Samstag, der 8. Dezember 1973

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Samstag, 8. Dezember 1973

Kreiyky eröffnet die fast 3 Stunden dauernde Sitzung wieder
mit einer aussenpolitischen Analyse des Nahostkonfliktes.
Er glaubt, dass ein neuer Krieg möglich ist, aber nicht
wahrscheinlich. Die Arbeiterpartei hat sich entschlossen
mit Meyr noch einmal in die Wahlen zu gehen, glaubt aber nach
der Wahl wird Dayan in der Auseinandersetzung Meyr-Dayan
gewinnen, nach Auffassung Kreiskys ist übrigens auch nur ein
General imstande, die Militärs dazu zu bringen, dass die
eroberten Stellungen zu räumen, um einen Friedensvertrag zu
ermöglichen. Um zu den Ölmengen zu kommen, die wir dringend be-
nötigen, wie BAuer dann erörtert, will Kreisky mit den Arabern
jetzt engsten Kontakt aufnehmen. Nach Libyen soll eine
ÖMV-Delegation mit Gatscha unverzüglich reisen und um zu
klären, welche Anlagen Österreich liefern kann und so glaubt
Kreisky wird der grösste Erfolg zu erzielen sein, Berufsschulen
zu errichten. Die ÖIAG soll deshalb nicht mitfahren, weil Gen.
Dir. zu staatsfern ist und dann phantasievoll die Betriebe erklären
dann istmer seine Vorschläge könnten sie nicht akzeptieren
oder durchführen. Die Delegation soll vorher in Malta
Station machen, um mit Donmintoff und insbesondere seinem
Spezialminister für Libyen zu reden. Wenn die Delegation
Erfolg hat und Kreisky zweifelt nicht daran, dann wird er mit
Kadafi mit Tripolis einen Staatsvertrag unterzeichnen. Die
Berufsschulen sollen der grosse Hit sein, da sie den Libyern
die Möglichekit eröffnen. Spezialisten zu bekommen. Die Lehrer
müsste man aus Fachschulen nehmen, die in Österreich gut be-
schickt sind und vor allem ein Reservoir für die Entwicklungs-
hilfe darstellen. Die Entwicklungshilfe wird in einer neuen
Sektion, die mit Gatscha-Sektion zusammengelegt wird, abgewickelt.
Donmintoff hat ihm mitgeteilt, dass die Ölmengen, die er von
Libyen bekommt, auch nur vertraglich gesichert hat, der Preis
wird später bestimmt. Eine ähnliche Regelung schwebt übrigens
der ÖMV vor, weil sie weiss, dass sie heute nicht fix abschlies-
sen kann. Kreisky möchte, dass eine Ex-Importgesellschaft gegrün-
det wird, welche die Kompensationen zwischen ÖMV-Öllieferung
und verstaatliche Exportlieferung in sich ausgleicht. WEnn das
Öl so teuer wird, dann müssen ja auch unsere Waren drothin


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teurer verkauft werden können. Bauer weist darauf hin, dass
die ÖMV das erste Land ist, welche mit Libyen einen Vertrag
abgeschlossen hat und deshalb in Libyen gut angeschrieben
ist. Montassa, der Staatssekretär, mit dem ich gesprochen
habe, setzt sich angeblich sehr für Österreich ein. Auch der
libysche Botschafter in Österreich Kadamsi, der aus einer Öl-
arbeitergewerkschaft hervorging und seit dem ersten Tag ein
Vertrauter Kadafis ist, setzt sich angeblich sehr ein.
Kreisky schlägt deshalb vor, er soll mit der Delegation ÖMV-
und Gatscha nach Libyen zurückkehren und dort die Verhandlungen
positiv beeinflussen. Kreutler verweist als nächstes zu dem
saudi-arabischen Problem. Saudi-Arabien soll bis zu einer Million
liefern, die ÖMV erwartet eine Einladung und ersucht Kreisky
er möge Saudi-arabischen Botschafter ersuchen , dass die ÖMV bald
eingeladen wird. Heuer hat die ÖMV 200.000 t aus Saudi-Arabien
bezogen, allerdings über die Texago , da FEisal scheinbar die
Amerikaner keinesfalls ausschalten will. Der Erdölmini-
ster Yamani hätte auch irgendwo Bauer dezdiert erklärt, dass
auf die Internationalen nicht verzichtet wird. Zum Unterschied
von Irak und Libyen wird es daher sehr fraglich sein, ob
die ÖMV als Saudi-Arabien wirklich direkt diese Million Tonnen
beziehen kann. In Irak ist ein Vertrag bereits abgeschlossen,
fraglich ich auch nur der Preis, der sicherlich erst nach dem
22. Dezember, wo sich die OPEC-Staaten über die Preissituation
unerhalten werden, abgeschlossen werden kann. Die Iraker
wünschen, da ihre Ölwirtschaft bestens ausgerüstet und sie kaum
eine Unterstützung brauchen, Investitionen auf dme Sektor der
Leichtindustrie. Kreisky wirft auch hier ein, dass die Berufs-
schulen besonders gefördert werden sollen.

ANMERKUNG FÜR WANKE UND BUKOWSKI: Schauen wir, dass wir so
schnell wie möglich diese uns unterstehende Berufs-
schule los werden und wunschgemäss dem Unterrichtsmini-
sterium übermittelt wird. Es genügt vollkommen, wenn
dann das Unterrichtsministerium mit dem Bundeskanzler-
amt über die Entwicklungshilfe wird einigen resp.
zusammenstreiten müssen, wie und in welchem Umfang die
neue Konzeption durchgeführt wird.

Kreisky kommt dann auf die allgemeine Energiesituation zu spre-
chen und meint, dass der Verfall des Dollars und insbesondere
das Gerede über das Energiedefizit in Amerika die Situation nur


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verschlechtert. Die OECD hätte 1960 eine Prognose mit einem
Energieüberschuss verlautbart, womit für ihn bewiesen ist, dass
sich die Ansichten und die Situationen ständig ändern.

ANMERKUNG FÜR GEHART: Bitt nachforschen und mir vorlegen, was
die OECD wirklich über Energieüberschuss
in den Sechziger-Jahren gesagt hat.

Kreisky hätte auch von Ministerpräsident Osswald erfahren, dass
die Polen eine Million Tonnen libysches Öl an Westen weiterliefe
Feichtinger meitn, dass richtig ist, dass die SU 20 Mill. t für
den Westexport zur Verfügung stellen will, wobei sie allerdings
Irak-Lieferungen von 13 Mill. t eingesetzt hat. Diese 13 Mill. t
werden nun maximal mit 6 Mill. t erfüllt werden. Irak liefert
also an die SU weniger, wonach auch die Gefahr besteht, dass
die österr. Bezugsmöglichkeit insbesondere von Heizöl schwer
aus den Oststaaten reduziert wird.

Eine heftige und teilweise sogar unerfreuliche Diskussion ergibt
sich nun über die Massnahmen, die zu treffen sind. Kreisky will
sich nichts erklären lassen, meinte, ich müsste mit den Internatio-
nalen Gesellschaften reden, als cih ihm sage, dass ich das dauernd
tue, das genügt eben nicht, die Internationalen müssten eben jetzt
erklären, was sie liefern können. ANdrosch hat einen Vortrag
irgednwo gehalten und Mieling von der Shell hätte ihm dort erklärt
wenn die Österreicher nicht direkt kaufen und mit ihren Kaufver-
handlungen die Internationalen stören, dann könnte das Öl wesent-
lich billiger kommen, was sofort den Widerspruch von Bauer ausgelö
hat, führt dazu, dass jetzt langfristig scheinbar von Androsch
natürlich abr von der ÖMV überlegt wird, wie man die Internatio-
nalen überhaupt ausschalten könnte und sollte. Hier geht aber nich
einmal Kreisky mit, der meint, in einer Krisensituation muss man
jeden Liter Öl, den man bekommt, nehmen. Eine Politik, die ich
seit eh und je verfolgte und an der ich auch festhalten werde.
Kreutler möchteim Winter jetzt, so wie dies auch in normalen Jahre
der Fal war, Benzin für die Sommerzeit aufsparen und plädiert
immer stärker für entsprechende weitere Sparmassnahmen, die bis
zur Rationierung gehen sollen. Kreisky, der bis jetzt die Ratio-
nierung abgelehnt hat, meint, manmüss eben der Bevölkerung jetzt
alles auf einmal sagen, alles zumuten, das erwartet sie und
unangenehme Sachen müssten eben getan werden. Kreutler rechnet aus


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dass 120 Liter pro Wagen im Monat zur Verfügung stehen und ich
verlange, dass die ÖMV dies dann auch garantieren müsste. Was
sie natürlich nicht kann, weil ein Teil davon von den Internatio-
nalen kommt. Die elektrischen Sparmassnahmen, die Feichtinger
verliest, er hat mit seiner Tochter in Triest gesprochen, beeindru
ken Kreisky sehr und er meint, auch wir sollten das Fernsehen um
22.30 Uhr abwschalten und die Reklame auch um 22 Uhr, die Strassen-
beleuchtung dagegen müsste brennen, damit die Sicherheit gewähr-
leistet ist und die Bevölkerung nicht beunruhigt wird. Er will
nicht zur Kenntnis nehmen, dass selbst wenn bei uns jetzt um 1/2 12
Uhr jede zweite Lampe erlischt und man dies bis 1/2 11 Uhr ruhig
vorverlegen könnte. Insbesondere hofft er aber durch einen Appell
an die Bevölkerung die Heizung um 2 Grad zu reduzieren, weil Feich-
tinger
behauptet, dies brächte eine 15 %-ige Stromersparnis

ANMERKUNG FÜR GEHART: Bitte lass diese Behauptung sofort prüfen.

Kreisky meint, amn müsste auch an die Betriebe appellieren und
dort werden die Betriebsräte dann für die Kontrolle schon sorgen.
ICh fürchte, dass Kreisky nicht allzu lange mehr gegen eine
Rationierung sein wird, er hat sich auch mit GRatz
ganz entschieden gegen den Energienotstand – Ausrufung ausge-
sprochen, ejtzt sieht er allerdings ein, dass wir das schon
längst hätten machen müssen, um eben Massnahmen setzen zu können
so erkläre ich beim Weggehen der ÖMV, sie möge mir ein Konzept,
über die Rationierung schriftlich vorlegen. Ich habe noch immer einen
furchtbaren Horror gegen die Rationierung und werde mich bis zuletzt
dagegen wehren. Zum Glück habe ich bereit sden Auftrag gegeben,
dass die Marken gedruckt werden sollen, wir werden ja eleben, wie
lange das dauert und ob wir vom Finanzministerium dann die notwendigen
Mittel bekommen werden.

ANMERKUNG FÜR BUKOWSKI UND GEHART: Bitte Budgetmittel und sonstigen
technischen Ablauf genau fixieren.

Römer hat nun mit Schipper in Anwesenheit von Bukowski sich wegen
der Personalvorsorge geeinigt. Ich fürchte, dass es aber da
immer noch darum geht, den einen oder anderen Mann loszueisen und
Schleifer oder sonst jemanden zuzuteilen. Dies ist aber nicht
die Lösung. Wir bruachen einen starken durchschlagskräften
der imstande ist, die ganze Bewirtschaftung etnsprechend aufzubau
en.



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Die beste Lösung wäre nach wie vor, wenn es gelänge als
Sonderauftrag Römer davon zu überzeugen, dass er Hauffe
dafür gewinnen müsste. Hauffe wäre zweifelsohne, wenn er
akzeptiert, der imstande wäre, die notwendigen Schritte zu
veranlassen, abzustimmen und letzten Endes auch durchzuführen.
Vielleicht könnte dies für ihn interessant sein, weil er dann
über eine grosse ANzahl von Beamten disponieren könnte. Sekt.
Leiter MEisl hat ihn wirklich in aufopfernder Weise mir gegen-
über erklärt, er würde zustimmen, dass die ganze ZAE, das sind
über 70 Mann, weitestgehend für diese Bewirtschaftung ehrange-
zogen werden kann. Wir müssen nämlich unbedingt die Vorberei-
tung treffen. Wenn nämlich die Regierung letzten Endes entschei-
det, dass eine Bewirtschaftung kommen muss, kann ich mich dann
selbst dann, wenn ich es für falsch empfinde, nicht wehren,
weil ich ansonsten die ganze Verantwortung allein tragen
müsste, wenn die Ziffern der ÖMV nicht stimmen. Und schön
langsam beginne ich daran zu zweifeln.



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    Tätigkeit: SChef HM
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      Tätigkeit: ÖMV
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          Tätigkeit: GD ÖMV


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                Tätigkeit: GD Shell


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                        Tätigkeit: isr. MP bis 1974


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                            Tätigkeit: ÖMV, Dir. Fa. Semperit


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                                Tätigkeit: Ministerialrat, Leiter Grundsatzabteilung


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                                  Tätigkeit: saudi-arab. Ölminister


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                                    Tätigkeit: Unterrichtsminister, Bgm. Wien


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                                        Tätigkeit: Personalvertreter HM


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