Mittwoch, den 2. April 1975
Bei der fraktionellen Sekretärsbesprechung der Lebensmittelarbeiter
im Hueberhaus diskutierten wir nach einer kurzen Einleitung von
mir über die politische Situation in unserer Branche, und insbe-
sondere den einzelnen Betrieben. Übereinstimmend wurde festgestellt,
daß es uns nicht geglückt war in den 5 Jahren sozialistischer Re-
gierung die Errungenschaften so zu verkaufen, daß sie auch tat-
sächlich den notwendigen Widerhall in der Arbeiterschaft finden.
Allgemein ist der Eindruck, daß die Bevölkerung und damit auch die
Arbeiterschaft mit den Errungenschaften zufrieden ist, denn es gibt
wirklich keinerlei größere Forderungen oder gar eine größere Un-
zufriedenheit in einzelnen Betrieben, oder gar in Gruppen. Den-
noch wird das Erreichte ganz einfach hingenommen, man reagiert
darauf weder positiv aber auch nicht negativ. Eine Lethargie
macht sich bemerkbar. Ich führe das darauf zurück, daß die
Arbeiterschaft erwartet hat, daß eine sozialistische Regierung
alles sofort ganz schnell und nur für die Arbeiterschaft aus-
schließlich befriedigend lösen kann und wird. Idealzustand keine
Preissteigerungen dafür aber Lohnerhöhungen und sozialrechtliche
Verbesserungen, insbesondere dort wo die Arbeiterschaft bis jetzt
hat keine Kampfmaßnahmen einsetzen müssen um Teilerfolge zu er-
zielen, glaubt sie, daß es möglich alles zu erreichen, ohne daß
man eben sich anstrengen muß oder doch eine gewisse Zeit zuwarten
muß, da ja die Wirtschaft kaum alles sofort verkraften könnte.
Dabei sind wir in unserer Organisation noch besser daran, weil
wir doch unsere Gruppen und damit auch einzelne Funktionäre aus
den Betrieben, also nicht die Sekretäre allein bei den Lohnbewe-
gungen immer wieder ihnen beweisen wie schwierig es ist, daß sie
selbst ihre Wünsche durchsetzen. Eine unserer radikaleren, aber
sehr gut organisierten Gruppen, die Fettarbeiter, stehen jetzt
gerade in einem Lohnkampf. Es gelang glaube ich einen sehr guten
Abschluß zu erreichen. Hätten wir diesen Abschluß vorher mit der
Unternehmerschaft von der Spitze aus, also der Zentralsekretär oder
das Präsidium vereinbart, so wäre wahrscheinlich bei der Arbeiter-
schaft der Eindruck entstanden sie hätten noch viel mehr erreichen
können und wir hätten nur gebremst. Da sie ihn mühsam erkämpfen
mußten, unter anderem hatten sie oft stunden-, manche Betriebe sogar
tagelang Versammlungen gehalten, um die Arbeiterschaft zu infor-
mieren, auf der anderen Seite dann aber gleichzeitig auch, ohne daß
ein Streik ausgerufen wurde, den Unternehmern den Ernst der Situation
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vorzuführen. Unsere Organisation hat also ein System auf das
ich sehr stolz bin und das ich unter allen Umständen immer ver-
teidigen werde, daß nämlich die Funktionäre und Betriebsräte bei
den Entscheidungen in der Gewerkschaft sehr viel mitzureden haben
und in der Lohnpolitik insbesondere den Lohnkampf selbst führen
müssen. Überhaupt erklärte ich unseren Sekretären, daß es viel
notwendiger sein wird, die Betriebsräte und die Betriebsratsarbeit
mehr herauszustreichen und zu unterstützen. Dort wo gute Betriebs-
räte sind haben wir auch gute politische und gewerkschaftliche Ver-
hältnisse. Trotzdem ist es interessant, daß Blümel eine Zusammen-
stellung gemacht hat von den letzten Betriebsratswahlen, jetzt
beginnen nämlich wieder die nächste Betriebsratswahlrunde, und
dort von 414 Betrieben nur 64 eine sozialistische Liste, 21 eine
freie Gewerkschafterliste, 5 eine ÖAAB-Liste, 34 eine christliche
Gewerkschafterliste, 1 KP-Liste und die freiheitliche und die
gewerkschaftliche Einheit keine Liste aufstellen konnten. Der Rest
sind Namenslisten, die natürlich zum allergrößten Teil von
Sozialisten geführt werden. Wenn der betreffende Betriebsratsobmann
aber unter Namen kandidiert, so hat es den Grund, daß er dabei über-
zeugt ist mehr Stimmen, meistens sogar alle Stimmen des Betriebes
auf seine Person abgegeben zu erhalten. Hier zeigt sich, daß der
persönliche Einsatz des Betriebsratsobmanns das Entscheidende ist
und nicht die Listenbezeichnung. Gludowatz und der Bildungsreferent
wiesen mit Recht darauf hin, daß wir wahrscheinlich die ideologische
Diskussion in der letzten Zeit sehr vernachläßigt haben. Seit 1970
wurde dies ganz besonders wenig betrieben. Jetzt ist es ihm gelungen
nur im Rahmen der Bildungsreferenten der Gewerkschaften durchzu-
setzen, daß in jedem Kurs zumindestens ein ideologisches Thema
behandelt werden soll. Wenn man früher irgendeinen Spezialkurs ge-
halten hat, so wurde nur dieses Spezialthema referiert und keine
Minute für Gewerkschaftspolitik oder Gewerkschaftsideologie aufge-
wendet. Dies soll sich nun ändern. Ich glaube wirklich, daß es
notwendig ist.
Da ich zum Ministerrat und dann in mein Büro mußte, wurde Nach-
mittag die gesamte Fraktionssitzung des Gesamtvorstandes der Lebens-
mittelarbeiter von Deutsch eröffnet. Ich selbst kam gerade zurecht,
als die Anträge an den Gewerkschaftskongreß besprochen wurden.
Vormittag hatten die Sekretäre, ohne daß ich davon etwas wußte,
einen Antrag gezimmert, wonach beim Gewerkschaftskongreß die
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Forderung erhoben werden sollte, daß das Präsidium des Gewerk-
schaftsbundes durch einen Vertreter der kleinen Gewerkschaften
ergänzt werden soll, damit nicht die großen Gewerkschaften, Me-
tallarbeiter, Bauarbeiter, Angestellte dominieren, die natürlich
auch seit 1945 das Präsidium bilden. Ich wehrte mich sofort gegen
diesen Antrag, weil ich aus der Erfahrung diese Lösung von der
Arbeiterkammer her kannte. Auch dort fühlten sich die kleineren
Gewerkschaften benachteiligt und setzten durch, daß zumindestens
im Vorstand und dann vor allem aber in der Fraktion die kleineren
Gewerkschaften kooptiert wurden, resp. einen Sprecher im Vorstand
behalten sollten. Als diese Lösung dann zustande kam ergab sich,
daß natürlich dieser eine Mann, es war in diesem Fall Busta von
persönlichen Dienstleistungen nicht imstande war auch nur an-
nähernd die Wünsche der kleineren Organisationen zu vertreten, ja
vielleicht gar nicht den notwendigen Kontakt halten konnte, damit
tatsächlich diese kleinen Gewerkschaften befriedigt waren. Die
Sekretäre und auch Deutsch der vormittags den Vorsitz weitergeführt
hatte, haben dann auch in der Diskussion klar zu erkennen gegeben,
daß es ihnen primär darauf ankommt weil kaum kleinere Gewerkschaf-
ten einen entsprechenden Vertreter hätten, daß ich diese Funktion
zu übernehmen hätte. In weiterer Folge gaben sie auch zu, was ich
auch vermutete, weil ich mich ja auch so dagegen aussprach, daß
sie glauben mit Kooptierung oder Wahl in das Präsidium wird auch
gleichzeitig die Nachfolge Benyas besser zu beeinflussen sein.
Sie glauben, daß der richtige Weg dazu eben jetzt eine Wahl von
mir ins Präsidium und dann in weiterer Folge eine Gegenkandidatur
gegen eventuell Dallinger oder Sekanina oder vielleicht sogar
noch einen Bauarbeiter, der sich im Laufe der Zeit in das Präsidium
hineinarbeiten wird. Ich erklärte rundwegs, daß ich eine solche
Vorgangsweise ablehne. Es kommt letzten Endes immer auf die Persön-
lichkeit an bei der Kandidatur um jeden Posten. Die Frauen z.B.
bemühen sich seit Jahren in das Präsidium des Gewerkschaftsbundes
hineinzukommen. Ich bin überzeugt davon, daß im Jahre der Frau
dieses Problem wieder zur Sprache kommen wird. Hätte aber die
Frauenorganisation noch die Genossin Weber, die leider vor Jahren
am Glockner tödlich verunglückt ist, oder die Frau Staatssekretär
Wondrack, die auf einer Dienstreise vor Jahren ebenfalls tödlich
verunglückte, beide profilierte Gewerkschafterinnen, so bin ich
überzeugt, wäre eine dieser beiden jetzt in das Präsidium gewählt
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werden. Die Statuten wären sicherlich geändert worden. So
erklärt aber die derzeitige Obfrau der Frauen, daß sie mit
Erreichung der Altersgrenze auf alle Fälle ausscheidet, sie wird
kaum mehr für einen Sitz im Präsidium kandidieren, d.h. sie wird
den Kampf darum nicht aufnehmen. Zumindestens nicht für ihre
Person. Die beiden anderen in Frage kommenden Frauen, wie die neue
Zentralsekretärin der Privatangestellten Berger, die ich als tüchtige
Frau jahrzehntelang kenne, oder die jetzt in der Metallarbeiterge-
werkschaft arbeitende Frauenreferentin Fast, haben glaube ich kaum
sehr große Chancen. Ich glaube, daß aber am meisten dann ein Argument
von dem ich fest überzeugt bin unsere Genossen beeindruckte, daß
nämlich, wenn ich tatsächlich in das Präsidium komme, dann viel
stärkeren Druck noch von seitens des Gewerkschaftsbundes über unsere
selbstständige Lohn-und Kollektivvertragspolitik haben würde.
Schon jetzt werden die Lebensmittelarbeiter in ihrer Politik nicht
von allen anderen Gewerkschaftern und insbesondere Funktionären
mit Lob bedacht, sondern manchmal intern hart kritisiert. Dieser
Zustand würde sich wahrscheinlich noch verstärken. Außerdem er-
klärte ich den Genossen es besteht derzeit überhaupt keinerlei
Grund sich besonders jetzt zu alterieren, denn Gott sei Dank wird
Benya noch eine vollkommene Legislaturperiode zur Verfügung stehen
und auch die nächste ist keinesfalls notwendig, daß er ausscheiden
müßte. Im Gewerkschaftsbund haben wir keine Altersgrenze und die
Partei wird für seine Mandatsfunktion sicherlich so wie Kreisky,
einstimmig nehme ich sogar an, eine Ausnahmegenehmigung schaffen.
Über mein politisches Referat wo ich insbesondere die soziologische
Änderung der Arbeiterschaft für unseren Wahlkampf von größter
Bedeutung herauszuarbeiten versuchte, gab es dann obwohl es
schon spät war, eine lebhafte und interessante Diskussion.
Übereinstimmend stellten wir fest, daß wir unsere Funktionäre
und Mitglieder aktivieren sollten. Wenn es so wie in Wien nach
dem Rücktritt Slaviks eine Begeisterung der Funktionäre wegen
der kommenden Wahl gegeben hat, wenn es so wie in Kärnten, nachdem
man dort die Personalfrage, Ablöse Simas durch Wagner, gelöst hatte
und den harten Angriffen des Gegners einen begeisterten Wahlkampf
führten, kann man damit rechnen, daß die Wahlergebnisse positiv
sein werden. Wie wir allerdings unsere Wahlziele so darstellen,
daß eine begeisterte Stimmung aufkommt und ein Kampfgeist womög-
lich wie in den 70er Jahren zu verzeichnen ist, weiß ich noch
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nicht. Hier muß uns entweder der Zufall zu Hilfe kommen, oder
Kreisky gelingt es eine Wahlkampftaktik einzuschlagen, die
letzten Endes auch unsere Funktionäre mitreißt. Jetzt habe ich
das Gefühl sagt man noch immer und überall, es soll die Regierung
weiterarbeiten, es soll die Regierung dann ihre Arbeit der Bevöl-
kerung erklären und dann wird schon alles gut gehen. Hier glaube
ich aber irrt man. Die Regierung kann sich zerreißen, es könnten
die Mitglieder der Regierung kaum mehr tun, vielleicht von einzelnen
abgesehen, d.h. es muß der Kampf auf eine breitere Basis gestellt
werden. Ich ersuchte in einem Schlußwort dann die Funktionäre und
die Sekretäre sie mögen in Detaildiskussionen bei jeder Gelegenheit
sich eben unangenehmen Angriffen des Gegner entgegenstellen. Ob
mein Appell etwas genützt hat weiß ich nicht. Eingesehen, daß es
notwendig ist, haben es sicher alle, ob sie es machen ist eine
Frage.
Der neue Jugendsekretär des Gewerkschaftsbundes Verzetnitsch
erläuterte mir die neue Aktion 75 der österreichischen Gewerk-
schaftsjugend für eine moderne Berufsausbildung. Ich muß sagen
und ich habe ihm dies auch ganz deutlich zum Schluß selbst gesagt,
ich bin begeistert von der soliden Arbeit und von dem Weitblick
den die Gewerkschaftsjugend bezüglich ihres Problemes der Lehr-
lingsausbildung an den Tag legt. Hier wird durch intensives
Studium in anderen Ländern, ganz besonders aber durch kluge Über-
legungen ein neues Lehrlingssystem und Ausbildungssystem erwogen,
das sich wirklich sehen lassen kann. Ich versprach ihm, nachdem
dieser Entwurf in Salzburg am 12.–13. Apri1 beschlossen werden soll
bei einer Bundesarbeitstagung von 300 Jugendvertrauensmännern, vor-
her mit Jagoda die Probleme kurz durchzubesprechen, damit wir
eventuelle Einwände vorher bereits bekanntgeben. Ein Punkt ist
mir aufgefallen, daß sie die Lehrlingsausbildung vollkommen von
der Gewerbeordnung loslösen wollen, wo immer wieder Jagoda mir
erklärt, daß dies wegen der weiteren Ausbildung und letzten Endes
Meisterprüfung, die man nicht aus dem Auge verlieren darf, ge-
koppelt bleiben muß.
ANMERKUNG für WAIS: Mit Dir und Jagoda bitte eine Besprechung.
Bei der Ministerratsvorbesprechung wies Kreisky wieder einmal
darauf, daß die Repräsentationsverpflichtungen fast unerträglich
werden. Für mich keine neue Erkenntnis, nur überraschend, daß er
dies auch schon langsam merkt. Am Internationalen Gemeindetag,
den die Bundesregierung sogar mit 800.000 Schilling subventioniert,
300.000 werden jetzt noch gefordert obwohl Kreisky mit Recht darauf
hinweist, daß die Gemeindevertretung nicht einmal den Beitrag zur
österreichischen Raumordnungskonferenz bezahlen will, sollte er
eine Begrüßung halten. Er meinte ihm fällt dazu gar nichts ein
und er versuchte dies an Häuser zu delegieren, der aber noch
eingeschneit ist, weshalb also letzten Endes dann Rösch als
Regierungsvertreter dort in Erscheinung treten soll. Kreisky
selbst hat nämlich zur selben Zeit in Ischl eine Konferenz mit
Betriebsräten wegen der Südafrikaproblematik. Die Direktoren der
VÖEST, insbesondere Koller und Apfalter haben, wie er glaubt, die
Betriebsräte hinter sich gebracht, weshalb er jetzt mit den Be-
triebsräten die Diskussion sucht, um sie davon zu überzeugen,
daß das Geschäft des südafrikanischen Stahlwerkes nicht nur sehr
risikoreich ist, sondern auch kaum den österreichischen Arbeitern
und insbesondere den Stahlarbeitern helfen wird. Der Grund billige
Löhne dort vorzufinden wird in kürzester Zeit zu Ende gehen.
Der Kapitalexport hat sich bei den schwedischen Unternehmen
ASEA, Atlas usw. nicht sehr bewährt, denn die Ressourcen wanderten
ins Ausland und fehlten dann früher oder später in der heimischen
Wirtschaft. Bei uns wird nun ein Schrittmacher für diese Politik
der größte verstaatlichte Betrieb. Nicht das Know-how nicht
rausgehen soll, dagegen ist gar nichts einzuwenden, nicht daß man
Kontakte mit Staaten sucht wo man entsprechende Exporte dann als
Gegenleistung hinbringen kann. Gegen was sich Kreisky jetzt wegen
des außenpolitischen Risikos wehrt, ist, daß man eben Arbeiten
die man im Inland machen könnte, im Ausland durchführen läßt.
Trotzdem steht er auf dem Standpunkt, daß er keine Entscheidung
dagegen mehr fällen wird, sondern wie er immer angekündigt hat,
die zuständigen Organe, das sind die Vorstände d. Aufsichtsrat
der VÖEST und der ÖIAG zu entscheiden haben. Er selbst wird nur
auf Klärung aller Detailfragen noch drängen und dann in einem
Brief seine Meinung festhalten. Als zweites wichtiges Problem kam
das weststeirische Krisengebiet zur Sprache. Kreisky meinte, daß
dies das Krisengebiet schlechthin derzeit ist. Da er die Sitzung
dorthin an dem Tag einberufen hat, wo ich in Reutte eine Halle des
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Plansee-Werkes eröffnen muß und schon lange zugesagt habe,
erklärt er, daß es ihm sehr leid tut, aber er hat keine andere
Möglichkeit weil er dann nach Amerika fährt und wird deshalb mit
Häuser, Androsch, Moser, Veselsky sowie aber auch mit Niederl und
Sebastian in diesem Gebiet eine Besprechung abhalten. Meiner Über-
zeugung nach könnte das kalorische Kraftwerk bei Aufschluß des
Kohlenreviers die Wolframhütte aber auch Wolfert , welche sich in die
dortige Schuhfabrik eingekauft hat und die angeblich Eislaufschuhe
und verschiedene andere Spezialschuhe dort erzeugen wird, durch
sehr konkrete Maßnahmen eine wesentliche Verbesserung in diesem Ge-
biet herbeigeführt werden. Er schlug mir sogar vor man soll versuchen
mit den Amerikanern zu einer Vertragsänderung wegen der ERP-Mittel
kommen. Derzeit dürfen Zinsenzuschüsse nicht gegeben werden und
er möchte aber 50 Millionen Schilling dafür für die Aufschließung
des neuen Kohlenreviers der GKB zur Verfügung stellen. Ich erklärte,
daß dies noch nicht so weit ist, sondern daß es jetzt viel dringender
wäre die kleineren ERP-Ansuchen von der Firma Vamag und Dau so schnell
als möglich zu erledigen. Er fragte Veselsky ob dies möglich ist
und er bejahte. Eine Rücksprache die ich anschließend mit Wir-
landner den Vorsitzenden der ERP-Kommission hatte, bestätigte aber
meine Befürchtung, daß nämlich dies wesentlich länger dauern wird,
nämlich frühestens im Herbst zum tragen kommen kann, da der ERP-Fonds
vom l.September bis 1. August eine Sperre der Entgegennahme verord-
net hatte. Die 400 Millionen Schilling die aus der Sperre noch
zur Verfügung stehen, werden daher nur für Betriebe aufgemacht
werden, die vor dem l.September 1974 eingereicht haben. Dies trifft
für die Firma Dau mit 4 Millionen Schilling zu, die also im Mai
zugeteilt werden können, nicht aber für Hübner-Vamag Ansuchen von
10 Millionen Schilling. Kabinettschef Reiter kam zu mir und ersuchte
ich sollte ihm ein Papier geben wo wir alle unsere Aktivitäten fest-
halten, weil ich an dieser Sitzung nicht teilnehmen kann. Gröger
hat einen solchen ersten Entwurf bereits vorgelegt. Trotzdem er-
scheint es mir äußerst wichtig ihn von Sterk noch ergänzen zu
lassen. Insbesondere muß darin klar und deutlich der Grund, warum
wir auch im Köflacher-Revier den einen Schacht schließen, dargelegt
werden und als Gegenleistung dafür Zangtal Unterflöz mit 17
Millionen Schilling von Bundesmitteln und 10 Millionen glaube ich
von Landesmitteln jetzt neu aufgeschlossen wird, sowie die Berg-
bauhilfe die wir bis jetzt der GKB gegeben haben und wie wir sie
weiter unterstützen werden, klar und deutlich zum Ausdruck kommen.
Ebenso ist es notwendig die Darstellung der Schließungskosten
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Pöfling-Bergla und der Errichtung der Wolframhütte. Frank müßte
dann noch die Einzelheiten über das kalorische Kraftwerk zusammen-
stellen.
ANMERKUNG für GEHART: Bitte veranlasse die notwendigen Detailar-
beiten. Ich schreibe dann einen Brief an Kreisky.
Leodolter hatte an Kreisky einen Brief geschrieben, wo die OECD
auf Initiative von Bobleter, ohne daß er scheinbar mit ihr oder
auch mit jemand anderen gesprochen hat, eine Umweltschutzüber-
prüfung in Österreich durchführen möchte. Kreisky meinte dies müßte
im Einvernehmen mit mir geschehen und ich habe anschließend mit
Leodolter mir den ganzen Schriftverkehr angesehen. Ich habe ihr
geraten sie soll auf alle Fälle davon Abstand nehmen, daß die OECD
die Umweltschutzsituation in Österreich prüft. Bobleter weist
darauf hin und Firnberg bestätigte, daß eine Überprüfung auf dem
Wissenschaftssektor für Österreich positiv ausgefallen ist. Ich
habe Leodolter sofort gesagt, daß Firnberg Milliardenbeträge
bekommt, während sie bis jetzt noch keinerlei Aktivitäten infolge
Geldmangel entwickeln konnte. Eine Prüfung würde deshalb nur weitere
Forderungen aufzeigen, die sie dann aber nicht erfüllen kann.
Leodolter hat das eingesehen, umso mehr, als ich auf die seinerzeitige
Aktivität über Partel-Studie sie erinnerte. Damals hat man ihr auch
eingeredet sie soll eine ganz große Studie über die Umweltschutz-
situation machen, sie hat das Vorprojekt finanziert und ist dann
aber schon von dem finanziellen Aufwand, der allein für die Studie
notwendig gewesen wäre, geschweige dem erst von den Milliarden-
beträgen die zur Durchführung der Vorschläge notwendig wären,
zurückgeschreckt, und hat alles abgeblasen. Zum Glück hat die
Opposition dies nicht aufgegriffen. Ich versuchte ihr neuerdings
klar zu machen, daß es äußerst wichtig ist die finanziellen
Folgen einer Aktivität zu schätzen, weil ansonsten man sich zu
leicht in einen Wunschtraum verrennt, was man alles machen könnte,
sollte und programmiert und dann dafür nicht die finanziellen
Mittel bekommt. Das Ergebnis kann nur sein, daß die Opposition
bei dieser Situation dann sofort einem ununterbrochen attackiert
und sagt, was haben sie durchgesetzt, sie sind unfähig.
Für die nächste Montag-Regierungsbesprechung möchte Kreisky die
Wahlplattform, die Philosophie, wenn man so sagen darf der einzelnen
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Ministerien für ein zukünftiges Regierungsprogramm haben. Ihm
schwebt vor 2 bis 3 Sätze von jedem Ministerium. Mit ähnlichen
Slogan wie "Sterben vor der Zeit, Bekämpfung der Armut usw."
Insgesamt möchte er nämlich nur ein 2–3-Seiten-Papier für
die gesamte Regierungspolitik zusammenstellen.
ANMERKUNG für WANKE: Ich weiß wie schwierig so etwas ist, aber
vielleicht fällt Dir etwas ein.
Lanc wird den Triester Hafen besuchen. Die TAL hat ihn eingeladen,
er erklärte mir, Vertreter der TAL haben ihm im Rahmen der Bundes-
kammer die größten Brocken gegen sein Pipelinegesetz weggeräumt,
weshalb er diesen Besuch unbedingt machen möchte. Bei dieser Gelegen-
heit wird er auch wegen der Erhöhung der Hafengebühr, insbesondere
der Belastung des Öltransportes dadurch vorstellig werden.
ANMERKUNG für GEHART: Bitte die notwendigen Unterlagen sofort Lanc
mitteilen.
Bei der Ministerratssitzung legte Kreisky dann einen mündlichen
Vortrag über die Internationale Energieagentur, insbesondere über
die Preispolitik vor. Weihs bemerkte zu mir, daß dieser mündliche
Vortrag anders ist, als er bisher sich äußerte und meinte, daß
dies eigentlich meine Kompetenz sei. Ich erklärte sofort ich bin
so froh, daß der OECD in seiner Kompetenz liegt und bin eigentlich
überzeugt, daß er die Details ja beim besten Willen nicht ver-
folgen kann und daher auch sicherlich nicht auf diese abgeschwächte
Form der Preispolitik im Detail gelesen, geschweige denn also von
ihm konzipiert wurde.
Lütgendorf berichtete über Libanon und Syrien, er hat dort die
UNO-Stellungen besucht und machte die Bemerkung, daß die Syrer
größten Wert darauf legen mit uns in besseren wirtschaftlichen
Kontakt zu kommen. Er meinte die VÖEST hätte jetzt eine Papier-
fabrik von 2 Milliarden Schilling Auftrag dort erhalten, was Kreisky
aber sofort korrigierte, daß es sich hier nur um eine Teillieferung
der VÖEST handeln kann. Anschließend meinte Lütgendorf er hätte
den Eindruck gehabt, daß man in Syrien größeren Wert darauf lege
mit uns bessere wirtschaftliche Beziehungen anzuknüpfen. Es wird
von mir, wie ich Lütgendorf sagte, auch tatkräftigst unterstützt.
Tagesprogramm, 2.4.1975
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung 157. Ministerratssitzung, 2.4.1975