Donnerstag, 26. April 1973
Bezirkssekretäre des ÖGB haben eine Schulung im Hueber-Haus. Was mich
überrascht hat, war, dass sie in der Diskussion überhaupt keine heissen
Eisen angriffen, obwohl ich sie ausdrücklich dazu aufforderte. Sie dis-
kutierten im Prinzip nur örtliche Probleme in ihrem Bereich.
Auch bei der Fraktion der Wiener Gebietskrankenkasse, wo ich ein Referat
bei der Betriebsveraammlung hielt, eine verhältnismässige ruhige Diskussion.
wo sich ein einziger Redner meldete, obwohl ich auch dort in meinen Aus-
führungen fast provozierend eine harte Diskussion wünschte.
Auch im Parteivorstand war nach dem Referat von Kreisky eine verhältnismässig
ruhige und flaue Diskussion, es ist eine richtige Wandlung in der Partei
in den letzten Jahrzehnten vor sich gegangen. Wahrscheinlich spielt doch eine
grosse Rolle, dass im Prinzip und im einzelnen die Mitglieder und die
Funktionäre mit dieser Entwicklung nur zufrieden sind. So schlecht ist
nämlich die Situation nicht, wie sie von der Opposition oder vom Gegner dar-
gestellt wird.Wenn dann trotzdem bei den Wahlen schlechte Ergebnisse
zu verzeichnen sind, so handelt es sich wahrscheinlich um immer grössere
werdende Anzahl von Wechselwählern, die auf örtliche Ereignisse und ganz
besonders auf Beeinflussung von Massenmedien Konsequenzen ziehen. So
behauptet es zumindestens Blecha und Kreisky vertritt diese These.
Im Parteivorstand berichtet Marsch, dass in die Verbund an Stelle von Marek
Nekula und der derzeitige Generaldirektor Hintermayer im Aufsichtsrat
versetzt wird. Bei der ÖDK wird Werner nach Wunsch der Kärnten Aufsichts-
ratsvorsitzender. In der ERP-Fachkommission für den Fremdenverkehr wird an
Stelle des Landesrat Enge, der in Pension gegangen ist, LR Reichl nominiert.
Die Verkehrspolitische Konferenz, die Prechtl vorsieht und Frühbauer eben-
falls betraut, wird das Verkerhsprogramm jetzt beschliessen. Die Humanpoliti-
sche Konferenz wird unter Firnberg wieder aktiviert. Wenn ich mir vorstelle,
wie in der Oppositionszeit diese Konferenzen, sei es also die ökonomische
oder die anderen, eine ungeheure Aktivität und Entfaltung entwickelt haben
so ist die jetzige Bewegung auf diesem Sektor nur als flau zu bezeichnen.
Sicherlich ist dies darauf zurückzuführen, dass eben führende Genossen heu-
te keine Zeit mehr haben, sich im Detail und mit entsprechendem Elan daran
zu beteiligen.
Über das Krankenanstaltengesetz entwickelt sich eine sehr lange Diskussion.
Hier zeigt sich, dass sobald viele Mitglieder des Parteivorstandes und das
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sind die Ländervertreter und die Sozialpolitiker, von einer Materie
betroffen sind, sie dann sofort entsprechend aktiv werden. Leodolter
will mit diesem Krankenanstaltengesetz auf Bestimmungen des Human-
Programmes verwirklichen. Die Ländervertreter erklären, dass vorerst
aber die finanzielle Bedeckung der Aufwände gesichert werden müsste,
da sie ausserstande sind, dies zusätzlich zu den jetzigen defiziäten
Spitälern noch zu übernehmen. Da der Finanzminister nicht anwesend ist
und Kreisky erst verhältnismässig sehr spät in die Diskussion eingreift,
kommt es nach langer Debatte erst zu einem Beschluss, nämlich dass wie-
der nichts geschieht. Eine Kommission, die man bereits gestern im
Präsidium besprochen hat, soll nun Lösungsmöglichkeiten suchen.
Kreisky beginnt in seinem Referat, nachdem dieses Problem im Präsidium
vorher schon sehr hart diskutiert wurde, wie mir mitgeteilt wird,
dass wir in der Propaganda nicht den Fehler machen dürfen, uns jetzt
bereits als die Zeit der absoluten Mehrheit sei vorüber, usw. und es
müssten andere Alternativen gesucht werden, äusserst ungünstig sei.
Die örtlichen Wahlen, die er durch spezifische Umstände erklärt, dürften
nicht dazu führen, dass auf Bundesebene man bereits nervös und durch
nichts begründet kapituliert wird. Die Massenmedien haben hier einen
verheerenden Einfluss. In Graz z.B. hätte jetzt die Untersuchung er-
geben, dass ein Drittel der Leser SPÖ-Wähler und Funktionäre Mitglieder
von uns sind. Die Zeitungsförderung, die er mit dem Herausgeberverband
vereinbart hat und wo bis zu Hunderttausend Schilling jede Zeitung und
Zeitschrift bekommen konnte als Sockelfinanzierung, wird von der Kronen-
zeitung nun neuerdings entschieden abgelehnt. Slavik, der dies behandelt
hat, ist derzeit aus der Kronenzeitung entlassen und Sassmann als Vertre
ter der Zeitungsherausgeber wurde von Kreisky verständigt, dass nur
eine einstimmige Lösung mit allen Zeitungen akzeptiert werden könnte.
Schleinzer selbst hat in kleinem Kreis die Behauptung ausgestellt, dass
diese Zeitungsförderung nur von Kreisky initiiert wird, damit diese
im Kielwasser dieser Unterstützung dann die Parteifinanzierung geregelt
werden sollte. Die ÖVP hat mit den Parteispenden, die sie von der
Industrie bekommt, eine gute Finanzierungsbasis. Diese Parteispenden
gehen über Vereine zur Förderung der Privatwirtschaft wie z.B. in
Vorarlberg oder über andere Vereine und werden von der Steuer abgesetzt.
Die ÖVP soll dafür 30 Mill. S im Jahr bekommen, im Wahljahr seien es
sogar bis zu 60 Mill. S und die Freiheitliche ca. 10 Mill. von der
Industrie. Diese Regelung geht auf die Finanzministerzeit Kamitz
zurück und soll nun von Androsch neu überprüft und überdacht werden.
In der ORF-Frage soll jetzt untersucht werden, ob es zweckmässig ist
wie in Deutschland und in der Schweiz, dass ein Intendant für Fernseh-
programm und ein Rundfunkprogramm gemeinsam verantwortlich ist. Durch
die Trennung der verschiedensten Stationen sollten nicht nur Kon-
trastprogramme sondern auch objektivere Berichterstattung gewährleistet
sein.. Ich bin mir nicht ganz klar, ob nicht eine solche Lösung durch
verhältnismässig mehr Geld kosten wird als wenn sie zentral geleitet
wird. Wenn man hier einen anderen Masstab finden könnte, um die
objektive Berichterstattung zu gewährleisten, die sicherlich notwendig
ist, sollte man eine solche Lösung unbedingt suchen. Wie sehr im
Rundfunk manipuliert werden kann, hat gerade die Horizont-Sendung
von Benya gezeigt. In dieser Sendung, wo sich Benya wirklich einmalig
auf die Linie Kreiskys zurückgezogen hat, er hat nicht einmal mehr
die grosse Koalition verlangt, sondern ausdrücklich erklärt, dass
von Gewerkschaftsseite ihm jede Lösung recht sei, wurde durch eine
Vorausmeldung des ORF über die APA eine vollkommen entstellte Dar-
stellung gegeben. Auf Grund dieser Meldungen haben die Zeitungen,
ohne die Sendung gesehen zu haben, sofort Head-Lines mit Benya kriti-
siert Kreisky, Benya für die grosse Koalition, Benya: Regierung arbeite
zu langsam, usw. darauf gemacht. Genau das Gegenteil ist aber aus
der Sendung herauszuhören. Kreisky war natürlich über diese Head-Lines
in der Regierungsvorbepsrechung sehr verärgert. Zum Glück haben es
viele Regierungsmitglieder gesehen und sich sofort eingeschaltet
und den wahren Sachverhalt geschildert. Für mich ist dieses Phäno-
men ohne weiters erklärlich und ich sagte auch, dass der Gegner natür-
lich grosses Interesse hat, zwischen Kreisky und Benya oder zwischen
Partei und Gewerkschaftsbund entsprechende Gegensätze aufzubauen.
Vor allem aber wird er natürlich jede Gelegenheit nützen, um diffe-
rente Auffassungen aufzubauschen. Dass dem Rundfunk und einigen
Zeitungen dafür jedes Mittel recht ist, ist der beste Beweis für
dieses Problem. Wenn dann eine gewisse nervliche Anspannung dazu-
kommt, dann kann so etwas wirklich ins Auge gehen. Die Angelegen-
heit wurde dann durch eine Erklärung des Parteivorstandes, die sowohl
Kreisky als auch Benya leicht akzeptieren konnten, so hoffe ich zuminde
stens – aus der Welt geschaffen.
Eine neue furchtbare der sogenannten unabhängigen Zeitungen wird
jetzt die Beurteilung der einzelnen Regierungsmitglieder. Dieses
Problem wurde zwar nirgends diskutiert, aber Kirchschläger selbst
sagte mir, dass ihm das furchtbar peinlich ist, als er jetzt an die
Spitze gesetzt wird. Auch mir persönlich behagt es gar nicht, wenn
man bei den Zensuren vor andere Minister, die sich genauso plagen,
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und einsetzten, besser abschneidet. Ich bin nämlich überzeugt, dass
es hier auch nicht nach objektiven Masstäben möglich ist, wirklich eine
Klassifizierung vorzunehmen. Es gibt Umstände, die einem hinauftreiben
und genau so Umstände, die einem zurückwerfen, ohne dass man deswegen
gut oder schlechter gegenüber anderen Ministern dastehen müsste und
sollte. Ein typisches Beispiel: Min.Rat Würzl und Arch. Ursprunger
berichteten mir über die Entwicklung im Rauristal. Wir konnten uns mit
Würzl und Ursprunger, Heindl und ich sofort einigen, dass das Tal die
Priorität 1 bei allen Aktionen, die wir im Hause machen, bekommt. Die
Laufzeit der Kredite kann nicht von 5 auf 10 Jahre verlängert werden,
doch wird im Einzelfall jedem Kreditwerber zugesichert, dass wir idividuelle
Verlängerung auf 10 Jahre in Aussicht stellen, wie wir dies auch bei allen
anderen Fällen schon getan haben. Für die ERP-Fremdenvekehrskommission
soll für die Reservierung für ein Hotel, das 50 Mill. S kostet, versucht
werden, bis zu 20 Mill. zu erreichen. Der Verein des Tales wird
jetzt von einer Beratungsstelle für den Fremdenverkehr, d.h. mit Wifi-
Mitteln seine Mitglieder beraten. Das Budget des Vereines von 300.000 S
wird von der Hälfte der Gemeinde und zur Hälfte vom Handelsministerium,
wenn die budgetäre Lage es ermöglicht, finanziert. Dazu wird aller-
dings von Würzl und Heindl versucht werden, nicht generell 150.000 S
zuzusagen, dagegen habe ich mich ganz entschieden ausgesprochen, son-
dern ähnlich wie in Fulpmes oder in Zwettl eine bestimmte Zweckbestimmung
und Zweckwidmung von Zweckzuschüssen im einzelnen vereinbart. Ich habe
nämlich sonst grosse Angst, dass ein gefährliches Präjudiz für die an-
deren 2.000 Gemeinden, die eventuell in Frage kommen, geschaffen wird.
Ursprunger war mit dieser Lösung sehr einverstanden und unterstreicht immer
wieder, wie expeditiv wir arbeiten, gegenüber dem Landwirtschaftsministe-
rium. Andereseits hat mir Würzl unter vier Augen dann ohne einzelne
Namen und konkrete Angaben zu machen, gesagt, dass er weiss, dass im
Landwirtschaftsministerium dies sabotiert und boykottiert wird. Daran
ist aber wieder Weihs gar nicht schuld, sondern er selbst kann sich
eben oder auf seine Beamten noch auf sonst jemanden scheinbar verlassen.
Auch Heindl musste mir gegenüber zugeben, dass hier nicht mir offenen
Karten drüber gespielt wird. Pleschiutschnig wieder sagt mir, dass
er keinerlei konkrete Massnahmen setzen kann, weil er sonst wieder
von anderen Stellen desavouiert wird. Das Endergebnis aus dieser Situa-
tion dürfte sein, dass Weihs jetzt wieder einmal beschuldigt wird und
man zu Kreisky laufen wird und diese Beschuldigung nicht nur zu erheben
sondern an Fakten nachzuweisen, dass er nichts macht. Weihs hat aber
selbst in meiner Anwesenheit schon einige Mal erklärt, man solle ihm
ein konkretes Projekt überreichen und er wird dann dafür sorgen, dass
dieses ausgereifte konkrete Projekt tatsächlich so schnell wie möglich
in seinem Ministerium behandelt und genehmigt wird. Auf landwirtschaft-
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lichem Sektor ist Loitfellner, ein Allgemeiner-Bauernverbändler, tätig
der auf der einen Seite immer wieder Kreisky und andere Stellen der
SPÖ informiert und Forderungen stellt, ohne eigentlich natürlich mit dem
Landwirtschaftsminister kooperieren zu wollen. Er hat sicherlich auch schon
etliche Aussprache mit Weihs gehabt, aber immer wieder dort so unerhörte
Forderungen und nebulose Projekte verlangt, dass Weihs wahrscheinlich
in den seltensten Fällen ihm wirklich entgegenkommen konnte. Kreisky an-
dererseits möchte das Agrarmonopol des Bauernbundes und der Landwirtschaft
kammer brechen. Zu diesem Zweck glaubt er hat er bereits einen grossen
Erfolg errungen, das bei der der letzten Aussprache nicht nur die
Bauernbündler sondern auch der allgemeine Bauernverband, die freiheit-
lichen Bauern, und der Arbeitsbauernbund anwesend waren. Ich decke zwar
die Meinung keinesfalls, dass damit eine grosser Erfolg erzielt wurde,
da natürlich der Bauernbund und die Landwirtschaftskammern nach wie
vor ungeheuer stark sind.Richtig ist allerdings, dass wenn es gelänge,
die finanziellen Mittel der Landwirtschaftskammer und die Verteilung derselben
wegzunehmen, dass dann eine ganz andere Situation entstehen würde.
In diesem Fall aber müsste nicht wie Kreisky glaubt eine eigene Vertei-
lerorganisation geschaffen werden, denn dies dauert etliche Monaten um
nicht zu sagen Jahre, sondern man müsste wahrscheinlich überhaupt
eine andere Agrarpolitik kreieren. Derzeit schwebt Androsch vor, es soll
anstelle der Landwirtschaftskammern und der Länder, die die Mittel jetzt
teilweise verteilen eine eigene Organisation ähnlich der Bürges geschaffen
werden. In diesem Fall vergisst man, dass auch bei der Bürges die Banken
und Sparkassen die einreichenden Stellen sind. Auch jetzt ist es so
dass über die Raiffeisenkassen die Sparkassen, die Volksbanken und einem
vierten Kreditinstitut die Anträge eingereicht werden können. die Bauern
sind nur mit den Raiffeisenkassen entweder freiwillig oder vielleicht auch
sogar gezwungen so verbunden, dass nur von dieser der grösste Teil der
Anträge kommt. Ob dies in Hinkunft, wenn eine eigene Organisation geschaffen
wird, geändert werden kann, bezweifle ich. Es lässt sich meiner Meinung
nach formell eben eine Agrarpolitik und eine Subventionspolitik
kaum wesentlich ändern. Wenn man hier eine Änderung hätte durchführen wollen
oder noch durchführen will, dann muss man das ganze System versuchen, auf
den Kopf zu stellen. In der Diskussion über die Marktordnungen die jetzt be-
ginnen sollen, wird sich herausstellen, ob tatsächlich Kreisky eine solche
generelle Regelung wünscht und durchzieht. Wenn es dann um die konkrete Fr
gen gehen wird, fürchte ich, wird man sich letzten Endes dann doch nicht
dazu aufraffen. Wanke hat immer grosse Angst gehabt, dass ich das Landwirt
schaftsministerium bekommen hätte, dass dann die Traktorenaufmärsche der
Bauern mich ungeheuer belastet hätten. Ich habe vor dieser Möglichkeit
niemals Angst gehabt. Was mich aber wirklich damals schon sehr nach-
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denklich gestimmt hat resp. hätte, wäre gewesen, ob ich tatsächlich
imstande wäre, die Agrarpolitik grundlegend zu ändern. Ich zweifle
nämlich heute mehr denn je, ob es mir geglückt wäre, eine Änderung der
ganzen Marktordnungen gegen die Bauernschaft durchzusetzen.
Tagesprogramm, 26.4.1973
Tagesordnung 68. Ministerratssitzung, 26.4.1973
15_0482_02Nachtrag Tagesordnung 68. Ministerratssitzung
hs. Notizen (Nachtrag TO MR-Sitzung Rückseite)