte, wahrscheinlich wird es ihm möglich sein,
nach dem Oktober eine bessere Lösung zu erzielen als derzeit.
Direkt hat er keinen Einfluss, aber indirekt über die CA glaubt
er verhindern zu können, dass Dr. Schimka, der Sekretär von Zedek
über Handelskammer nicht in die Treuhand geht. Der Vorschlag von
Schneider, jetzt einmal den Dr. Grenz als alleinigen Geschäfts-
führer zu lassen, hält er ebenfalls so wie ich sehr gut. Da sich
Dir. Millwisch einen Konsulentenposten schon geregelt hat, sollten
wir an dieser Konstruktion nichts ändern. Millwisch möchte keinen
Gehalt sondern nur Spesenersatz, Repräsentationsaufwendungen, eine
Sekretärin und ein Auto. Wahrlich keine schlechte Lösung. Da man
ihm aber dies bereits scheinbar zugesagt hat, wird es zweckmässig
sein, einige Monate, ja vielleicht sogar eine gewisse längere Zeit
ihn dort so arbeiten zu lassen und dann erst einen zweiten Ge-
schäftsführer zu bestellen.
Androsch teilte mir auch mit, dass er beabsichtigt, den Haftungs-
rahmen der österr. Kontrollbank für Exportkredite wieder zu er-
höhen. Dies geschieht wegen der nicht klaren verfassungsrechtlichen
Frage durch einen Initiativantrag. Durch diese Erhöhung können
alle Exportgeschäfte leicht finanziert werden und Haschek wird
darüber sehr erfreut sein.
Beim Staatsakt hat Kreisky ganz kurz nur begrüsst und musste zum
Schluss ausser Programm noch einmal das Wort nehmen, weil er einen
vergessen hat. Im Improvisieren ist er ganz gross, die Reden der
ausländischen Signatarstaaten-Vertreter waren wirklich reinste
Wahlreden für Kreisky, insbesondere der Amerikaner strich Kreisky
derartig heraus, dass ich mir vorstellen kann, wie es Schleinzer
und den anwesenden ÖVP-lern ergangen sein muss. Schleinzer ver-
suchte überhaupt sich in die vorderen Reihen zu setzen, musste
dann zweimal seinen Sitz räumen, was ihn sicher schon mächtig ge-
ärgert hat. Dann noch Laudatios auf die Staatsvertragsunterzeichner
aller vier Mächte-Vertreter und besonderes Herausstreichen von der-
zeit lebenden so tüchtigen Bundeskanzler Kreisky. Dabei das Ganze
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noch im Fernsehen, also nicht nur für die dort Anwesenden sondern
vor vielen Hunderttausenden, allerdings kommt es ganz darauf an,
was dann abends übertragen wurde. Da während des Tages nicht allzu
viele zugesehen haben werden. Wie kritisch aber Zuschauer sind, er-
zählte uns Rösch, der vom Büro unmittelbar angerufen wurde und man
erklärte, er solle bei der Staatsvertragsfeier nicht schlafen, und
im übrigen seine Unterhosen verdecken. Wieder bewahrheitete sich, was
ich ja schon längere Zeit weiss und für mich nichts Neues ist, dass
es auf die Krawatte ankommt, auf das äussere Auftreten und weniger
darauf, was gesagt wird oder was man sagt. Nicht dass ich diesen
Einfluss des Fernsehens von der Optik her überschätzen würde, glaube
ich doch, dass wir dem doch wesentlich mehr Aufmerksamkeit zuwenden
müssen.
Im Klub gab es bereits eine Diskussion wegen der zu spät eingeladenen
Nationalräte zur Staatsfeier. Im Haus selbst hat dann Koren als
erster Redner sofort heftigst dagegen protestiert, dass Kreisky
eben diese differenzierte Einladung der Nationalräte vorgenommen hatte.
Ursprünglich war nämlich von Kreisky vorgesehen, nur die Ausschussvor-
sitzenden zu laden. Insgesamt 65 Abgeordnete wären eingeladen worden.
Dann aber hat er nicht zuletzt auf Drängen der Regierungsfraktion al-
lerdings während seiner Abwesenheit in Bulgarien scheinbar doch nach
telefonischer Rücksprache entschieden, man soll alle einladen. Dazu
war es dann zu spät, sodass die Einladungen ganz knapp einen Tag vor
der Feier den Abgeordneten zugestellt wurden. Kreisky hat in seiner
Antwort sofort zugegeben, dass es sein Fehler war, spielte aber inter-
essanterweise den grössten Trumpf erst viel später aus. Bei der
10-Jahres-Feier waren es nämlich nur 11 Abgeordnete, die überhaupt einge-
laden wurden. Die Begründung, dass er auch die Beamten und andere
Institutionen wie Gerichtshöfe usw. kürzte, damit auch die Sozial-
partner ihre Leute schicken können und vor allem auch Bundesheermit-
glieder daran teilnehmen konnten, hätte ich an seiner Stelle viel
mehr herausgestrichen. Allerdings war zu erwarten, dass ja nicht alle
kommen weshalb auch tatsächlich viele leere Plätze waren und das
Bundesheer dann sogar als Lückenbüsser auftreten musste. Das Protokoll
hat hier sicherlich vollkommen versagt, obwohl er es in Schutz nahm,
weil sie in den letzten Tagen irrsinnig beansprucht waren. Typisch
war auch, dass im Belvedere, wo man die Vertreter der Staaten hinge-
führt hatte, wie Leodolter, die ebenfalls dort anwesend war, mir
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erzählte, nicht wusste, was man eigentlich tun sollte. Sie selbst
hätte veranlasst, dass die Tür geöffnet wurde und dadurch die
Ausländer wenigstens auf den Balkon hinaustreten konnten. Natürlich
war überhaupt niemand dort ausser vier Kriminalbeamten und Polizei.
Wenn man hier ein riesiges Volksfest gemacht hätte mit Feuerwerk
oder ich weiss nicht was sonst für Attraktionen, hätte man sicher
viele Wiener hinbringen können und hätte dann um dasselbe Geld,
das heute das Buffet nach dem Staatsempfang gekostet hat, eine
wesentlich grössere Breitenwirkung gehabt und es wäre niemand
verärgert gewesen.
Mussil hat mit Heindl und mir auf seinen Wunsch wegen der Ablehnung
der Handelskammerbefürwortung für zwei Unternehmervertreter von
Vienna, der Hemdenfabrik, ein vertrauliches Gespräch geführt. Er
entschuldigte sich und erklärte, warum er dieses Gnadengesuch
nicht unterstützen kann. Der Fachverband sei aus durchsichtigen Kon-
kurrenzgründen dagegen, weshalb er von dieser Seite Schwierig-
keiten hat und von der anderen Seite sei ihm sogar in seinem Wahl-
kreis mitgeteilt worden, die Firmen würden jetzt nicht mehr
zu Lieferungen herangezogen, die sich gegen diese Begnadigung aus-
gesprochen haben, weil Mussil dies abgelehnt hat. Für mich war es
eine heilsame Lehre, wie vorsichtig man in solchen Fragen vorgehen
muss, weil scheinbar beim Geldverdienen der Konkurrenz das gilt vice ver-
sa jedes Mittel recht ist.
Bei dieser Gelegenheit habe ich Mussil betreffend das Kontrahierungs-
zwanges und Diskriminierung durch Schleuderpreise gefragt, wie es weiter-
gehen soll. Ich erklärte und behauptete rundweg, er wäre ja auch
nicht imstande gewesen, seine Leute befriedigend zu koordinieren, was
er auch mehr oder minder zugab. Formell hat er zwar einen Beschluss
zustande gebracht wonach gegen diese beiden Initiativanträge in der
von ihm und Lachs ausgearbeiteten Form kein offizieller Einspruch
erfolgen würde. Alle beteiligten aber waren der Meinung, dass dieses
Kompromiss schlecht ist. Allerdings aus verschiedenen Gründen.
Insbesondere ist die Industriellenvereinigung, Graf Hartig, wie er
sich ausdrückte, sowohl bei Haberl, Konsumverband, als auch beim
ÖGB, Lachs, und in der Arbeiterkammer gewesen, um eine weitere Ver-
schärfung zu bekommen. Immer wieder versucht die Industriellenver-
einigung, eigene Wege zu gehen und stört dadurch mühsame zustande
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gekommene Kompromisse zwischen den Sozialpartnern. Für mich
war das die Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass also nicht
allein die Konsumgenossenschaft jetzt innerhalb der soz. Gruppe
Bedenken hat, sondern dass es auch innerhalb der ÖVP ganz grosse
Schwierigkeiten gegeben hat und gibt und deshalb es am besten ist,
dieses Problem aus der Politik und insbesondere aus dem Wahlkampf
herauszuhalten. Mussil war ganz dieser Meinung und hat nur gemeint,
man wird allerdings nicht verhindern können, wenn einzelne Redner
gelegentlich darauf zu sprechen kommen. Er selbst wird sich be-
mühen, dass die Partei dieses Problem politisch nicht hochspielt
Die Gruppe Mitterer, Ebert, Zach, also die reinen Händler-Vertreter,
um nicht zu sagen, Greissler-Vertreter, wollen unter allen Umstän-
den zu einer Lösung kommen. Mussil glaubt aber, dass der einzig
gangbare Weg ist, einen Unterausschuss einzusetzen, und dann die
Materie bis Ende der Legislaturperiode dilatorisch zu be-
handeln. Ich habe Mussil neuerdings darauf aufmerksam gemacht,
dass Jagoda, ich kann an der Sitzung ja nicht teilnehmen, auch den
Kontrahierungszwang für den Letztverbraucher, d.h. den Konsumenten
fordern wird. Mussil hat dagegen, da ja sowieso nichts herauskommt,
nichts einzuwenden.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte Jagoda soll dies unbedingt bei der Sitzung
als Vorschlag des Handelsministeriums vortragen. Nicht erst auf die
Unterausschussitzungen warten.
Zwischen Heindl und Mussil entwickelte sich eine interessante Dis-
kussion, wieweit heute Grossverteiler, Kettenläden usw. einen
Einfluss auf das Sterben der "Greissler" haben. Mussil musste zu-
geben, dass in Wirklichkeit nur zwei grosse Firmen nämlich
Hofer mit 350 Artikeln und dann noch Denner von der Schweiz mit
900 Artikeln eine Versorgung nicht sicherstellen, weil sie eben
zum Unterschied von allen anderen, Spar, Konsum, Plus-Kauf usw.
nur ein ganz geringes Sortiment haben. Da Hofer nur Schnelldreher
führt, kann er natürlich wesentlich billiger sein und ruiniert
wahrscheinlich in seiner weiteren und näheren Umgebung alle anderen
Geschäfte. Ich überlegte, ob man nicht im Zuge der Nahversorgungs-
lösung ganz einfach vorschreibt, dass aber gewissen Grössen auch
eine gewisse Anzahl von Produkten z.B. 800 mindestens geführt werden
müssen, die auch die lebensnotwendigen Güter umfassen müssten.
ANMERKUNG FÜR WAIS: UND KOPPE: Welche Lösung gibt es wirklich
für die Nahversorgungsproblematik.
Blecha erzählte mir von der Bulgarien-Reise, wo er, wie er sich
ausdrückte, in der Nacht mit den VÖEST-Vertretern und den Bulgaren
das Oxygen-Anlagen-Geschäft fixierte. Von den ca. 570 Mill. Geschäft
muss die VÖEST jetzt 40 % in Kompensationswaren, Maschinen,
Elektrokarren usw. übernehmen, plus 30 % von den Produkten der
Anlage. Ich war wegen der 40 % Anteile ein wenig erstaunt, weil
die VÖEST mir ausdrücklich erklärt hatte, über 30 % könne sie
unmöglich hinausgehen. Diese Ziffer hatte ich auch Nedew bei seinem
Besuch in Wien auf ausdrücklichen Wunsch der VÖEST mitgeteilt.
Blecha meinte, strittig war eigentlich nur noch das Pönale
wo die Bulgaren 20 % verlangten und die VÖEST 8,5 % maximal an-
boten. Auch hier soll es dann zu einer Einigung gekommen sein.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte mit Meisl verbinden.
Teschl ersuchte mich, ich sollte mit Prinzhorn von der Fa. Hamburger,
dem Sohn des exponierten FPÖ-Kandidaten, gelegentlich ein Ge-
spräch führen. Ich war sofort dazu bereit und wir unterhielten
uns eine Stunde lang über das Problem Hamburger. Die Firma hat einen
ERP-Kredit von 105 Mill. S gefordert, rechnet damit, dass sie 60
Mill. bekommt. Sie muss eine neue Maschine anschaffen, weil sie
nur eine Maschine derzeit hat, ausserdem möchte sie ihre Zell-
stoffproduktion von 15.000 t aufgeben und auf Altstoffpapier-
basis umstellen. Sie hat derzeit 40.000 t in Pitten verarbeitet
und möchte in Zukunft auf 80 – 100.000 t kommen. Zu diesem Zweck
braucht sie jetzt entsprechendes Kapital. 170 Mill. sollen
ausser dem ERP-Kredit Lieferantenkredite mit 7,5 % schon vereinbart
bringen. 30 Mill. die Girozentrale, 50 Mill. die Landeshypotheken-
anstalt und 80 Mill. aus Eigenkapital. Wichtig ist aber 50 Mill.,
die sie von der österr. Investitionskredit braucht, wo sie
bis jetzt bei Wirlandner und den anderen Vorstandsmitgliedern
nicht die notwendige Unterstützung bekommen. Sie hat, wo alle
anderen Papierfabriken jetzt grosse Absatzschwierigkeiten haben,
überhaupt kein Problem. Sie kann alle ihre Produkte auch trotz des
Wirtschaftsrückganges im Inland an Verpackungsmaterial verkaufen.
Der junge Prinzhorn, der in Brasilien und Kanada gearbeitet hat,
und jetzt die Fabrik glaube ich sehr autoritär führt, seine Familien-
mitglieder und die zweiten Aktienbesitzer Reinthaller haben fast
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nichts mitzureden, erscheint mir sehr dynamisch und auf alle Fälle
unterstützungswürdig. Für Umweltschutzfragen hat er nur eine Klär-
anlage für 15 Mill. vorgesehen, die er auch eigenem finanzieren
wird und nicht einen Zinsenzuschuss benötigt. Wenn er nur die Kapita-
lien, die er braucht, bekommt, meint er, würde er sofort mit
dem Umbau in Pitten beginnen. Da er sich insbesondere auf die Alt-
papierverwertung umstellt, er wird mit Bunzl und Spiess in der ÖPG
5 Mill. S jetzt hineinstecken, damit mehr Altpapier aufgebracht
wird, erscheint mir dieses Projekt äusserst interessant.
ANMERKUNG FÜR REIM: Bitte eine Besprechung mit Gröger, Haffner und
mir organisieren.
Abgeordneter Schlager, der in Judenburg, Fohnsdorf, Pölser Raum
grosse Schwierigkeiten hat, hat mit Moser, Teschl und mir ge-
sprochen, wie man ihm helfen kann. Ich bin bereit und habe dies
auch bei der Vorstellung des Leykam-Projektes bei einem Presse-
frühstück erklärt, alle Anträge positiv zu erledigen, wenn die Finan-
zierung gesichert ist. Pöls ist in diesem Konzept mit 200 Mill.
vorgesehen. Schlager war sehr erfreut, dies von mir neuerdings
bestätigt zu bekommen, Das Hauptproblem ist, dass Moser vom
Wasserwirtschaftsfonds nicht mehr imstande ist, ausser den
700 Mill. für Leykam und 500 Mill. für Borregaard für weitere
Projekte irgendwelche Zusagen zu machen. Schlager wird deshalb
versuchen, dass die Direktion von Pöls aus den italienischen
Besitzern irgendwelche Finanzzuschüsse bekommen kann. Eine weitere
Zusagen ausser den 200 Mill., die wir im Konzept schon haben, habe
ich ganz entschieden abgelehnt, zu geben.
Beim norwegischen Abendessen in der Botschaft hat mich der Direk-
tor von Borregaard, die bekanntlich eine norwegische Firma ist,
Dr. Vogel, angesprochen, dass er jetzt mit Turnauer gemeinsam nach
Norwegen fahren wird. Er hofft, dass es ihm gelingt, die Neusiedler
davon abzuhalten, eine eigene Zellstoffabrik zu bauen, sondern
dass sie gemeinsam Borregaard und Neusiedler ein noch zu erarbeiten-
des Projekt durchführen werden. Ich habe sofort erklärt, dass ich
daran sehr interessiert bin, wenn im nördlichen österreichischen
Raum so wie im südlichen Leykam jetzt eine Konzentration vornimmt,
auch hier eine ich fürchte nach wie vor, dass jetzt die
angeblich so grossen und kostenmässig günstigen Projekte mit
150.000 t in Wirklichkeit in kürzester Zeit zu klein sein werden.
Wenn man bedenkt, dass die Ungarn und Jugoslawen Projekte von
mindestens 200 oft bis 300 und 400.000 t errichten und wenn man
weiss, dass in den skandinavischen Staaten ebenfalls wesentlich
grössere Projekte gemacht werden, dass aber insbesondere in der SU
in den Kombinaten bis zu Millionen-t-Einheiten entstehen, dann
werden 150.000 t in kürzester Zeit als zu klein gelten. Wenn es
daher gelingt, transportmässig entsprechende konzentrierte Projekte
gemeinsam zu verwirklichen, so werde ich diese unterstützen.
Tagesprogramm, 15.5.1975
Tagesordnung 164. Ministerratssitzung, 20.5.1975
26_0609_03hs. Notizen (TO Ministerratssitzung Rückseite)