Samstag, 7. Oktober 1972
Die Sitzung der Konsumentenliga in der Gloriettegasse war
sehr interessant. Ich werde in Hinkunft für den Arbeitskreis, der
seinerzeit von Kreisky geschaffen wurde, um eine grosse angelegte
Konsumentenkampagne zu starten, immer unter diesem Arbeitstitel führen.
Kreisky hatte seinerzeit erwartet, dass der ÖGB und die AK, viel-
leicht auch die Genossenschaftsbewegung ca. 10 Mill. S für eine
grosse Aufklärungskampagne bereit wäre, bereitzustellen. Das er-
wies sich als eine Illusion, da wahrscheinlich die Arbeiterkammer
als Konsumentenvertreterin par excellence nicht bereit war, von
einer anderen Stelle sich diesem Ruf konkurrenzieren zu lassen, und
vor allem der ÖGB, der ebenfalls als grösster Arbeitnehmervertreter
die Konsumenteninteressen wahrnimmt, nicht bereit war, Geld für
solches in grösserem Masse bereitzustellen. Kreisky war daher an dieser
Aktion nur mehr sehr bedingt interessiert und Brantl, der angenommen
hat, dass Kreisky zu dieser Sitzung kommen wird, musste sehr wohl bald
erkennen, dass Fritz Marsch, der Zentralsekretär, anwesend war.
Es berichteten über ihre Tätigkeiten die einzelnen Gruppen, natür-
lich hätte sich jetzt eine sehr harte Diskussion zwischen den einzelnen
Stellen ergeben. Zum Glück hatte ich veranlasst, dass wir nicht
dort Mittagessen, wohl aber ein Gabelfrühstück bekamen, sodass ich
aus diesem Grund die Sitzung unterbrechen konnte. Für das Finanz-
ministerium berichtete Vranitzky vor allem über die TV-Serie "Auf-
klärung über die Mehrwertsteuer" an zehn Abenden soll, wie
Vranitzky sich ausdrückte, sehr polemisch, gegen den Widerstand des
ORF die Bevölkerung aufgeklärt werden. Z.B. hat der ORF verboten,
dass Androsch den 16 %-igen Steuersatz erklärt. Reithofer hat dann
allerdings die Darstellung als äusserst optimistisch heftigst
kritisiert. Zuerst sollte das Drehbuch im Einvernehmen mit der Handels-
kammer und der Arbeiterkammer erstellt werden, doch hat das Finanz-
ministerium dies letzten Endes abgelehnt. In der jetzt bereits fertig-
gestellten TV-Serie soll behauptet werden, dass der Konsument durch
die Mehrwertsteuer nicht berührt wird, das Auto- und Industrieprodukte
verbilligt werden und dass, was dem Unternehmer gut tut, nützt auch
dem Letztverbraucher wortwörtlich gesagt wird. Die Arbeiterkammer
distanziert sich deshalb ganz entschieden von diesen Aussagen.
Abends, bei der Geburtstagsfeier der SPÖ für Benya ist Hrdlitschka
an meinem Tisch gesessen und als der Finanzminister spät auch zur
Geburtstagsfeier kam, ist er zu ihm gegangen, um mit Ihm dieses
Drehbuch zu besprechen. Hrdlitschka meinte noch mir gegenüber,
es sei unerklärlich, dass der Handelsminister mit dieser Frage über-
haupt nicht befasst wurde, Ich habe erklärt, dass die Kompetenz
für die Mehrwertsteuer ausschliesslich beim Finanzminister liegt.
Hart kritisiert von der Konsumentenliga wurden auch die Plakate ins-
besondere von Charly Blecha. Blecha meinte, dies war das schlechteste
Plakat, das er jemals gesehen hat. Die Inseratenaktion kann sich
Blecha so erklären, dass sich kein Mensch auskennt und deshalb
bereit ist einen Informationscheck auszufüllen und vom Finanzmini-
sterium die entsprechenden Unterlagen zu bekommen. 1.000 bis 2.000
solcher Schecks soll im Finanzministerium eingehen pro Tag. Das
Finanzministerium hat auch die Absicht ein Mehrwertsteuerservice
in den einzelnen Finanzämtern zu errichten. Darüber hinaus gibt es
interessante Broschüren und vor allem ein Handbuch. Dr. Lachs er-
suchte, dass man dieses Handbuch dem gesamten Arbeitskreis zur Ver-
fügung stellt. Unser Oberrat Gerhard Marsch hat mir gegenüber er-
klärt, dass wir überhaupt keinerlei Unterlagen vom Finanzministerium
bekommen. Ich bin neugierig, ob Vranitzky tatsächlich das Handbuch
an alle Sitzungsteilnehmer schickt.
Mühlbacher vom Freien Wirtschaftsverband meinte, es würde zu einer
Konfrontation zwischen Konsumenten Vertreter des Handels nach
der Einführung der Mehrwertsteuer kommen und wir sollten uns auf
diese Konfrontation vorbereiten. Er selbst hätte in der BRD dies
beobachtet und dort hätte er den Eindruck, wäre diese Konfrontation
äusserst günstig für die Partei aber vor allem auch für die Konsumenten
gewesen. Er meint deshalb, es soll deshalb ein Katalog aller Waren
die davon betroffen werden und für die Konsumenten interessant sind
hergestellt werden. Sagmeister von der KGW erklärt, dass diese Von-bis-
Preise, die jetzt das Handelsministerium veröffentlicht, äusserst
vorsichtig zu beurteilen seien. Nach seiner Mitteilung seien dabei
meistens Auslaufmodelle und es wäre sinnlos, diese jetzt gross heraus-
zustreichen. Sowohl was die Preisdifferenzierung betrifft als auch
wenn als Auslaufmodell nicht gekennzeichnet bei den Konsumenten einen
falschen Eindruck erwecken müssten. Ich versprach, dass wir in Hin-
kunft die KGW konsultieren werden, welche Preise wir als von-bis-Preis
veröffentlichen.
ANMERKUNG FÜR KOPPE: Bitte mich dann konkret zu verständigen, wenn
Sagmeister in dem einen oder anderen Fall tatsächlich sich gegen eine
Verlautbarung eines Von-bis-Preises wendet. Im Grunde sollten wir uns
von unserer jetzigen Art nicht abbringen lassen.
Dr. Lachs vom ÖGB meinte, ob die Bundesregierung bereit wäre, zu
kämpfen oder aller mit der Handelskammer einvernehmlich regeln
möchte. Ich hatte zuerst angenommen, er bezieht sich darauf,
dass das Unlautere Wettbewerbsgesetz nur eine beschränkte Möglich-
keit gegen falsche Werbung beinhaltet und der ÖGB ja jetzt eine Unter-
suchung starten wird. Frau Dr. Smolka, die übrigens das erste Mal
in diesem Kreis war, wird die Werbespots jetzt genau beobachten und
gegen falsche Werbung will der ÖGB entsprechende Kampagnen starten.
So wird er sich aber nicht kleinere Betriebe herausnehmen, sondern
gegen die Unilever wegen ihrer Fluor-Zahnpasta die angeblich den
Konsumenten gegen den Zahnverfall schützt und gegen Shell M 400
weil man damit weiter fahren kann. Beides trifft nicht zum den für
Fluor muss man Tabletten nehmen und natürlich braucht man beim Benzin
ob mit M 400 oder nicht für jede Type verschiedene Mengen von Benzin,
keinesfalls aber weniger, trotz des Zusatzes. Da ich den Angriff noch
immer nicht verstand, habe ich abends dann Dr. Lachs beim Benya-Empfang
gefragt, was er den eigentlich mit dieser sinnlose Attacke erreichen
wollte. Lachs hat angenommen, dass die Bundesregierung jetzt auf
Koalitionskurs mit der Handelskammer steuert. Bei einer Aussprache mit
Broda über das Kartellgesetz hätte nämlich dieser angeblich erklärt,
dass Kreisky ihm mitgeteilt habe, unter allen Umständen das verein-
barte Ergebnis über die Kartellreform nur mit der Handelskammer gemein-
sam zu machen und wenn ein Ergebnis erzielt wird, dann dieses ausschliess-
lich als Grundlage für die Novelle zu nehmen. Lachs ist glaube ich
darüber ein wenig verärgert und hat deshalb diese Attacke gestartet.
Ganz wird dies sicherlich nicht stimmen, denn Lachs möchte auch
sehr gerne jetzt die kämpferische Seite des ÖGB herausstreichen.
Er glaubt, dass damit der Arbeiterschaft ein gewisser Gefühl, das
der Gewerkschaftsbund nach wie vor ausschliesslich ihre Interesse
vertritt gegenüber der Regierung zum Ausdruck kommen soll.
Die Konsumgenossenschaft wird, wie Sagmeister berichtete, 1973
13 Bundeseinheitliche Verkaufsaktionen starten. Darüber hinaus wird
Wien noch einige Sonderaktionen insbesondere in den ersten beiden Quarta-
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len dazulegen. In 16 österr. Tageszeitungen mit 2 Mill. Exemplaren
soll inseriert werden. Die Konsumgenossenschaft wird damit beispiel-
haft wirken. In Wien hat sie einen Lebensmittelanteil von 16 %, der
in einzelnen Bezirken wie z.B. im 22. auf 25 % ansteigt. Die Konsum-
genossenschaft hat bereits jetzt bekanntgegeben, dass sie die Zoll-
senkung weitergeben wird und dass sie vor allem von den Vorlieferanten,
die Preiserhöhungen vornehmen, erzwingt, dass diese von der Pari-
tätischen Kommission genehmigt sein müssten, bevor sie sie effektiv
anerkennt. Damit leistet sie nach Meinung Sagmeisters einen wesentlichen
Beitrag zur Preisstabilisierung.
Dr. Reichard für die Arbeiterkammer und den Verein für Konsumenten-
information hat seine Erfahrungen und Ergebnisse über die Preiserhebung
mitgeteilt. In den Bundesländern Vorarlberg, Kärnten, Steiermark und
Salzburg sind die Preiserhebungen so schlecht, dass man sie derzeit
nicht heranziehen kann. Hier habe ich wieder einmal einen Beweis bekom-
men, wie schwer und unzulänglich mit den freiwilligen Organen eine
wirkliche Preisbeobachtung aufzubauen ist. In Wien, wo dies von den
Polizeiorganen durchgeführt wird, haben wir ein sehr brauchbares
Ergebnis. Reichard möchte für eine Inseratenaktion von mir als Han-
delsminister weitere 500.000 S bekommen. Diesbezüglich hat er auch
gestern einen Brief geschrieben, von dem Koppe meinte, dass wir keiner-
lei Zahlungsverpflichtungen hätten. Ich erklärte deshalb auch rundwegs,
dass das Budget erschöpft sei. Reichard möchte auch gerne, dass wir
für Farb-TV z.B. Preisbänder einführen. Ich kann mir nicht vorstellen,
wie wir dies konkret machen könnten. Das Maximum ist, dass wir eben die
Von-Bis-Preise veröffentlichen, um die Konsumenten eben auf die Preis-
differenz aufmerksam zu machen.
Reichard beschwerte sich, dass die Woll-Deklaration nicht eingehalten
wird und dass auch die Lebensmittelkennzeichnung nicht kontrolliert
wird. Zu diesem Zweck schlug er vor, man sollte viel mehr als
die Schaffung von Deklarationen trachten, die Kontrolle über Deklara-
tionen zu verbessern. Der Verein für Konsumenteninformation hat des
halb die Lieferbedingungen für Bodenbeläge in eine Ausschreibungs-
schema gefasst und die Bauherren insbesondere die Wohnbaugenossenschaften
benützen dieses nun für das Anbot resp. Zuschlag.
ANMERKUNG FÜR KOPPE: Die Idee ist wirklich nicht schlecht, auf diese
indirekte Art die Produktdeklaration zu verstärken.
Mühlbacher vom FWV teilte neuerdings mit, dass sie reichliches
Material hätten, welches der Handelsminister nicht entsprechend
nützt. Da der Vorwurf bereits im Burgenland bei ihrer Vorstands-
sitzung mir gemacht wurde, reagierte ich sehr ungeschickt, indem
ich ihn aufforderte, mir das Material offiziell zu geben. Inoffiziell
bekommen wird es, wie Tommy Lachs mir mit einem Zettel mitteilte,
bereits und nachdem der ÖGB den Kleinhändlern dafür 1.500 S
pro Monat bezahlt, bekommt es eben tatsächlich nur der ÖGB. Diese
Aktion muss natürlich strengst vertraulich geführt werden und deshalb
war meine Aufforderung an Mühlbacher sicherlich nicht am Platz.
Mühlbacher befürchtet, dass eine entsprechende Aktion der Handelskammer
wie sie derzeit in Brüssel gegen die Umsatzsteuer und die "Steuer-
schikane" in Brüssel geführt wird, auch bei uns möglich sei. Die
Handelskammer hat jetzt in St. Pölten und Salzburg eine Aktion
"Licht aus" gestartet. Dies könnte ohne weiteres eine Generalprobe
für eine Grossaktion sein. Der Wirtschaftsbund wird in der letzten
Zeit – und dies hat Mühlbacher zwar nicht berichtet, aber ich höre
dies immer deutlicher heraus – sehr aggressiv. Derzeit richten sich
diese Aktionen ausschliesslich gegen den Finanzminister. ich glaube
aber, dass wir hier wirklich ganz geschlossen gegen diese Politik
auftreten sollen. Auf der einen Seite versichert Sallinger immer
wie loyal er sich verhält, auf der anderen Seite aber kann er
sich entweder im Wirtschaftsbund nicht durchsetzen oder ihm ist es
ganz recht, wenn diese ÖVP-Organisation härter die Regierung angeht.
ANMERKUNG FÜR KOPPE: Überlege Dir bitte, welche Abwehrmassnahmen
wir gegen eine solche Politik ergreifen können.
Die Frauenvertreterin Dr. Demuth erklärte sich bereit, für Putzereien,
Fotoartikel und Eisenwaren, ihre Frauen, mit Fragebogen entsprechend
ausgestattet, einzusetzen. Hanzlik erwartet, dass die AZ eine ständige
Spalte der Frauenorganisation für ihre Verbraucherfragen zur Ver-
fügung stellt, ähnlich wie dem Ombudsmann, den die AZ heute bereits
führt.
Der Chefpropagandist Brantl meinte, dass Vranitzky und insbesondere
das Finanzministerium als solches die Zielgruppen Hausfrauen, Jungwähler,
Arbeiter vernachlässigt. Die Aufklärungskampagne müsste sich lt.
IFES-Erhebungen auf diese insbesondere erstrecken. Unsere Preisbe-
gutachtungsaktion meinte er, ist in einer Hinsicht bemerkenswert,
dass nämlich die Handel-, Industrie- und Gewerbekreise Angst vor unseren
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Kontrollen haben und deshalb vielleicht bereit wären, gewisse
Preiserhöhungen zu unterlassen. Es wird dadurch allerdings eine
Kriegssituation geschaffen. Er erwähnte dann so nebenbei, dass
ein Telefondienst, der derzeit z.B. bei Rösch über Sicherheits-
fragen läuft, zwei bis dreitausend Anrufe pro Woche feststellen.
kann. Er möchte deshalb auch, dass Androsch über die Mehrwert-
steuer eine solche Telefonaktion startet.
ANMERKUNG FÜR KOPPE:
Vranitzky wies noch dann besonders darauf hin, dass im Finanz-
ausgleich die Landesregierungen zu einer Zusammenarbeit sich
verpflichtet haben. In einzelnen Ländern die Landesregierungsmitglie-
der der ÖVP die Preisbeobachtung nicht unterstützen sondern
sabotieren, könnte man vielleicht auf diese Vereinbarung
hinweisen.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte aus der letzten Ministerratssitzung
vom Finanzausgleich die entsprechende Stelle heraussuchen.
Zentralsekretär Marsch war mit diesem Ergebnis der Aussprache
sehr zufrieden. Da die Konsumentenliga nicht zustandekommt,
meinte er, dass die Koordinierung, wie wir sie jetzt durchführen
oder durchführen wollen, vollkommen genügt. Sein einziger
Wunsch war noch, dass das Finanzministerium über die Progress
ihre Aktionen abwickelt.
Koppe wollte bei dieser Aussprache insbesondere auch feststellen,
ob die Teilnehmer bereit wären, unsere Aktionen nicht nur zu
unterstützen, sondern vor allem auch kompetenzmässig eindeutig
in unser Ministerium zu verlegen. Dies gilt vor allem für den
grossen Katalog von Waren, welchen wir im Hinblick auf die Konsumen-
teninformation erstellen sollten. Der Entlastungskatalog
wird nämlich nur perzentuell und für den Fachmann brauchbare
Aussagen bringen. Der Letztverbraucher wird sich nicht durch das
Zusammensuchen von Industrieentlastung, Grosshandelsentlastung,
Kleinhandelsentlastung auch nur annähernd ein Bild machen könnte,
wieviel Verbraucherpreise sich senken müssten oder vielleicht
sogar erhöhen. Wichtig erschien Koppe zu klären, ob dafür finanziel-
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le Mittel des Finanzministeriums zu erwarten seien. Solche Mittel
kann ich aber allerdings gar nicht mehr vom Finanzminister bekommen,
weil das zweite BÜG bereits die Regierung passiert hat und nur dort
mir gegebenenfalls Mittle noch gegeben werden könnten. Wenn wir zur
Überzeugung kommen, dass ein solche Katalog von Verbraucherpreis-
änderungen notwendig und zweckmässig sind, dann müsste ich sie
aus dem jetzigen Budget decken.
ANMERKUNG FÜR KOPPE: Bitte diesbezügliche Untersuchungen anstellen.
Ich teile die Meinung von Koppe, die er auch dort zum Ausdruck
gebracht hat, dass wir schön langsam aus dem Improvisieren in
eine institutionalere Regelung eintreten müssten. Koppe schwebt
vor, dass dies am besten durch eine gesetzliche Regelung erzielt
werden könnte. Hier glaube ich wäre die Zeit aber noch nicht
reif. Die BHK würde, wenn wir eine solche gesetzliche Institutio-
nalisierung anstreben, sicherlich aus der Zusammenarbeit ausscheren.
Gerade jetzt, wo der Wirtschaftsbund heftigst angreifen wird, müsste
eine solche Gesetzesinitiative ihm die Chance geben, von seiner
jetzigen Mitarbeit, die ihm sicherlich schon leid tut,
abspringen zu können. Ich glaube deshalb, dass wir jetzt vor
allem schrittweise eine Verankerung ohne Gesetz in einer neuen,
gemeinsam zu findenden Form, die auch die Zustimmung von Sallinger
und Mussil findet, anstreben sollten.
Bei der Geburtstagsfeier und den Ansprachen für Benya am Abend
konnte ich sehr interessante Nuancierungen feststellen. Während
am Vortag, vielleicht bedingt durch die Anwesenheit von anderen
Fraktionen in Gewerkschaftskreis Kreisky überhaupt keinerlei
Bemerkungen über das personelle Verhältnis zwischen ihm und Benya
machte, hat er doch in Parteikreisen heute abends solche Bezugs-
punkte herausgestrichen. Natürlich hat er dabei keinesfalls
auf die bestehenden Spannungen, wie sie bei der Nachfolgefrage
Pittemanns auftraten, erwähnt. Er unterstrich nur, dass es
sich beide nicht sehr leicht gemacht haben. Jetzt aber hätten
sie ein so persönliches und freundschaftliches Verhältnis gefunden,
dass die ÖVP dies sich nicht erklären könne. An zwei Beispielen
erörterte er dies. In der Mitbestimmungsfrage hätte Kreisky über
die grosse Stahllösung immer die Drittel-Aufsichtsratsbesetzung
der Arbeitnehmer verlangt. Dann hätte der ÖGB erklärt, dass diese
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berechtigte Forderung auch derzeit im ÖGB Priorität I hat und
für alle Arbeitnehmer durchgesetzt werden soll. In der Rundfunk-
frage wieder hätte Benya darauf hingewiesen, dass jetzt etwas ge-
schehen müsste und Kreisky wird deshalb diesbezügliche Überlegungen
anstellen.
Bei der Geburtstagsparty von Heinz Fischer gegeben für Heinz Kienzl
war auch Kreuzer eingeladen und kam verspätet. Die Geburtstagsparty
stand natürlich im Zeichen des Wahlergebnisses vom Burgenland und
insbesondere Salzburg. Ich vertrat die Meinung, dass der Bundes-
trend für uns nicht mehr so günstig liegt, wie dies vor Monaten
noch der Fall gewesen ist. Im Burgenland hat sich nur durch die
Person des Landeshauptmannes Kery dieser Trend überdeckt. Kery konnte
gegenüber den Nationalratswahlen und den Landtagswahlen 0,4 % der
Stimmen hinzugewinnen. Im Salzburg aber konnten wir bereits einen
Abfall feststellen. Die Wähler dürften mir unserer Politik nicht mehr
einverstanden sein und wählen zwar auch nicht die ÖVP, die überall
Stimmen verliert, weil die ÖVP keine Alternative darstellt. Viel-
leicht ehen einige ÖVP-Stimmen auch an die FPÖ verloren. Vielleicht
gibt es auch Kreise, die uns gewählt haben, die jetzt der ÖVP wieder
ihre Stimme geben. Was mich am meisten verwunderte ist, dass Blecha
erklärte, die Partei hat hat während sie sonst in der Opposition
vor jeder Wahl die entsprechenden organisatorischen Vorbereitungen ge-
troffen hat, um Analysen des Wahlergebnisses dann durchführen zu
können, diesmal keinerlei Aufforderung an die IFES gerichtet. Kreuzer
meinte dann, als er dazukam, Oscar Pollak, Chefredakteur der AZ, hat
einmal nach einer Wahlniederlage erklärt, dann haben wir eine Nacht ge-
weint. Wir waren übereinstimmend der Meinung, dass dies bei diesem
Ergebnis dies nicht notwendig sei, dass wohl aber eine Analyse
dringendst zu empfehlen wäre. Kreuzer teilte mit, dass man im
ORF bereits sich mit einer Zweiteilung in zwei Programm abfindet.
Ähnlich wie in der BRD nimmt er an, wird eine Rundfunkgesetzes-
novelle zu einem echten Zweiten Programm führen. Mit Benya, wo
er dieses Problem einmal besprochen hat, hat er den Eindruck be-
kommen, dass Benya sehr wohl aus der Verärgerung, dass Bacher sich
nicht der Paritätischen Kommission unterwirft, sehr deutlich jetzt
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sein Konzept einer echten Reform des Rundfunks, wie Kreuzer sich ausdrück-
te, im Klartext mitgeteilt hat. Kreisky selbst dagegen äusserte sich nur
immer sehr verworren, in Wirklichkeit aber nur diplomatischer ohne eben
seine Absichten erkennen zu lassen. Bei diesem freundschaftlichen Ge-
spräch stellten sich dann einige interessante Details heraus. Heinz
Fischer fragte, wer denn eigentlich das Kreisky-Buch von Reimann
gelesen hat. Interessant war kein einziger von uns darunter. In
diesem Buch erwähnt nun Reimann unsere seinerzeitigen Besprechungen
und Arbeitspapiere O 66 und B 70. Kreuzer hat zugegeben, dass einige
Studenten von Reimann dazu benützt wurden, um zu recherchieren, wie
sich die Parteigeschichte zu diesem Zeitpunkt tatsächlich abge-
wickelt hat. Zu diesem Zweck war ein junger Student bei ihm gewesen und
er hat ihm über diese Phase detaillierte Auskunft gegeben. Interessant
war, dass Reimann aber nur einen Teil dieser Informationen in sein
Buch aufgenommen hat. Kreuzer selbst hat zu diesem Zeitpunkt noch
grosses Informationswissen gehabt, da der Chefredakteur der AZ wirklich
die ganzen Strömungen kannte und ja auch immer zwischen diesen durch-
lavieren sollte. Kreuzer selbst überschätzt mich haushoch, wie ich
feststellen konnte, denn er meinte, nur ich hätte die Gelegenheit sowohl
in der Partei als auch in der Wiener Organisation als auch vor allem
in der Gewerkschaft als bedeutender Funktionär die einzelnen Strömun-
gen genau zu kennen. Hier irrt Kreuzer ganz gewaltig. Ich sagte ihm sofort,
dass ich in der Zentralpartei erstzt jetzt im Parteivorstand sitze und
ich war eigentlich sehr erstaunt, dass er, obwohl er jahrelang die
Parteiinterna sehr gut kannte, noch immer der Meinung ist, dass sie
in den Gremien, wo ich sitze, wirklich entschieden wird. Da die Ent-
scheidungen viel früher vielen und vor allem habe ich ihm vorgeschlagen,
er möge doch auch Aufzeichnungen über die Parteigeschichte machen,
damit nicht irgendwelche Legendenbildungen früher oder später ent-
stehen. Soviel ich mich erinnern kann, war z.B. der wirkliche
Gegensatz Kreisky – Benya viel älter als man landläufig annimmt.
Schärf hat sich, als er zum Bundespräsidenten gewählt wurde, dafür
entschieden, nicht Waldbrunner, sondern Pittermann zum Parteiobmann
vorzuschlagen. Olah hat damals gegen Waldbrunner auch für Pittermann
plädiert. Vielleicht hat Olah damals erkannt, dass er wahrscheinlich
Pittermann früher ablösen könne als Waldbrunner, wenn dieser erst
einmal diese Position innehat. Benya selbst war immer ein treuer Ge-
folgsmann von Waldbrunner und hat – wie Kreuzer sich ausdrückte –
deshalb als erstes bei der damaligen Reformdiskussion nach der Nieder-
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lage 1966 erklärt, dass Pittermann nicht mehr Obmann sein könne.
Benya hat aber gehofft, dass mit dieser Darstellung, wo er
wieder vollkommen richtig politisch gelegen ist, dies nur taktisch
vielleicht ungeschickt freimütigst gleich geäussert hat, in Wirklich-
keit aber Waldbrunner in diese Position bringen wollte. Waldbrunner
ist dann aber eineinhalb Monate vor der entscheidenden Parteitags-
sitzung erkrankt und hat abgelehnt, sich um diese Kandidatur zu bemü-
hen. Erst in dieser Phase hat nach Meinung Kreuzers, Kreisky eine Chance
gehabt, überhaupt durchzustossen. Dieser Auffassung ist Blecha
ganz entschieden entgegengetreten, denn er meint, dass bereits vor
dem Parteitag klar war, dass Kreisky als Obmann gewählt wird.
Sicher ist, dass Kreisky gute Chance gehabt hat, aber in Wirklich-
keit erst durch die Entscheidung von Slavik, der die Wiener Organi-
sation auf Kreisky einschwenken liess, die Wahl endgültig entschieden
war. Mit den Bundesländervertretern hätte Kreisky allein, wenn der
ÖGB sich geschlossen gegen ihn gestellt hätte, und die Wiener Orga-
nisation dies auch getan hätte, keinesfalls nach der Wahlniederlage
66 sofort die Parteiführung in die Hand bekommen. Wäre Waldbrunner
nicht zurückgetreten, hätte sich das Ganze vielleicht anders ent-
wickelt. Czettel, der damals als Verlegenheitskandidat ausgesucht und
aufgestellt wurde, Pittermann propagierte, man sollte einen jungen
neuen Obmann wählen, um den Gegensatz zwischen den zerstrittenen
alten Genossen endgültig beizulegen, war ja wirklich nur eine
Verlegenheitslösung. Czettel selbst als Niederösterreicher hätte
es überhaupt sehr schwer gehabt, eine solche Wahl anzunehmen.
Mir gegenüber hat Czettel damals gestanden, dass er sich in einem
furchtbaren Dilemma befindet. Seinerzeit haben ihm Benya und Waldbrunner
als Metallarbeiter sehr grosses Vertrauen entgegengebracht,
auf der anderen Seite hat er als NÖ-Funktionär der nö. Landes-
organisation nicht in den Rücken fallen wollen, die damals bereits auf
Kreisky eingestellt war. Bis jetzt sind alle diese Probleme inner-
halb unserer Partei nicht mehr aufgeschienen. Jetzt da wir in den
letzten zweieinhalb Jahren nur gesiegt haben, waren alle diese
Gegensätze vergessen oder zumindestens überbrückt. Scheinbar habe
ich daher mit meiner Prognose, dass dieses Problem erst dann gelöst
sein wird, bis wirklich alle Streitteile in Pension sind, nicht recht
behalten. Der Gegensatz zwischen Benya und Kreisky, ja auch
zwischen Waldbrunner und Kreisky ist längst vergessen und nur mehr die
einheitliche Meinung, dass Kreisky heute doch der bessere Obmann und
vor allem der beste Bundeskanzler ist, in der Partei vorherrschend.
Ich fürchte nur, dass meine Prognose leider nicht wirklich
hundertprozentig falsch ist. Solange eine Partei siegt, ist selbst-
verständlich alles Liebe, Wonne und Waschtrog. Dies wird sich
sicherlich sofort anders ansehen, wenn wir erst einmal wirklich
eine Niederlage erreichen.Bei den Wahlen in Salzburg sind wir mit
einem blauen Auge davongekommen und die burgenländischen Wahlen
gingen durch die überragende persönliche Stellung des derzeit regie-
renden Landeshauptmannes Kery für uns noch einigermassen positiv aus.
Wie wird es aber nächste Jahr im Herbst sein, wenn Oberösterreich
wählt. An dem konkreten Beispiel, dass Reimann in seinem Buch anführt,
nämlich die Besprechungen, die wir seinerzeit geführt haben, und die
wirkliche Sandkastenspiele waren, haben mir gezeigt, wohin es
führt wenn eine Partei Niederlagen erleidet. Sofort wurde dort
eine entsprechende Verschwörung der jungen Revoluzzer vermutet und
ich kann mich noch gut erinnern, dass mir glaube ich Jochmann oder
eine andere prominente Genossin, die mich damals traf, erklärte,
sie sei tief enttäuscht, dass ich mich auch zu so etwas hergebe.
Sicherlich in diesem Papier war gegen meinen Rat auch aufgenommen
worden, ob Pittermann imstande wäre, die Partei aus dieser Nieder-
lage herauszuführen. Ich selbst hatte damals Nenning, der darauf bestand,
versucht auseinanderzusetzen, dass uns dies nichts nützen sondern
nur schaden könne. Wenn Pittermann die Führung der Partei
weiter behält, dann wird er auf die Leute, die sich mit einer
wirklich eingehenden Analyse und mit Lösungsvorschlägen beschäftigten
nicht nur böse sein, sondern dieses Ergebnis überhaupt nicht berück-
sichtigen. Wenn Pittermann dagegen nicht mehr gewählt wird, wird man
als Legende dann erklären, dass wir ihn umgebracht haben. Ich
habe damals – so wie in den vergangenen Jahrzehnten so wie heure
noch – immer die Meinung vertreten, man sollte solche Bachfragen
nicht mit Personalfragen vermischen. Wenn die Sachanalyse
richtig ist, ergibt sich automatisch daraus die entsprechende
personelle Konsequenz. Da mir aber eine Personalpolitik und vielleicht
gar eine Intrigenwirtschaft gar nicht liegt, habe ich immer diese
Personalauseinandersetzungen gehasst. Wahrscheinlich bin ich viel zu
weich für ein solches Geschäft.
Kreuzer, der wirklich ein furchtbar schwierige Situation im ORF
hat, den ich aber nach wie vor als einen unserer fähigsten Analytiker
und vor allem als einen ideologisch und politisch denkenden
Menschen betrachte, wird kaum in der nächsten Zeit dazukommen,
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Aufzeichnungen über seine Periode der Parteigeschichte zu machen.ä
Dies ist ewig schade. Ich selbst weiss, dass ich nach 1945, wo ich im
Wiener Vorstand durch eine reinen Zufall kooptiert wurde, feststellen
konnte, wie sehr dort die Politik ganz andere Ergebnisse brachte, als
man ursprünglich konzipierte. Mit Wonne erinnere ich mich heute
daran, wie die sogenannten Revolutionären Sozialisten Pittermann,
Slavik, Hackenberg, der erste Wiener Sekretär, Fritsch, Krones,
Scharf, Jonas, Strasser, den damaligen Obmann der Soz. Jugend,
leben mussten, wie sie von den Rechten, den Sozialdemokraten unter
der Führung von Speiser ausmanövriert wurden. Jonas sollte damals
bereits zentraler eingesetzt werden und Speiser hat aber durch-
gesetzt, dass die wichtigste Position der Bezirksvorsteher von
Floridsdorf sei, da die russische Besetzung und die Sprengung
der Brücken einen solchen Kontakt zu Floridsdorf nicht ermöglichen
wie eigentlich zwischen einer zentralen Leitung in der Innenstadt
und diesem wichtigsten Bezirk notwendig sei. Slavik wurde damals
auf das Wohnungsreferat abgeschoben. Die wirklich zentrale
Figur im Wiener Rathaus wurde Speiser, obwohl er nicht Bürgermeister
werden konnte, der sich auch die entsprechend wichtigen Positionen
mit seinen Vertrauenspersonen besetzte. Insbesondere war der Finanz-
stadtrat Resch eine solche Schlüsselfigur. Ähnlich war auch die
Auseinandersetzung als Slavik als Bürgermeister kandidierte und auch
durchkam und auch damit als Finanzstadtrat seinen Vertrauensmann
Schweda gegen Land, Bezirksobmann von Margareten, gewählt. Aus
dem Gespräch habe ich einmal mehr wieder die Überzeugung gewonnen,
dass ein Einzelgänger, so wie ich es ja doch bin, kaum Chancen
hat, in diesem politischen Kräftespiel mitmischen zu können. Viel-
leicht bin ich aber deshalb, weil ich dies gar nicht will, ein
Einzelgänger. Dies bedeutet den grossen Vorteil, dass man eine
gewisse Unabhängigkeit hat und auch wahren kann. Der Nachteil
ist allerdings, dass man eben dann sehr bald oder in ge-
wissen Positionen zwischen zwei Lagern zerrieben werden kann.
Das typische Beispiel dafür war, als ich 1946 glaube ich oder 1947
von der SJ abgewählt wurde. Damals haben die Revolutionären ,
Gruppe Hindels, Blau, auch mein Schwager Mayerhofer, Strasser usw.,
erklärt, Staribacher sei zu weit rechts und man könnte mit
ihm nicht über einzelne wichtige Probleme diskutieren und deshalb
sei Pfoch der bessere Obmann für die Wiener Jugend. Damals war
ich sicherlich ein bisschen gekränkt, retrospektiv betrachtet
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aber kann ich nur froh sein. Natürlich wurde ich aus der politischen
Laufbahn damit ausgeschaltet, konnte dafür aber mein Studium beenden und
auf der anderen Seite meine andere Laufbahn nämlich in der Arbeiter-
kammer erfolgreicher gestalten. Schade, dass ich die Aufzeichnungen
aus dieser Zeit, die ich seit 1945 führte, verloren habe. Ausser
den offiziellen Parteitagsprotokollen, den offiziellen Sitzungs-
protokollen von den Wiener Vorstandssitzungen sowie aller offizieller
Organe und Unterlagen für eine eventuelle Geschichtsschreibung glaube
ich nämlich, dass es sehr wertvoll wäre, wenn einzelne persönliche
Informationen, die natürlich subjektiv sind, zur Verfügung stehen
würden. Nur so kann man dann ein einigermassen verlässliches Bild
über die Geschichtsperiode erhalten. Da kein Mensch wirklich objektive
Aufzeichnungen machen kann, kann man nur dann aus seiner Vielfalt von
solchen Aufzeichnungen unter Abwägung der entsprechenden subjektiven
Meinung, die bei jeder Aufzeichnung zum Durchbruch kommt, letzten
Ende aber die objektive Wahrheit versuchen zu ergründen. Solche
Aufzeichnungen müssten auch unmittelbar nach dem Ereignis erfolgen,
da jedwede spätere Niederschrift bereits ein noch subjektiver ge-
färbte Meinung ergibt als beim Ereignis. Da das menschliche Gedächtnis
ja sehr unzulänglich ist, wird nämlich mit dem Lauf der Zeit nur mehr
die angenehme Erinnerung wach bleiben und die unangenehmen, sofern
sie nicht einen entscheidenden Einfluss genommen haben, verblassen.
Dadurch entsteht in jedem einzelnen Menschen ein Geschichtsbild, welches
vollkommen falsch ist. Die Niederschrift des unmittelbaren Ereignisses
hat allerdings wieder den Nachteil, dass man vielleicht einige Strömun-
gen nicht so erkennt, wie sie nach einer gewissen Zeit, wenn man Ab-
stand gewonnen hat, sich manifestiert. Viele technische Hilfsmittel
wie Dokumentation, elektronische Datenverarbeitung und so weiter,
stehen heute für eine objektivere Darstellung unserer Zeit zur Ver-
fügung. Trotzdem glaube ich wird es ausschliesslich davon abhängen,
ob die wirklichen Strömungen und die wirklichen Ereignisse, die oft
von der Dokumentation gar nicht erfasst werden könne, irgendwo aufge-
zeichnet werden, ob in späterer Folge Geschichtsforschung zur Verfügung
zu stehen. Die idealste Lösung wäre, wenn wirklich die grossen politi-
schen Männer und Kräfte entsprechende Aufzeichnungen machen würden.
Da diese aber Politik machen, haben sie dafür kaum Zeit.
Bei der Party war auch Dkfm. Meszaros von der ÖMV. Er fragte mich.
wie es nun mit dem Benzinpreis weitergeht. Ich erklärte ihm un-
umwunden, dass ich nicht bereit bin, auch nur eine andere Lösung
zu akzeptieren, als Androsch letzten Endes mit ihnen ausmachen
wird. Ich werde und kann Androsch in dieser Beziehung nicht in
den Rücken fallen. Meszaros sieht derzeit überhaupt keine Mög-
lichkeit eines Ausweges. Wenn die ÖMV nächstes Jahr eine gute
Gewinnsituation hätte, könnten sie mit dem Finanzminister verein-
baren, dass sie den Benzinpreis nicht so sehr erhöhen und dafür
steuerlich von ihm irgendwie durch Nichtbezahlung einer Dividende
oder sonstig Entgegenkommen finden. Meszaros erwartet aber
nächstes Jahr ein verhältnismässig schlechtes Jahr, weil der
Heizölpreis, was stimmt, sehr verfallen ist, Dadurch hat sich die
Ertragslage der ÖMV wesentlich verschlechtert. Der Wunsch, Normal-
benzin jetzt nur um 30 Groschen zu erhöhen, kann lt. Meinung
von Meszaros nicht akzeptiert werden. Morgen werden die ÖMV-
Leute mit Androsch über dieses Problem neuerlich eine Besprechung
haben. Androsch wünscht scheinbar, dass diese Frage ohne meine
Anwesenheit zwischen den beiden vereinbart und geklärt wird.
Auch mit dieser Vorgangsweise kann ich einverstanden sein, denn
letzten Endes soll nicht der Eindruck entstehen, dass ich mich
jetzt als der Retter einschalten möchte. Die Bemerkung der
Genossen der ÖMV bei einer Aussprache, ob ich von dieser ganzen
Angelegenheit wüsste, hat Androsch so beantwortet, dass er mich
informiert hätte.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Ich glaube, es ist notwendig, die Abteilung
Schleifer auch schriftlich auf das einvernehmlich Vorgehen mit
dem Finanzminister aufmerksam zu machen.
Tagesprogramm, 7.10.1972