Freitag, der 16. Mai 1975

26-0610

Freitag, 16. Mai 1975

Im Parlament hat Abg. Bauer wegen der Personalpolitik mich hart
angegriffen. Er hat am Vortag Heindl aufmerksam gemacht, dass er
einige Bemerkungen zum Handelsministerium machen wird, allerdings
wie er sagte nicht schlimm. Durch diese Vorinformation, aber trotzdem
durch einen reinen Zufall, war ich während seiner Attacke anwesend.
Er griff die Personalpolitik im Falle von Meisl an. Vorher hatte
er zwar noch erklärt, dass die Qualität von Meisl ausser jeder
Diskussion steht, doch dann meinte er, dass es politische Motive
waren, dass wir Reiterer von den Sektionsposten abzogen, um Meisl
freizumachen. Deshalb musste auch Leitner von Brüssel weg nach
China und Thalberg von China nach 2 Jahren schon zurückberufen werden,
damit andererseits auch wieder Bukowski als Kabinettschef frei
wurde. Vorher schon hatte Gasperschitz mich angegriffen, weil wir
eine Waschmaschine für die Bedienerin gekauft hatten. Kreisky der
zufällig auch bei dieser Passage im Saal war, meinte man müsse sich
doch dagegen wehren. Wegen der Waschmaschine hätte ich mich sicher-
lich nicht gemeldet, als aber dann Meisls Bestellung attackiert wurde,
habe ich mich von der Regierungsbank zum Wort gemeldet und die Be-
schuldigungen zurückgewiesen. Die ÖVP ist wütend über unsere Personal-
politik, kann aber sachlich dagegen kaum etwas einwenden. Alle Bestell-
ten haben sich bestens bewährt und sind selbst wie die ÖVP-Handels-
kammervertreter zugeben müssen, wirklich die richtigen Leute am
richtigen Platz. Ich habe deshalb unmittelbar nach diesem Tages-
ordnungspunkt Bauer rausgebeten und Mussil, der vorüber kam, sofort
dazu. Ich erklärte dass ich einen solchen Angriff nicht akzeptiere,
sondern mich entsprechend wehre. Dies bedeutet, dass ich auch in
Hinkunft, obwohl ich ja hier meistens im Einvernehmen mit allen vor-
gehe, solche Attacken jederzeit zurückweisen werde und vor allem
nicht von der jetzigen Politik abgehen werde. Mussil machte dann
noch die ungeschickte Bemerkung, dass ich Meisl umgedreht hätte.
Selbstverständlich habe ich Meisl sofort über diese Vorgänge bei
meiner Rückkehr ins Haus berichtet. Ich glaube, dass wir diese
Politik fortsetzen sollten, insbesondere werde ich aber in Hinkunft
auf Bestellungen von leitenden Posten auf Handelsministeriumsangehö-
rige nicht mehr so viel Rücksicht nehmen, als ich dies in der Ver-
gangenheit doch wenn irgendwie möglich, getan habe. Letzten Endes
bin ich gerade bei Meisl angegriffen worden, obwohl er jahrzehnte-
lang im Handelsministerium sich wirklich von unten hinaufgedient
hat.



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ANMERKUNG für BUKOWSKI: Lasse der Personalvertretung wissen, dass
solche unqualifizierte Angriffe Folgen haben können, ohne natürlich
zu drohen oder besonders den Beleidigten zu spielen.

Fritz Mauthner kommt um die Getreidesituation zu besprechen. Er
hat eine Saatzuchtanstalt und befürchtet, dass der Normalweizen so
stark gebaut wird, dass wir zu riesigen Überschüssen kommen. Damit
sagte er mir allerdings nichts neues, da ich die ganze Zeit schon
unsere Getreidepolitik auch unter Weihs kritisch betrachte. Weihs
hat bei den letzten Preiserhöhungen meiner Meinung nach viel zu viel
den Füll- oder Normalweizen angehoben und die Differenz zwischen
Qualitätsweizen und Normalweizen nicht entsprechend erhöht. Meiner
Meinung nach wäre es besser gewesen nur den Preis für Qualitätsweizen
anzuheben. Ich habe Mauthner sofort erklärt, dass ich nicht bereit
bin die jetzt laufenden Preisverhandlungen für Getreide auch mit
einer Erhöhung des Getreidepreises abzuschliessen. Wenn aber die Land-
wirtschaft unbedingt drängt und von mir verlangt, dass ich zumindestens
am Qualitätspreissektor etwas ändere, würde ich mich eventuell dazu
bereit erklären. Mauthner meint, das bringt den Landwirten nichts,
weshalb er ja nicht annimmt, dass eine solche Forderung kommen wird.
Insbesondere, da Präsident Lehner in OÖ in einem Normalweizengebiet
arbeitet, wird von ihm niemals ein solcher Vorschlag kommen. Dass
sich allerdings die OÖ auf Qualitätsweizen umstellen könnten, be-
streitet Mauthner nicht.

Bezüglich des Zuckerpreises gibt Mauthner zu, dass er mindestens
13.000 Tonnen importieren muss, max. 21.000 Tonnen. Der Weltmarkt-
preis beträgt derzeit 10 Schilling franko Grenze und nicht wie die
Arbeiterkammer glaubt, unter dem österreichischen Preis. Der Ver-
braucherpreis in der Schweiz ist derzeit 2.20 Franken. Ich setze
Mauthner auseinander, dass ich bezüglich der Exporte in Hinkunft
grosse Schwierigkeiten sehe. Die Versorgung im Inlandszucker ist mehr
als gedeckt und die Industrie wird in Hinkunft, wenn der Weltmarkt-
preis wieder unter den inländischen Preis fällt, kaum grössere Mengen
abnehmen. Mauthner ist nicht pessimistisch, sieht aber bezüglich der
Exporte auch in Hinkunft grössere Schwierigkeiten. Bei Getreide meint
er, hätte man versäumt die entsprechenden Mengen bis November/Dezember zu expor-
tieren, wo dies noch möglich gewesen ist. In der Zwischenzeit ist
der Weltmarktpreis auf 100 Dollar zurückgefallen, weshalb jetzt kaum
eine Chance besteht Weizen zu exportieren. Die einzige Möglich-
keit sieht er darin, Weizen gegen Mais im Ausland abzutauschen.
wenn entsprechende Maismengen importiert werden müssten.



26-0612

Das Präsidium der Wirtschaftstreuhänder wird von mir angelobt.
Burkert, der neue Präsident, der Schmidt ablöst, ist ein tüchtiger
Mann, allerdings auch ein ÖVP-Mann, zumindestens Sympathisant.
Der wirkliche ÖVP-Kandidat Böck, dem man keine Chancen gegeben hat,
hat doch mit seiner Vereinigung so viel Stimmen erreicht, dass er
bald auch die überparteiliche, von Burkert geführte Gruppe, über-
flügelt hätte. Böck kam daher sofort wieder mit dem Wunsch entsprechen-
der Tarifkorrekturen. Er meint damals hätten sie 30 % verlangt, und
nur 20 bekommen. In der Zwischenzeit sei die Arbeitszeitverkürzung
mit 5 % plus 2.5 % Überstundenleistung, die sie erbringen müssen,
für sie eine grosse Belastung. Sie bekommen nicht die nötigen
Kräfte und müssen höhere Löhne bezahlen. Böck verglich dass 1956
als ihr Tagwerk 700 Schilling einbrachte, der Diplomkaufmann
mit 2.400 Schilling zu haben war. Jetzt 10 Jahres später ist das
Tagwerk 1.680 Schilling, der Diplomkaufmann verlangt aber 9.000
Schilling. Ich erklärte Böck gleich rundwegs, dass vor Oktober nichts
zu erwarten sei. Dabei wies ich darauf hin, dass Oktober sich nicht
auf die Wahlen bezieht, sondern weil die letzte Erhöhung mit 1.10.
erfolgte. Allerdings hat Böck sofort eingewendet, dass wir ja
rückwirkend September ihnen die Tariferhöhung zugestanden haben.
Dies ist aber erklärte ich, ausnahmsweise geschehen, weil sie es
so wollten und bedeutet nicht, dass mit September schon die Lauf-
zeit beginnt. Innerhalb der Paritätischen Kommission wird nämlich
immer abgelehnt zweimal im Jahr irgendwelche Lohn- oder Preis-
korrekturen zu machen. Letzten Endes haben sie dies eingesehen und
mir nur angekündigt bei meinem Besuch ihrer Vorstandssitzung werden
sie mit mir über dieses Problem Besprechungen führen, dagegen habe
ich nichts einzuwenden, werde deshalb aber garantiert erst im Herbst
zu einer Vorstandssitzung gehen.

ANMERKUNG für WIESINGER: Wenn sie wegen einem Termin vorfühlen,
bitte erst Herbsttermin zusagen.

Über die Textilkennzeichnung und Textilpflegekennzeichnung ist
es zwischen den Interessensvertretungen zu keiner Einigung gekommen.
Die Sitzung ist geplatzt. Ich habe deshalb die Verantwortlichen
Christian und Catharin von der Handelskammer von der Gewerkschaft und
Arbeiterkammer zu mir ins Parlament gebeten und wir haben dann
nach Referat von Sager ein Kompromiss bezüglich der Importkennzeich-
nung und den Terminen gefunden. Die anderen Punkte konnten eben-
falls einvernehmlich geklärt werden. Betreffend der Importwaren-
kennzeichnung wird die grosse Schwierigkeit beim Finanzminister


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liegen. Wir haben uns zwar jetzt prinzipiell geeinigt, dass ich
beim Finanzministerium die diesbezüglichen Anträge wegen der Kontrolle
stellen werde, ich bin aber überzeugt dass dies so wenig klappen wird
wie bei den Qualitätsklassenvorschriften des Landwirtschaftsministe-
riums. Auch dort erklärt das Finanzministerium dezidiert, es hat
nicht die nötigen Zöllner und kann deshalb eine Kontrolle kaum
stichprobenartig durchführen. Betreffend des Termines habe ich
der Bundeskammer Rechnung getragen. Sie hat vorgeschlagen mit 1.1.76,
was auch von Koppe akzeptiert wurde. Die Bundeskammer wollte aber
dann unbedingt eine Trennung, dass mit 1.1.76 nur die Meterware und
1/2 Jahr später erst die Bekleidung zu kennzeichnen ist. Die Arbei-
terkammervertreter und ganz besonders die Gewerkschaftsvertreter
waren mit dieser Lösung nicht einverstanden. Ich habe anschliessend
daran mit allen gesprochen und selbst Hofstetter, der zugezogen wurde,
meinte dann dieses Kompromiss könnte man akzeptieren. Das wirkliche
Problem ergibt sich nämlich, dass es kaum möglich sein wird, bis zum
1.7.76 das Finanzministerium dafür zu gewinnen, tatsächlich ent-
sprechende Kontrollen zu machen. Die Textilarbeitergewerkschaft,
Hans, war anwesend, wollte ganz besonders für die Textilindustrie
als Schutz, dass das Finanzministerium sehr streng die Importware
nach Qualität kontrolliert. Hier wird er wahrscheinlich grosse
Enttäuschungen erleben. Dies war auch dann letzten Endes der Grund,
warum alle dem Kompromiss zustimmten. Durch dieses Kompromiss
nämlich kann ich jederzeit erklären, dass die Handelskammer letzten
Endes auch für die Kennzeichnung eingetreten ist, wenn es mit den
Firmen Schwierigkeiten geben wird. Dass solche Schwierigkeiten
kommen, bin ich 100 %-ig überzeugt.

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Tagesprogramm, 16.5.1975


Tätigkeit: Fachverband Bekleidungsindustrie


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: HK


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg.


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Lebensmittelhändler
        GND ID: 118579304


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Präs. LWK


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Vizepräs. Gewerbeverein, Präs. Wirtschaftstreuhänder [1971; Schreibung?; ev. ident mit einem anderen Schmidt?]


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Sektionschef HM, Diplomat, Verteter bei der EG


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: öst. Botschafter EWG


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                    GND ID: 102318379X


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: Leitender Sekretär ÖGB, SPÖ-NR-Abg.
                      GND ID: 136895662


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Obmann ÖVP Wien, ÖVP-NR-Abg., Volksanwalt


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Büro des Bundesministers (Sekretärin)


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: Diplomat


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                              Tätigkeit: Ministerialrat, Leiter Grundsatzabteilung


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                                Tätigkeit: Präs. Kammer d. Wirtschaftstreuhänder


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                                  Tätigkeit: Vizepräs. Kammer d. Wirtschaftstreuhänder


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                                    Tätigkeit: Landwirtschaftsminister bis 1976
                                    GND ID: 130620351


                                    Einträge mit Erwähnung:
                                      Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


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                                        Tätigkeit: Bundeskanzler
                                        GND ID: 118566512


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                                          Tätigkeit: Straßburg


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