Samstag, 3. März 1973
Die sozialistischen Berufsschullehrer und nicht der Freie Wirtschafts-
verband haben eine Enquete über die Lehrlingsausbildung einberufen. Der
FWV hat nur neben den Kinderfreunden, der SJ, der GEW. Jugend und anderer
mitgewirkt.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: BItte in Hinkunft auf diese Feinheiten in der Unter-
scheidung grössten WErt legen.
Bei dieser Enquete konnte ihc in meinen Referat auf die ERfahrung, die wir
mit dem polytechnischen Lehrgang gemacht haben, hinweisen. Da Schnell
anwesend war, habe ich insbesondere auf unseren gestrigen BEsuch verwiesen.
Schnell hat mir da auch einige Zahlen gesagt, die ich dort sofort prä-
sentierte und ihn als Autor herausstrich. In der Monarchie waren nämlich
nur 5 % der Pflichtschüler die Möglichkeit gegeben, in Mittelschulen zu
gehen. Derzeit sind es 55 %. Österreich kommen dann noch 25 % aus dem
polytechnischen Lehrgang, in Wien sogar nur 17, der Rest sind Repetenten
der Hauptschulen oder sogar der Sonderschulen. Das Material, um diesen
scheusslichen statistischen Ausdruck für die Schülerinnen und Schüler zu ge-
brauchen, wird immer schlechter. Nicht aber weil die Kinder weniger lernen
oder dümmer sind, sondern weil eben die Möglichkeit besteht, heute von einer
ganz grossen Anzahl die Mittelschulen zubesuchen. Trotzdem darf man nicht und
darauf habe ich ganz besonders im meinem Referat hingewiesen, den Fehler
machen, in der humanistischen Ausbildung der Mittelschulen das wirkliche Er-
ziehungsziel zu sehen. ICh glaube, dass es notwendig ist, die Facharbeiter 1
und die manuelle Arbeit in ihrem Image wesentlich zu verbessern. Ich hab des-
halb auch ganz besonders darauf hingewiesen, wie notwendig es war und wie
froh wir sein können, dass die Gewerkschaften den Benya-Fonds gegründet habe
wo die VErbesserung des Images der materiallen Arbeit, d.h. des Arbei-
ters und des Angestellten unterstützt werden soll. Da ich selbst einmal
Lehrling war, -onnte ich natürlcih aus meiner eigenen Erfahrung in launi-
ger udn tempramentvoller Art- wie der Vorsitzende dann sagte, entscheidende
Probleme gut verpackt vortragen. Benya, der nach mir sprach ist dann selbst
von seinem Konzept auch abgewichen und hat ebenfalls aus seiner Erfahrung
aus der Berufsschulzeit gesprochen. Wenn es mir nur immer gelingt, eine
solche Kombination zu erreichen, nämlich eingie entscheidende moderne und
notwendige Gedankenanalysen in einem entsprechend verpackten Vortrag zu
präsentieren, dann glaube ich, ist das die optimalste Form, zumindestens
für mich.
ANMERKUNG FÜR KOPPE: Ich glaube, wir sollten wieder zu dieser ur-
sprünglichen Art der Präsentation von Ideen
zurückkehren.
Bei der Eröffnung der Möbelmesse hatte sowohl Bürgermeister Slavik
als auch ich nicht umhin gekonnt, um Sallinger wegen des Rom-Besuches
zu pflanzen. Sallinger war auf der einen Seite sehr verägrert, dass
ihnen das passiert ist, auf der andren Seite aber war er sicherlich
befriedigt, dass eben die Organistion nicht von ihm durchgeführt wurde-
Er meinte, hätte das die Aussenhandelsstelle von ihm in die Hand genommen,
wäre garantiert ein solches Lapsus nicht passiert. DAvon bin ich auch
überzeugt. In der Einleitung hat Komm.Rat Effenberger gemeint, dass
sie der weiteren Zukunft mit Bangen entgegensehen und dass sie eigentlich
ihre Ausstellungsmitarbieter best vorbereitet sind. Hier witzelte Mitterer
der neben mir stand über das Wort best vorbereitet und bezog dies natür-
lich auf die Regierung. Sallinger selbst bemerkte nur, dass die Bundes-
kammer, wenn der Fachverband und die Tischlerinnung bangen, sie in allen
Fragen unterstützen werden. Ich konnte jetzt hier gut einhaken und
erwiderte, dass ich mich sehr frue,e dass die Bundeskammer das BAngen der
einzelnen Organistionen nicht teilt, sondern diese unterstützen wird,
was auch die Bundesregierung tut. Zum Bangen glaube ich derzeit gar
kein Grund. Umso mehr als wir ja gehört haben, dass der FAchverband
und die Mitglieder best vorbereitet sind. Hier hat Mitterer dazwischen
gerufen, beim Fachverband stimmt es auch, worauf ich sofort replizierte:
Auch wo anders ! und hatte natürlich die Lacher auf meiner SEite.
Sallinger meinte dann, als wir den Rundgang machten, zu Mitterer und
mir, dass immer noch die Leute auf meine Schmäh hereinfallen. Worauf
Mitterer argumentierte, kein einziger ! Hier aber glaube ich irrt er
sich gewältig. Ing. Zotter hat mir für die Eröffnung brauchbares Material
gegebne und ich konnte daherinsbesondere auf die Steigerung der Produktion
von 31 % von über 3 Mia auf über 4 Mia hinweisen. Selbst wenn man die
Preissteigerungen in Abzug bringt, ist tatsächlich ein realer Produktions-
wert von mindestens die Hälfte der Steigerung zu verzeichnen. Fach-
messen-Eröffnung oder überhaupt Messe-Eröffnung in einer Hochkonjunktur
sind in Wirklichkeit ein angenehmes Geschäft. Man kann mir ruhigem GEwis-
sen prophezeihen, dass wenn auch einzlene Fachgruppen am Anfang bangen,
an Ende dieserAusstellung volle Auftragsbücher und ein sehr guter Geschäft
verlauf das Ergebnis ist. Ich möchtenicht erleben, solche Eröffnungen in
einem Konjunkturrückschlag oder gar vielleicht ein einer Krise vornehmen
zu müssen. Ich glaube noch immer, dass mein Konzpet gegebenenfalls Preis-
steigerugen in Kauf zu nehmen, wenn man nur eine expandierende Wirt-
schaft hat, das Richtige ist. Natürlich sind Preiserhöhungen unangenehm,
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aber wenn ich mir eine stagnierende oder gar rückläufige Wirtschaft
vorstelle, dann kommt mir tatsächlich das GRausen.
Gen.Direktor Reisinger hat angerufen und mitgeteilt, dass die Algerier
ihn fernschriftlich verständigt haben, dass sie mit einer Erdgasliefe-
rung an das Konsortium, wo Österreich jetzt beitreten kann, einverstan-
den ist. Damit ist die ÖMV endgültig aus dem Algerien-Geschäft draussen
und hat dies ihrer Unbeweglichkeit oder ihrem starren Nein vor etlichen
Monaten zuzuschreiben. Der Preis von 41 ct. für 1 Mio ETU, eine Kalo-
rienmengenbezeichnung ist,verhältnismässig günstig. Acuh wenn man die
2 %-ige Gleitklausel berücksichtigt. Ich habe Reisinger nur gesagt,
dass soe alles daransetzen müsen, um nicht ein zu grosses Eintritts-
geld dem Konsortium leisten zu müssen. Die ursprünglich Idee des
Konsortiums von 3 – 5 % halte ich für überhöht. Reisinger verwies
andereseits darauf, dass natürlich niemand mehr so billiges Erdgas
wie mit der SU abgeschlossen, nämlich um 35 GRoschen, erhalten kann.
Auch die sowj. Erdgaslieferungen, die zusätzlich kommen, werden
teurer sein. Dem steht allerdings wieder entgegen, dass die 75 Mill.
m3 Nachlieferung der SU zum alten Preis und auch die eventiellen 125
Mill., die sie zusätzlich liefern zu einem verh ältnismässig günstigen
Kurs zu bekommen sind. Die SU rechnet nur die Dollar-Abwertung zu
ihren Gunsten, d.h. sie erhöht den Dollar-Preis von 14,10 so hoch
bis sie auf denselben GRoschenpreis wie vor der Dollar-Abwertung für
den m3 Gas kommt. Wenn man bedenkt, dass wenn die Stadtwerke Spitzen-
gasmengen aus Naphta herstellen müssen, diese auf 62 GRoschen pro m3
kommen, sieht man, dass alle anderen Gasmengen, sei es aus Algerien
oder der SU doch noch wesentlich billiger sind. Wenn wir jetzt einen
Energieplan erstellen, wird es dringednst notwending, dass wir nicht
nur über die mengenmässige sondern vor allem auch über die Preismässigen
Relationen uns ein vollkommen klares Bild machen.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte mit Frank einen Termin vereinbaren, damit
wir dieses Problem eingehend besprechen können.
Min.Rat Hausberger von Brüssel hat angerufen und mir über die letzten
Schritte der EWG-Kommission in der Währungsfrage berichtet. Die Kommission
ist vormittags zusammengetreten, wird nachmittag oder spätestens
morgen noch einmal zusammentreten. Zwischendurch soll der Ministerrat
über diese Probleme verhandeln. Die Kommission hat soweit man heute
Informationen aus der streng vertraulichen Sitzung bekommen konnte,
sich mit dem Europa-Modell beschäftigt. Dieses Europa-Modell sieht
vor, dass die wichtigsten europäischen Währungen gegenüber dem Dollar
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gemeinsam floaten. Fraglich ist, bo Großbritannien und Italien für
diesen Plan zu haben sind. Italien selbst hat einen gespalteten Devisen-
markt und möchte die Floatinglösung nicht gerne. Dänemark ebenfalls einen
gespalteten Devisenmarkt, habt jetzt, obwohl sie floaten, ganz gute Er-
fahrungen gemacht. Sowohl die Handelswährung als auch die Finanzwährung,
die verschiedene Relationen zum Dollar hat, hat beim Floaten sich bewährt.
Die Franzosen selbst sind jetzt endlich bereit, in dem europäischen Währungs-
konzert mitzuwirken, da in den letzten Tagen und zwar am Freitag nach Mit-
teilung von Hausberger 600 Mill. $ von der franz. Nationalbank aufgenommen
werden mussten. Ich verständigte von dieser Aussprache sofort Gen.Dir.
Kienzl und er war darüber sehr erfreut und ha-t mit nur gesagt, dass nach
iherer Mitteilung 500 Mill. $ von der franz. Nationalbank aufgekauft werden
mussten. Da Karall im Zimmer stand von Kinezl hat er auf meinen Hinweis
dass ich auf Grund der Mitteioungen aus Brüssel seine Forderung, einen
Mann der Nationalbank dorthin zu schicken, nicht reagiert, ich konnte aller-
dings anfangs nicht wissen, dass Karall bei ihm im Zimmer steht und Kienzl
hat das sehr geschcikt mit dann zu verstehen gegeben, indem er erklärte,
ein alter Freund von Dir, was in dem Fall gar nicht stimmt, steht bei mir
und hört ebenfalls die Probleme, die wir jetzt gerade besprochen haben.
Hausberger hat mir dann erstmals auch einen genauen BEricht auf meine An-
frage wegen der Vollmilchpulver-Exporte gegeben. Die EWG ist bereit,
6.000 t Vollmilchpulver zu übernehmen. Als GEgenlieferungen wünscht sie
aber entsprechende Mengen Rahm. Da sie für diesen Rahm 53 RE Erstattung
bezahlt, kann Weihs diese FEttmenge in Österreich z.B. für eine Butter-
aktion günstig verwenden. Andererseits bin ich aber üeberzeugt, dass es
einen riesigen Stunk geben wird, wenn die Bauern erfahren, dass wir jetzt
den Milchkrisengroschen erhöhen, um die Milchproduktion zu drosseln, gleich
zeititg aber 4.000 t Rahm einführen. Die Berechung dafür ist folgendermassen
6.000 t Vollmilchpulver mit 26 % Fett gibt 1.560 t Milchfett
dies entspricht 1.903 t Butter = 4.028 t Rahm bei 40 %-iger Fetteinheit.
An Hand dieses Beispiels aber zeigt sich die irrsinnige Konstruktion
unserere Agrarmärkte. Wir subventionieren Milch, um sie letzten Endes
als Vollmilchpulver in die EWG zu schicken. Die EWG wieder subventioniert
Rahm um diesen als Fetteinheit nach Österreich zu exporieren. Wir führen al-
so, um es ganz krass auszusprechen, Produkte hin und her. Da das GEschäft
von der Kommission noch nicht endgültig beschlossen ist, hält Brüssel
noch mit einer Verlautbarung zurück. Wir glaube ichsollte auch keine wie
immer gartete Information in die Öffentlichkeit geben. Dies ist Angelegen-
heit des LWMN resp. des Ministeriums f- L.u.F. Hier müsste aber eine
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ordentlich p.r. einsetzen, d.h. die Öffentlichkeit und insbesondere die
Bauernschaft darauf vorbereitet werden. Wenn diese Lösung endgültig
nämlich bekannt wird, ohne dass entsprechende Vorarbeit geleistet ist,
muss das Ganz wie eine Bombe explodieren. Niemandem wird man erklären
können, dass dieses Geschäft sinnvoll ist. Wohl aberist es natürlich
z.B. für den österr. Molkereiverband, der 6.000 t Vollmilchpulver ex-
portiert, dann anererseits 4.000 t Rahm imporiert, sehr lukrativ. Mehr
denn je bin ich davon überzeugt, dass wir endgültig in Österreich eine
andere Regelung auf dem Agrarsektor abstreben müssten. Ich kann mir nchts
anderes vorstellen, als die entsprechnede Preisregelung zu lockern und
die Marktentwicklung stärker auf die Preise einwirken zu lassen. Wenn
wir den Getreidepreis nicht mehr behördllich reglementieren, wenn wir
die ganzen Zuschüsse für Roggenmehl aufgeben, wenn wir andereseits aber
dann auch die Weizenabgabe nicht mehr erheben, müsste es möglcih sein,
in der natürlich Preisregulation, ohne dass der Konsument zu sehr be-
lastet wird, den Druck auf die Regierung wegen Getreidepreisfestsetzungen
los zu werden. Ein optisch gutes Argument ist dann auch, dass der Getreide-
fonds mit seiner ungeheuren bürokratischen Verrechnung von jedem Kilo Weizen
und Roggen in Hinkunft nicht mehr notwenidg ist. Die GEfahr, die natürlich
besteht, sit, wenn der Roggenzuschuss wegfällt. gewisse Brotpreiserhöhungen
gegebenenfalls erwartet werden müssten. Andererseits aber werden die
Mühlen in sich eine Ausgleich vornehmen, und die Bäcker werden, wenn das
Roggenmehl zu teuer wird, eben dann Weizenbrotmehl beimischen. Auf alle
Fälle halte ich ein jedes System, welches nicht mehr so bürokratisch
arbeitet, wies das jetzige, für zielfüphrender, vor allem aber wird der
Druck auf neue FEstsetzung von Getreidepreisen dann nicht mehr die Re-
gierung treffen, sondern es wird dann eben zwischen den Lagerhausgenossen-
schaften und den Mühlen zu verhandeln sein. Bei unserem ständigen Über-
schuss an Roggen und Weizen kann ich mir nicht vorstlelen, dass hier eine
exorbitant hohe Preissteigerung herauskommt. Auf dem Milchsektor anderer-
seits müssen wird dazu kommen, dass sich die Bauern an ihre Molkerei wenden
wenn sie mit dem Milchpreis unzufriedne sind. Derzeit heben die Molkereien
Baukostenzuschüsse und sonstige Abgaben von den Bauern ein, trotzdem rich-
tet sich der Unmut gegen die Bundesregierung. INsbesondere gegen den Land-
wirtschaftsminister. Welch sinnlose Methoden aber auf dem Milchsektor
nicht auf internationalem sondern auch am nationalen Markt bestehen.
zeigen die Beispiele. Das typischeste ist jetzt Vollmilchexport nach Eng-
land und Rahm herein und im INland die Tatsache, dass Milch oft zwei bis
dreimal pasteurisiert wird, bis sie endlich nach etlichen TAgen den
Verbrauchern zur VErfügung steht. Schlechte Qualität und Kostenverteuerungen
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sind hier natürlich die Folge einer solchen Politik. WEnn wir Berg-
bauern oder kleinere Bauern unterstützten wollen, dann glaube ich ist
es zielführender und sinnvoller durch direkte Subventionen und Beiträge
die man dem Bauernhof oder der Kuh oder irgend einer anderen Einheit zu-
zählt, zweckmässiger als die indirekten jetzt über die Preise, die so
kompliziert manipuliert sind.
Tagesprogramm, 3.3.1973