Freitag, 22. und Samstag, 23. Juni 1973
Kienzl hat Benya und mir erklärt, dass die Nationalbank die Kredit-
restriktionen bis November aufrechterhalten will. Spätestens zu diesem
Zeitpunkt aber muss eine gewisse Lockerung eintreten, niht zuletzt
auch weil die Lohnbewegungen der Arbeiter gewisse Entlastung der
Betriebe notwendig machen. Kienzl rechnet, dass im zwieten Halbjahr
die Lebenshaltungskosten um ca. 7 % steigen werden, sodass wir im
Jahresschnitt dich die 7,5 % erreichen könnten. Ich habe Benya mitgeteilt,
dass auf dem Preissektor derziet Verhandlungen im der Preisbestimmungs-
gesetz stattfinden, an denen ich nicht teilnehme. Androsch hat zwar
für das Unterkomitee jetzt mich eingeladen, doch gerade zu diesem
Zeitpunkt kommen die bulgarischen Minister und ich werde deshalb
Oberrat Mrsch, den Abteilungsleiter, zu diesem Unterausschuss schicken.
Benya vertritt auch die Meinung, dass das Preisbestimmungsgesetz keine
wirksame Waffe gegen Preiserhöhungen wäre. Er würde dafür kein wie
immer geartete Zugeständnis machen. Er glaubt auch, dass eine Regelung
auf dem ganzen Preissektor, wennes im Einvernehmen mit der Handelskammer
erfolgt, äusserst langwieriger Verhandlungen bedarf. Die § 3-Regelung
z.B. wonach der Innenminister, wenn die Handelskammer zustimmt, ent-
sprechende Preise fixieren kann, kann nach Meinung Benyas niemals
wirksam werden. Die Handelskammer als Interessensvertretung muss auch
den undiszipliniertesten Unternehmer schützen. Ich erinnerte Benya, dass
ich bei unserer seinerzeitigen Zusammenkunft – Mussil, Sallinger, Benya u
ich – eine entsprechende Konzeption über eine Preispolitik vorgeschla-
gen habe. Damals hat Mussil und Sallinger auf meinen Aktenvermerk "kommt
nicht in Frage !" draufgeschrieben. Heute ich Mussil aber so weit, dass
er einsieht, es müsste eine grundlegende neue Konzeption für die Preis-
bestimmung gefunden werden. Ich werde, bevor noch das grosse Kompetenz-
gesetz mir die Preisregelung überträgt, versuchen, mit den Interessens-
vertretungen zu einem Akkord zu kommen. Benya ist mit dieser Vorgangs-
weise einverstanden, gibt sich aber keiner Illussion hin.-
Der südafrikanische Botschafter FRANK hat zu meiner grössten VErwun-
derung verlangt, dass Meisl und Feith bei einer Aussprache nict anwesend
sein sollen. Er wollte mich unter vier Augen sprechen. Frank hat
mich dann nur zu einem Privatbesuch, d.h. zu einem Urlaub nach Süd-
afrika eingeladen. Er meinte, es würden jetzt viele ÖVP-Politiker, u.a.
auch Koren fahren und ich sollte deshalb ruhig eine solche Einladung
annehmen. Das Ziel dieser Einladung sei damit ich die südafrikanischen
Verhältnisse selbst studieren könne und mir ein Urteil darüber mache.
Es ist nicht beabsichticgt, weder in der Österr. Presse noch durch
Interviews, Fernsehsendungen, Radio oder Zeitungsinformationen in Süd-
afrika meine Anwesenheit dort zu publizieren. ICh erklärte dem Botschaf-
ter, dass ich prinzipiell keine Einladungen privat annehme. Ich würde,
wenn überhaupt, dann ganz offiziell nach Südafrika fahren. Derziet sehe
ich dazu nur keine Möglichkeit. Frank bezog dies ausschliesslich auf den
Termin und meinte, ich könnte auch im nächsten Jahr eine offizielle
Reise antreten, was ihm noch viel lieber wäre als ein privater Besuch.
Ein Handelsminister hätte weniger politische Komplikationen zu beahcnten
als irgend ein anderer, Handel besteht ja zwischen den beiden Staaten.
Ich setzte Frank auseinander, dass wir mit den Südafrikanischen Proble-
men jetzt bereits in UNO konfrontiert sind, ein Besuch, auch dann
wenn es sich scheinbar nur um einen Handelsminister handelt, kommt des-
halb nicht in Frage. Daß ich mich für die südafrikanische Probleme sehr
interessiere, habe ich ihm durch die Kenntnis der südafrikanischen Pro-
pagandazeitschrift Panorama, die mir zugeschickt wird und die ich wegen
der Drucktechnik immer mir sehr genau anschaue, bewiesen. Wir verblieben
letztenEndes so, dass ich mich beim Botschafter, wenn ein offizieller
Besuch nach Südafrika in Frage kommt, melden werde. Ich habe von der
Vorsprache sofort Meisl informiert, damit er nicht den Eindruck hat,
dass irgendetwas besonderes besprochen wurde.
Die Fa. Lobmeyr hat durchgesetzt, dass im Museum für angewandte Kunst
150 Jahr Lobmeyr eine Ausstellung stattfindet. Die Museen machen norma-
lerweise Firmenausstellungen nicht. Lobmeyr hat sicher eine grosse
Tradition und handwerkliches Können, sodass viele seiner Gläser und
Vasen im Museum aufbewahrt werden. Die Ausstellung war ganz nett,
ich habe sie aber hauptsächlich deshalb besucht, weil die Firma mich
in einem libenswürdigen Schreiben dazu aufgefoedert hat. Wenn jemand zu
mir zuvorkommend und höflich ist, sehe ich fast keine Möglichkeit, mich
gegen Einladungen zu wehren, soweit es sich natürlich nicht um persönliche
handelt.
Der Irakische Botschafter Azzawi, zuerst nur seinen Routinebesuch machen
wollen, Meisl und ich habe ihn aber dannsofort die irakisch-österr.
Probleme auseinandergesetzt. Azzawi meinte, wir sollten Gemischte
Kommissionen bilden, um die offenen Probleme von Experten besprechen
zu lassen. Dagegen habe ich mich ganz entschieden ausgesprochen. weil
ich auf dem Standpunkt stehe, dass konkrete Firmenvertreter mit österr.
Firmen Verhandlungen aufnehmen sollen. Auf dem Sektor des Öls, d.h.
der Ölimporte und eventueller Unterstützung österreichischer Firmen bei
Errichtung von Anlagen im Irak hat die ÖMV diesen WEg beschritten. Ich empfah
dem Botschafter, der sollt Erkundigungen einzeihen, ob andere Firmen
nach Österreich zur Information kommen wollen und wir würden dann über die
Handelskammer den Kontakt mit den österr. Firmen herstellen. Der Amtsvorgän-
ger vin Azzawi, mit den ich einige Besprechungen gehabt habe, hat auch aus-
schliesslich dann diese Vorgangsweise akzeptiert und gut gefunden. Ich habe
immernur konkrete Gespräche mit ihm führen wollen und geführt. Ich glaube
nämlich, dass wenn der irakisch-österr. Handel verstärkt werden soll, auf
konkreten Firmengeschäften womöglich sogar auf Firmenbasis die notwendigen
Schritte einzuleiten sind. Von Gemischten Kommission von Beamten halte
ich gar nichts. Azzawi wies dann darauf hin, dass es noch andere Produkte al
Öl im Irak zu kaufen gibt. Es handelt sich aber dabei um Datteln und even-
tuell Fleisch. Für Datteln erklärte ich, besteh bei uns vollkommene Einfuhr-
freiheit und Zollfreiheit und es liegt nur mehr an der harten Konkurrenz
mit anderen afrikanischen und asiatischen Staaten wie Israel, Tunis, Marokko
Libyen usw., um Datteln in grösserer Menge in Österreich absetzen zu können.
Was die Fleischlieferung betrifft, so müssten vorerst die Veterinärbestim-
mungen und Zustimmungen erlangt werden. Ich verwies ihn diesbezüglich auf
das Gesundheitsministerium un-d das Landwirtschaftsministerium. Österreich
wird durch die Öllieferungen abe passiv und Irak hat damit unbegrenzte
Möglichkeiten Anlagen und Maschinen und war sonst die Iraker bruachen,
von Österreich zu kaufen.
Botschafter Maschke vom Aussenamt,VP Leberl vom Patentamt, Gehart und Wanke
diskutierten unser Verhalten für die Sitzung des Europa-Patentes in
München. Maschke hat mehrere Punkte, die bis dahin geklärt werden müsste.
Als wichtigestes erschien ihm die Zusammenarbeit zwischen INPADOC und PA.
Er fürchtet, dass wenn hier keine Besserung eintritt, der Vertreter der
WIPO in München erklären wird, dass er keine GEwähr dafür besteht, dass
Österreich wirklich international im Patentwesen stärker herangezogen werden
kann. Österreich hat in eine Aide memoire anderen europäischen Staaten ver-
sucht zu beeinflussen, damit sie zustimmen, damit das Österr. Patentamt
als Research-Büro im Europa-Patent eingeschaltet wird. Die jetzige Konzep-
tion sieht vor, dass das IIP in Den Haag als Generaldirektion Research des
Europ. Patentamtes fungiert. Wenn es daher den Kommissionsmitgliedern aber
vor allem unserem Österr. Patentamt nicht gelingt, das IIP auf unsere SEite,
d.h. für Ideen, die Österreich gerne hätte, zu ziehen, dann sehe ich keine
Möglichkeit, dass die anderen europäischen Staaten ein gegen das IIP
gerichteten Lösung zustimmne wird. Derziet ist das ÖPA zwar als fachlich
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einwandfrei und traditionsreiches mit ungeheurem Dokumentenmaterial ver-
sehenes Amt bekannt, doch wird uns dies nichts nützen, wenn die europäischen
Staaten entschieden hat, das Europa-Patent nach München zu legen und gleich-
zeitig auch die europ. Staaten übereinkommen, dass dieses europ. Patent
in Hinkunft für sie weitestgehend bindend sein wird. Wenn es – und das habe
ich Maschke genau gesagt – nicht gelingt, hier eine Lösung zu finden, wo
das ÖPA in irgendeiner Weise eingeschaltet ist, dann sehe ich auf lange
Sicht gesehen keine Möglichkeit, das umfangreiche österr. Patentamt aufrecht
zu erhalten. Die Firmen werden garantiert früher oder später nur mehr ein
Europa-Patent anstreben und die scheinbar jetz teuren Gebühren werdne sich
auf lange Sicht gesehen bezahlt machen. Gehart und insbesondre das Patent-
amt – Leberl – werdn sich bemühen, mit der INPADOC zu einer Lösung der offenen
Fragen zu kommen. Jetzt hat es den Anschein, wie wenn der Kopierdienst
doch einigermassen positiv abgeschlossen werden könnte.
BEi der 150-Jahrfeier Solbad Ischl wurden zuerst sehr interessante und sehr
detaillierte Vorträge von Primarius des Landeskurheimes als auch voneine
Fachschullehrer, der die Geschichte bis ins Detail kennt, gehalten. Dann
hat Wenzl wie zu erwarten besonders darauf hingewiesen, was das Land Ober-
österreich alles für Ischl tut. Zum Glück war ich eine Stunde schon
früher dort, konnte mich daher mit dem Bürgermeister und dem Fremdenverkehrs-
direktor Debene aber auch mit anderen Genossen unterhalten, sodass ich Wiener
Charme den LH Wenzl doch darauf verweisen konnte, dass auch der Bund ent-
sprehcnde Leistungen erbracht hat. Dies habe ich aber nicht wie er so
dick herausgestrichen, sondenr nur mit Wiener Schmäh, der die LACHER auf
meine Seite brachte, korrigierende Bemerkungen gemacht. Der ganze Veran-
staltungsreigen zog sich dann bis 1/2 12 Uhr nachts hin. Ich rede es mir
mit Wenzl sehr gut, da ich keinerlei konkrete Differenzen mit ihm habe,
sondern ganz im Gegenteil glaube ich immer darauf hinweisen kann, wie sehr
ich mich bemühe, eine aufch für Oberösterreich günstige Lösung zu finden.
Z.B. habe ich ihm auseinandergesetzt, dass wir für die Wolfsegg-Traunthaler
Kohlenbergbaugesellschaft doch unter allen Umständen de 500.000 t Mono-
kohle absetzen müssten. Ich habe ihn als OKA-Präsidenten aufgefordert,
dafr zu sorgen, dass doch mehr als die 400.000 t gekauft werden. Wenzl
meinte, dass im Prinzip ja jährlich mehr als 400.000 t verkauft wurden
und dass dies auch in Zukunft sein wird. Ich habe ihn deshalb ersucht, man
sollte dann nach den Wahlen mit Oberösterreich gemeinsem und dem Handels-
ministerium im Zuge des Energieplanes die notwendigen Verhandlungen führen
und wie ich hoffe sowohl für die OKA als auch für die WTK und ganz besonders
aber für die SAKOG erfolgreich abzuschliessen. Wenzl war mit dieser
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Vorgangsweise einverstanden.. Ich informierte ihn dann auch noch über
die zu erwartenden Gespräche in Passau über den oberösterreichisch-
bayrischen Grenzraum. Hier habe ich ihm mitgeteilt, dass selbstverständ-
lich alle Massnahmen im engsten Einvernehmen mit der Landesregierung er-
folgen werden. Jetzt ja sind bereits die Landesstellen bei der Vorbereitung
eingeschaltet.
Am emisten überrascht war ich aber, als ich im Hotel Post, wo cih über-
nachtete mit dem Wirt nachts noch zu sprechen begann über die geschäft-
liche Situation und am nächsten Morgen dieses Gespräch mit der Wirtin
fortsetzte, dass mir beide versicherten, so etwas war noch nie da. Sie
haben das GEfühl gehabt, dass ibs jetzt alle Minister immernur sie weit
abgestossen haben, d.h. dass es für einen kleinen Geschäftsmann vollkommen
unmöglich war, mit einem Minister zu reden und jetzt kommt jemand, der
sich hinsetzt, mit ihnen spricht und sie noch auffordert, ja alles kri-
tisch zu vermerken, was sie sagen wollen. Die SOrge, die gerade diese
Hotelkategorie trifft, ist, dass der Umsatz resp. die Frequenz nicht
so ist, wie sie es erwartet haben. Ich habe anschliessend ein neu erbautes
Golf-Hotel vom deutschen Besitzer mit 35 Mill. S errichtet, besichtigt
und festgestellt, dass dort das Zimmer mit Frühstück 320.- S kostet.
Ruhige Lage, ganz neu eingerichtet, Schwimmbad im Haus, mit einem Wort,
der letzte Schrei. Das Hotel Post besteht schon seit dem 18. Jahrhundert
wurde zwar modernisiert, liegt aber auf der Hauptstrasse und verlangt
nicht sehr viel weniger. Die Wirtin allerdings klagte mit REcht, dass
in der letzten Zeit z.B. die Fleischpreise so stark gestiegen sind, dass
sie kaum mehr die erhöhten Einstandspreise auf die Verbraucher, d.h. auf
die Speisekarte überwälzen kann. Solche Klagen hörte ich von der Wirtin
vom Weissen Rössl, die die Schiffspatin vom neuen Wolfgangsee-Dampfer
"Salzkammergut" war. Ich glaube, dass in den Fremdenverkehrsbetrieben unge-
heuer viel investiert wird. z.B. hat die Post 3 Mill. S investiert, um
überhaupt seine Zimmer mit Fliesswasser und vor allem Bäder oder Dusche
auszustatten und sieht natürlich jetzt keine Möglichkeit diese elegantere
Zimmer zu einem entsprechenden kostendeckenden Preis vermieten zu können.
Frau Komm.Rat Peter, die Besitzerin vom Weissen Rössl, ihr Mann ist vor
22 Jahren gestorben, hat ähnliche Probleme. Allerdings hat sie noch die
Schwiergikeit mit dem Personal. Trotzdem hat es mich bei der Schiffstaufe
sehr überrascht, zu erfahren, dass sie bereit war, für den neuen Dampfer
50.000 S zu den 7,3 Mill. S dazuzuzahlen. Natürlich war diese Schiffs-
taufe für die drei Gemeinden Wolfgang, St. Gilgen und Strobl ein Volksfest.
Erschüttert war ich aber, als wir mit dem Dampfer nach St. Gilgen fuhren.
Von weitem sah ein Appartementhaus-Anlage so aus, als ob dort eine Brücke
auf Pfeilern errichtet wird, die sich entlagn des Waldes bis auf die
höchsten Höhen hinaufschraubt. ALs wir näher kamen stellte sich dann
heraus, dass dies Aussenflächen von Wohnhäusern sind. HIer muss der Land-
schaftsschutz wirklich alle beiden Augen zugehabt haben, als er die Pro-
jekte genehmigte. Wenzl, den ich am nächsten Tag wieder traf, und
mit ihm das Problem der Appartementhäuser besprach, Meinte, dass er sihc
ganz entschieden gegen ein Appartementhaus ausspricht. Allerdings geht
die Grundverkehrskommission jetzt in Oberösterreich schon so weit,
dass sie nicht einmal mehr bereit ist, für Direktoren oder deutsche Unter-
nehmer die in Oberösterreich Betriebe errichten, Grundfläche zur Errichtung
für Villen zur VErfügung zu stellen. Hier, sagt er, hat einen riesigen
Widerstand zu übewindne gehabt. Das Schlechtein der Politik ist, dass
man immer von einem Extrem scheinbar ins andere verfällt. Zuerst wurde
Propaganda gemacht, um Appartementhäuser, d.h. Kapital nach Österreich
zu transferieren und jetzt wird wenn ein Unternehmer einen Grossbetriebe
hier errichtet, ihm grösster Widerstand beim Grunderwerb entgegengesetzt.
Richtig ist, dass die Schuld ehe-r die Deutschen selbst trifft, die schein-
bar uerst entweder keinen Widerstand oder wo ein solcher war mit allen
möglichen mItteln überwinden konnten, und jetzt die errichteten Appartement-
häuser natürlich zum Schrecken der Landschaft und der Bevölkerung den
denkbar schlechteten Eindruck machen.
Wenzl verischerte mir, dass er auch grossen Widerstand gehabt hat, um die
Seen von den Motorbooten in der Hauptsaison zu befreien. Er meinte, dass
die, die dafür warne, d.h. die Naturfreunde, die Landschaftsschützer
die Umweltverteidiger, nicht sihc jetzt zu Wort melden, sondern ausschliess-
lich die Motorbootfahrer gegen ihn Stellung nehmen. Er meint allerdings
dass dieses Problem schon ausgestanden ist.
Da in Ischl auch zwei Nachkommen von Habsburg geladen waren, die mich am
nächsten Tag einluden, die Kaiservilla zu besuchen, habe ich dies mit
umso grösserer Freude getan. Die Kaiser-Villa ich an uns für sich kein be-
sonderes Kunstwerk, sicherlich eine Sehenswürdigkeit von Ischl und vor
allem hatte ich Gelegenheit, mit den beiden Habsburg-Sprösslingen aber dann
auch mit Graf Kinsky, dem Verwalter der kaiserlichen Güter zu reden.
wir unterhielten uns über die Sparsamkeit des Kaisers, bekannt ist ja,
dass sein Service, das heute noch in der Burg verwendet wird, den durstigen
zur Verzweiflung bringen, weil nur ein Fingerhut oder nicht viel mehr
hineingeht. Graf Kinsky sagte noch, der Kaiser hätte ungeheur schnell geges-
sen und als erster serviert bekommen und im selben Moment nachdem auf
vier Besucher ein Kellner kam, als der Kaiser geendet hatte, sofort das
Essen aller anderne auch weggenommen wurde. Es war dehslb üblich, dass
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man nach dem Essen beim Kaiser ins Sacher erst richtig speisen ging.
Das Arbeitszimmer ist denkbar einfach und wir diskutierten, ob es sich
hier um ein p.R.-Problem handelt, dass nämlich der Kaiser vielleicht
um seine Schlichtheit zu dokumentieren, überlal nur in einem Eisenbett
geschlafen hat, oder ob er nicht vielleicht doch aus innerer Überzeugung
das einfache und das auch beim Militär übliche Inventar verwendete.
Wir entschieden uns dann doch für die letztere Version. MIt erschien
auch die Tatsache, dass der Kaiser seine abgelegten Kleider seinen
Leibdienern schenkte, die diese natürlich dann weiterverkauften, als
ein ganz vernünftiger ökonomisch ricthiger Zug. In Grossbritannien wid
bekanntlicherweise die Garderobe der Königin verbrannt, damit damit
nicht Schleichhandel getrieben wird. ICh finde dies für eine absolute
Verschwendung. Graf Kinsky hat allerdings gemeint, die österr. Leibdiener
waren vehrältnismässig so schlecht bezahlt, dass man sie eben mit Natrual-
gaben ein bisschen besserstellen wollte und ihren kärglichen Lohn auf-
besserte. Was immer der Grund gewesen ist, auf alle Fälle ist diese
Regelung soferne sie auf den Kaiser zurückgehen sollte, eine vernünftige
und zeigt von sehr viel praktischem Sinn. Am Vortag beim Empfang nach
dem Konzert für die Sängerin wurde ich gefragt, warum bei uns die Adelsti-
tel verboten sind. Ich versuchte eine Erklärung zu geben, dass man
dies aus der geschichtlichen Ablauf des Jahres 1918/19 verstehen muss,
wo doch zum UNterschied von Deutschland, wo das Kaiserhaus niemals
so in den Mittelpunkt gezogen wurde, obwohl es eignetlich viel mehr
al der Entwicklung zum Weltkrieg beigetragen hat, bei uns das Kaiserhaus
und der Adel die ganze Schuld zugesprochen wird, resp. wurde. Heute
haben wir aber vor allem einmal unsere heutige Jugend zu diesen
Problemen eine ganz andere Meinung als unmittelbar nach dem l. Welt-
krieg. Die damalige Bevölkerung und Jugend gehabt hat. Ich persönlich
stehe auf dem STandpunkt, dass man die Geschichte und die Tradition
weder vergessen noch wegleugnen soll, sondern dass man aus ihr lernen
sollte. Die Kaiserzeit war sicherlich ncht die herrlichste Zeit, aber
sie war sicherlich auch nicht so schlecht, als sie unmittelbar nach
dem Zusammenbruch der Monarchie dargestellt wurde. Wie weit der Kaiser
darauf Einfluss nehmen konnte, kann ich schwer feststellen, eines
weiss ich nur: Wahrscheinich hat man damals seine Einfluss-
möglichkeit genauso überschätzt, wie man heute die Einflussmöglichkeiten
eines Bundeskanzlers oder Bundespräsidenten überschätzt. Die Kräfte,
die letzten Enedes Entscheidungen herbieführen, die dadurch Geschichte
machen, sind viel viel vielschichtiger und konzentrieren sich sicher
nicht auf eine Person, obwohl gerade immer dann diese eine oder die paar
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Personen, die an der Spitze stehen, für alles
gradstehen müssen.
Tagesprogramm, 22.6.1973
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)