Freitag, der 12. Juli 1974

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Freitag, 12. Juli 1974

Die erste Sitzung des Kontaktkomitees der EVU ein halbes
Dutzend Direktoren, halbes Dutzend Betriebsräte zeigte, daß
es viele aufgetaute Probleme gibt. Mir ist vollkommen uner-
klärlich und wenn ich die Betriebsräte unter vier Augen frage,
weichen sie einer konkreten Antwort aus, wieso es eigentlich
erst jetzt zu einer solchen Institution kommt. Die Betriebs-
räte behaupten, sie hätten schon immer ein Forum gefordert
wo sie ihre Wünsche und Beschwerden vortragen hätten können.
Unter Waldbrunner war dies nicht möglich, weil Hintermayer,
der Generaldir. von der Verbundgesellschaft niemals bereit war,
den Betriebsräten Rede und Antwort zu stehen und Waldbrunner
entdeckte, daß aber unter Frühbauer sie nur diesbezüglich leise
Andeutungen machten und niemals sich durchsetzten, verwundert
mich. Kritisch gesehen, ist es für mich äußerst günstig weil
es erst unter meiner Ära zu einem gewissen Mitwirken der Betriebs-
räte gekommen ist, Als Gewerkschafter ist es für mich selbstver-
ständlich. Ausserdem muß ich sagen, gibt es sicherlich überhebliche
sozialistische Direktoren, die auf dem Standpunkt stehen, so etwas
hätten sie gar nicht nötig. Zumindestens aber sind sie der Meinung,
daß es für sie natürlich leichter ist zu regieren wenn die Betriebs-
räte nicht dreinreden, ja selbst nicht einmal informiert werden.
Ich bin neugierig, wie lange es dauert, bis sich das Klima ver-
bessern wird. Wir einigten uns, daß wir uns einmal monatlich mind.
treffen und daß vor allem auf Betriebsebene alle Personalange-
legenheiten zwischen Betriebsrat und Direktor, immer sozialistische
Fraktion vorausgesetzt, besprochen werden. Die sonstige Mitsprache
aber ist schwer abzugrenzen, wird aber weitestgehend von den
Direktoren zugesagt. Ich muß nur aufpassen, daß es dann nicht
dazu kommt, daß die Betriebsräte die Direktorengeschäfte führen.
Für eine strenge Funktionsteilung bin ich nach wie vor. Der
Betriebsrat hat die Belegschaft zu vertreten, und der Direktor
das Werk zu führen.

Ein wirklich großes Problem stellt die offizielle Information dar.
Ich bin überzeugt, jeder einzelne der Teilnehmer hatte natürlich
die Ennskraftwerk-Donaukraftwerk-Lösung gehört und ist eigentlich
im Prinzip damit einverstanden. Offiziell aber wurde dies noch nie
besprochen, so daß die Betriebsräte behaupteten, sie kennen des
Problem nicht. Ehrbacher berichtete über die Konzeption der soz.



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Vorstandsdirektoren der Verbund während in der Diskussion
dann Bandhauer die ÖVP-Version von Arthold und Zach vortrug.
Diese wollen die Ennskraftwerke direkt dem Verbund unterstellen,
dies hat natürlich sofort bei den Betriebsräten der Sondergesell-
schaften heftigsten Widerstand ausgelöst, diese befürchten, daß
damit nur die Grundkonzeption auch der SPÖ-Direktoren in der
Verbund, nämlich die Sondergesellschaft so schnell als möglich
aufzusaugen, zum Durchbruch kommt. Ich hatte bereits einleitend
erklärt, daß dies erst dann der Fall ist, wenn überhaupt keiner-
lei Bau- u. Planungsvorhaben mehr bei den Sondergesellschaften zu
erwarten sind. Wirklich konkrete Verhandlungen kann man erst
führen, wenn die Detailplanungen die Überführung der Ennskraftwerke
was die Planungs- u. Bauaufgaben betrifft vorlegen. Die Betriebs-
gesellschaft Ennskraftwerke wird ihre Sonderausgaben z.B. General-
reparaturen usw. sich der Donaukraftwerke bedienen. Nur so kann
ein Rationalisierungseffekt erzielt werden.
Frank referierte und beschwerte sich, über die mangelnde Aus-
stattung der Kernkraftwerksplanungsgesellschaft. Die Betriebsräte
wieder hatten schon unter der Ära Frühbauer darauf verwiesen, daß
beim ersten Kernkraftwerk die politische Führung den ÖAAB-Ver-
treter überlassen wurde. Ehrbacher verwies darauf, daß jetzt Schritt
für Schritt sich die Zustände auch auf politischem Gebiet verbessern.
Er gibt zu, daß man zum Kernkraftwerk Tullnerfeld nicht die besten
Kräfte geschickt hat. Trotzdem ist es gelungen, alle Termine ein-
zuhalten und angeblich sei auch vom technischen Gebiet alles zum
Besten bestellt. Die Direktoren verwahrten sich nur, daß Memoranden
mit Beschwerden an Kreisky und Frühbauer geschickt wurden ohne
daß sie davon etwas wußten und daher dazu gar nicht Stellung nehmen
konnten. Ich erklärte sofort, daß ich erwarte, daß durch die Kontakt-
gespräche in Hinkunft keinerlei Beschwerden, Briefe oder sonstiges
an irgend einen Aussenstehenden geschickt werden, die nicht vorher
im Kontaktkomitee besprochen werden. Sowohl die Direktoren als auch
die Betriebsräte stimmten dem zu. Ich erklärte ganz brutal, die
Dreckwäsche waschen wir zuerst in unserem eigenen Rahmen. Ich bin
neugierig, ob dies wirklich funktioniert.
Die Aussprache mit Gen.Dir. Wimberger von der Ver. Aluminiumwerke
Ranshofen mit Betriebsrat Nationalrat Hellwagner ergab, daß die
seinerzeitige mit Tyrolia gemeinsam gegründete Privatgesellschaft
Riha die Verstaatlichte hat nur 37 1/2 % Anteil zum Sterben ver-
urteilt ist. Wimberger meint, sie müßten 100 Mill. Schilling


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investieren und der zweite große Beteiligte Tyrolia Dr. Heiß
der ebenfalls mit 37 1/2 % beteiligt ist, denkt nicht daran
auch noch einen Schilling dort hineinzustecken, die 352 Beschäftigten
können zum größten Teil 200 bei Euromarkting eine Gemeinschafts-
gründung von Ranshofen mit Tyrolia-Jenbach in Linz unterkommen.
Auch Dr. Grünwald von der ÖIAG erklärte mir, daß keine Chance
besteht, von ihnen ein Geld für die Weiterführung von Riha, Steyr
zu bekommen. Lange nach dieser Besprechung kam dann SChef Gatscha
und meinte, er hätte mit Kreisky gesprochen und dieser sei gegen
die Liquidierung von Riha, er konnte mir allerdings auch nicht
sagen, wer die finanziellen Mittel aufbringen sollte um den Betrieb
weiter zu betreiben. Am meisten erstaunt war er aber als er erfuhr,
daß von den 352 Leuten 200 von Euromarketing in Linz übernommen
werden sollen. Ihm hat Ranshofen erklärt, daß maximal 50 unterkommen
könnten und 300 arbeitslos werden. Ich habe von MR Herger verlangt,
daß er unsere Aussprache nicht nur aktenmässig festhält sondern
was noch viel wichtiger ist einen Brief entsprechend an den Bürger-
meister von Steyr und die darin beteiligten Abgeordneten zu richten.

Anmerkung für GRÜNWALD: Achte bitte, daß insbesondere die Ver-
pflichtungserklärung von Gen.Dir. Wimberger
genau detailliert zum Ausdruck kommt.

Dr. Grünwald, ÖIAG, bestätigte mir, daß tatsächlich die ÖIAG
bereit ist, 5 Mill. Schilling sowie die Voest 5 Mill. Schilling
und der Bund 10 Mill. Schilling für die GKB also insgesamt 20 Mill.
Schilling übernehmen wird. Ich habe deshalb mit Sterk die weitere
Abwicklung besprochen, wenn wir diese 10 Mill. Schilling jetzt
übernehmen wird die Liquiditätslage von der GKB zwar jetzt ver-
bessert und die Prämien werden ausbezahlt werden können doch er-
gibt sich dann für die Monate September ein effektives Loch. Das
neue Budgetüberschreitungsgesetz, daß frühestens im Oktober kommen
kann und zusätzliche Mittel bringen muß, wird eine Lücke in der
Finanzierung der GKB nicht mehr schliessen können. Hier wird sicher-
lich neuerdings der Voest-Vorstand entsprechende Beschlüsse fassen
müssen, auch wenn Koller bereits erklärt hat, niemals würde er
einen Schilling für die GKB bereitstellen, hat er jetzt das erste
Mal 5 Mill. Schilling bezahlt und wird weiterhin die entsprechenden
Mittel flüssig machen müssen. Man soll halt nicht vorher sich
stärker machen als man in Wirklichkeit ist.
Minkowitsch hat in der Bauernexekutive scheinbar keine einhellige
Entscheidung treffen können, auf der einen Seite hat sich Lehner


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durchgesetzt, der uns ja schon erklärte, daß die größten Teile
der Bauern mit 25 Groschen Weizen-und 30 Groschen Roggenpreis-
erhöhung einverstanden sind, auf der anderen Seite wollte man
natürlich jetzt nicht mit großen Tamtam dies als Erfolg der
Bauern akzeptieren. Minkowitsch hat mit Kreisky gesprochen
und dieser hat ihm nur erklärt, er müsse erst mit mir Rücksprache
halten. Kreisky wollte sodann, daß ich mich bemühe, eine ent-
sprechende Formulierung zu finden, die den Krieg mit den Bauern
auf diesem Sektor beenden und doch nicht die Bauernexekutive zur
totalen Kapitulation zwingen. Es gelang mir dann im Laufe des
Tages nach einigen Rücksprachen mit Benya, Hrdlitschka und
Minkowitsch eine für alle akzeptable Formulierung zu finden. Die
Interessensvertretungen nehmen die Paketlösung die ich vorgeschlagen
hatte zur Kenntnis, d.h. sie stimmen theoretisch dem zu und haben
ihre Vorbehalte die sie im Laufe der Vorverhandlungen und der
seinerzeitigen Preiskommission zu Protokoll gegeben haben weiter
aufrecht erhalten. Da diese aber niemand mehr jetzt kennt, vor
allem die Öffentlichkeit auch gar nicht interessierten, weder
früher noch jetzt, war der Kompromiß möglich, abzuschliessen.
Bei Verhandlungen mit Benya stelle ich fest, daß er zuerst meistens
gegen irgendwelche neue Ideen ist weil er auf einer ursprünglich
gefaßten Meinung die ihm auch meistens Kreisky als richtig be-
stätigt, so leicht nicht abzubringen ist. Ich muß dann immer wieder
versuchen mit neuen Argumenten ihm davon zu überzeugen, daß doch
eine bessere Variante, für alle noch akzeptabel, noch gefunden
werden konnte. Kreisky war sehr froh, als er mich dann abends
fragte und ich ihm erklärte, eine Lösung sei jetzt doch endlich
gefunden worden. Bei einer Aussprache, die ich mit Heinz Fischer
und Blecha wegen der zukünftigen Politik im ORF hatte, hat mir
Fischer bestätigt, wie angenehm es ist, bei den Verhandlungen zu
wissen, daß Benya in jeder Beziehung hinter einem steht, die volle
Verantwortung mitträgt und vor allem nicht so schnelle seine Meinung
ändert. Ich selbst weiß es auch zu schätzen, was es bedeutet, nicht
bei jeder neuen Aussprache eine neue Idee, die in den meisten
Fällen gar nicht bis Detail durchgedacht ist, vorzufinden, anderer-
seits aber wieder bedauere ich, daß Benya oft nach aussen hin
sich festlegt und dann nur sehr schwer zu einer besseren Lösung
gebracht werden kann. Auf alle Fälle aber ist mir ein solcher
Zustand lieber als umgekehrt. Jeder Mensch in führenden Positionen
hat seine eigene Arbeitsmethode und seinen Verhandlungsstil. Das
größte Problem ist es ja nur, diese verschiedensten Methoden und
Arbeitsstile einigermassen untereinander abzustimmen und in der


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Öffentlichkeit nicht den Eindruck zu erwecken, daß es sich
hier um grundsätzliche Differenzen handelt. Kreisky gelingt
dies meisterhaft. Schleinzer gelingt dies überhaupt nicht.
sooft ich noch irgendwelche Sachprobleme feststellen konnte,
daß in der ÖVP nicht von vornherein eine einheitliche Meinung
herrschte, und dies ist natürlich in den seltensten Fällen
der Fall kann ich feststellen, daß es Schleinzer immer wieder
nicht gelingt, ohne größeres Aufsehen in der Öffentlichkeit
eine ÖVP-Linie zu finden. Vielleicht hat die ÖVP die größeren
Individualisten, vielleicht aber hat sie nur weniger Disziplin.
Ich glaube eigentlich das Letztere!

Präs. Igler von der Industriellenvereinigung kam durch reinen
Zufall ins Parlament um sich vor den Sommerferien von der ÖVP,
Mussil, Sallinger, Koren usw. zu verabschieden. Da ich zufällig
gerade im ÖVP-Couloir stand hatte er dies auch benützt um mir
mitzuteilen, daß er nach Polen fahren wird. Mussil reagierte
ausgesprochen sauer auf diese Mitteilung, ich selbst erklärte
Igler er sollte sich äußerst vorsichtig bewegen, denn die Polen
erwarten, vor Ankunft des polnischen Ministerpräsidenten zu seinem
Besuch in Wien von allen Seiten Zusagen. Mussil meinte, am besten
wäre es, wenn Igler überhaupt diese Reisen unterließe. Igler selbst
wieder erklärte, er hat dazu keine Möglichkeit, denn er wird immer-
hin von den staatlichen Stellen dazu eingeladen. Dies gilt nicht
nur für Polen sondern für alle anderen Oststaaten auch. Sallinger
der sich in weiterer Folge als er zu diesen Besprechungen dazukam
sehr darüber ärgerte, hat dann im ÖVP kleinsten Kreis eher Mussil,
Sallinger einen richtigen Krach geschlagen. Ich war zwar nicht
anwesend, aber ich weiß, daß Sallinger auf ein Problem ungeheuer
allergisch ist, nämlich seine Aussenhandelsstellen und die Priorität
um nicht zu sagen, Monopol dieser Handelskammerinstitution. Ich
selbst meinte, Mussil und Sallinger sollten sich überlegen ob es
nicht zweckmässiger wäre, wirklich die Industriellenvereinigung in
die Gemischten Kommissionen sowie die verstaatliche Industrie auf-
zunehmen, dadurch hätten wir alle an einem Tisch und würden Extra-
touren weitestgehend verhindern. Sallinger meinte sofort mir gegen-
über, das müßte man sich sehr genau überlegen. Jetzt bereits be-
finde er sich in einem Stadium wo er gar nicht mehr in die
Industriellenvereinigung geht, er schickt sogar auch keinerlei
andere Funktionäre mehr hin und wenn die Industriellenvereinigung


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weiterhin so eine aggressive Politik macht, wird er mit ihr wahr-
scheinlich überhaupt alle Beziehungen abbrechen. Igler ist
eben anders als Mayer-Gunthof, viel aktiver und viel agiler.
Sallinger befürchtet, daß Kreisky mit Igler und der Industriellen-
vereinigung mehr kooperiert als dies gerne sieht und möchte des-
halb eine ganz klare Trennungslinie und einen unüberwindlichen
Graben errichten. In weiterer Zukunft wird das auch für mich
ein großes Problem werden.

21_0872_01

Tagesprogramm, 12.7.1974

21_0872_02

hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: Präs. Bauernbund
GND ID: 118894366


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      GND ID: 114650888


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        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Beamter HM


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Dir. Vereinigte Metallwerke Ranshofen-Berndorf AG


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Verkehrsminister, LH-Stv. Ktn.
              GND ID: 12053536X


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: ehem. GD Verbund
                GND ID: 117712558


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


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                    Tätigkeit: MR HM


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                      Tätigkeit: Vorstand Verbund


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                        Tätigkeit: Büro Staribacher; ÖIAG
                        GND ID: 1053195672


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Chef Energiesektion


                          Einträge mit Erwähnung:
                            GND ID: 129507873


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                              Tätigkeit: Tirolia Herderzeugung


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                                Tätigkeit: GD VÖEST


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                                  Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
                                  GND ID: 119083906


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                                    Tätigkeit: AK, ÖIAG
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                                      Tätigkeit: -obmann


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                                        Tätigkeit: Finanzminister, ÖVP-NR-Abg., OeNB-Präs.


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                                            Tätigkeit: GD Verbund


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                                              Tätigkeit: Präs. LWK


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                                                Tätigkeit: GD Verbund


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                                                  Tätigkeit: Bundeskanzler
                                                  GND ID: 118566512


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                                                      Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


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                                                        Tätigkeit: stv. GD Verbund


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                                                          Tätigkeit: IV, GD Wr. Schwachstromwerke (WSW)


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