Mittwoch, 20. Juni 1973
Müller-Hartburg, der Präsident der Ingenieure, kam ungeheuer aufge-
laden , da er sich erhofft hat, dass in der Gewerbeordnung die Rechte
der Baumeister auf Planung eingeschräkt werden. Statt dessen möchte
die Handelskammer den Technischen Büros Planungsrechte geben. 1967
wurden – wie Müller-Hartburg sich ausdrückte – die Technischen Büros
abgeschafft und jetzt sollen sie neu entstehen. Jagoda het die Ver-
handlungen so geschickt geführt, dass Müller-Hartburg meinen Vorschlag
akzeptierte und ihn als eine gute Lösung empfand, eine Arbeitsgruppe
Jagoda, Min.Rat Jaschek vom Bautenministerium, der sachlich dafür
zuständig ist einzusetzen, um das Ziviltechnikergesetz zu novellieren.
Moser hat dies den Ziviltechnikern schon lange versprochen, doch
Min.Rat Jaschek soll ungeheuer unbeweglich sein. Ich habe Moser
von dieser Arbeitsgruppe informiert und er war mit der Vorgangsweise
eivnerstanden.
Durch ZUfall habe ich auf der Strasse Dr. Christian von der Handels-
kammer getroffen und ihn im Auto mitgenommen und bei dieser Gelegen-
heit über die Vorsprache Müller-Hartburgs folgenden Vorschlag unter-
breitet: Ich möchte dn jetzigen Status quo aufrechterhalten, dies
erscheint Jagoda auch als die beste Lösung. Chistian hat mir gestanden,
dass sie den Technischen Büros schon Zusagen gemacht habn. Er wird
dieses Problem mit Mussil besprechen. Mühlbacher, bei dem Müller-Hart-
burg auch vorgesprochen hat, ist der Meinung Jagodas. Die SPÖ wird also
auf dem jetzigen Status quo beharren.
Prok. Marek von der ELIN, wie er selbst sagte, leider in Anwesenheit
von Min.Rat Thun, ein langjähriger Gewerkschafter und Genosse, wollte
für das Institut für Schweisstechnik eine Subvention. Er meinte, die
schwarze Organisation Hofrat Geiger, schweisstechnische Zentralanstalt
bekommt überall Geld und er keines. Ich erklärte rundweg, dass die
politische BEnachteilung insofern ein Ende haben iwrd, als wirt
auch für die schweisstechnische Zentralanstalt keinerlie Subvention
mehr geben können.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Wir müssten feststellen, wo aus parteipolitischen
Gründen eine parteipolitische Organisation etwas
bekommt und die andere nicht und dann zumindestens
der schwarzen Organisation auch nichts geben.
Die Delegation von NÖ über die Benachteiligung der Gewerbebetriebe
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bei der Maul- und Klauenseuche war um 3 Uhr nicht erschienen, um
1/2 4 Uhr habe ich dann die Delegation durch einen reinen Zufall
beim Ausgang des Parlaments getroffen, wo man mir erklärt, man
bedauert zutiefst, dass ich bei der Vorsprache der Delegation beim
Finanzminister und Gesundheitsminister nicht anwesend war. Ich er-
rkärte, dass ich im Saal gesessen bin und man mich nicht geholt hat.
Aus meinem Terminzettel ging nicht hervor, dass dies eine gemeinsame
Sitzung mit Finanzminister und Gesundheitsminister ist. Es wurde dort
besproche, Vizepräsident vom Freien Wirtschaftsverband, dürfte der
Wortführer gewesen sein, Erhebungen anzustellen und der Finanzminister
sei bereit, für 20 – 30 Mill. S ähnlich für die Bauern auch für die Ge-
werbetreibenden Subvention zur VErfügung zu stellen.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: In HInkunft muss klargestellt werden, wer die
Sitzungen einberuft und wieviel Minister daran
teilnehmen und wo die Sitzungen sind, damit nicht
aus technischem VErsehen ein solches Ausschalten
Platz greift.
Eine Parteibesprechung, an der Rösch teilgenommen hat, hat beschlossen,
einen Unterausschuss über die Fassung des Preisbestimmungsgesetzes ein-
zusetzen. Androsch hat mir mitgeteilt, dass nächsten Donnerstag eine
solche Aussprache in seinem Ministerium stattfinden wird. Da soviel ich
mich erinnern kann dieser Zeitpunkt aber mit einer Aussprache der bulg.
Minister blockiert ist, werde ich Dkfm. Marsch schicken. Rösch hat unter
vier Augen mir gesagt, ich sollte nicht so angerührt sein, ich bestritt di
dies, ohne ihm im konkreten auseinanderzusetzen, dass ich daüfrt allen
GRund hätte, Richtig ist, dsss die Preisregelung noch immer bie Rösch
ressortiert, dass aber fürs Preisbestimmungsgesetz eigentlich das
Handelsministerium zuständig ist. WEnn ich jetzt akzeptiere, dass über
dieses Gesetz in Gremien gesprochen wird, ohne dass ich anwesend bin,
so ausschliesslich um des lieben Friednes willen, auf lange Sicht
gesehen, insbesondere nach Inkrafttreten des neuen Kompetenzgesetzes
werde ich mir genau überlegen müssen, wie wir in dieser Frage weiterhin
vorgehen. Da ich nicht die Absicht habe und es auch gar nicht könnte,
ohne wahrscheinlich einen grösseren Krach heraufzubeschwören, mich von
den Ergebnissen, wie Kreisky sich ausdrücjte, des "Kuhhandels" mich zu
distanzieren, so bleibt mir derzeit nichts andees übrig als abzuwarten,
was aus den Besprechungen herauskommt und auf längere Sicht daraus Konsequen
zu ziehen.
Mussil wollte unedingt mit mir unter vier Augen sprechen und hatte
einen einzigen PUnkt: die Zollermässigung für Kooperationslieferungen
wird von der Handelskammer auf das entschiedenste abgelehtn. Er hatte
einen diesbezüglichen Aktenvermerk von Gleissner und meinte, wir müsste
nach seiner Rückkehr aus Polen über dieses Problem eingehenddisku-
tieren. Ich habe mich dazu insoferne geäussert, als ich erklärte,
dass ein Teil der Firmen, die von der Kooperation betroffen sind, sehr
wohl für eine Zollermässigung eintreten. Dass aber natürlich der
überwiegende Teil, der eben mit den Oststaaten keinerlei Kontakte
und Lieferungen hat, sehr wohl den jetzigen Status aufrechterhalten
will. Hier kann ich entnehmen, wie nachteilig sich jetzt die Inakti-
vität unserer Grundsatzgruppe auswirkt. Durch die Umstellung von
Ministerien, die Berufung von Min.Rat Meisl zum Sektionsleiter, die
beabsichtigte Bestellung von Wanke zum Grundsatzgruppenleiter hat
eine gewisse INaktivität ausgelöst. Solange Wanke nicht endgültig für
die Grundsatzgruppe zuständig ist und womöglich ein Dekret in der
Hand hat, wird die derzeit labile Situation uns in vielen Fragen
Schwierigkeiten bringen. Das Zollermässigungsproblem gehört nämlich
längst mit den Interessensvertretungen durchdiskutiert. Wenn nämlich
ein Problem auftaucht, so ist es gar keine Frage, dass die Handels-
kammer innerhalb ihrer Organisation sehr wohl eine disbezügliche
Lösung versucht, meistens ist sie negativ, da ja die ERhaltung des
Status quo immer das leichteteste ist und wir haben eigentlich keine
diesbezüglichen Gegenvorschläge, die auf breiterer Basis eben in der
Grundsatzabteilung erstellt worden wäre. Dieser Zustand muss so
schenll wie möglich abgeändert werden.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte alles daransetzen,um die Grundsatzgruppe
so schnell wie möglich dekretmässig Wanke zu
übetragen.
Im Parlament wurde nach einer umfangreichen Diskussion über die
Erklärung Androsch zur Stabilität eine ungeheure Verzögerung des
Tagesablaufes erreicht. Die Gesetze über die Integration insbesondere
das EGKS-Gesetz ging dann verhältnismässig schnell über die Bühne
nur Bauernbunddirektor Lanner hat wieder die schwache Seite unserer
agrarpolitschen Zusagen attackiert. Beim Vollmilchpulver-Export nach
England konnte ich ihn insoferne beruhigen als ich ihm erklärt,
dass die Engländer hie diesem Export und beim Papierexport uns nicht
entgegenkommen, wir als zweiten Schirtt dann die Erhlhugn der Whisky-
Zölle ins Auge fassen würden. Dies wird zwar auch nicht den Export
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von Vollmilchpulver in Grossbritannien erleichtern, wohl aber
gibt sie vielleicht der Landwirtschaft die BEfriedigung, dass mit allen
MItteln versucht wurde, sie zu unterstützen. Die härteste Attacke
ritt Lanner, indem er erklärte, es sei die Qualitätsklassenverordnung
für Trauben und Zitrusfrüchte sowie für Paradeiser, Salat und Gurken
für das Jahr 1972 von Weihs bereits zugesagt worden. Bis jetzt sei
keine einzige erlassen. Hier hat sich die Anwesenheit von Min.Beamten
gut ausgewirkt, denn sie konnten zwischenzeitig das Landwirtschafts-
ministerium fragen, was wirklich geschehen ist. Tatsächlich ist fast
nichts geschehen, denn bis jetzt wurde nur Weintrauben und Zitrus-
früchte in die Begutachtung geschickt. Zum Glück hat der Verfassungs-
dienst aus mir unerklärlichen Gründne verlangt, dass Weintrauben und
Zitrusfrüchte in keine Verordnung kommen und ich konnte auf Grund
dieses BEispiels die Schwierigkeiten bei der Erlassung dieser Verordnung
vorspiegeln. Ausserdem wies ich darauf hin, dass mit den Qualitätsklassen-
verordnungen die die Landwirtschaft so heftig jetzt velrangt, nicht auch
der GEdanke mitspielen darf, damit eine nichtzolltarifarische Hemmung
einzubauen. Der neue Klubobmann Robert Weisz hat mich ersucht, bei
der Antwort sehr kurz und konziliant zu sein, damit die Diskussion nicht
übergebührlich lange firtgesetzt wird. Ich habe mich selbstverständlich
an diesen Vorschlag, der aucvh meiner Auffassung einer Ministertätigkeit
im Plenum entspricht, gehalten. Da aber die Frau Wissenschaftsminister
bei ihren Tagesordnungspunkten sehr lange replizierte und vor allem
einmal wie Weisz und andere sich asudrückten, agressiv war, hat sich
die Diskussion über ihre PUnkte wesentlich länger erstreckt, als vorge-
sehen war. Da aber heute noch unbedingt die Sozialpolitischen Gesetze
beschlossen werden mussten, sie müssen mit 1.7. in Kraft treten, ergab
sich die kuriose Situation, dass für diese Gesetze dann viele Redner
gestrichen wurden und die das Wort nahmen sich äusserst kurz und knapp
ausdrückten. Dadurch war es möglich, vor Ende des 17-Uhr-Schluss auch
noch den sozialpolitischen Block zu beschliessen. Die anderen umfang-
reichen Tagesordnungspunkte kommen bei der nächsten Sitzung im Juli zur
Verhandlung. Verständlich betrachtet jeder Minister seine Materie
als wichtig. Einzelne Minister aber sich der Meinung, die müssen unbe-
dingt durch entsrechend langwierige Erklärungen und Repliken ihren
STandpunkt dem Hohen Hause auseaindersetzen. Die Opposition interesiert
das normelerweise gar nicht, das Fernsehen weiss ich nicht, wie weit die
eine solche Polemik überhaupt bringt, die eigenen Genossen aber haben
dafür überhaupt kein Verständnis. Ich bezweifel aber sehr, ob sich die
Selbstdisziplin hier bezahlt macht. Ich glaube, dass hier der Gurnd-
satz gilt, der überhaupt in der Politik Geltung hat, nämlich: Wer
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brutal genug ist, seine unmittelbaren Interessen entsprechend durch-
zusetzen, d.h. überhaupt die Spitze seiner Aktivitäten zu stellen und
auf die anderen womöglich keine Rücksichti nimmt, hat zumindetens in
der Öffentlichkeit denVorteil für sich, in ERscheinung zutreten.
Loyales Verhalten gegneüber anderen kann und wir von der Öffentlichkeit
wenn überhaupt bemerkt, als Schwäche aufgefasst. Meistens aber geht es
unter, was in diesem Fall sogar noch als günstig zu bezeichnen ist.
Kommt es aber andereseits zur Konfrontation wird sofort vom Gegner
abr wahrscheinlich auch von den Massenmedien festgestellt, dass es hier
grosse Gegensätze gibt. Ein Zustand, der politisch noch schlechter ist
als wenn gewisse differente Auffassungen verschweigt und sich durch
geschicktes taktisches VErhalten darüber hinwegschwindelt.
Solange mich niemand vom Gegenteil überzeugt, werde ich auf alle Fälle
diese Linie weiter einschlagen.
Beim Abendessen im Sacher hat mich Kreisky um 1 2 Uhr ersucht, ob
ich nicht nächsten Tag bereit sei, den Senegalesischen Präsidenten
aufmdas Flugfeld zu begleiten. Ich habe dies natürlich zugesagt,
denn 7 Uhr Abfahrt ist für mich kein Problem. Spöttisch meinte ich, ich
würde hatl das schwarze Gewand, das ich Montag früh angezogen habe und
bis Mittwoch nachts trug, noch am mnächsten Morgen ebemfalls anziehen.
Sehr erstaunt war ich aber, als am nächsten Morgen beim Abholen
des Präsidenten Kreisky gar nicht erschien, sondern Vizekanzler Häuser ge-
schickt hat. Häuser erklärt, er sei der Frühaufsteher vom Dienst. Kirch-
schläger war auch erschienen, nur hat er sich entschuldigt, dass er
nicth aufs Flugfeld fahren kann, weil er zur Fronleichnamsprozession
gehen muss. Er meinte, er könne unmöglich nur zur Prozession erscheinen
sondern für ihnsei es selbstverständlich, dass er am vorhergehenden Hoch-
amt daran teilnimmt. Der senegal. Präsident wäre auch sehr gerne noch nach
Moskau gefahren, doch hat er keine Einladung erhalten. Kirchschläger führt
darauf zurück, dass er in seinen Tischreden dann immer wieder heraus-
gestrichen hat, der Sozialismus von rechten aber auch linken, Marx und
Lenin bis zum Chinesen Mao reicht. Diese chinesische Linie, di er
besonder herausstrich, dürfte mit einer der GRümde sein, warum die
Russen abereine Einladung nicht ausgesprochen haben. Natürlich wird bei
solchen Staatsempfängen auch Politik gemacht, d.h. dass klar und deutlich
zum Ausdruck kommt. in welche GRuppierung der betreffende Staat sich be-
findet, resp. in welche GRuppierung er hineinwill oder aus welcher
GRuppierung er herauswill, doch trifft dies sicherlich nicht für
einen neutralen Kleinstaat wie Österreich zu. Hier bringt ein solcher
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Staatsbesuch eigentlich nichts als Kosten, die in keinem VErhältnis
zum Erfolg resp. überhaupt zum Ergebnis stehen. Da es sich um den
ersten Staatsbesuch aus einem afrikanischen Land gehandelt hat, wurde er
mit allem Pomp, der auch anderen europäischen Staatsoberhäuptern zustehen
würde, abgewickelt. Selbst die Kanonenschüsse fehlten nicht. Ich fürchte, dass
aber die geringe Anwesenheit von Ministern und des Bundeskanzlers vor allem
aber auch durch Krankheit bedingt des Bundespräsidenten wahrscheinlich
Präs. Senghor nicht sehr befriedigt hat. Ich habe aber keinerlei konktrete
Mitteilungen. Mir erscheint es viel wichtiger, sich um die Gäste persönlich
mehr zu kümmern.
Um den jug. Unterstaatssekretär neuerdings mein besondes Intessse zu bekunden,
habe ich auch an den spät abends stattfindenden Schlussbesprechungen der
Gemischten Kommission teilgenommen. Ich war nicht sehr überrascht, dass von
österr. SEite nur mehr die Beamten des Ministeriums und der Handelskammer
anwesend waren. Die Delegation war also sehr zusammengeschrumpft. Der jug.
Vorsitzende verisherte mir, dass er mit der Besprechung und dem Ergebnis
sehr zufrieden sei. Die Unterschrift des Protokolls kann erst am Freitag
erfolgen, weil die endgültige Formuleriugn und Übersetzung und REinschrift
dlänger dauert als vorgesehen. Der Vorsitzende war sehr einverstanden, dass
als Gegenzeichnet der Sekt.Leiter Meisl fungieren wird. Ich überlege, und
wenn meine Zeit es erlaubt, bin ich bereit, selbst bei dieser Unterzeich-
nung anwesend zu sein, um den Schniter, den Botschafter Otto eingeleitet hat,
wieder auszugleichen. Ich habe übrigend im Imperial Kirchschläger von dieser
peinlich Situation Mitteilung gemacht.
Tagesprogramm, 20.6.1973