Samstag, der 23. September 1972

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Samstag, 23. September 1972

Bei der Marktdiskussion in Innsbruck ist nicht nur der ÖVP-NR Halder,
sondern auch ein halbes Dutzend gute Agitatoren der ÖVP-Junge Generation erschienen. Dadurch bildete sich sofort ein grösserer Zuhörerkreis
während das letzte Mal nur vereinzelt Leute stehengeblieben sind.
Natürlich werde ich hauptsächlich wegen der Preisentwicklung von
der ÖVP attackiert und ganz besonders der OECD-Bericht immer wieder
zitiert. Noch hilft mir meine Information über die Entwicklung der
Fleischpreise und ganz besonders auch der spezifischen Situation in
Innsbruck aus meiner Viehverkehrsfondszeit. Wesentlich schwieriger
wird es werden, wenn ich einmal nicht mehr auf diesen Erfahrungsschatz
meiner Kammeramtsdirektortätigkeit zurückgreifen kann, weil in der
Zwischen zeit zu viel Zeit verflossen ist und ich den letzten Stand
nicht mehr unmittelbar selbst erlebt habe.

Bei der Messe-Eröffnung greift Bassetti wieder die Bundesregierung ins-
besondere aber den Handelsminister an. Als Messe-Präsident hat er das
erste Wort. Bürgermeister Lugger beschwert sich über den Finanzaus-
gleich, wo er ebenfalls den Finanzminister verantwortlich macht. Hier
konnte ich natürlich bei der Replik leicht auf den Gegensatz zwischen
den Gemeinden und den Ländern hinweisen, was mir Bürgermeister Lugger
auch nachher beim Rundgang bestätigt. Für die Handelskammer spricht
Vizepräsident der insbesondere über die Preisentwicklung einige Be-
merkungen macht und sich jetzt schon dagegen verwahrt, dass die
Wirtschaft den Prügelknaben abgeben soll. Auch hier kann ich leicht
replizieren und darauf hinweisen, dass wir gemeinsam mit der PK
die Entlastungssätze und insbesondere die Zollsenkungen erstellen und
damit in Zusammenarbeit, wie er es verlangt hat, dieses Problem gelöst
werden soll. LH Wallnöfer erinnert in seinem Referat dass das
Accordino für Tirol von grösster Bedeutung ist und dass es deshalb
auch jetzt trotz der EWG-Verhandlungen und des Vertragsabschlusses
weiter fortgesetzt werden soll. Hier erkläre ich sofort, dass für
den landwirtschaftlichen Sektor das Accordino nach wie vor grosse Be-
deutung hat und vorn mir weiter sehr positiv beurteilt wird. Wallnöfer
meint dann beim Rundgang, ich sollte versuchen und mit Kirchschläger da:
rüber sprechen, ob man nicht das Accordino vielleicht sogar noch
stärker ausbauen könnte. Im Südtiroler Stand wird dann von dem
Präsidenten und den Funktionären italienischer Seite darauf hinge-
wiesen, dass eine solche Entwicklung sehr positiv beurteilt werden würde


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Allerdings geben sie auf meinen Einwand zu, dass die Hauptschwie-
rigkeit in Brüssel liegt und kaum damit zu rechnen ist, dass wir
tatsächlich eine zusätzliche für Italien und Tirol ausweitenden
Vertrag genehmigt bekommen würden. Mein Referat geht natürlich
hauptsächlich jetzt auf die Replik und Vorschläge des Präsidenten
Bassetti ein. Die Kritik an der Bürges kann ich deshalb leicht replizie-
ren, weil meine Amtsvorgänger entweder die entsprechenden Be-
schlüsse, nach denen ich jetzt vorgehe, ja sogar vorgehen muss,
bereits gefasst haben oder sogar die Bürges einmal wegen Geldmangel
einstellen mussten. Beim Essen meinte unser soz. Landesregierungs-
mitglied Zechtl, dass ihm selbst die gegnerischen Pressevertreter
mitgeteilt hätten, dass 1:0 dies für Staribacher ausgegangen ist.
LH-Stv. Salcher und ich bemühen uns, Zechtl von dieser Aussage gegen-
über den ÖVP-lern unbedingt abzubringen. Ich erkläre, dass es sich
hier nicht um einen Ringkampf handelt, sondern um eine freie Dis-
kussion bei einer Messe-Eröffnung wie ich sie auch in der
Steiermark zwischen Krainer und mir immer als wohltuend empfunden
habe. Salcher meinte dann bei der Landeskonferenz der Lebensmittel-
arbeiter zu mir, dass er mit Zechtl immer diese Schwierigkeiten hat,
der scheinbar nicht verstehen will, wie man Politik betreiben kann.
Wenn nämlich ich wirklich einen solche Triumph erreicht hätte, dann
kann ich nur damit rechnen, dass das nächste Mal Bassetti seine
Angriffe noch anders starten wird, oder überhaupt nicht mehr auf
eine solche Polemik sich einlassen wird. Beides wäre für meinen Stand-
punkt äusserst ungünstig, weshalb ich gar nicht einen solche Triumph,
selbst wenn es der Fall gewesen ist, jetzt noch hochspielen möchte.
Bürgermeister Lugger erklärt mir beim Essen freimütig, dass er
Bassetti schon einmal gesagt hat, er soll es sich mit mir nicht
anlagen, obwohl ich glaube, dass ich Bassetti davon überzeugt habe,
dass es sich bei uns hier nur um eine Diskussion handelt, die
im Interesse der Klärung der Standpunkte auch für alle anderen vom
grössten Interessen sein kann. Bei einem anschliessenden Presse-
gespräch mit Vertretern der Tiroler Zeitungen und auch der Neuen
Zürcher Zeitung kommen selbstverständlich primär die Fremdenver-
kehrsproblemen und ganz besonders auch die Tuxer-Magnesit-Bergwerk-
Stillegung zur Sprache. Für die Diskussion über der nächstjährigen
Messe-Eröffnung aber auch vor allem für die unmittelbar nach
Bekanntgabe der Budgetziffern sehe ich eigentlich sehr düster.
Wir haben in unserem 10-jährigen Fremdenverkehrsprogramm uns fest-


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gelegt auf Ziffern, die ich bereits im Budget 1973 nicht mehr
erreichen kann. Natürlich werde ich argumentieren, dass es sich hier
nur um Orientierungsgrössen gehandelt hat. aber ich werde mit dann
in Hinkunft sehr schwer tun. Die einzige Ausrede, die mir dann bleibt,
ist, dass ich ja keine Aktionen einstelle oder beschränken möchte,
sondern gegebenenfalls durch Budgetüberschreitungsgesetze die not-
wendigen Mittel zu verschaffen. Als konkreten Fall kann ich dann die
Komfortzimmeraktion angeben, die heuer durch das Budgetüberschreitungs-
gesetz wesentlich höher im Ansatz sein wird als mit 40 Mill. prä-
liminiert. Dadurch wird mir zumindestens ein Ausweg geöffnet. Wenn
ich heute wieder zu entscheiden hätte, ob ich eine solche 10-Jahres-
Vorschau-Planung machen sollte, würde ich dies eigentlich verneinen.
Konkrete Bindungen für die Zukunft sind meiner Meinung nach äusserst
problematisch. Die Argumentation des Finanzministers, dass auch die
anderen Ressorts den im seinerzeitigen 10-Jahresinvestitionsplan
des Bundes vorgesehenen Ansätze nicht annähernd erreichen, hilft
mir eigentlich gar nichts. Vielleicht geht es bei den anderen unter,
im Fremdenverkehr wird man mich immer mit den Ziffern festnageln,
dabei habe ich damals einen weiteren Fehler gemacht, da ich erklärte,
es handelt sich dabei um reale Ansätze. Durch die Entwertung müsste
ich nämlich heute noch wesentlich höhere Sätze bekommen als in unserem
seinerzeitigen 10-Jahresplan festgesetzt. Da ich den Tiroler Anliegen,
wie z.B. der Gasversorgung grosses Interesse entgegenbringe, ich habe
Dr. Bachmeier einige Male empfangen und er hat dies in Tirol überall
scheinbar herumerzählt, komme ich auch bei dem Presse-Gespräch ver-
hältnismässig gut weg. Ich glaube, dass es überhaupt äusserst ziel-
führend ist, bei Aufenthalten in den Bundesländern sofort Kontakt
mit der Presse aufzunehmen. Dadurch fühlen sich die Pressevertreter
dort sehr geschmeichelt, dass ein Minister für sie Zeit hat und
andererseits aber hat man wirklich die Gelegenheit, örtliche Probleme
freimütig zu besprechen. Da ich z.B. in der Tuxer Bergwerksstill-
legung kaum etwas unternehmen kann, genügt es nur, meine Sympathie
für eine befriedigende Lösung aller Beteiligten zu dokumentieren.
Genauso ist es bei der Erdgasversorgung von Tirol. In beiden Fällen
und darüber hinaus in vielen anderen kann ich mich, da ich als
Schiedsrichter ja fungieren werde müssen, aus den Standpunkt zurück-
ziehen, noch jetzt keine endgültige Entscheidung bekanntgeben zu
können und zu wollen. auf Grund meiner Raab-Böhm-Zeit, d.h. der
Zeit der Sozialpartnerschaft, wo ich aktiv mitgearbeitet habe,
glaubt man mir und nimmt man mir ohne weiteres mein Ziel als Schieds-


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richter zu fungieren, ab.

Bei der Landeskonferenz der Lebensmittelarbeiter in Innsbruck gibt
es keinerlei Schwierigkeiten. Die Kolleginnen und Kollegen dis-
kutieren fast kaum mein Referat. Ein einziger Redner meldet sich.
Hier habe ich scheinbar eine beängstigende Autorität. Vielleicht ist
dies darauf zurückzuführen, dass ich mich so wenig wie möglich autoritär
zeige, sondern ganz im Gegenteil immer wieder versuche, die kollegiale
Zusammenarbeit und das gleiche Niveau das heisst mit allen einzelne
Funktionären auf ein gleiches Niveau mich zu begeben. Hinweise auf mein
Ministertätigkeit ist sicherlich für diese Kollegen eine grosse
Auszeichnung, weil sie sich damit identifizieren, lehne ich ganz ent-
schieden ab, und erkläre immer wieder, dass ich nur als Kollege mit
ihnen reden und von ihnen auch als solcher angesprochen werden will.

Anschliessend an die Landeskonferenz bespreche ich mit LH-Stv. Salcher
die Problematik in Tux. Salcher möchte jetzt in der Landesregierung
eine Untersuchung über die dortigen Scheelit-Vorkommen anstellen lassen,
wofür er 500.000 S benötigt. Wallnöfer ist scheinbar nicht bereit,
diesen Betrag flüssig zu machen. Salcher möchte nun, dass der Bund
einen Teilbetrag davon Zur Verfügung stellt. In diesem Fall könnte
er dann ohne weiteres in Tirol die gute Agitation starten, dass
der Bund bereit ist, hier zu helfen und das Land nichts dazu bei-
trägt.

ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte sofort überprüfen lassen, wie wir von der
OB 100.000 S, ohne dass es natürlich irgendwie der anderen Seite be-
kannt wird, zur Verfügung stellen können. Die beste Lösung wäre ein
rechtsverbindlicher Brief vom Handelsminister an den LH-Stv. Salcher
auf Grund einer Aussprache, die ich anlässlich der Messe-Eröffnung ge-
führt habe.

Eine Aussprache mit Berghauptmann Merlin zeigt mit, dass er bereit
wäre, nach Klagenfurt zu übersiedeln. Angeblich hat ihn aber Frau
Min.Rat Wildauer von der OB, die Personal- und Organisationsfragen
behandelt, mitgeteilt, dass er dort nach seiner Pensionierung 1978
die Wohnung weiter behalten könnte. Wenn er aus dieser Wohnung vielleicht
ausziehen müsste, weil ein neuer Berghauptmann dann doch wieder hin-
kommt und keine Stillegung erfolgt, so könnte eine zweite Dienst-
wohnung adaptiert werden. Ich selbst habe mich sofort von dieser


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Aussage distanziert. Ich hatte seinerzeit die Absicht, wenn wir
die Berghauptmannschaft stillegen, den Berghauptmann Merlin in
Klagenfurt die Dienstwohnung, wenn es irgendwie geht, zu belassen.
Voraussetzung dabei wäre aber, dass dies noch während meiner Amts-
zeit geschieht. Merlin selbst hat zwar erklärt, er wird jede
Versetzung zur Kenntnis nehmen, da er diesbezüglich als Beamter ge-
bunden ist, möchte aber doch nur dann übersiedeln, wenn ihm die
Wohnung bleibt, auch dann, wenn er bereits in Pension ist. Ich
selbst bat ihn, er soll sich überlegen, ob er nicht doch vielleicht
vorzeitig in Pension gehen will, wenn ihm dafür die Wohnung ver-
bleibt.

ANMERKUNG FÜR WANKE: Ich brauche glaube ich dringend für die weiteren
Dispositionen, wieviel jede Berghauptmannschaft heute mit Anträgen
oder Entscheidungen befasst wird, insbesondere wäre es wichtig, fest-
zustellen, wieviele Bergwerke und sonstige Objekte, die von der Berg-
hauptmannschaft bearbeitet werden, in jedem einzelnen Bereich der
Berghauptmannschaften liegen.

Nur unter diesem Gesichtspunkt sollten wir eine Stillegung von Klagen-
furt ins Auge fassen, d.h. wenn wir wirklich auch der Landesregierung
nachweisen können, daß in unmittelbarer Zukunft fast nichts und jetzt
bereits schon sehr wenig zu tun ist. Unter diesem Aspekt können wir
dann auch Merlin als alleinigen Ingenieur in der Berghauptmannschaft
Klagenfurt bis zu seiner Pensionierung gegebenenfalls belassen. Dies
müsste allerdings alles schriftlich festgehalten werden und womöglich
von der Landesregierung bestätigt sein.

Tätigkeit: OB


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    Tätigkeit: Innsbrucker Bgm., BP-Kandidat 1974


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        Tätigkeit: erster ÖGB-Präs.


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            Tätigkeit: SChef HM
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                Tätigkeit: Berghauptmann Tirol


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                  Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
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                        Tätigkeit: Außenminister, Bundespräsident
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