Donnerstag, der 21. März 1974

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Donnerstag, 21. März 1974

Im ÖGB-Bundesvorstand berichtete Dallinger über die Arbeiten
der Steuerkommission. Es war tatsächlich möglich, dass dieses
Papier nicht nur von den christlichen Gewerkschaftern angenommen
wurde sondern auch die Freiheitlichen stimmten dafür, der Partei-
unabhängige und die Gruppe Kodicek enthielt sich der Stimme. Nur
mit 2 Gegenstimmen, die KPÖ hat sich gegen den Vorschlag ausge-
sprochen. Die KP hat wieder einmal in ihrer sehr geschickten Art
dagegen argumentiert, dass die Minister viel mehr an Wohnungsgeld
und an Bezügen in den letzten Jahren hinzubekommen haben als
die Arbeiter und dass deshalb der Klassenkampf viel härter ge-
führt werden müsse. Benya berichet über die wirtschaftliche Lage
und die Resolution, die jetzt immer in Form einer Presseaussendung
beschlossen wird, fand auch die Zustimmung, mit Ausnahme natürlich
die unserer linken Freunde. Altenburger, dernoch im Spital resp.
zu Hause das Bett hütete, war zur Bundesvorstandssitzung erschie-
nen. Er hatte damit seinen präsumtiven Nachfolger Wedenig die Mög-
lichkeit genommen, das grosse Referat – Co-Referat zu halten und
Wedenig hat deshalb nur die Ausführungen Altenburgers ergänzt.
Altenburger hat sich primär mit der Sozialpartnerschaft beschäf-
tigt und darauf hingewiesen, dass diese die Erfolge der letzten
Jahrzehnte brachte und vor allem, dass die Leute nicht dran
zündeln sollen, die sie gar nicht geschaffen haben. Benya hat näm-
lich in seinem Referat darauf hingewiesen, dass wenn jetzt von ver-
schiedensten Seiten gegen die Sozialpartnerschaft gewettert wird,
wenn sie von der anderen Seite aufgelöst oder sabotiert oder
so missbraucht wird, dass sie nicht möglich ist fortzusetzen,
dann wird man eben darauf verzichten. Diese Attacke richtete
sich nicht nur ausschliesslich gegen die Kommunisten, die schon
immer dagegen waren sondern auch gegen die ÖVP und auch teilweise
gegen Leute, die in der SPÖ, die auch über diese Institution nicht
sehr glücklich sind. Altenburger – der auch die Ölsituation anführt
meinte, dass man doch endlich erkennen soll, was die internationa-
len Gesellschaften hier angestellt haben und dass es ein Bluff
war und die österreichische Regierung aus hineingefallen ist,
musste ich mich mehr oder minder meldne, um ihn auf die tat-
sähclichen Verhälntisse aufmerksam zu machen. Österreich, sagte
ich, hat am besten abgeschnitten, wir haben die geringsten Be-


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lastungen und vor allem noch immer einen äusserst günstigen
Benzin- und Heizölpreis. Bei dieser Gelegenheit wischteich
dem ÖAAB in seiner Steuerpolitik auch gleich eins aus, indem ich
erklärte, als wir die Abschlagszahlung 1972 mit 360.- S durch-
setzten, war der ÖAAB schwer dagegen, weil er insbesondere die
Gleichheit für die höheren Beamten und Angestellten, die er mei-
stens vertritt, war es ihm zu wenig, ganz hart kritisierte. Bei
dieser Gelegenheit konnte ich wieder meinen guten Gag, Christliche
Gewerkschafter gut, ÖAAB schlecht und die christlichen Gewerkschaft
die meistens natürlich auch ÖAAB-Mitglieder vielleicht sogar ge-
zwungen sind, haben dazu herzhaft geschmunzelt.

Im Bundesparteivorstand, der zur gleichen Zeit lief, hatte ich
das Referat von Kreisky nicht gehört, doch hat er sich dort neben d
politischen und wirtschaftspolitischen Situation insbesondere mit
den jungen Freunden, d.h. mit unserer Jungen Generation auseinander
gesetzt. Er meinte, und dies nichtmzu UNtercht, dass bei der ganzen
Kritik, die jetzt von diesen Gruppen in der Öffentlichkeit auch dar
gelegt wird, nachher bei den Wahlen sehr schwer sein wird, darauf
hinzuweisen, dass die Partei zwar in den vergangengenen 5 Jahren
und die Regierung insbesondere alles schlecht gemacht hat aber
man dann trotzdem dem Arbeiter dann empfehlen wird, sie sollten
sozialistisch wählen. Dies wird zu einer schlechten Wahlpro-
paganda der Jungen Generation mehr oder minder führen.

Dieses Dilemma habe ich dann auch im Kautsky-Kreis beim sehr
interessanten Vortrag von Frisch, der neue Erkenntnisse der
Monetaristen und Amerika mitgebracht hat, mehr oder minder an-
schliessend festgestlelt. Die Ausführungen Frisch's beschäftigen
sich naütrlich mit dme Problem der Inflation und die Theorie
selbst will sich ja mit diesem Problem nicht nur auseinander-
setzen sondern vielleicht auch Lösungen finden, obwohl bis jetzt
überhaupt nichtsdazu beigebragen wurde. Alle Modelle, alle Erklä-
rungen sind mehr oder minder hoffnungslos theoretisch undbringen
für die Praxis keinerleie Erkenntnis. Schwödiauer vom Ford-Institut
der ebenfalls anwesend war, hat sich in der Diskussion mit Frisch
über die exogenen und endogenen variablen in aler Freundschaft
gestritten, hat versucht zu beweisen, dass Kreditexpansionen unter
12 % deflatorisch, von 12 – 20 % neutral und über 20 % inflatio-
nistisch sind. März der den Vorsitz führte, hat mir Recht ein-


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gewendet, wie will er das mit über 20 % wissen, wenn noch niemals
bei uns die Kreditexpansion über 20 % betragen aht. März, der
an und für sich auch ein Theoretiker ist, bekommt jetzt auf seine
Tage vielleicht ein grösseres Gefühl für praktische Notwendigkeiten
als wie manche unserer jüngeren Leute. Kienzl hat dann mit Recht
drauf hingewiesen, dass das Hauptproblem darin liegt, dass 12 %
die sich aus dem Marktgeschehen Kreditnachfragen ergeben, anders
zu beurteilne sind, als wenn die Nationalbank dem Kreditapparat 12 %
Kreditexpansion aufzwing,t wie das in der letzten Zeit geschehen ust.
Mit anderen Worten, die Theorie wird weiterhin blühen aber uns kaum
in dem Kampf gegen die Inflation wirklich praktische Hilfe leisten
können.

Szuppan vom Wirtschaftsforschungsinstitut war anwesend und Gehart hat
mich ersucht, ich soll mit ihm über seine Arbeit, nämlich eine Preis-
studie, mit entsprechenden konkreten Vorschlägen zu liefern, sprechen.
ICh habe Szuppan auseinandergesetzt, dass es mit wichtig erscheint,
eine Arbeitsgruppe zu finden, wo die Interessensvertretungen und
zwar die Theoretiker und Praktiker von ihnen verankert sind, die
bereit sind, dann äwhrend der Studienreise oder zumindestens an-
schliessend ein Konzept gemeinam zu erarbeiten, welches eine Dis-
kussionsbasis für die ERlassung einer ökonomischen Preispolitik
und Preisregelung und Preisbestimmung sein müsste. Seinerzeit hatten
wir schon die Industriellenvereinigung und die Handelskammer als
Arbeiterkammer im Beirat dafür gewonnen, dass sie mit uns nach
Frankreich gefahren snd, um die Planification zu studieren.DEr Er-
folg dieser Studienreise war, dass selbst LEute wie Klose und
Kottulinsky überrascht waen über die auch noch von Unternehmer akzep-
tierte Beeinflussung der Wirtschaft und damit zumindestens neutrali-
siert wurden, wenn nicht gar sie bereit waren, diese Erfahrungen
auch in Österreich anzuwenden. Eine ähnliche Vorgangsweise hoffe
ich und Koppe sit der Meinung, dies müsste auch gelingen,bei der
Preisstudie zu erreichen. Ich habe deshalb Szuppan und Gehart vor-
geschlagen, sie sollen sich mit Koppe zusammensetzten, um bevor eine
solche Aktion startet, einen ganz festgefügten Plan mit den Inter-
essensvertretungen abzustimmen. Nur unter diesen Umständen ist es
möglich, dass wir zu einer zweckmässigen Lösung kommen.

Mit Zöllner habe ich dann auf der Heimfahrt eine harte aber freund-
schaftliche Auseinandersetzung gehabt. Zöllner steht auf dem STandpunk


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dass das Vidierungsverfahren, welches wir jetzt im Aussenhandel
einführen wollen, um die mit 1.1.1975 durchzuführende Liberali-
sierung nicht unsere gesamte Industrie dem harten Konkurrenzkampf
zur Vernichtung preiszugeben. Zöllner meint, dass die Preissteigerungen
in der letzten Zeit dazu beitragen werden, dass niemand auch nur
einen Finger rühren dürfe, wenn eben die Konkurrenz auf österreichi-
schem Boden sich autobt. Ich habe ihm versucht zu erklären, dass
selbst die EWG-Staaten z.B. auf dem Obst- und Gemüsekonservensektor
sehr wohl Einschränkungen mahcen. ICh habe ihn deshalb auch aufge-
fordert, er soll unbedingt mit ins Burgenland fahren, weil ich dort
die entsprechenden Diskussionen mit der Unternehmerseite habe und
dor die burgenländische Arbeiterkammer wahrscheinlich nicht nur
meine Ideen vertreten wird sondern darüber hinaus auch Schutzbestim-
mungen verlangt. Zöllner meinte, er hätte keine Zeit, er wäre auch
nicht eingeladen worden von der AK könne niemand mitfahren und er
werde sich deshalb, so wie er überhaupt auch beabsichtigt, gegen
das Vidierungsverfahren ganz entschieden aussprechen. Gleichzeitig
hat er allerdings zuzgegeben, dass die Gewerkschaften heute schon
viel mehr Schutzbedürfnisse der einzelnen Unternehmungen akzeptieren
al-s ihm dies persönlich recht ist.

Der Wiener Vertreter vom Werk Plansee Rautschauer und ein Direktor aus
Reutte kamen, um mir mitzuteilne, dass Veselsky ihnen angedeutet hat
und sehr wohlwollend dem gegenübersteht, dass auch Reutte in die
ERP-Aktion für die Tote Grenze, d.h. für die Grenzgebiete einbe-
zogen wird. Dann müssten sie nur 1 % Verzinsung zahlen und hätten
Chancen aus dem 200 Mill. S-Kredit einen Kredit zu bekommen. Letztens
hatte ich Plansee sehr unterstützt, dass sie aus ihrem Allgemeinen
ERP-Verfahren einen Kredit bekommen haben. ICh habe rundwegs er-
klärt, ich kann mir nicht vorstellen, dass man Reutte dem Gmünder
Bezirk z.B. gleichsetzt. Ich habe nur zugesagt, dass ich mit Gehart,
was ich in der Zwischenzeit getan habe, auch die Untersuchungen eun-
leiten were, dass ich aber keine Chance sehe, die Tiroler Grenzgebiete
mit den nö-bgl. Grenzgebieten an der Toten Grenze zu verlgeichen und
gleichzustelllen. Ich verstehe Veselsky wirklich nicht, der hier –
obwohl er weiss,dass die 200 Mill. längst vergeben sind, noch Firmen,
die bei ihm versprechen, Aussicht auf Mittel aus diesem Fonds gibt,
deren Lage und Situation doch ganz anders ist und das in Wirklihkeit
niemand vertreten könnte. Plansee führt aber gleichzeitig auch eine


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grosse Schulungswerkstätte und ich versprach ihnen, mit Sekt.
Chef Lenert vom Sozialministerium zu sprechen, um sie hier
weitestgehend zu unterstützen.

Die Aussprache von Schipper mit Frank als betroffenem Sektionschef
den Abteilungsleitern der E-Sektion gaz besonderns aber dann
Engelmeier und seine Personalvertretung und die rebellierenden
Ministerialräte war für mich sehr itneressant. tatsächlich wollen
die allen Enrste den Status quo wie sie ihn seit Jarhzehnten
im E-Ministerium hatten, aufrechterhalten, und Exner, ihr be-
sonderer Exponent versuchte immer wieder, obwohl ich dezidiert
erklärte, dass dies nicht in Frage kommt, seine jetzigen Umfang
zu behalten. Frank hat mir vorher mit REcht uaseinandergesetzt,
dass jüngere tüchtige Leute nicht bereit sind, dann in die Energie-
sektion zu kommen und ich habe dann schon vorher eingesehen und
akzeptiert, dass Frank die Geschäftsführung wesentlich ändert.
Frank hat allerdings voresrt noch mehr Abteilungen schafffen wollen
und wir haben sie ihm schon auf ein Minimum zusammengestrichen.
Diese bleiben allerdingsjetzt. Engelmeier wird das ganze Problem
noch einmal im Zentralausschuss zur Sprache bringen. VOn dort
wurde uns mitgeteilt, dass sie keinen einheietlichen endgültigen
Beschluss gefasst haben. Bukowski ist besorgt, dass wenn wir
den Zentralausschuss resp. unserer Personalvertretung die Mög-
lichkeit geben, den Geschäftsordnungsentwurf zu beeinspruchen,
mit aufschiebender Wirkung, dass er damit und das mit REcht in Hin-
kunft keinerlei Änderungen durch Schipper mehr durchsetzen
kann, ohne dass die Personalvertretung nicht dagegen STellung neh-
men wird. Ich bin deshalb fest entschloessen, die Geschäftsordnung
unter allen Umständen durchzuziehen und nur formell der Belegschafts-
vertretung ein Mitspracherecht d.h. Anhören zu gestatten. Die
rebellierenden Ministerialräte im E-Ministerium und in der jetzigen
E-Sektion haben wahrscheinlich als Hauptgrund die Überlegung,
Frank hat sie mir ganz richtig auseinandergesetzt, dass wenn er jetz
mit der neuen Geschäftsordnung neue Leute in die Energiesektion
bringt, er dann die Möglicheit hat, auf diese Leute zu greifen,
mit diesen zu kooperieren und gute Arbeit zu leisten und dadurch
ihr Imperium eingeschränkt wird. Er hat den Vergleich gebracht,
das deutsche Reich ist an den Kurfürsten zugrndegegangen und er
erlbst wird daher ein solches Kurfürstentum nicht dulden.



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Ich werde ihn in dieser Frage hundertprozentig unterstützen.

Kommerzialrat Fröhlich hat auf Grund meiner Meitteilung an
seine Frau, dass die Fremdenverkehrswerbung jetzt mit einem
geschäftsführenden Obmann besetzt werden soll, nochmals mit
mir gesprochen. Er teilte mir mit, dass er weiss, dass von SEite
der Bundeskammer Dr. Zedek vorgeschlagen wird und er damit
nicht nur einverstanden ist sondern dies sehr begrüsst. Zedek
ist ein loyaler Mitarbeiter, der eigene Ideen hat und nicht von
der Handelskammer so stark abhängig ist wie manche Direktoren.
Eer selbst käme für diesen Posten nicht mehr in Frage, bewirbt
sich auch keinesfalls darum und schlägt ebenfalls Zedek vor.
Die Bundeshandelskammer und wahrscheinlich auch die Länder-
vertreter werden diesen Vorschlag vermutlich machen.

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Tagesprogramm, 21.3.1974




Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
    GND ID: 119083906


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      Einträge mit Erwähnung:
        GND ID: 119100339


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: HK, Syndikus Bundessektion Fremdenverkehr, ÖFVW


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: SC Sozialministerium


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Leiter Wirtsch.pol. Abt. HK


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: ZS GPA, ab 1980 Sozialminister


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: ÖGB-Vizepräs., FCG


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: AK


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: Chef Energiesektion


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: FCG


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                              Tätigkeit: Dir. Fa. Plansee, Reutte (Tirol); Falschschreibung?


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                                Tätigkeit: Angestelltensekr. Gew. Einheit


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                                  Tätigkeit: WIFO [Preisprognose 1972; Schreibung?; so nicht gefunden]


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                                    Tätigkeit: Ökonom


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                                      Tätigkeit: GF IV
                                      GND ID: 142815691


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                                        Tätigkeit: Ökonom Ford-Institut


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                                          Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


                                          Einträge mit Erwähnung:
                                            Tätigkeit: Personalvertreter HM, Christgewerkschafter, ÖVP-Politiker


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                                              Tätigkeit: Bundeskanzler
                                              GND ID: 118566512


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                                                GND ID: 12254711X


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                                                  Tätigkeit: Straßburg


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