Freitag, der 22. September 1972

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Freitag, 22. September 1972

Die Zeiteinteilung bei der Regierungsklausur ist verheerend.
Ebenso eigentlich auch die Ortswahl. Von der Burgenländischen Lan-
desregierung ist – wie mir besonders aufgefallen ist – niemand er-
schienen. Viele Teilnehmer haben auch ein sehr ungutes Gefühl,
dass wir in diesem Schloss tagen und ein Bericht von Landwirtschaftsmi-
nister Weihs über die notwendigen Preiskorrektur entspinnt sich eine
lebhafte Debatte. Die Kalkulation ergäbe, dass 56 Groschen der
Brotpreis erhöht werden müsste und er schlägt vor, dass er 50 Gro-
schen maximal in der Preiskommission genehmigt werden soll. Die
Semmeln sollen unverändert bleiben. Bei Milch ergäbe sich eine Er-
höhung um 30 Groschen, bei Butter um 4.– und bei Käse bis zu 6.– S.
ÖGB-Präsident Benya hätte diese Preiserhöhungen mit Weihs bereits
diskutiert und sei im Prinzip mit dieser Regelung einverstanden.
Kreisky, aber auch Androsch wehren sich ganz entschieden gegen eine
solche Lösung, da dadurch die Sozialrentner am meisten belastet wer-
den. Ohne dass Detaildiskussionen stattfinden, wird ganz einfach
von Kreisky vorgeschlagen, dieses Problem müsste man noch eingehend
studieren und besprechen.

Da ich um 17 Uhr unbedingt nach Innsbruck fahren muss, komme ich –
da für die Presse neuerdings die Sitzung unterbrochen wird – noch
schnell zu einem kurzen Referat. Ich mache den grossen Fehler, da
ich unter Zeitdruck stehe, nicht sehr eingehend und detailliert über
Probleme z.B. der Ostverträge zu sprechen. Durch einige ungeschickte
Formulierungen erreiche ich einen Heiterkeitserfolg, da ich dies
aber nicht beabsichtigt habe, habe ich mich nachher sehr darüber
geärgert. Ich hätte einfach ohne Rücksicht auf die Pressebespre-
chung und ohne Rücksicht darauf, wie lange eben die Information von
mir gedauert hätte, so wie die zuerst drangekommen sind, wie Firnberg,
Androsch usw. ausführlicher referieren sollen. Aus dieser Situation
habe ich sehr viel gelernt.

Bei dem Pressegespräch hat dann Kreisky ganz überraschend für mich
erklärt, dass man den Rentnern diese Erhöhung der Preise nicht
zumuten könne und er deshalb daran denkt, für sie einen Sonderbonus
oder einen Sonderpreis oder eine Vergütung, die aber keinesfalls
durch eine Erhöhung der Renten durchgeführt werden sollte, zu ge-
währen. Androsch soll angeblich erklärt haben, ich selbst es


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persönlich habe es nicht gehört, dass die Rentner einen entsprechenden
Bonus ohne weiteres bekommen können, weil die Adressen computermässig
bekannt sind und deshalb eine Vergütung, die die Verarbeitungsbetriebe
resp. die Landwirtschaft für diese Leute bezahlen müssten, ohne weiteres
überwiesen werden können. Reiter hat mir bereits bei der Pressebesprechung
von Kreisky geflüstert, dass eigentlich dies sehr unzulänglich und un-
vorbereitet für eine Regierung jetzt in die Diskussion geworfen wird,
Kreisky wollte scheinbar nur die Anträge von Weihs, die mit Benya angeb-
lich schon abgesprochen sind, in aller Öffentlichkeit durch ein anderes
System ersetzten. Da es nur eine Preiserhöhung oder eine Subventions-
erhöhung, die der Staat zahlen müsste, oder einen gespalteten Preis
eben für Normalbezieher und für Rentner gibt, so hat er sich für
jede andere Lösung mit Androsch abgesprochen oder vielleicht nur an-
gedeutet, als wie für eine Preiserhöhung. Wie dieses Problem wieder ge-
löst werden wird, ist mir ein Rätsel. Ich bin froh, dass ich nicht so wie
seinerzeit vor der Regierungsklausur in Vöslau beauftragt wurde, für die
Preisproblematik eine Lösung zu suchen. Damals hat ja Kreisky meine
Vorschläge, die ich mit AK und ÖGB abgestimmt hatte, verworfen. Der-
zeit wäre es sicherlich genauso gewesen, wenn ich aus den Lohnerhöhungen
aber vor allem auch der Getreide- und Milcherzeugerpreiserhöhung irgend-
welche Vorschläge gemacht hätte. Derzeit noch muss sich Weihs mit der
Lösung dieses Problems herumschlagen. Mit Schaudern denke ich daran,
wenn tatsächlich dann die grosse Kompetenzlösung mit diese Arbeit über-
tragen wird.

Kirchschläger hat mir mitgeteilt, dass der chin. Botschafter bei ihm
war, um die Quartierfrage zu besprechen. Die Chinesen haben sich jetzt
auf unser ZAS-Gebäude in der Metternichgasse gestürzt, da sie kein
anderes passendes Haus gefunden haben. Ich erkläre mich selbstverständlich
bereit, mit den Chinesen über eine Möglichkeit eines Einziehens in die
Metternichgasse zu sprechen. Voraussetzung mache ich Kirchschläger
drauf aufmerksam, ist, dass ein entsprechendes Ersatzgebäude für unsere
ZAS gefunden werden kann, da die ZAS aus den Aussenhandelsbeiträgen
der BHK finanziert wird, ergibt sich vielleicht die Möglichkeit
eine bessere räumliche Lösung zu finden, wo gleich andere Dienststellen
des HM oder vielleicht sogar auch die ÖFVW günstig untergebracht
werden kann.

ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte unverzüglich solche Besprechungen und Lösungs-
möglichkeiten einleiten.

Tätigkeit: Finanzminister
GND ID: 118503049


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    Tätigkeit: Wissenschaftsministerin
    GND ID: 11869104X


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      Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
      GND ID: 119083906


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        Tätigkeit: Landwirtschaftsminister bis 1976
        GND ID: 130620351


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          Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
          GND ID: 102318379X


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            Tätigkeit: Bundeskanzler
            GND ID: 118566512


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              Tätigkeit: Außenminister, Bundespräsident
              GND ID: 118723189


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                Tätigkeit: Kabinettschef Kreisky [ident mit Reiter, C; 3.11.1971 Fredi Reiter genannt]]


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