Mittwoch, 24. April 1973
Stadtrat Nekula teilt mir mit, dass das Konsortium für die Algerien-
Gas-Importe eine Bestätigung der Regierung verlangt, dass die Austro-
Ferngas berechtigt ist, einen solchen Vertrag abzuschliessen. Gen.Dir.
Bauer, der mir jetzt komischerweise jede einzelne Aktivität von ihm
mitteilt, bestätigt mir, dass eine solche Bestätigung ohne weiteres
ausgestellt werden kann, da auch bei den russischen Gasimporten klarge-
stellt wurde, dass der Staat keinerlei indirekten oder direkten Einfluss
darauf nimmt. Min.Rat Gasser wird eine diebezüglichen Akt anlagen und
einen Bestätigungsentwurf mir vorlegen. Gasser erzählt mir bei dieser
Gelegenheit, dass LH Wallnöfer dringend jetzt die Lösung der Berghaupt-
mann-Besetzung von Tirol verlangt. Merlin, der Berghauptmann möchte jetzt
doch nach Klagenfurt übersiedeln. Ich lasse Gasser nicht im Zweifel,
dass Merlin eine solche Gelegenheit vor Monaten gehabt hätte, damals sich
aber ganz entschieden gegen meinen Plan ausgesprochen hat. Jetzt sind
familiäre Angelegenheiten von Klagenfurter Berghauptmann dazugekommen,
dass dieser grösstes Interesse daran hat, nach Tirol versetzt zu werden.
Die Beamten stellen sich immer stärker hinter die Landeshauptleute,
wenn sie ihre persönlichen Interessen durchsetzen wollen. In diesem Fall
aber dürften auch politische Gründe dahinterstecken. Ich sage Gasser
nur zu, dass ich bereit bin, in nächster Zeit mit ihm eine Besprechung
abzuführen.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte kläre den Standpunkt vom personalpolitischen
Gesichtspunkt insbesondere wie weit ein Berghaupt-
mann das Recht hat, auf eine entsprechende Ver-
setzung zu bestehen.
Bei der Vorbesprechung im BKA über die Bauernvorsprache kommt Kreisky
auch auf das Tankstellenproblem zu sprechen. Er hat drei bekannte Tank-
stellenwärter, die Facharbeiter waren und jetzt mit den Stationärspannen
nicht das Auslangen finden. Kreisky meinte deshalb, es müsste ein Ge-
setz geschaffen werden, dass dem Stationär ein gewisses Mindesteinkommen
gesichert wird. Die internationalen Ölgesellschaften und auch die ÖMV
sollten dazu verpflichtet werden. Ich spreche mich gleich ganz ent-
schieden gegen eine solche Lösung aus. Es wäre das erste Gesetz, wo einem
Selbständigen, die Stationäre sind Unternehmer, ein Mindesteinkommen
garantiert wird und Häuser sekundiert mir dabei. Ich erkläre Kreisky,
dass ich das Tankstellenproblem seit Jahren in Angriff genommen habe
und jetzt die internationalen Gesellschaften und die ÖMV so weit
sind, dass wir ein Tankstellenkonzept vereinbaren können.
Unser Vorschlag wird dahingehen, dass wir eine gewisse Mindestgarantie
Verkauf verlangen bevor wir eine Tankstelle genehmigen würden. Auch in
diesem Fall müssten wir eine gesetzliche Regelung haben. Kreisky meint
dann würden allerdings die Investitionen getätigt sein und sich in
weiterer Folge erst herausstellen, dass diese Mindestmenge von Benzin
nicht abgesetzt werden kann. Dies ist richtigerweise der schwache Punkt
von unserem Konzept, ich bin allerdings überzeugt, dass wir ein System
finden könne, wo die internationalen Gesellschaften aber auch die ÖMV,
die ja bekanntlicherweise sich mit ihrem Tankstellennetz im Westen noch
vergrössern will, weitestgehend im voraus wissen würden. ob sie eine
gewisse Mindestmenge auf dieser Tankstelle tatsächlich verkaufen können.ä
Bei der Bauernvorsprache meint Kreisky, dass keinerlei konkrete Zusagen
gegeben werden. Er wird die Presse und das Fernsehen die ganze Zeit bei
dieser Vorsprache anwesend sein lassen. Ursprünglich war nur beabsichtigt,
einige Minuten bei der Einleitung auch den Pressevertretern die Möglich-
keit der Anwesenheit zu geben. In meinen Augen, wenn man ehrlich verhandeln
will, eine ungeheure Belastung für diese Verhandlung, da ja die Massenmedien
ja sicherlich mit der Zeit ermüden werden an solchen Verhandlungen teilzu-
nehmen, doch andererseits natürlich damit nicht extrem beim Fenster hinaus
gesprochen wird. Häuser hat ein umfangreiches Material über die sozial-
politische Situation der Bauern vorbereitet, das er in der Vorbesprechung
verteilt. Kreisky meint, dass insbesondere die AIK-Kredite, wenn sie
jetzt gelockert werden, extrem stabilisierungswidrig sind, da sie ja kein
zusätzliches Bruttonationalprodukt schaffen sondern nur Produkte erzeugen,
mit denen wir sowieso nichts anfangen können. Weihs meint, dass aber damit
die Infrastruktur verbessert wird. Kreisky möchte insbesondere, dass die
Verteilung der Mittel nicht mehr über die LANDWIRTSCHAFTSKAMMER erfolgt.
Dies gilt ganz besonders für die Wegbaukostenzuschüsse. Androsch regt
an, man solle eine ähnliche Lösung, wie wir sie bei der Bürges haben,
auch auf diesem Sektor vorbereiten.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Deine Unterlagen sind den Sekretären des BKA
insbesondere Tommy Nowotny vorgelegen und aller-
dings auf diese Art nicht gut zu verwenden.
Kreisky wird von seinem Sekretariat und von Mitteilungen einzelner Mini-
sterbüros eingedeckt mit Papier- Er ist natürlich ausserstande, dies zu
lesen. Was wirklich notwendig ist, dass die Bürokraten endlich sich ange-
wöhnen, maximal stichwortartig die wichtigsten Probleme darzustellen.
Nur für den Verhandlungsgegner kann es interessant und wichtig sein,
von dem Minister eine umfangreiche detaillierte Darstellung zu bekommen,
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wie dies Häuser ganz richtig auf dem sozialpolitischen Sektor gemacht
hat.
Kreisky meint, es dürfte keinerlei konkrete Zusage bei den Verhandlungen
gemacht werden. Unter dem Druck der Bauern würden wir unter gar keinen
Umständen irgendwelche Konzessionen machen. Ich war sehr gespannt, wie
dann bei den Verhandlungen letzten Endes aber dann doch ein Kompromiss
zustandekommen würde. Da ich überzeugt bin, dass niemand wirklich Forderun-
gen der Bauernschaft kategorisch ablehnen kann, indem er nicht einmal auf
die Berechtigung konkret eingeht.
Bei der Verhandlungen, wo neben Präs. Minkowitsch des Bauernbundes auch Walln-
öfer und Maurer als Landeshauptleute, Bundesrat Bierbaum und für die
Präsidentenkonferenz allerdings hier als Bauernbundfunktionär Präs. Lehner
und Dr. Brandstätter anwesend waren, selbstverständlich auch Bauernbund-
direktor Lanner sowie einige Abgeordnete zum NR, darunter auch das erste
Mal die ÖVP-Bäuerin aus Salzburg, auch der Allgemeine Bauernverband Novotny
und der abtrünnige ÖVP-Bauernbündler , jetzt allgemeiner Bauernverband Lan-
ger sowie Wenitsch vom Allgemeinen Bauernverband, von der FPÖ der steir. Abg.
Meisl, als Hauptsprecher aber Zillner und VP der oberösterreichischen
Landtages. Vom Arbeitsbauernbund war Tillian, sowie 3 Kollegen anwesend.
Das Bauernbund argumentierte mit seinen bekannten Forderungen. Insbeson-
dere stürzte er sich auf die Regierungsvereinbarung vom 12.9.1972,
wo Kreisky damals zugesichert hat, Androsch und Gratz habe eine diesbezüg-
liche schriftliche Formulierung ausgearbeitet, dass sie § 7-Mittel für die
Absatzförderung ausschliesslich verwendet werden. Für das Jahr 1972 wurden
aber 72 Mio und 1973 sollen 103 Mio der §-7-Mittel auch für die Qualitäts-
verbesserung herangezogen werden. Darin sieht Minkowitsch einen Bruch
der Regierungsvereinbarung. Androsch argumentiert aber hier, dass auch
die Qualitätsförderung darunter zu verstehen sei. Beim Düngepreis wünschen
sie, dass die Mehrwertsteuer von 16 % auf 8 % gesenkt wird. Ebenso sollen
die nichtbuchführenden pauschalierten anstelle des 6 %-igen einen 8 %-igen
Vorsteuerabzug durchführen dürfen. Wein wäre ebenfalls von 16 % einheit-
lich auf 8 % zu senken. Dieselpreis sollte als gefärbt für die Bauern wesent-
lich gesenkt werden. Novotny, allgem. Bauernverband, verlangt, dass zum Ofen-
heizölpreis, d.h. 1,95 S statt 3.65 S abgegeben wird. Tillian verlangt, dass
endlich ein Vertrag mit den Ärzten gemacht wird. Die Bundesprüfungskom-
mission wird positiv von ihm herausgestrichen sowie alle positiven Er-
scheinungen und die Agrarpolitik der letzten 3 Jahre. Ziller möchte eine
gesamte Reform der Milchwirtschaft. Er verweist darauf, dass derzeit
24 t Rahm täglich nach Schärding importiert werden, obwohl die Bauern eine
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Überschussproduktion angeblich haben. Hier handelt es sich allerdings
um einen Veredlungsverkehr. Weihs hätte angeblich für die AIK-Kredite
zugesagt, dass 724 Mio S, die von 1972 als Überhang übrig geblieben sind,
bis zum Sommer ausbezahlt werden. Die Milchanlieferung schlägt Zillner
eine Kontingentierung gegebenenfalls vor. Insbesondere möchte er aber
Einlagerung von überschüssigen Agrarprodukten aus wirtschaftlichen, in
dem Fall aber verteidigungspolitischen Gründen. Futtermittelimporte,
insbesondere auf Eiweiss- Basis sollten verboten werden. Der Allgemeine-
Bauernverband-Mann Langer verlangt die Abschaffung der garantierten Ab-
nahme, weil die durch den Minderpreis der Bauernschaft 2,5 Mia S Minder-
einnahmen bedeutet. Nur 60 % der Erzeugungskosten für Milch seien da-
durch gedeckt. Er möchte maximal eine gebietsweise Förderung der Milch,
spricht sich insbesondere gegen die Marchfeldbauern-Produktion aus und
meint auch , dass die Einzugsgebiete der Molkereien abgeschaffte gehören.
Er möchte eine Erhöhung des Erzeugermilchpreises wie ihn der freie Markt
bringen würde. Dann würden die Bauern nicht mehr Milch produzieren, da sie
mit der wenigen Milch ja schon ihre Kostendeckung hätten. Er spricht sich
auch ganz entschieden gegen die zwei Nutzungsrinderrassen aus
wie sie derzeit noch propagiert wird. Seiner Meinung nach müsste sich alles
auf die Fleischproduktion konzentrieren, wie eben ein freier Markt ihn
auch tatsächlich bringen würde. Wenitsch will ebenfalls eine Abschaffung
des Krisengroschen, die Marktanpassung, d.h. die Milchüberschüsse sollten
verfüttert und nicht verarbeitet werden. Fischmehl ist in der letzten Zeit
von 5.- auf 10.-12.- S gestiegen, die Parität würde 16 S sein, wie
Lehner mitteilt, um das Milchpulver dann zur Verfütterung preisgleich
zu gestalten. weist daraufhin, dass Zuchtvieh in der letzten
Zeit um 20 % gefallen ist.
Bitte dies aber jetzt auch ins Tagebuch einschreiben:
Ich habe bereits jetzt zum drittenmal erklärt, dass der Diktierapparat
kaputt ist. Nachdem ich stundenlang diktiert habe, komme ich dann
drauf, dass meistens das Band nicht funktioniert. Ich sehe nicht ein,
dass ich meine Nachtzeit opfere und dann an solchen technischen Problemen
immer wieder scheitere. Da ich mich über die Arbeit an dem Tagebuch
sowieso genug geärgert habe, werde ich deshalb ein anderes System ein-
führen.
Das Ergebnis der Bauernbesprechung war, dass in Unterkommissionen weiter
verhandelt wird. Häuser wird sich mit den Bauernvertretern mit einer
kleinen Kommission, der Bauernbund verlangte auch die Zuziehung der Land-
wirtschaftskammer, über Detailinformationen unterhalten. Androsch wird
mit den Bauernvertretern über die Mehrwertsteuer und die Budgetsituation
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verhandeln. Die Verhandlungen werden am 8. Mai um 11 Uhr fortge-
setzt. Die Aussprache hat fast 5 Stunden gedauert und natürlich keine
konkrete Ergebnisse erzielt.
Wallnöfer hat nachher mit mir über die Erdgasbelieferung von Tirol
geredet. Ich habe sofort den LH Maurer zugezogen und erklärt, dass
die Austro-Ferngas keinesfalls mehr für die Länder allein tätig werden
darf. Maurer erklärte sofort, dass er selbstverständlich bereit ist,
auch die westlichen Ländern in die Austro-Ferngas aufzunehmen. Seiner-
zeit hätten sie sich nur selbst ausgeschlossen.
Warum Kreisky zum Präsidium diesmal auch die Regierungsmitglieder
eingeladen hat, war mir nicht ganz klar. vielleicht will er einen
engeren Kontakt, vielleicht aber auch will er einzelne Probleme,
die Regierungsmitglieder betreffen, doch im Präsidium dokumentieren,
dass er sie die ganze Zeit bereits schon geändert haben will. Dies
gilt insbesondere für die Landwirtschaftspolitik. Kreisky glaubt, dass
es nicht notwendig ist, dass wir so grossen Pessimismus jetzt an den
Tag legen. Wenn in Oberösterreich Peter sich ebenfalls wieder mit
der VP verbündet, dann würde auch er sagen, dass der Bürgerblock
komplett ist, derzeit meint er nur, müsste Abstand genommen werden von
einer Propaganda für die grosse Koalition. Davor kann er nicht genug
warnen, die VP kämpft mit aller Gewalt gegen die sozialistische Re-
gierung und eine Koalition mit ihr kann er sich nicht mehr vorstellen.
Die Österreicher wollen keine absolute Mehrheit einer Partei, aber auch
keine Koalition. Sie schwanken in dieser Frage ständig.
Tagesprogramm, 25.4.1973
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)