Mittwoch, 10. Juli 1974
Präs. Lehner, Landwirtschaftskammer, hat mit Weihs scheinbar einen
Mittwoch-jour-fixe. Da LWM Weihs aber gleich ins Parlament fuhr,
kam er überraschend zu mir, um die Getreidepreissituation zu be-
sprechen. Lehner ist sehr unglücklich, dass bei der letzten Aus-
sprache mit der Regierung nicht das zu erwartende Kompromiss von 25 g
für den Weizen und 30 g für den Roggen vereinbart wurde. Er äusser-
te sich sehr kritisch über die Haltung von Landesrat Bierbaum, der
jedwedes Kompromiss, das unter 35 g lag, ablehnte. Präs. Minkowitsch
der sich auch nicht getraut, deshalb ein Kompromissangebot selbst von
30 g zu machen. Scheinbar hat die ÖVP-Bauernführung geglaubt, dass
ich nicht mich getraue 20 g Weizenpreiserhöhung durch Verordnung
tatsächlich zu dekretieren. Lehner fürchtet nun, dass Weihs die
Futtergetreidepreise unverändert lässt. Nach seiner Auffassung
müsste aber Mais und Gerste um 20 g und Hafer sogar um 30 g er-
höht werden, wenn der Weizenpreis um 25 und der Roggenpreis um
30 g angehoben wird. Ohne dass ich mit Weihs eigentlich eine Ab-
sprache gehabt habe, erklärte ich rundweg, dass hätte die ÖVP
sich bei den letzten Verhandlungen nicht so stur gestellt, dann
wäre ein solches Kompromiss tatsächlich möglich gewesen. Lehner
wird versuchen, ein Verhandlungskomitee dazu zu bringen. Er gibt
unumwunden zu, dass die Bauern, die vernünftig denken und mit ihm
gesprochen haben, ein solches Kompromiss erwarten und akzeptieren.
Er meint, dass die Scharfmacherei gar nichts bringt. Die Leute
erwarten einen Erfolg. Ich habe mit Weihs im Parlament dann ge-
sprochen und er hat mir dezidiert erklärt, er ist nicht bereit,
über den Frachtausgleich eine Anhebung des Futtergetreidepreises
zuzustimmen, wenn es nicht zu einem einvernehmlichen Kompromiss
über die Brotgetreidepreise kommt.
Bei der Verhandlung mit dem ÖVP-Bauernbund, die Kreisky sogar ur-
sprünglich wieder absagen wollte, weil er im Haus erklärt hat, das
Monopol des Bauernbundes ist gebrochen und er womöglich wieder
mit allen Bauernverbänden Verhandlungen oder Besprechungen führen
wollte, kam es natürlich zu keiner Einigung. Die freiheitlichen
Bauern, LAbg. Zillner, hatten Kreisky einen Brief geschrieben, wo
er gegen die Preisfestsetzung von 20 g protestierte und natürlich
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wieder wesentlich höhere Preise verlangte, als der Bauernbund
überhaupt nur bereit ist, mit uns auszuhandeln. Lehner machte
den ersten Schritt, indem er 30 g Weizenpreiserhöhung anbot.
Kreisky steht auf dem taktisch richtigen Standpunkt, man darf nicht
sofort eine entsprechende Vereinbarung treffen, es muss bei der
Bauernschaft der Eindruck entstehen, dass zähe Verhandlungen ge-
führt wurden. Die Sitzung wurde deshalb auf den nächsten Tag
vertagt.
Im Klub referierte Kreisky über die neue politische Situation.
Da die Freiheitlichen sich dem Misstrauensvotum der ÖVP ange-
schlossen haben, meint Kreisky, müsste man jetzt auch gegen-
über dieser Partei eine neue Taktik einschlagen. Die FPÖ hat
damit zum ersten Mal gegen die Regierung Kreisky, d.h. eigentlich
ja gegen ihn gestimmt, denn das Misstrauensvotum richtet sich
nicht gegen die ganze Regierung sondern nur gegen Kreisky. Die
SPÖ muss jetzt im Kampf gegen beide Oppositionsparteien erklären,
dass es sich dabei aber nicht um einen Bürgerblock handelt.
Der Bürgerblock würde heute nicht mehr die Bevölkerung abschrecken
sondern ganz im Gegenteil, viele potentielle Wähler der Sozialisten
in das Lager der ÖVP und FPÖ zurückführen. Wenn man sie als Bürger
anspricht. Deshalb müsse die Taktik sein: Wer Freiheitliche wählt,
wählt Schleinzer! Dass Peter diese Kurve genommen hat, führt
Kreisky darauf zurück, dass er innerhalb seiner Partei grosse
Schwierigkeiten hat. Immer wenn ein rechter Ansturm zu erwarten
ist, dann muss Peter beweisen, dass er nicht auf die linke sondern
zur rechten Seite hin tendiert. Die Rechten in seiner Partei
würden am liebsten dieselbe Politik machen wie der FDP unter
Mende in der BRD. Angeblich soll ein Plan existieren, dass Götz
als Parteiobmann nach Wien geht und dafür Hasiba in Graz Bür-
germeister wird. Um diese innerparteiliche Opposition abzu-
wehren, schwenkt Peter dann auf eine Rechtspolitik ein.
Ich berichtete ganz kurz über den Lebenshaltungskostenindex, der
infolge des späten Erscheinens der Beamten im Statistischen Zen-
tralamt vor 10 Uhr nicht zu erfahren war. Die 10,2 % Erhöhung
gegenüber Vorjahr wurde dann aber durch die Rundfunkdebatte im
wesentlichen viel stärker überdeckt als ich angenommen hatte.
Im Institut versuchte ich mit der Arbeiterkammer Krämer, Zöllner,
Blaha und ÖGB-Schmidt eine neue Aktion zu starten. Ich wollte
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und bin überzeugt, dass es notwendig ist, der Bevölkerung zu zei-
gen, dass im Lebenshaltungskostenindex verhältnismässig hohe Preise
durch die Erhebungsmethode eingehen. Am liebsten hätte ich einen
Gegenindex auf Grund des Schemas vom Verbraucherpreisindex berech-
net, dem die von uns in der Preissenkungsaktion festgestellten
niedrigen Preise zugrundeliegen. Die Kollegen sind aber der Meinung
dass die taktisch vielleicht günstig, statistisch aber falsch und
optisch auch nicht allzu viel bringt. Wir einigten uns deshalb darauf,
dass wenn die österr. Preise des Lebenshaltungskostenindexes für
Juni vorliegen, wir dann eine sehr konkrete Gegenüberstellung
von den Preisen, die auf Grund der Preissenkung sich ergeben, gemacht
wird. Eine Gewichtung soll aber unterbleiben.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte mit den Kollegen anfangs nächster Woche,
wenn die Österreich-Preise vom Statistischen
Zentralamt vorliegen, eine Besprechung anberaumen.
In der Paritätischen Kommission musste ich, da Kreisky auf der
Regierungsbank sass, den Vorsitz übernehmen. Sallinger und Mussil
beschwerten sich, dass sie im Wahlkampf und in Belangsendungen
sowie auf Plakaten in der Steiermark jetzt ununterbrochen als die
Preistreiber hingestellt werden. Sie selbst sind nicht mehr bereit,
länger mitzumachen, wenn nicht eine objektivere Berichterstattung
über die Paritätische Kommission erfolgt. Über die Tagesordnung
gab es keinerlei Probleme. Zöllner urgierte nur neuerdings, dass
§ 3 a -Anträge für Bunzl & Biach vom 9. April, Grazer Stadtwerke
vom 13. Mai und Fa. Leitl vom 31. Mai noch immer nicht erledigt sind.
Ausserdem seinen nicht einmal Stellungnahmen zu dem Antrag der
Arbeiterkammer eingegangen. Mussil erklärte, dass der Antrag Leitl
durch die Regelung der Baustoffe erledigt ist. Bunzl & Biach wurde
ebenfalls befriedigt einvernehmlich erledigt und bezüglich der
Wasserpreise bei den Grazer Stadtwerken ergibt sich für die Handels-
kammer, dass sie laut ihrem Organisationsstatut nur für Gas und
Strassenbahn zuständig sei. Das Wasserwerk sie also nach Auf-
fassung Mussils nicht in ihrer Kompetenz und deshalb könnte
hier auch nur sehr schwer von der Handelskammer einem § 3 a
zugestimmt werden. Die Handelskammer behandelt jetzt die § 3-Anträge
tatsächlich mit einer grössten Genauigkeit, ohne allerdings im
Konkreten einem § 3 a zuzustimmen.
Die ÖVP befürchtet, im Parlament über die Preisgesetze eine Dis-
kussion zu bekommen, die für sie in der Optik äusserst ungünstig
aussieht. Deshalb hat sie jetzt nochmals einen Kompromissvorschlag
vorgelegt. Sie ist bereit, den Regierungsvorlagen allerdings mit
Änderungen zuzustimmen, wenn gleichzeitig bei den Steuergesetzen,
die am nächsten Tag dann verhandelt werden, eine steuerliche Vor-
leistung von 600 S beim Alleinverdiener sogar von 1200 S und
für jedes Kind 300 S als Steuerermässigung zur Anwendung gelangt.
Nach Berechnung des Finanzministeriums würden dafür 2,5 Mia S Steuer-
ausfall zu präliminieren sein. Dies teilte mir Sekr. Mauhart
mit. Die ÖVP ist bereit, wie mir Heinz Fischer vom Klub erzählt,
der Verlängerung des Preisbestimmungsgesetzes bis Jahresende zuzu-
stimmen. Überhaupt wollen sie jetzt durch die neue Taktik, die
Preisgesetze wieder bis zum Jahresende verlängern, damit sie wieder
in den Rhythmus Marktordnungsgesetz-Ablauf, Preisgesetz-Ablauf
kommen. Nur so können dann wieder die Junktimierung, die sie anstre-
ben aufrechterhalten. Faktisch haben wir eine sehr gute Ausgangs-
lage, ob wir es publizistisch und in der Öffentlichkeit aber auch
haben werden, wird erst die Diskussion und die weitere Entwicklung
zeigen. Die Handelskammer hat sich innerhalb des ÖVP-Klubs nicht
durchsetzen können und man spekuliert, dass Androsch nicht bereit
ist, die Vorauszahlung oder Abschlagszahlung zu akzeptieren. Dadurch
können sie sagen, sie hätten je einer verschärften Preisregelung
zugestimmt, sind aber am Einspruch der SPÖ gescheitert. Anderseits
ist es taktisch wahrscheinlich nicht sehr klug, damit zu demon-
strieren, dass die Forderungen der SPÖ ins besondere des Handelsmini-
sters zum Preisregelungsgesetz berechtigt ist, weil sie dem letzten
Endes zustimmen würden, wenn sie einen Kaufpreis dafür bekommen.
Ich bin neugierig, wie sich dies in der Zukunft entwickeln wird.
Mit Rösch, Moser und Heindl besprach ich die Bebauung der Rennweger-
Kaserne. Rösch ist sofort bereit, aus Wien hinaus zu gehen und sein
Gendarmerie-Landeskommando irgendwo in die Umgebung Wiens zu ver-
legen. Die Behauptung, dass die Rennweger Kaserne nicht freigemacht
werden kann, bestreitet Moser, er hat alle davon Betroffenen nicht
eingeladen sondern seine Beamten allein würden mit Wien eine ent-
sprechende Regelung vereinbaren. Eine anschliessende Aussprache mit
Stadtrat Mayr ergab allerdings, dass Wien die Vorschläge vom Bund
kaum akzeptieren kann. Ich fürchte, dass hier noch eine grosse
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Diskrepanz zwischen der Vorstellung der Gemeinde Wien, die er-
klärt, sie könne nicht dem Bund irrsinnige Preise für die Grund-
stücke bezahlen und dem Bund, der auf keinerlei Grundstücke ver-
zichten will, sondern womöglich eine Naturaltausch vornehmen
möchte. Mayr versicherte mir dann noch unter vier Augen, dass
sich Wien nach wie vor sehr benachteiligt vorkommt. Alle Ver-
einbarungen, die er mit Bund getroffen wurden, wie z.B. Zuschuss
zum U-Bahn-Bau usw. sind in absoluten Beträgen und verlieren da-
durch ständig an Wert. Die Gemeinde Wien wird ausserdem bei
allen Bundesaktionen von ERP-Fonds angefangen bis zu irgendwelchen
Zuschüssen und Subventionen schlechter behandelt als das nö.
umliegende Land. Hier werden wegen Grenzland usw. immer zusätz-
liche Aktionen gestartet. Mayr sieht andererseits ein, dass für
die Landstrasse auf dem Wohnungssektor etwas geschehen müsste.
Er wird mit Stadtrat Pfoch über dieses Problem Besprechungen führen,
meint aber, dass es zweckmässiger ist, andere Projekte als die
Rennweger Kaserne zu verfolgen. Sein Hinweis, wir sollten uns
auf die Aspanggründe verlegen ist deshalb nicht zielführend, weil
dort eben auch der Bund für die TH Institute errichten will. Am
ehestens glaubt Mayr sollten wir eine Sanierung von Altwohnungen
durchführen, weil sich dadurch die kostenmässig günstigste und
verhältnismässig sehr schnell wirkende Verbesserung für die Ein-
wohner von der Landstrasse ergibt. Ich habe das Gefühl, dass
sich die Wiener Gemeindeverwaltung vom Bund ausgesprochen ver-
nachlässigt fühlt. Bis zum Jahre 1970 war dies selbstverständlich
und man hat nichts anderes erwartet! Jetzt aber unter einer
sozialistischen Regierung sollte sich zumindestens nach Meinung
der Genossen im Rathaus eine wesentliche Änderung ergeben. Ich
habe mir deshalb vorgenommen, auf alle Fälle bei der nächsten
Besprechung über das Wiener Memorandum mit der Gemeindever-
waltung anwesend zu sein. Die Sitzung findet soviel ich weiss
am Montag im BKA um 15 Uhr statt.
ANMERKUNG FÜR Wiesinger: Bitte Termin prüfen und dann eintragen.
Der BRO von der GKB verhandelt derzeit mit seiner Direktion über die
Prämie, wie sie alle anderen VÖEST-Alpine-Arbeiter erhalten haben.
Die Direktion erklärt sich ausserstande, die Prämie zu bezahlen,
wenn sie nicht gleichzeitig von der Bergbauförderung eine Ent-
schädigung dafür bekommt. Der BRO Glanzig war vor einigen Wochen
bei mir und hat mit dem ZBO Brauneis von VÖEST-Alpine die
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Situation durchbesprochen. Ich habe damals dezidiert erklärt,
dass ich bereit bin, obwohl die gesetzliche Ermächtigung noch nicht
vorlag, für die GKB 18 Mill S aus der Bergbauförderung sofort
flüssig zu machen. Glanzing hat nun angerufen und erklärt, er
hätte angenommen, dass ich diese 18 Mill. für die Prämienauszah-
lung zur Verfügung stelle. Zum Glück war Brauneis mit dabei,
der mir bestätigte und ihm auch am Telefon erklärte, dass eine
solche Zusage von mir nie erfolgte. Die 18 Mill. S haben von
mir aus gesehen kein Mascherl und es kann natürlich die Direktion
der GKB dieses Geld verwenden wie sie will. Bergrat Juvancic
erklärt nun, dass er mit diesen 18 Mill. S längst fällige Rech-
nungen bezahlen muss. Die GKB hat keinerlei flüssige Mittel
mehr und kann vor allem einmal keine Erhöhung des Betriebsmittel-
kredites erreichen. Die VÖEST-Alpine als Muttergesellschaft ist
aber nicht bereit, auch nur einen Schilling weiterhin Kredit
zu geben, oder gar vielleicht einen Zuschuss, damit die Prämien
bezahlt werden können. In Wirklichkeit geht der Kampf jetzt darum
ob VÖEST-Alpine ihrer Tochter eine Subvention oder zumindestens
einen Kredit gewährt oder ob man es auf einen Krieg mit der
Belegschaft ankommen lassen will. Ich erklärte dezidiert, dass
ich mir nicht vorstellen kann, dass wenn alle VÖEST-Alpine-Ar-
beiter eine Prämie wie dies alle Jahre der Fall war, bekommen,
nur die Bergarbeiter ausgenommen werden, Kreisky hat über Gatscha
zugesagt, dass die notwendigen Mittel bereitgestellt werden
müssen. Er wird zu diesem Zwecke mit dem Finanzminister Androsch
Verhandlungen aufnehmen. Ich selbst habe wiederholt dezidiert
erklärt und neuerdings auch sowohl der Direktion als auch dem
Betriebsrat mitgeteilt, dass ich nur dann eine verbindende Zusage
oder Versprechen abgeben kann, wenn ich die Möglichkeit habe, die
Mittel auch aus der Bergbauförderung zur Verfügung zu stellen.
Derzeit ist aber von 50 Grundbudget 60 Mill. BÜG insgesamt also
110 Mill. bereits der GKB 81 Mill. zugeflossen und eine weitere
Aufstockung durch ein zweites BÜG nicht einmal noch in der Re-
gierung besprochen. Ich bin neugierig, ob Koller als Vorsitzender
des Aufsichtsrates und vor allem einmal als Generaldirektor der
VÖEST-Alpine in der GKB seine harte Linie durchzieht. wenn der
Bund nicht die notwendigen Mittel bereitstellt, dann wird keine
Überbrückung bezahlt. Es geht hier tatsächlich nur um die Frage,
ob wir nicht doch noch aus den restlichen verbleibenden Bergbau-
förderungsmittel eine weitere Tranche, die allerdings kaum 18 Mill.
ausmachen kann, der GKB zur Verfügung stellen.
ANMERKUNG FÜR BUKOWSKI: Min.Rat Sterk soll sofort im intermini-
steriellen Komitee diesbezügliche Bespre-
chungen aufnehmen.
Tagesprogramm, 10.7.1974
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)