Donnerstag, der 11. Juli 1974

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Donnerstag, 11. Juli 1974

Minister Leodolter wollte eine Aussprache mit Stadtrat Schieder
mir, Sekt.Chef Pindur und Jagoda vom Büro war Wais anwesend,
wegen Umweltbelästigung, insbesondere durch gewerbliche Betriebe.
Ihr schwebt vor, dass sie einen Lärmpegel so wie eine Luft-
reinhaltemesszahl insbesondere SO2-Emmission festlegt. Wien er-
wartet von ihr im Zuge des Wiener Memorandums, welches die Stadt
an die Bundesregierung gerichtet hat, dass hier auch insbesondere
gegen die KFZ-Belästigungen auf diesem Gebiet eine entsprechende
Verordnung geschaffen wird. Jagoda hat nachgewiesen, dass wir
auf Grund der neuen Gewerbeordnung entsprechende Möglichkeiten
haben, dass aber die Hauptschwierigkeit darin besteht, die notwen-
digen Richtzahlen zu finden. Ausserdem bestehen in konkreten Fällen
verhältnismässig grosse Aufwendungen für den einzelnen Betrieb
dann Emissionsauflagen wissenschaftlich einwandfrei zu geben.
Z.B. hätte für die Wurstfabrik Wiesbauer um die Luft zu messen
1 Mill. S aufgewendet werden müssen. Leodolter selbst wird jetzt
versuchen, die Kompetenzfrage zwischen Wien und Bund genau zu
klären und entsprechende Vorschläge dann erstatten.

Der BRO von der oö. WTK hatte von seinem Gen.Dir. Zeininger
erfahren, dass das ganze Geld für die GKB aus der Bergbauförderung
ausgegeben wird. Deshalb ist er angeblich aus eigenem Trieb, in
Wirklichkeit sicherlich durch den Gen.Direktor geschickt zu mir
gekommen, um auch für oö. Kohlen einen entsprechenden Bergbauförde-
rungsbetrag zu sichern. In 1972 betrug der Verlust 5,8 Mill. S, 1973
7,5 Mill. S. Tatsächlich hat aber 1973 15 Mill. Bergbauför-
derung die WTK bekommen. Auch für heuer erwarten sie mindestens
diesen Betrag. Insbesondere fühlen sich die Bergarbeiter bei der
Wolfegg-Traunthaler Kom. jetzt schon benachteiligt, weil sie
nicht der VÖEST-Alpine angehören und dadurch auch keine Prämie
bekommen. Darüber hinaus haben sie die Möglichkeiten genützt und
bei der Reduzierung ihres Personalstandes entsprechende Einsparungen
zu tätigen. Sie haben 800 Mann in die Sonderunterstützung gebracht
und dadurch 44,8 Mill. S pro Jahr erspart. In der Steiermark
wären 300 Mann möglich, ebenfalls durch Sonderunterstützung vom
Kohlenbergwerk wegzubringen, es sind aber nur einige gegangen.
87 Kumpel wurden in die vorzeitige Knappschaftspension geschickt,
was wieder 2,5 Mill. S erspart, in der Steiermark könnte man 10 Mill.



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ersparen aber, da dort die Zimmerhauerlöhne zu hoch sind, kommt
es nicht zu der 20 %-igen Lohndifferenz, die die Voraussetzung ist,
um entsprechende Überführungen durchführen zu können. Am meisten
aber fürchten die Oberösterreicher, dass es zu einer Konzentra-
tion aller Bergwerke in eine Gesellschaft kommt, was wieder
350 Mill. S kosten würde, ohne dass hier ein tatsächlicher lang-
fristiger Erfolg zu verzeichnen wäre. Die WTK will jetzt Aufschlies-
sungsarbeiten machen, um den Bergbau zu sichern. Die jetzigen Gruben
sind spätestens in 10 Jahren ausgekohlt. Ich habe dem Betriebsrats-
obmann und den anwesenden Nationalrat Tull überhaupt keine Zusiche-
rungen über die Höhe der Bergbauförderung gemacht, sondern nur
erklärt, ich werde mich bemühen, zu einer vernünftigen Regelung
zu kommen im Rahmen der mir im Budget zur Verfügung stehenden Mittel.
Was die Zukunft der WTK betrifft, so gibt es die Idee, dass die
OKA als Landeselektrizitätsgesellschaft die WTK kauft und dadurch
die Kohlenbasis für ihr Kraftwerk in Trimmelkam sichert. Der Be-
triebsratsobmann hat davon noch nichts gewusst und meint, dies er-
klärt jetzt, warum die OKA ein ganz neues Kohlenkraftwerk mit
150 Megawatt errichten möchte. Offiziell ist der Plan auch tatsächlich
noch nirgends besprochen worden, ich glaube aber, dass man die
Idee auch bei der oö. Partei stärker überlegen sollte und empfahl
ihm, dies mit LH-Stv. Fridl und LPG Hillinger zu besprechen.

Die GKB-Betriebsräte waren bei Kreisky, um 20 Mill. S für die Be-
zahlung der Prämie vom Bund zu bekommen. Kreisky hat zu meiner
grössten Verwunderung, ohne mich zuzuziehen, entschieden, dass
der Bund 10 Mill. S, 5 Mill. S die ÖIAG und 5 Mill. die VÖEST
dazuzahlen muss. Damit ist festgestellt, dass ich im neuen BÜG
eine weitere Erhöhung der Bergbauförderung bekommen müsste. Brauneis
ist über die Lösung sehr verärgert, weil damit die VÖEST 5 Mill. S
dazuzahlen muss. Meine Prognose, die ich Koller vor längere Zeit
in diesem Punkt gemacht haben und der Gen.Direktor damals erklärte,
das kommt garantiert nicht in Frage, dass sie etwas zuzahlen, ist
damit auch eingetreten. Loyalerweise muss ich jetzt Vizekanzler
Bock, der mit Koller gewettet hat, verständigen.

ANMERKUNG FÜR BUKOWSKI: Wenn dieses Arrangement vom Beamtenkomitee
fixiert ist, bitte mich an den Anruf an
Bock erinnern.



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Bei den Verhandlungen über die Getreidepreise ist Bierbaum
diesmal nicht dabei gewesen. Minkowitsch versuchte unter allen
Umständen die 30 Groschen Weizenpreiserhöhung durchzusetzen. Kreisky
ersuchte mich als zuständigen Ressortminister für Preise, das
Kompromiss mit 25 Groschen zu machen. Bevor er mir das flüsterte,
hat er allerdings Androsch auf der anderen Seite genauso gefragt,
ob wir ein solches Kompromiss machen sollen. Ich ging deshalb
bei meiner Ausführung gar nicht auf diese 25 g allein ein, sondern
erklärte sofort, ich hätte Verständnis dafür, dass die Bauernschaft
insbesondere die Präsidentenkonferenz eine Paketlösung wünscht.
wenn es zu einer solchen Paketlösung kommt, dann könnte ich mir
maximal folgende Regelung vorstellen. Für Futtergetreide wird
der Maispreis um 20 g, der Gerstepreis um 20 g erhöht. Hafer-
preis erhöht sich um 30 g, gleichzeitig würde dann der Roggen-
preis um 30 g und der Weizenpreis um 25 g für Normale, 30 g für
Qualität und 35 g für Durumweizen erhöht werden. Minkowitsch tat
sich nun sehr schwer, diesen Vorschlag abzulehnen. Er versuchte
deshalb neuerdings diese 28 g zu erreichen. Kreisky aber blieb
hart und meinte, er könne nicht weitergehen als der zuständige
Minister jetzt vorgeschlagen hat. Die Sitzung wurde unterbrochen
da Minkowitsch die Bauernbundexekutive von ganz Österreich
telegraphiert für den nächsten Tag 1/2 8 Uhr zusammenrief, um
diese Paketlösung zu besprechen. Ich hoffe, dass Kreisky hart
bleibt, wenn der Bauernbund tatsächlich eine weitere Erhöhung
verlangen sollte. Ich habe den Bauernvertretern klar und deut-
lich gesagt, dass ich die Drohung, sie würden dann die Ablie-
ferung boykottieren, die Versorgung dadurch gefährden, als nicht
zielführend und vor allem einmal als gar nicht durchführbar
befürchten. Wenn Weihs dann den Getreideaufkauf nicht mehr erklärt
zu finanzieren, den Transportausgleich nicht mehr durchführt
keine Lagerkosten mehr dann in Hinkunft übernimmt, müsste der
Boykott in kürzester Zeit von dieser Seite her zusammenbrechen.
Darüberhinaus erklärte ich, dass wenn auch der Weizenpreis am
Weltmarkt noch jetzt ein bisschen höher ist, wir durch den Import
von Mehl, welches man noch immer preiswert am Weltmarkt kaufen
kann, die Versorgung sicherstellen würden. In diesem Fall hat
Brandstätter gemeint, handelt es sich um eine Regierungsmass-
nahme, die er nur mit der Einstellung von Gastarbeitern, die
zusätzlich nach Österreich kommen würden, wenn ein Streik in einer
österr. Firmen von inl. Arbeitern durchgeführt wird, vergleichen
kann.



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Kreisky selbst erklärte sofort, dass dieser Vergleich
überhaupt nicht zutreffend ist, Hier handelt es sich um
die Versorgung der Bevölkerung und hier müsste die Regierung
alle Massnahmen und Möglichkeiten ausschöpfen. Gen.Dir. Lanner,
den ich nachher zufällig unter vier Augen sprechen konnte, er-
klärte, dass es für sie äusserst schwierig ist, ihre Leute zu
dieser Paketlösung zu bringen. Andererseits hat er mir zugegeben
dass sie nicht erwarteten, dass ich mich trauen würde, die
20-g-Lösung durch Verordnung zu dekretieren. Die Radikalinskis
bei der Bauernschaft unterschätzen, wie er sagt, mein Fachwis-
sen und vor allem einmal meine härtere Verhandlungstaktik
als dies bis jetzt bei dem dafür früher zuständigen Ministern
der Fall gewesen ist. Ich bin wirklich neugierig, ob sich
Lehner als Vorsitzender der Präsidentenkonferenz im Bauernbund-
gipfel durchsetzen wird. Lehner selbst wünscht eine solche Paket-
lösung und hat die Ansätze, die ich dort vorgetragen habe, die
er ja vorher mit mir abgesprochen hat, schon akzeptiert.

Bei der Plenumsdiskussion über die Preisgesetze habe ich so
richtig beobachten können, wie Schleinzer verbittert, dass
man mit ihm nicht weitere Verhandlungen geführt hat, wie nie-
mand anderer in der ÖVP-Fraktion sich wirklich innerlich auf-
regt. Mussil selbst greift zwar an, aber man hat das Gefühl und
da ich ihn gut kenne, weiss ich dies auch, dass er sich ein
wenig über die Art dieser Politik lustig macht. In Wirklichkeit
ist er davon überzeugt, dass wir eine zweckmässige einvernehm-
liche allumfassende Regelung aller Preisbestimmungen anstreben
sollen und dass wir auch bei den Verhandlungen, die ich
jahrelang mit ihm geführt habe, ein schönes Stück weitergekommen
sind. Er selbst hat ja die Verhandlungen dann unterbrochen,
weil er durch die hohe Preissteigerungsrate befürchtete, dass
wenn wir jetzt zu einem Preisgesetz kommen, er eine so schlechte
Ausgangsposition hat, dass er letzten Endes einem Kompromiss
zustimmen würde, das er wahrscheinlich wirklich nicht gegenüber
seinen Leuten vertreten könnte. Ich habe deshalb bei meiner
Replik auf die Angriffe sehr hart argumentiert. Die eigenen
Leute waren begeistert und sagten mir nachher nur, wie bringst
Du es zustande, dass Du sie von der Regierungsbank sie so
angreifst und sie trotzdem nicht aufheulen, wie sie bei anderen


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Ministern oder beim Bundeskanzler dies tun, die nur einen
Bruchteil von Dir polemisieren. Die Erklärung ist verhält-
nismässig einfach: Wir waren mit der Tagesordnung schwer im
Verzug, der Wirtschaftsbundsprecher Graf aber auch der Klub-
obmann Koren kamen zu mir, um zu fragen, ob wir nicht eine
Regelung treffen könnten. Ich sollte mich so zu Wort melden,
dass nach mir noch Keimel zu Wort kommt und dann sei Schluss.
Ich akzeptiere natürlich und hielt mich auch verhältnismässig
kurz.

Als dann in nächtlicher Stunde über die Mietengesetze der erste
ÖVP-Redner Hauser statt der vereinbarten 10 – 15 Minuten über
eine halbe Stunde sprach, Zur Ehre der Wahrheit muss ich sagen
dass auch dann der SPÖ-Redner Skritek sich nicht an diese
Vereinbarung hielt, sondern auch so lange sprach, ging ich
zu Graf und Koren und bemerkte, mich ersucht ihr immer, ich
soll kurz sein und Vereinbarungen einhalten und eure Leute ins-
besondere auf anderen Gebieten als mein Ministerium betrifft,
halten sich nicht wie jetzt Hauser, der jetzt schon so lange
spricht, beweist. Graf erklärte, Sie sind eben im Hause beliebt
und den würden am liebsten jetzt alle ertränken. Ich glaube
nämlich wirklich, dass es manchmal besser ist, sich auch
wenn man keine Vereinbarung hat, sich den Erwartungen ent-
sprechend zu verhalten. Ich verlange nicht, dass bei meinem
Tagesordnungspunkt womöglich immer recht viele Redner auftreten.
Ich bin einverstanden, dass auch zu wichtigen Materien oft
gar kein Redner gemeldet wird. Ich selbst polemisiere hart,
kenne aber die Fakten und bin immer noch so verbindlich, dass
die Opposition niemals auf mich bös ist. Dies und insbesondere
meine Kompromissbereitschaft sowie die absolute Kooperations-
freudigkeit geben mir dem im Nationalrat verhältnismässig guten
Status. Wenn sich auch jetzt wieder das Klima sehr verschlechtert
hat, ich werde diese Politik auf alle Fälle fortsetzen. Damit
beabsichtige ich nicht, anderen in den Rücken zu fallen, mich
sozusagen Liebkind bei der Opposition zu machen, sondern
ich bin aus innerster Überzeugung zur Auffassung gekommen,
dass dies in Wirklichkeit meine Lebensauffassung und mein
Lebensziel ist.

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Tagesprogramm, 11.7.1974




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    GND ID: 120934426


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      Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg., Präs. HK Bgld.


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          Tätigkeit: Finanzminister
          GND ID: 118503049


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            Tätigkeit: Präs. LWK


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              Tätigkeit: Leiter Sekt. III HM


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                Tätigkeit: Gesundheitsministerin


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                  Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg.


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                    Tätigkeit: Finanzminister, ÖVP-NR-Abg., OeNB-Präs.


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                      Tätigkeit: Präs. Bauernbund
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                        Tätigkeit: Linzer Bgm.


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                          Tätigkeit: erst SPÖ-, dann "wilder" NR-Abg.


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                            Tätigkeit: SPÖ-NR-Abg., Sekr. GPA


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                              Tätigkeit: SPÖ-NR-Abg., GD-Stv. ÖIAG


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                                Tätigkeit: nö. ÖVP-LR, Präs. LWK NÖ


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                                  Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


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                                    GND ID: 1017902909


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                                      Tätigkeit: GS Präs.konf. LWK AR Verbund
                                      GND ID: 12906288X


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                                        Tätigkeit: GD VÖEST


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                                          Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg.


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                                            Tätigkeit: ehem. ÖVP-Vizekanzler, Präs. Donaueurop. Institut, AR-Vors. Leykam


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                                              Tätigkeit: Landwirtschaftsminister bis 1976
                                              GND ID: 130620351


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                                                  Tätigkeit: oö. SPÖ-Politiker


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                                                    Tätigkeit: Bundeskanzler
                                                    GND ID: 118566512


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                                                      Tätigkeit: Dir. WTK, Wolfsegg-Traunthaler Kohlenwerks AG


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                                                        Tätigkeit: Straßburg


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