Mittwoch, der 26. Juni 1974

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Mittwoch, 26. Juni 1974

Im Klub wurde, da Kreisky so wie immer später kam, zuerst von
Moser und insbesondere Skritek über die Verhandlungen zum Initiativ-
antrag für die Wohnbauförderung und das neue Mietenrecht referiert.
Unsere Wohnbauförderungsnovelle, wo wir den Anteil der Wohnbauför-
derungsmittel von 60 auf 45 % und damit die Erhöhung der Kapitalmarkt-
mittel von 30 auf 45 % ebenfalls es ist ein einfaches Gesetz, mit
unserer Stärke durchsetzen, hat sich als ein Fehlschlag erwiesen.
Die damals vorgesehene Subjektförderung kam gar nicht zum Tragen,
weil der Kapitalmarkt die Aufbringung der Mittel für 45 % unmöglich
machte. In Wien lagern allein jetzt 3 Mia S Wohnbauförderungsmittel,
die nicht verwendet werden können. Angeblich, weil die Genossen-
schaften keinen Grund haben, in Wirklichkeit, weil sie vom Kapital-
markt die notwendigen Kreditzusagen und Kredite nicht bekommen
können. Moser hat daraus die Konsequenzen gezogen und erhöht nun die
Fondszuschüsse über die seinerzeitigen 60 % hinaus sogar bis auf
70 %. Länder werden ermächtigt, für die Jahre 1974/75/76 bis zu
70 % Fondszuschüsse zu Wohnbauten zu geben. Ausserdem können jetzt
die Wohnbauförderungsmittel auch für den Erhaltungsaufwand, ich
glaube bis maximal 10 % herangezogen werden. Auf dem Wohnbausektor
haben wir in Wirklichkeit bis jetzt nur sehr geringe Erfolge.
Die Baukosten stiegen gigantisch, die seinerzeitige Regierungs-
erklärung, wie werden 5.000 Wohnungen pro Jahr mehr bauen, kann nie-
mals annähernd erreicht werden, ich hatte damals bereits grösste
Bedenken, weil ich solche konkrete Zusagen alle Jahre um 5.000 Woh-
nungen mehr, für Wahnsinn halte. Kreisky hat aber damals den soge-
nannten Fachleuten, incl. der Bauarbeitergewerkschaft, vertraut,
hat sich begeistert, dass angeblich alle Jahre um 5.000 Wohnungen
mehr gebaut werden können, nicht denkend, dass in 10 Jahren dann
zu den 50.000, die wir in den letzten Jahren gebaut haben, dann
die doppelte Anzahl von uns errichtet worden wäre. Wenn das Bauhaupt-
gewerbe die Zuwachsrate auch erfüllen hätte können, das Bauneben-
gewerbe hätte unmöglich die Finalisierung der Wohnhäuser vollenden
können. Abgesehen davon wäre es wahrscheinlich gar nicht möglich,
die Infrastrukturaufwendungen in diesem grossen Umfang zu ver-
grössern. Aus diesem Dilemma können wir nur heraus, wenn wir eine
ganz neue Konzeption vorlegen würden. Nach wie vor glaube ich,
dass meine Idee, auch dann wenn ich sie selbst manchmal als Schnapsidee


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bezeichne, eine solche Umkehr in unserer Propaganda aber auch in
der Erfüllung von der Forderung, dass der Wohnungsmarkt beweglicher
sein muss, eine gewisse Rolle Spielen kann. Das Justizministerium,
Dr. Keller, hat mir erklärt, sie basteln jetzt an der Idee, die Ge-
nossenschaftsgesetze so zu fassen, dass auch Kleinstgenossenschaften
also alle Mieter eines Hauses bilden eine eigene Genossenschaft
für das Haus, möglich sein sollte.

ANMERKUNG FÜR Grünwald: Besprich mit Holoubek und Keller, wie man hier
zumindestens theoretisch weiterkommt.

Kreisky begründete dann, warum er die beiden Neuen – Bielka und Haiden
und niemanden anderen in die Regierung aufgenommen hat. Er meinte,
er hätte sich 1970/71 mit 2 Parteilosen in der Regierung dem Wähler
gestellt, weil er überzeugt ist, dass nur dies die Möglichkeit gibt,
die absolute Mehrheit zu erlangen. Die Struktur der Wählerschaft zeigt
deutlich, dass wir 43 % normal verlässliche sozialistische Wähler
haben. Im schlechtesten Fall sind es 40 %, im günstigsten Fall sind
es 46 %. Er müssen deshalb andere liberale Wähler gewonnen werden.
Da jetzt bei den Kirchschläger-Wahlen wahrscheinlich die Hälfte
der Kommunisten doch Kirchschläger gewählt haben, entgegen die Empfeh-
lung ihrer Parteileitung, soll man bei der Wähleranalyse nicht darauf
vergessen, dass in Hinkunft die kommunistische Partei garantiert
selbst kandidiert und damit diese Stimmen verlorengehen. Die Libera-
len, die man dazu braucht, sind nicht unbedingt Freiheitliche,
sondern auch andere Wählerschichten. Eine Diskussion war über die
Vorschläge Kreiskys nicht mehr möglich, weil gleich zu Beginn der
Sitzung Benya der gefallenen UNO-Soldaten gedachte.

Komm.Rat Partl, der Vertreter des Handels in der Wiener Kammer mit
seinem FWV-Freund Atzler sowie dritter Obmann Mühlbacher sprachen
über die Aktion Preissenkung. Der FWV mit seinen kleinen Händlern
hat natürlich mit Bedauern zur Kenntnis genommen, dass ich immer
wieder mich auf die grossen Diskonter und sonstige wirkliche potente
Firmen, die natürlich kapitalkräftiger sind, diese Aktion mache.
Was sie aber am meisten stört, ist, dass die Arbeiterzeitung
Pauschalverdächtigungen über die Händler schreibt und damit die
eigenen Genossen des Freien Wirtschaftsverbandes verstört und der
ÖVP eine einmalige Gelegenheit gibt, sich wieder als die Retter der
Kleinen hinzustellen. Ich habe den Genossen sofort erklärt, dass


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sie jederzeit sagen können, dass ich mich von allen Pauschal-
verdächtigungen des Handels distanzieren, sondern ich unterscheide
sehr genau, seriöse Händler und unseriöse. Gegen letztere richtet
sich auch nur meine Absicht im Preisregelungsgesetz, gegen überhöhte
Handelsspannen vorzugehen. Mühlbacher selbst setzte den Genossen
auch auseinander, sie müssten irgendwie sich positiv zur Preis-
senkungsaktion äussern. Die beste Lösung sehe ich darin, dass sie
erklären, durch die Hysterie der ÖVP angefacht, hat die Regierung
und insbesondere die Handelsminister gar keine andere Möglichkeit ge-
habt, als eben mit Aktionen zu reagieren. Die beste Lösung sagte ich
vor längerer Zeit schon wäre, die Kombination der Aktion der
Handelssektion, nämlich miteinander mit meiner Aktion Preissenkung
zu koppeln. Der Slogan: Miteinander preissenken! Ein Wunschtraum,
der niemals Realität werden wird.

Der Abteilungsleiter Perl, der gleichzeitig Obmann der soz. Fraktion
im Verbundkonzern ist, ehemaliger BR-Obmann, hatte grosse Bedenken,
dass jetzt im Verband der Elektrizitätswerke Österreichs der Tarif-
ausschuss sich mit der Frage der Tarifkorrektur beschäftigt. Durch
die Bonifikation der Energieanleihen fürchtet er, dass auch dieser
an und für sich sehr unverbindlichen Aussprache, wo das neue
Tarifschema vorbereitet hätte werden sollen, ein starker Druck auf
weitere Elektrizitätspreiserhöhungen kommen könnte. Er möchte
deshalb, dass ich den soz. Direktoren auseinandersetze, dass man
jetzt über dieses Problem nicht diskutieren könne. Da ich über-
zeugt bin, dass die Direktoren nicht ernstlich annehmen können,
dass vor den nächsten Wahlen noch einmal eine Elektrizitäts-
preiserhöhung erfolgt, wird es genügen, wenn Frank mit den einzelnen
verantwortlichen Direktoren unserer Fraktion spricht.

ANMERKUNG FÜR Grünwald: Bitte veranlasse, dass sich Frank mit Perl
ins Einvernehmen setzt.

Perl ersuchte auch, dass ich der Lösung, die jetzt der ÖGB mit der
anderen Seite über die Besetzung der Aufsichtsräte in der Verbund-
gesellschaft akzeptiere. Dies bedeutet, dass die 24 derzeitigen
Aufsichtsräte incl. 2 Betriebsräten, in Hinkunft 35 sein werden,
incl. 11 Betriebsräten. Eine Reduzierung hält Perl für unmöglich,
weil wenn man die Interessensvertretung von 2 auf 1 reduziert,
dann würden die Sozialisten in unseren Institutionen stärker gekürzt
werden als die ÖVP-ler in den anderen. Bei den Ländervertretern


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sieht er überhaupt keine Möglichkeit, eine Änderung vorzunehmen.
Da es wahrlich nicht mein Problem ist, arbeitsfähige Aufsichts-
räte bei den Gesellschaften zu konstituieren, werde ich mich
also in diese unglückliche Lösung nicht einmischen und dagegen auf-
treten. Ich halte sie aber für falsch.

Der Hauptverbandsobmann, wie er sich bezeichnet, Nowotny vom Allge-
meinen österreichischen Bauernverband ist mit einem zweiten Inge-
nieur gekommen, um mit mir die Beschwerde, dass sie vor der Kom-
mission nicht entsprechend gehört wurden, zu besprechen. Kurzel
hat bei den bisherigen Verhandlungen den Fehler gemacht, dass er
den Allgemeinen Bauernverband gegenüber erklärte, die Unterlagen
seien nicht zeitgerecht eingelangt. Sicherlich sind sie ver-
spätet gekommen, wurden aber sofort vom Büro an ihn weitergeleitet
und er hat sie verschustert, resp. erst unmittelbar bei der Sitzung
wieder ausgegraben. Dadurch meinte Nowotny hätten die Kommissions-
mitglieder sich kein richtiges Bild von den Forderungen der 94 Gr.
Weizenpreiserhöhung machen können. Ich erklärte ihm rundweg,
dass das Anhören in einer Kommission nicht bedeutet, dass man
die Kommissionsmitglieder zwingen kann, sich mit jedem einzelnen
Problem zu beschäftigen. Formell wurde ihm Rechnung getragen und
damit ist der Fall eigentlich auch für mich erledigt. Ich entschuldig-
te mich noch, dass aus einem inneren Versehen in meinem Ministerium
die Unterlagen später den Kommissionsmitgliedern zur Verfügung ge-
stellt wurden, dass diese sie sicherlich jetzt genau studiert
haben und damit auch formell alles erledigt ist. Nowotny beschwerte
sich, dass insbesondere natürlich der Bauernbund sofort erklärte,
sie hätten wieder keine Unterlagen geschickt. Da dies nicht stimmt,
werde ich ihm einen Brief schreiben, wo zum Ausdruck kommt, dass
der Verband alles gemacht hat, um formell sein Recht zu wahren.
Über die Höhe liess ich keinen Zweifel, dass nicht annähernd ihr
Wunsch erfüllt wird, derzeit stehe ich auf dem Standpunkt, dürfe
der Einzelpreis nur um 15 Groschen erhöht werden. Allerdings sagte
ich, dass diesbezügliche Überlegungen noch im Gange sind, einen
höheren Weizenpreis noch zu akzeptieren. Kurzel, der anwesend war,
hat zur Kenntnis genommen, dass auf diese Art sein Fehler besser
ausgebügelt werden kann, als wie einen langwierigen Brief zu schrei-
ben, wo er wieder nur Gegenbeschuldigungen als Tarnung für unseren
Fehler dem Allg. Bauernverband mitteilt. Nowotny ist glaube ich
befriedigt abgezogen, weil er meinte, diese Aussprache sei sehr


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bedeutend für ihn gewesen und er betrachtet damit den Fall
als beigelegt. Selbstverständlich nicht die Höhe des Weizen-
preises. Den Wunsch, wir sollten versuchen, ein gemeinsames
neues Schema zu erstellen, habe ich deshalb sofort kategorisch
abgelehnt, weil ich darin keine gemeinsame Basis für den heurigen
Weizenpreis sehen kann. Die Auffassungen sind derartig diametral,
dass ich mich nur dazu bereiterklärte, man solle in Hinkunft
Überlegungen anstellen, ob und inwieweit überhaupt ein solches
Schema zu finden möglich ist. Die Ergebnisse der Landwirtschaftl.
Buchführungsgesellschaften lehnen sie ja ebenfalls ab.

Der schwed. Verstaatlichungs- und Industrieminister Johansson
wollte bei unserer Aussprache, an der auch Meisl und Zembsch Gatscha
von der Verstaatlichten teilnahmen insbesondere über die Methoden
unserer Ölversorgung einiges wissen. Veselsky kam so wie üblich
er macht ja seinem Chef wirklich alle Ehre, und wo wie dieser
auch zu spät, obwohl es eigentlich sein Gast war. Ich erklärte,
soweit dies meine Englisch-Kenntnisse zuliessen, den schwed.
Minister auf und erzählte ihm unser System, nicht nur mit
der nationalisierten Gesellschaft ÖMV sondern auch mit den Inter-
nationalen und den Freien sowie den Ostimporteuren die Versorgung
zu sichern und den guten Erfolg, den wir mit dieser Methode hatten.
Am meisten freute mich aber, dass der Schwede scheinbar noch weniger
Englisch konnte als ich, denn er hat seinen Botschafter ersucht,
schwedisch auf deutsch zu übersetzen.

Jäkel von der Arbeiterbank ersuchte mich ebenfalls, ich sollte
mich bei Flöttl oder noch stärker bei Benya einsetzen, damit seinem
Plan, die Turmöl stärker an die Bawag zu binden, endlich nähergetre-
ten wird. Turmöl, der Importeur von sowj. Öl und Ölprodukten aber
auch von anderen der Oststaaten hat zweifelsohne die Aufgabe,
erstens diese Produkte nach Österreich zu bringen und zweitens
wahrscheinlich einen Teil der Finanzierung kommunistischer Orga-
nisationen aus Produkterlösen vorzunehmen. Letzteres ist allgemein
bekannt, kann aber natürlich niemals bewiesen werden. Aus diesem
Grunde dürfte Flöttl zögern, ob die Bawag als doch mehr oder
minder Bank des ÖGB sich mit dieser Firma kapitalmässig stärker
einlassen sollte. Jäkel selber hat aber den Wunsch und verständ-
licherweise sollte ich ihn daie unterstützen. Ich habe ihm nur zuge-
sagt, dass ich mit Benya einmal über diese Problem resp. mit Flöttl


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wenn ich ihn treffen werde, sprechen werde. Da es sich hier
um eine eminent politische Entscheidung handelt, kann man glaube
ich nicht ausschliesslich vom Rentabilitätsstandpunkt aus einen
solchen Plan beurteilen. Vor allem müsste man jetzt erfahren, wie
weit kapitalmässig überhaupt ein stärkeres Engagement bei Turmöl
überhaupt zweckmässig wäre.

ANMERKUNG FÜR GEHART: Bitte versuche über die Energie-Ölversorgungs-
seite, ohne dass es auffällt. mehr über diese
Firma – über Elsinger etwa – zu erfahren.

Die wirtschaftspolitische Aussprache ergab das übliche Bild, die
vormittägige Sitzung der Experten über die wirtschaftspolitische
Vorschau ergab, dass die 5 % BNP Wachstum, die wir mit Jahresanfang
von 4,5 auf 5 % erhöht haben, noch als zu gering zu betrachten
sind. Wahrscheinlich können wir mit einem grösseren Wirtschafts-
wachstum 1974 rechnen. In der OECD dagegen ist das Wirtschafts-
wachstum wesentlich zurückgegangen. Seidel nimmt an, dass wir
eine ähnliche Situation erleben werden, wie 1971/72 wo auch in der
OECD ein starker Rückgang des wirtschaftlichen Wachstums zu ver-
zeichnen war, währenddem Österreich sich phantastisch sich auf seinem
hohen Niveau gehalten hat. Wenn uns dies gelingt, haben wir für
1975 eine sehr gute Ausgangsbasis. Der Preisindex, der zuerst mit
einem Jahresdurchschnitt von 9 % angenommen wurde, dann vom
Institut mit 10 % schriftlich festgelegt, wurde nun einvernehmlich
auf 9,75 von den Experten korrigiert. Hier bedarf es allerdings
grössere Anstrengungen, damit wir dies im Jahre 1974 tatsächlich
erreichen. 1975 hat Vizepräsident Seidl von der Lenzinger dort in
der Diskussion ausgeführt, erwartet er einen Umschwung, da bereits
jetzt eine Geldverknappung festzustellen ist. Heute kommt es weniger
darauf an, einen hohen Preis zu halten oder Verkaufserlöse zu
sichern, sondern heute kommt es darauf an und nächstes Jahr wird
sich das noch verstärken, einen Käufer zu finden, der überhaupt be-
zahlen kann. Wenn dies nicht der Fall ist, dann müssen natürlich
entweder die Preise sinken oder, es kommt trotz der hohen Preise
oder besser gesagt, weil die Preise so hoch sind, zu einem Verkaufs-
rückgang und damit zu der befürchteten Stagflation. Die Inflations-
rate wird hie der OECD über 10 % liegen, wobei Japan mit über 20
an der Spitze Und als einziger Staat unter 10 % die BRD angenommen
wird- Nationalbankpräsident Kloss referierte, dass die Währungs-
reserven bis Ende Mai um 5 Mia S abgenommen haben. Dies ergab eine


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Refinanzierungsquote der ÖMV von 4,5 Mia, der offene Markt Politik
25 Mia und die 1 %-ige Herabsetzung der Mindestreserve, wenn man
Wieder einen halben Prozent Zuwachs der Einlagen dazurechnet, von
500 Mill. Mit anderen Worten, die 7,5 Mia Mehrgeldschöpfung gegen
die 5 Mia Währungsreserve Schillingabnahme ergibt am zentralen Bank
Geldneuschöpfung rd. 2,5 Mia. Im Juni
gab es keinen Währungsreservenverlust und im Juli/August ist anzuneh-
men dass der Fremdenverkehr noch einige positive Ergebnisse erbringt.
Die Entliberalisierung der Auslandskredite hat bezüglich der Investi-
tionen und der Exportkredite keine Änderung in der bisherigen
Politik gebracht. Die Wirtschaft hat Anträge für 10 Mia gestellt,
die allerdings nur mit 5 Mia effektiv dann verwirklicht werden konnten
weil hier die Wirtschaft scheinbar gar nicht imstande war, mehr
zu realisieren. Der Bund selbst 2,75 Mia im Ausland aufgenommen.
Nach Auffassung Kloss wird die OeNB trotz Verlängerung der Kredit-
plafondsabkommen bis 31.12. resp. der Mindestreserven bis 31.8.
durch die Offenmarktgrenze von 3 Mia und durch die Kreditinstitute
Sparzuwachs von 5 % minus 0,8 % Bausparkassenzuwachs, also 4,2 %
trotzdem das beabsichtigte Limit von 1 % Kreditzuwachs pro Monat er-
reichen wird. Eine weitere Restringierung ist nicht mehr möglich,
weil dann bereits Liquiditätsschwierigkeiten bei den Kreditinstituten
ernstlich entstehen würden. Androsch berichtete über das Stabili-
sierungsabkommen und meinte nur, beim Export müsste man jetzt den
wertschöpfungsintensiven fördern und das Handikap sei nur, dass man
in Österreich dafür 11 % Zinsen in Rechnung stellen muss, während in
Europa nur 7 % verrechnet werden. In der Diskussion gab es keine
neuen Gesichtspunkte, ausser dass sich Sallinger beklagte, der
Verbändebesprechungen werden jetzt immer mehr nur zu Befehlsempfängern
des Finanzministers, Igler aber die Ausrüstungsinvestitionen deren
schlechte Finanzausstattung und notwendige Exportkredite beklagte,
Bierbaum meinte, die österreichische Landwirtschaft sei der Last-
träger der Inflation und Vizepräsident befürchtete, dass es keine
Kurssicherung für das Pfund gibt. Böck, Bauarbeiter-Obmann, sieht
für die Bauindustrie nicht schlecht, weil den 137.000 österr.
Bauarbeitern 60.000 Gastarbeiter, davon 50.000 allein Jugoslawen
gegenüberstehen. Jug. wird jetzt eine stärkere Baukonjunktur er-
wartet, sodass von dort gar nicht mehr so viele Arbeitskräfte
kommen werden.



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Nach der Sitzung vereinbarte Androsch, Weihs und ich mit Vranitzky
und Gehart, dass unsere Genossen unverzüglich jetzt bezüglich der
Kreditaktionen ein gemeinsames Papier erarbeiten sollten. Androsch
teilte meine Befürchtung, dass wenn jetzt einzelne Aktionen schnell
erledigt werden und z.B. Weihs mit seinem Vorschlag, die Kredit-
grenze über 10 % festzusetzen, dann natürlich wir gegenseitig ausge-
spielt werden. Veselsky soll jetzt unverzüglich versuchen, mit
Vranitzky, Gehart und noch anderen Genossen ein gemeinsames Papier
vorzulegen.

Der Vorschlag Geharts zum Antwortpapier FM/HM, die Zollsenkung der
ÖVP nicht kategorisch abzulehnen sondern einen Gegenvorschlag auf
selektive Zollsenkung vorzunehmen, hat Androsch zugestimmt. Die Idee
ist phantastisch, da sie erstens wirklich etwas bringen kann,
wenn man Zölle über 20 % jetzt einmal auf dieses Niveau indivi-
duell senkt, weil es erstens wirklich einen Erfolg hat, wenn man
z.B. den Apfelsaft-Zoll reduziert und zweitens aber die ÖVP in eine
schlechte Verhandlungsposition bringt, weil sie dies natürlich
ganz entschieden ablehnen. Ähnlich Vorschläge werden auch bezüglich
der Wettbewerbsstärkung der österr. Wirtschaft erfolgen. Auch hier
sollen Vranitzky und Gehart so schnell wie möglich ein gemeinsames
Papier fertig machen.

Minkowitsch hat an Kreisky einen Brief gerichtet, wo er um eine un-
verzügliche Aussprache über den Getreidepreis ersuchte. Ich habe
Minkowitsch sofort vorgeschlagen, dass wir am besten gemeinsam
mit Kreisky jetzt einen Termin vereinbaren und tatsächlich haben
wir uns dann noch um 7 Uhr abends zusammengesetzt. Ich erörterte,
dass es unmöglich ist, die Forderung der Landwirtschaft, die eigent-
lich reell mit 38 Gr. eingeleitet, aber nur bei 30 gr. liegen dürfte
zu erfüllen. Infolge der Tatsache, dass bei 15 Groschen der Finanzmi-
nister schon 37 Mill. S für die Übergangszeit aufbringen muss, habe
ich Verständnis dafür, dass der Finanzminister hier sehr zurückhaltend
ist. Auch ich muss darauf hinweisen, dass jede Erhöhung sofort
dann ab Dezember im Brot- und Mehl- sowie Gebäckpreisen seinen
Niederschlag finden wird. Die Argumentation, 50 Groschen Weizenpreis-
erhöhung gibt nur 3,5 Gr. Semmelpreiserhöhung ist vollkommen falsch.
Insbesondere wies ich natürlich darauf hin, dass Lanner und Mock
die Bevölkerung jetzt dahingehend informiert haben, dass er Erzeuger-
preis für die Bauern verhältnismässig tief, der Verbraucherpreis ver-


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hältnismässig hoch ist. Trotzdem erwarte ich, dass eine weitere
Steigerung des Verbraucherpreises bei einer Getreidepreiserhöhung
notwendig sein wird und dann wird die ÖVP wieder dagegen polemisieren.
Kreisky war sehr geschickt, indem er immer wieder nur sagte, nun
was sollen wir tun. Meine Antwort war, solange die Landwirtschaft
ernstlich glaubt, dass 30 Groschen der Weizenpreis erhöht werden kann,
sehe ich keine Möglichkeit einer Einigung. Da wir für den Quali-
tätsweizen weitere 5 Groschen und für den Durumweizen weitere
10 Groschen aufstocken müssen, der Roggenpreis darüber hinaus auch
um den Weizenbetrag plus weitere 10 Groschen, die allerdings über
Nachprodukte finanziert werden sollen, erhöht wird, ergibt dies
eine gigantische Mehreinnahme der Bauern und vor allem einmal
eine grosse Belastung der Konsumenten. Kreisky hat deshalb die Ver-
handlungen nicht zu Ende geführt, sondern nächsten Tag verschoben,
nachdem wir wieder einmal zu einer Abstimmung mussten.

Die Landwirtschaft stützt sich natürlich jetzt auf die Äusserung
des LWM, der 29,8 Groschen als berechtigte Kalkulation anerkannt
hat. der jetzt bei einer Besprechung mit den Beamten Kurzel
dem Vertreter des Landwirtschaftsministeriums und Mehrwald vom FM
musste ich erkennen, dass ich es äusserst schwierig habe, meine
Taktik der Bürokratie beizubringen. Wenn die Landwirtschaft nicht
bereit ist, einer befriedigenden Lösung zuzustimmen, dann gibt
es eben einen um 5 Groschen geringeren Weizenpreis und damit
im Zusammenhang auch natürlich Roggenpreis. Der Finanzminister
hat mir erklärt, dass er bis zu 25 Groschen geht. taktisch ist
es daher für mich sehr schwer, jetzt die Bauern davon zu überzeugen,
dass ich eine Zustimmung erreichen muss, bevor ich überhaupt bereit
bin, über 15 Groschen hinauszugehen. Trotzdem glaube ich muss ich an
dieser Taktik festhalten. Nicht wie Bierbaum meint, dass ich
als Agrarschreck und als harter Mann gegenüber der Landwirtschaft
erscheinen will, sondern weil es notwendig ist, einmal den
Kreis zu durchbrechen, wonach wir jetzt bereits zweimal den Weizen-
preis erhöht haben, und zwar jeweils um 10 Groschen, jetzt
wahrscheinlich um 20 eher um 25 Gr. erhöhen werden und sie dann
noch immer sagen werden, das Ganze ist unbefriedigend, ihr Schema
das das Landwirtschaftsministerium erstellt, zeigt uns ein anderes
Bild, sie fühlen sich also mit der Regelung benachteiligt und
kommen dann sofort wieder mit den Restforderungen. Wenn abge-
schlossen ist, muss dann Schluss und im nächsten Jahr beginnen wir
ja sowieso dann wieder von vorne.



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Mit Heindl und Blecha bespreche ich die unqualifizierten Angriffe
von Staberl auf ihn. Die Behauptungen sind falsch, wenn Blecha
klagt, bleibt in Wirklichkeit in der Öffentlichkeit ein schlech-
ter Eindruck. Ein Politiker ist manchmal wirklich nur ein wehrloser
Stiefelfetzen.

21_0803_08

Tagesprogramm, 26.6.1974

21_0803_09

hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: GD Lenzing AG, Vizepräs. HK, AR-Präs. OÖ. Ferngas


Einträge mit Erwähnung:
    GND ID: 130327808


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: IV, GD Wr. Schwachstromwerke (WSW)


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
        GND ID: 119083906


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: MR HM


          Einträge mit Erwähnung:
            GND ID: 120934426


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Finanzminister
              GND ID: 118503049


              Einträge mit Erwähnung:


                Einträge mit Erwähnung:
                  GND ID: 129507873


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Chef Energiesektion


                    Einträge mit Erwähnung:


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: HK Wien, FWV, Vors. Kreditverein; evtl. Falschidentifikation


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Beamter HM


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: SPÖ-NR-Abg., Sekr. GPA


                            Einträge mit Erwähnung:


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: Präs. Bauernbund
                                GND ID: 118894366


                                Einträge mit Erwähnung:
                                  Tätigkeit: nö. ÖVP-LR, Präs. LWK NÖ


                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    Tätigkeit: Büro Staribacher; ÖIAG
                                    GND ID: 1053195672


                                    Einträge mit Erwähnung:


                                      Einträge mit Erwähnung:
                                        Tätigkeit: Abg. z. NR, Klubobmann, ÖVP


                                        Einträge mit Erwähnung:


                                          Einträge mit Erwähnung:
                                            Tätigkeit: Ökonom, ab 1981 Sts.


                                            Einträge mit Erwähnung:
                                              Tätigkeit: Vizepräs. BHK, Präs. FWV


                                              Einträge mit Erwähnung:
                                                Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                                                GND ID: 102318379X


                                                Einträge mit Erwähnung:
                                                  Tätigkeit: Beamter FM


                                                  Einträge mit Erwähnung:
                                                    Tätigkeit: Ministerialrat, Leiter Grundsatzabteilung


                                                    Einträge mit Erwähnung:
                                                      Tätigkeit: MR HM


                                                      Einträge mit Erwähnung:
                                                        Tätigkeit: Bautenminister


                                                        Einträge mit Erwähnung:
                                                          Tätigkeit: Dir. Bundesforste, später Sts., dann LWM


                                                          Einträge mit Erwähnung:
                                                            Tätigkeit: GD BAWAG


                                                            Einträge mit Erwähnung:
                                                              Tätigkeit: Wr. Bau-SR, ÖGB-Vizepräs., Obmann Gew. Bau-Holz


                                                              Einträge mit Erwähnung:
                                                                Tätigkeit: Landwirtschaftsminister bis 1976
                                                                GND ID: 130620351


                                                                Einträge mit Erwähnung:


                                                                  Einträge mit Erwähnung:
                                                                    Tätigkeit: Bundeskanzler
                                                                    GND ID: 118566512


                                                                    Einträge mit Erwähnung:
                                                                      GND ID: 12254711X


                                                                      Einträge mit Erwähnung:
                                                                        Tätigkeit: Außenminister, Bundespräsident
                                                                        GND ID: 118723189


                                                                        Einträge mit Erwähnung:
                                                                          Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


                                                                          Einträge mit Erwähnung: