Freitag, 5. April 1974
In der Gewerkschaft, wo ich jetzt jeden Tag solange Blümel
auf Erholung ist Besprechungen habe, teilt mit Staudinger mit,
dass die Betriebe bereit sein werden, den Arbeitsausfall zu
bezahlen. Blaha von der AK ruft mich an und meint, er hätte
so wie Zöllner Sorge, ob wir jetzt den Kollektivvertrag jetzt unter-
schrieben bekämen, nachdem bis jetzt noch immer nicht ein solches
Exemplar bei der Preiskommission vorgelegt werden konnte. Staudinger
steht auf dem STandpunkt, dass gar keine Gefahr besteht. Die Unter-
nehmer haben sich bis jetzt an Vereinbarungen, auch wenn sie nur
mündlich getroffen wurden, gehalten und er zweifelt nicth,dass
sie das auch in Zukunft tun werden. Unsere Organisation ist stark
genug und sie fürchten dies und würden deshalb niemals eine Ver-
einbarung einseitig treffen.
Bei der 10. Tagung der Exekutive III, das sind die Werkstätten
der ÖBB, hatte ich das wirtschaftspolitische Hauptreferat. Hier
fühle ich mich sichtbar wohl, referiere in meiner alten gewohn-
ten Art, alle unangenehmen Dinge eingehend und doch mit einer
gewissen Skepsis, wie z.B. bei der Preisentwicklung. Der Vor-
sitzende meint zum Schluss, ich hätte ihnen jetzt für März 9,5 %
vorausgesagt und trotzdem frenetischen Beifall bekommen. Zuerst
wollte man, als ich meine Taktik des Referierens unseren Spitzen-
genossen dort mitteilte, gar keine Diskussion machen. Da ich sie
aber dazu aufforderte und gleichzeitig provokant referierte,
kam es natürlich dann zu einer viel längeren Diskussion als vorge-
sehen war. Interessant war nur, dass sich von den Genossen haupt-
sächlich Spitzenleute grösstenteils aus dem Präsidium meldeten
von der KPÖ kamen alle drei Vertreter, ich glaube mehr gibt es
gar nicht. Der ÖAAB ist bei diesen Vertrauenspersonen und immerhin
waren 400 Delegierte, nicht vertreten. Die Eisenbahner und ganz
besonders Werkstättler sind normalerweise sehr gefürchtet. Jetzt
frage ich mich wirklich, wieso ich bei den kritischesten Gruppen
so gut ankomme. ICh glaube, es liegt wirklich daran, dass ich ihnen
nicht vorlüge und sie deshalb ein grosses Vertrauen und mir einen
grossen Vertrauensvorschuss entgegenbringen. Eines ist mir voll-
kommen klar, die darf und werde ich nie enttäuschen.
Im Institut hatten wir eine grosse Besprechung mit allen unseren
davon betroffenen Sektionsleitern Meisl, Jagoda aber auch Singer,
Marsch, Gehart, Wanke, Koppe und dem Büro, vom ÖGB Schmidt
von der AK Blaha über die Vorgangsweise wegen der Preissituation
und der neuen Preisgesetze. Die Aussprache mit den Landeshauptleuten
wird keinerlei Schwierigkeiten bringen, denn die Gefahr, die manche
Kollegen sehen, dass die Landeshauptleute letzten Endes gar nicht
komen und nur andere Landesräte oder nur Beamte schicken fürchte
ich nicht. Je weniger sich die Landeshauptleute selbst deklarieren
und je weniger die LH Aktivität entwickeln, umso besser für mich.
Die einzige grosse Gefahr ist nur, dass wir selbst nicht wissen,
wie und in welchem Ausmass wir die neue Preiskompetenz im Handels-
ministerium ausbauen und vor allem entsprechende Gesetzentwürfe
vorlegen sollen. WEnn wir rechtlich einwandfreie Formulierungen
finden, ergibt sich ein furchtbar kompliziertes Vorgehen. WEnn wir
aber, was anzunehmen ist, eine weitgehende Ermächtigung dem Handels-
minister geben wollen, dann gibt es rechtlich grosse Bedenken.
Dies wird letzten Endes auch die ÖVP dann nützen, um nicht nur
diktatorische Gelüste zu unterschieben sondern wahrscheinlich auch
noch auf die Rechtssituation besonders hinweisen. NAtürlich wird
dies bei der Bevölkerung nicht übermässig stark ankommen und die
ÖVP wird mit dieser Argumentation genauso wenig Erfolg haben wie wir,
wenn wir immer jetzt erklären,wir bräuchten eine Zweidrittelmehr-
heit und haben sie bis jetzt nicht erhalten. Die Bevölkerung will
rigendwie, fast auf ein Wunder hoffend, einen entsprechenden Einfluss
der Regierung auf die Preisentwicklung. Dies aber wird sich
heruasstellen, ist nicht möglich, Die grosse Gefahr ist, dass wir
ähnlich wie die Stadt Wien ein "Baumgesetz" dann letzten Endes
gebären. Jeder sagt, die Bäume sind wichtig, sie sollen nicht ge-
schlagen werden, jeder weiss aber, dass eine Stadt, wenn sie sich
entwickelt und selbst wenn sie sich verbessert, entsprechende Bäume
fällen muss, das Endergebnis ist eben, dass jetzt dann eine Lösung
kommt, wo man zwar Bäume nicht schlagen soll, wenn mans tut aber
dann 300 m im Umkreis neue pflanzen kann und wenn dies nicht möglich
ist, eben ein Pönnale von 8 oder 10.000 S pro Baum bezahlen. Das
Preisgesetz übertragen, jeder weiss, dass im Zuge der wirtschaftlichen
Entwicklung Preissteigerungen notwendig, ja fast mit Sicherheit
garantiert werdne können, jeder weiss, dass durch die Abhängigkeit
Österreichs nicht zuletzt allein durch die Importe sondern vor allen
einmal auch durch die wirtschaftliche Entwicklung Westeuropas
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und deren Preisentwicklung auch die österreichischen Unternehmer
die Preissteigerungen durchführen werden, weil sie sie durchführen
müssen, jeder weiss, dass wir vielleicht punktuell in dem einen
oder anderen FAll optisch viel machen können, aber in der Praxis
und im Effekt kaum etwas erreichen werden und dennoch wird jetzt
vom Handelsminister als dem dafür zuständigen verlangt, er möge
eine gesetzliche Regelung durchführen, die selbst, wenn die ÖVP
zustimmen würde, kaum administrierbar ist. Ich bin eigentlich am
meisten gespannt, was Sallinger und Mussil, mit denen ich am Montag
meinen üblichen Jour fixe nach längerer Zei wieder habe, zu dieser
ganzen Entwicklung sagen werden. Zustimmen können und werden sie unter
gar keinen Umständen.
Schleinzer hat bei seiner gestrigen Aussprache mit Kreisky darauf
hingewiesen, dass die Bauern sehr unruhig sind und Kreisky hat des-
halb die Bauernbündler mit Weihs und mir zu einer Aussprache einge-
laden. Dort hat er einleitend erklärt, es handelt sich um ein
Informationsgespräch, weil in der Vorbesprechung er gemeint hat,
es gibt kaum eine Möglichkeit, ihnen nachzugeben. Minkowitsch
präzisierte ihre Forderungen, sie wollten inder Milchpreis index-
schonende Vorgangsweise und schlugen deshalb vor, 170 Mill. S
für Exporte, 65 Mill. für das 3/4 Jahr Milchkrisengroschen 5 Gro-
schen Abgeltung durch den Staat und 65 Mill. Magermilchpulver-
vergütung, insgesamt 305 Mill. Für die Schlachtexportrinder wollten
sie statt 4.- l.- S mehr, was ungefähr 10 – 15 Mill. ausmacht. Auch
für Nutzrinder, wo sie derzeit 600 und die Bergbauern 1.200 S Sub-
vention bekommen, wollten sie ebenfalls um 600 S mehr. Den Diesel-
treibstoff wollten sie nach wie vor als gefärbtes Heizöl, Kreisky
meinte aber, das wäre unmöglich, die 23 Groschen könnten keinesfalls
auf den Konsumenten überwälzt werden, worauf sie sich auch mit
einer Subvention einverstanden erklärten. Das Finanzministerium,
d.h. der dortige Vertreter rechnete 399 Mill. S. Die Bauern meint
das seien maximal 77 Mill. Getreide müsste bis zum 15. Juni fest-
gesetzt sein und für Zucker seien angeblich Gespräche im Gange
dies treffe nicht zu, da der Kollektivvertrag aber mit 30.4.
abläuft, erwarten sie gleichzeitig Zug um Zug auch eine Erhöhung
des Rübenpreises. Für Handelsdünger wollten ebenfalls eie ent-
sprechende Regelung, Die Zuschussrente müsste nun endlich konkretisiert
werden. 72 % haben sich für einen Milchlieferstreik aufgesprochen
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und die Bauernbundexekutive hat beschlossen, einen Warnstreik noch
im April mit 2 Tagen begrenzt. 63 % hatten sich für einen Käufer-
streik ausgesprochen, und zwar würde hier am Tag X der Bauernbund
aufrufen, ein Jahr lang keine Maschinen zu kaufen. Jetzt entwickelte
sich eine stundenlange Diskussion, die letzten Endes dann zweimal
unterbrochen Kreisky veranlasste, doch darauf hinzuweisen, ihm
käme eine Bauerndemonstration jezt sehr ungelegen. Er schlug des-
halb intern vor, das Magermilchpulver, welhes 136,5 Mill. S durch
Erhöhung um 30 Groschen bringen soll, soll mit 65 Mill. ca. ge-
stützt werden, nämlich die 30 Groschen sollen mit 15 Groschen halbiert
zusammengesetzt werden. Gleichzeitig meinte er müsse man auch eine
inländische Butteraktion wieder starten. Weihs verwies darauf, dass
das Inlandslager jetzt von 2600 t auf 3.600 t für den Ostervorrat schon
zurückgegangen sei. WEnn das Lager wieder 3.000 t erreicht hat, was
bald nach Ostern der Fall sein wird, dann könnte eine solche Inlands-
aktion starten. Über die Höhe wurde nichts gesagt, auch nicht über
die Kosten, die dem Finanzminister dort erwachsen. Bei Vieh hat
er ja durch den Finanzminister Weihs schon zugestanden, dass dieser
48 Mill. S zusätzliche Exportmittel bekommt, um die Italien-Exporte
aufrechterhalten zu können. Hier wollte Kreisky nueerliche eine
Inlandsaktion,, das bedeutet weitere 20 Mill. S. Bezüglich des
Dieseltreibstoffes ist Kreisky bereit, ihnen statt 70 Mill. Ver-
billigung zusätzlich für das Jahr 1974 100 Mill. zur Verfügung zu
stellen. Zu den bereits jetzt 380 im Budget eingesetzten werden also
dann heuer 100 Mill. und im nächsten Jahr dann wahrscheinlich der
doppelte Betrag dazukommen. Die Bauern haben sich für heuer eine
Belastung von 170 Mill. S ausgerechnet. Wie weit das stimmt,
kann ihc nicht prüfne. Kreisky machte den Bauernvertreter diesen
Vorschlag, die verlangten dann eine Unterbrechung und da Kreisky
zum Bundespräsidenten gehen musste, beschlossen wir dann auf Montag
nach dem Nationalrat eine weitere Besprechung mit den Bauern, wo auch
Androsch anwesend sei. Kreisky hat nämlich sehr geschickt den Bauern
gegenüber gesagt, hier handelt es sich nur um eine Verwendungszusage
denn letzten Endes müsste der Finanzminister erst die Zustimmung
geben. Formell versteht Kreisky immer sehr geschcikt die Kompetenz der
einzelnen Minister einzuhalten. Materiell hat er naütrlich Androsch
schon so weit präjudiziert, dass dieser kaum etwas andres machen
kann, als zuzustimmen. Ich kann und will die politische Lage nicth
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beurteilne, ob tatsächlich ein weiteres NAchgehen dem Bauern-
bund zweckmässig sit. Aber auf alle Fälle diese Art der Ver-
handlungsführung. Da die Bauernverbände immer vereinzelt und damit
jeder für sich eine entsprechenden Erfolg erreichen wollen, kommt
es dazu, dass in diesen Fragen inWirklichkeit nicht einmal sondern
dreimal bezahlt wird. Abgesehen davon, dass er damit eigentlich
die Bauernvertreter nicht aufspaltet, wie er immer gehofft hat,
verärgert er nur immer den Vorletzten, weil er glaubt, mit seinem
Ergebnis hätte er das Maximum herausgeholt und dann kommt der nächst
und erreicht wieder mehr. Zum Handkuss kommendabie am meisten
der Arbeitsbauernbund. Der ist mit den ersten Ergebnissen schon
zufrieden, ist dann in einer schwierigen Situation. um gerade noch
bei den Freiheitlichen oder Allgemeinem Bauernverband mitzureden,
diese dann alle werden wahrscheinlich, wenn sie nun erfahren, dass
der Bauernbund weitere Erfolge erzielt hat, naütrlich umso mehr ver-
ärgert sein. Ohne mir etwas einzubilden, aber hier haben wir
in der Vergangenheit als Interessensvertretung bessere Politik
und geschicktere Verhandlungen geführt. Man kann nicht mit den
Schwächeren zu verhandeln beginnen, sondern man muss mit den Stärksten
zu einer Einigung kommen, damit dieser dann eben, entsprechend wenn
er akzeptiert hat, die Bauern niederhält. Zu diesem Zweck hätte
ich mich in der Vergangenheit aber auch in der Zukunft ausschliess-
lich an der Landwirtschaftskammer als der gesetzlichen Interessens-
vertretung gehalten. Für mich steht fest, dass auf diesem Sektor
ich in Hinkunft keine grossen Sorgen haben werde. Die Bauern werden
natrülich dieses Spiel weiter betreiben, Kreisky wird immer in die
schwierige Situation kommen, mit ihnen Verhandlungen führen zu
können undndas Endergebnis wird sein, dass letzten Endes sehr
wohl die Bauernvertreter mit dieser Taktik ein Optimum erreichen.
OB sich dies politisch niederschlägt, kann ich nicht beurteilen,
ich glaube aber eher nein.
Die Textilarbeitergewerkschaft, der Obmann Zentralsekretär Hans
und vor allem ein ganz Junger, schein neuer Sekretär Ettl, den ich
das erste mal kennenlernte, sprachen wegen der Sorgen für ihre
Branche vor. In der Schuhproduktion ist Humanic der Lohnleadership.
WEnn sie in dieser Branche Lohnforderungen haben und diese stehen
jetzt an, müssen sie zuerst mit Humanic zu einer entsprechenden
Regelung kommen, bis die anderen dann doch bereit sind, gewise
Zugeständnisse zu machen. Humanic hat nun bei der Österr. Kontroll-
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bank einen Kredit beantragt, ich habe mich seinerzeit auch tat-
sächlich für sie eingesetzt, aber bis jetzt keinen Erfolg erreicht.
Sowohl Castellez als auch Dr. Haschek stehen auf dem Stnadpunkt, dass
sie ein Maximum schon der Schuhindustrie und ganz besonders Humanic
gegeben haben. Das sich von Humanic vor nicht allzu langer Zeit
eine Firma Dynafit abgespalten hat, haben sie auch die vorgesehenen
Exportkreditvolumen geteilt und damit eigentlich beide nicht be-
friedigt. Vom STandpunkt der Kontrollbank ist diese Vorgangsweise
verständlich. Da aber jetzt eine gewisse Aufstockung für Exportkredite
erfoogt ist, hoffe ich, dass es mir gelingen wird. Haschek und
Castellez davon zu überzeugen, dass man vielleicht doch der Konsum-
güterindustrie einen grösseren Kreditrahmen zur Verfügung stellt.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte mich mit Haschek oder Castellez
zu verbinden.
Auf dem Textilsektor haben die Arbeiter seit 1970 bis 1973 dem letzten
Kollektivvertrag nur eine Erhöhung von 42 % erreicht. Sie sind deshalb
im Juni mit neuen Verhandlungen befasst und meinten, die Bauern die
48 % erreicht hätten, sollen sich nicht aufregen. Das allerdings
hier Produktionskostensteigerungen mit Lohnerhöhungen verglichen
werden, stimmt nicht ganz. Richtig ist, dass die Textilindustrie
einen schweren Stand hat. In der Bekleidungsindustrie konnte ich,
da nun dort im Oktober nach 13 Monaten Lohnverhandlungen erwartet
werden, ihnen mitteilen, dass mit Hongkong jetzt ein Arrangement
bevorsteht und ich auch voller HOffnung bin, dass wir mit Nordkorea
zu einer Lösung bei Antidumpinglieferungen kommen werden. Sie wollen
auch jetzt, nachdem ich ihnen das Strumpfhosenmodell erörtert habe,
das sie mit BEfriedigung zur Kenntnis genommen ahben, auch die Socken
aus Rumänien, d.h. die Grobstrümpfe ähnlich geregelt haben. Hier
erörtete ich ihnen das Vidierungsverfahren und wies daruf hin,
dass insbesondere die Arbeiterkammer doch eine andere Haltung ein-
nehmen müsste. Ich könnte nicht immer gegen die Arbeiterkammer ent-
scheiden. Die Kollegen werden sich mit Dr. Zöllner ins Einvernehmen
setzen.
Gleissner und Melis sowie Wanke besprachen die weitere Entwickung im
Europa-Institut. Melis ist über die Arbeitsgruppe informiert ge-
wesen, hat sich nur furchtbar aufgeregt, dass er bei der Gründung
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der Arbeitsgruppe Konsumenten Vergleiche nicht gefragt
wurde. Hier hatte Koppe versucht, eine neue Arbeitsgruppe zu instal-
lieren, was tatsächlich dann geglückt ist und aber nicht die
Zustimmung der Handelskammer bis jetzt gefunden hat. Mit dem
Hinweis, dass in HInkunft im Vorstand alle diese Fragen zeitgerecht
besprochen werden, war die Handelskammer auch mit dieser Arbeits-
gruppe einverstanden. Zu meiner grössten Verwunderung hörte ich,
dass Frau Dr. Wagner diese Arbeitsgruppe führen wird. Nicht dass
ich igendetwas gegen die Frau Dr. Wagner habe, nur glaube ich
kaum, dass sie die Initiativen wird entwickeln, die eigentlich
notwendig wären. Gleissner wünschte, dass diese Arbeitsgruppen
sich nicht ausschliesslich auf
Tagesprogramm, 5.4.1974
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)