Mittwoch, 13. September 1972
In der Vorbesprechung im Integrationsausschuß im Klub zeigte sich,
daß die Abgeordneten eigentlich von uns viel zuwenig informiert werden.
Allerdings ist dies auch furchtbar schwierig, weil man am Anfang ja
gar nicht weiß, welcher Abgeordneter überhaupt zu den einzelnen Punkten
sprechen wird. Die Konzeption von Wanke, der meinte, wir sollten unsere
Vorschläge, vor allem das europareife Programm auf die einzelnen Abge-
ordneten aufgeteilt werden, war ja durch den Klubvorstandsbeschluß,
daß nur drei überhaupt sprechen werden, hinfällig. Die Kollegen vom
Klub die angestellt sind, um die Abgeordneten zu unterstützen, müssen
sich natürlich erst in die Materie einarbeiten. In der Bundesrepublik
ist es in dieser Beziehung besser, weil dort mehrere Assistenten
den Abgeordneten zur Verfügung stehen. Bei uns übernehmen diese Funktionen
eigentlich die Kammern. In der Oppositionszeit war dies eine der Haupt-
aufgaben der Arbeiterkammer. Wenn der Klub aber jetzt als Regierungs-
partei eine selbständige Politik machen will und Detailinformationen
braucht, so muß er sich an die Ministerien wenden. Dort bekommt er
Material und Informationen nur soweit, als es natürlich der Politik
des Ministers entsprecht. Meistens nimmt der Minister an den Vorbe-
sprechungen teil. Damit filtriert er neuerdings die Information, die
gegebenenfalls von seinem Haus an die Abgeordneten gegeben wird. Da
die Beamten meistens keine Sozialisten sind, kommt ja ein Abgeordneter
nicht auf den Gedanken einen Beamten zuzuziehen. Androsch war diesmal
durch einen Währungsgipfel verhindert, so daß in der Vorbesprechung
letzten Endes nach dem sein Büro die Detailinformationen nicht kannte,
der junge Auracher beschäftigt sich wahrscheinlich mit tausenderlei
Dingen, von ihm ein Beamter für den Klub zur Verfügung gestellt worden.
MR. Manhart berichtete dann über die EWG-Durchführungsgesetze, Wanke
vermutete, daß in diesem Gesetz, welches das Handelsministerium nie-
mals zur Begutachtung bekommen hat, unsere Kompetenz eingeschränkt wird.
Natürlich stellte ich in der offiziellen Klubsitzung keine Frage an
Manhart, um dies zu klären. Nach der Vorbesprechung versicherte er
mir, daß Schwarz von uns vollkommen unbegründet diesen Verdacht hegt.
Als wir übrigens dann nachmittags auch tatsächlich bestätigt wurde.
Im Integrationsausschuß selbst war nur die Ausführung von Ermacora
interessant. Ermacora hat jeden Gesetzentwurf, wie mir Kirchschläger
flüsterte, bis jetzt immer genau studiert. Er hat Kirchschläger mit-
geteilt, daß er nicht einem Gesetz zustimmen, aber auch nicht ablehnen
könnte, daß er nicht wirklich in einzelnen kennt. Natürlich betrachtete
er die Verträge hauptsächlich vom juristischen Standpunkt. Ich ließ
mich daher mit ihm auf diesem Gebiet in keine Diskussion ein sondern
beantworte nur die politische Seite seiner Überlegungen. Ich überließ
die speziellen juristischen Fragen, ob z.B. eine generelle Transforma-
tion oder eine spezielle Transformation nötig ist, ob die Rezeption
Verfassungsgerichtshof schon entschieden hat, dem anwesenden Verfassungs-
dienst-SChef Loebenstein. Ich setzte mich mit ihm nur über die Meistbe-
günstigungsfrage . Er meinte, die UdSSR würde dies jetzt entsprechend
verlangen. Über das Problem, daß es sich bei dem gemischten Ausschuß
um ein supranationales Organ handelt, daß Czernetz und ich ganz entschie-
den bestritten, d.h. also nur über die politische Problematik mit ihm
auseinander. Zum Schluß meinte Ermacora selbst, die Juristischen Spitz-
findigkeiten könnten natürlich noch lange diskutiert werden, womit wir
nur zu einem Schlußwort das Stichwort gab, daß Loebenstein und er sicher-
lich noch diese Probleme ausdiskutieren werden. Auf alle Fälle hat siehe
hier bestätigt wie dringend es notwendig ist, daß wir das Kommentar zu
den Verträgen in die Hand bekommen. Wenn nämlich Universitätsprofessoren
oder sonstigen Außenstehende diese Arbeit machen, kann man sich unge-
fähr vorstellen, in welcher Richtung dann die Diskussion laufen würde.
Nachdem Reiterer jetzt zugestimmt hat in dem Verein beizutreten, wird
es dringend notwendig, die anderen Kuratoriumsmitglieder, d.h. den ÖGB
und die Handelskammer so schnell wie möglich für die Mitarbeit zu ge-
winnen, damit der Verein ins Leben gerufen wird.
Anmerkung für WANKE
Statut bitte sofort ausarbeiten.
Die anderen Diskussionsbeiträge der Abgeordneten bewegten sich im üblichen
Rahmen und waren daher von mir zwar einzeln aber leicht zu beantworten.
Mitterer meinte, daß wir uns in der letzten Zeit nicht einmal über Pimperl-
fragen einigen konnten und sehr kleinkariert vorgegangen sind. Da ich ich
dies sofort auf die Begleitmaßnahmen, die die ÖVP vorgelegt hat, bezog,
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desavouierte er damit eigentlich seine eigenen Parteifreunde. Karasek
befürchtete, daß wir durch den 10-Jahres-Vertrag eine Neuformulierung
Maisbegünstigung mit der UdSSR vereinbaren und kündigte schärfsten
Widerstand an, wenn wir auf das finnische Niveau gedrückt werden. Zum
Glück ist es mir gelungen, die endgültige Fassung auch mit Zustimmung
der Handelskammer, Mussil hat ja letzten Endes der Formulierung zuge-
stimmt, abzuschließen, sodaß ich ihn beruhigen konnte, indem ich er-
klärte, daß nicht nur das Außenamt darüber gewacht hat, daß das Handels-
ministerium aus handelspolitischen oder sonstigen Gründen hier nachge-
gegeben hätte, sondern daß auch die Handelskammer wohl der Garant dafür
ist, daß in der Maisbegünstigung kaum weitere Zugeständnisse gemacht
werden. Beide haben aber der Formulierung zugestimmt.
Im Parteivorstand, wo ich leider zu spät kam, berichtete bereits Kreisky
Wie es auch in diesem Gremium darauf hin, daß wir uns von der Opposition
keinesfalls einen Minister abschießen lassen. Lütgendorf hat es ganz be-
sonders schwer, weil sie ihn natürlich als Verräter an der Militärsache
hinstellen wollen, weil der mit der SPÖ kooperiert, zusammenarbeitet.
Er kündigte auch in diesem Forum nur an, daß Vorschläge über die Europa-
reife von Androsch im Nationalrat am Donnerstag gebracht werden. Bedeu-
tend war sein Hinweis. daß wir ein Planungskonzept erstellen sollten.
Ausgehend von der großen Stahllösung, die a ja als einen bedeutenden
Schritt bezeichnet, müßten auf allen Sektoren Konzepte entwickelt werden.
Zu diesem Zweck möchte er auch die Experten, die das Wirtschaftspro-
gramm seinerzeit bearbeitet haben, wieder aktivieren.
Anmerkung für WANKE
Wenn möglich, sollten wir bis vor diesem Zeitpunkt noch einmal unsere
wirtschaftspolitische Aussprache durchführen.
In der Diskussion beschwerte sich Tillian vom Arbeitsbauernbund ganz
entschieden, daß er keinen Kontakt zum Landwirtschaftsminister besitzt.
Wenn meistens alles mit den anderen abgesprochen ist, erfährt dann der
Arbeitsbauernbund, der im Vorzimmer warten muß. Da Kreisky in Wirklich-
keit den Allgemeinen Bauernverband wesentlich mehr favorisiert als den
Arbeitsbauernbund, entschuldigte er Weihs dadurch, daß er erklärte, die
Regierung müsse hier selbstständig handeln und wolle den Bauernbund
keine Möglichkeit der aktiven Tätigkeit geben und hat daher max. die
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Absicht der Präsidentenkonferenz Dr. Lehner Informationen zu geben und
mit ihm Probleme zu besprechen. Kreisky ging auch nicht auf den Vor-
wurf von Tillian an, der erklärte, er hätte gehört, daß aus den
4 Mio. S, welche jetzt zur Information den Bauernverbänden zur Verfügung
gestellt wird, eine eigene Agrarpostille resp. eine Agrarkorrespondenz
errichtet werden sollen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, daß der
Arbeitsbauernbund sehr sauer ist. Als wir die Verhandlungen am Samstag
in der Messe wegen der Landmaschinenpreise führten, hat sich bei uns
auch der Allgemeine Bauernverbandvertreter gemeldet und erklärt, er
würde ja sowieso im engsten Einvernehmen mit dem Arbeitsbauernbund
kooperieren. Mit anderen Worten er hat sozusagen die Verbindung zu
den Ministerien und dann sagt erzählt irgendwelche Informationen auch
dem Arbeitsbauernbund weiter.
Anmerkung für HEINDL
Bitte in unserem Ressort auf alle Fälle dafür Vorsorge zu tragen, daß,
wenn eine Bauernorganisation, außer der Landwirtschaftskammer, infor-
miert oder eingeladen wird, dann selbstverständlich auch sofort der
Arbeitsbauernbund heranzuziehen ist.
Da Sebastian kritisierte, daß früher der Parteivorstand vor der Budget-
erstellung inmer informiert wurde, hatte in der Diskussion dann auch
Androsch einige Globalinformationen geben. Allerdings nannte er keine
einzige Ziffer. Er wies nur darauf hin, daß insbesondere das Wehrbudget
von Lütgendorf keiner Kürzung unterworfen werden kann. Lütgendorf ist
durch die Ausgaben Praders mit 20 % seines Budgets bereits vorbelastet.
Außerdem sollen, um den Steyr-Werken zu helfen, welche über 1.000
Traktoren und noch vielmehr Lastkraftwagen unverkäuflich auf Lager
liegen haben, größere Anschaffungen getätigt werden.
Anmerkung für HEINDL
Bitte Termin zwischen Finanzminister, mir und Gen.Dion Steyr-Werke
vereinbaren.
Meine einzige interessante Episode hat sich im Vortrag von Kreisky
ergeben, als er über den Vertragsabschluß mit der EWG kurz berichtete.
Er meinte es stelle sich jetzt heraus, nachdem Finnland bis jetzt
nicht unterschreiben durfte, wie glücklich wir sein können und daß er
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hauptsächlich mit nach Brüssel gefahren ist nicht um mich in den
Schatten zu stellen, weil damit auch unsere Unabhängigkeit besonders
betont werden sollte. Kreisky hat, wenn er Maßnahmen setzte, von denen
er selbst nicht ganz überzeugt ist, ob sie gegenüber allen anderen
Mitglieder der Regierung oder auch von Parteikreisen richtig ist,
immer das Bedürfnis im nachhinein, wenn die Sache schon längst er-
ledigt ist, Begründungen zu finden und zu geben, warum er diesen
Schritt getan. Er hat ein sehr feines Gespür, wo er selbst Maßnahmen
setzt, die nicht alltäglich oder normal sind und beginnt dann bereits,
bevor er diese Maßnahmen setzt, entsprechend vorbereitende Gespräche zu
führen und sich bestätigen zu lassen, daß er hier richtig ist und nach-
hinein noch ebenfalls als Abklang immer wieder die Begründung den
einzelnen Stellen und insbesondere den Ministern zu geben. Damit glaube
ich überzeugt er sich teilweise selbst und versucht aber vor allem die
anderen davon zu überzeugen. Kreisky kennt also das Dilemma sehr genau.
Er hat auch diesbezügliche Bemerkungen schon mir gegenüber gemacht,
daß die andere Seite eben das Gefühl hat, daß er allein alles entscheidet
und dirigiert. Zweifelsohne trifft dies auch zu, was nebenbei bemerkt
aber die Stärke der Regierung darstellt. Solange es wie die letzten
Umfragen ergeben, in der SPÖ noch immer der Eindruck vorherrscht, daß
diese Regierung äußerst aktiv und erfolgreich ist, kann diese Politik
natürlich überhaupt nirgends Anstoß erregen, außer bei vielleicht
einzelnen Personen, die davon betroffen sind, Typisches Beispiel dafür
war, Kreisky selbst hat es im Parteivorstand zwar nicht als Beispiel,
aber als Erfolgsmeldung mitgeteilt, die Stahlfusion. Anfangs waren
alle sehr skeptisch und Koller, der jetzige Gen.Dir. wollte überhaupt
nicht die Aktion als führender Mann unterstützen. Kreisky hatte auch
etliche Schwierigkeiten in OÖ seinen Plan durchzusetzen. Jetzt dagegen,
wo die Aktion als erfolgreich auf politischer Ebene als abgeschlossen
gilt, teilte er dem Vorstand mit, daß Koller jetzt einen Wandel durch-
gemacht hat, wie man ihn sich nicht vorstellen könne. Koller selbst ist
jetzt begeistert von dieser Idee und ersetzt seine ganze Kraft darein
um wirklich mit 1.1.1973 einen geschlossen Vorstand zu haben und ein
Konzept zu entwickeln, wo die VÖEST und Alpine in Hinkunft nur mehr
gemeinsam auftreten werden und wirklich eine Einheit bilden werden. Man
muß anerkennen, daß die Eloquenz und die geschickte Verhandlungsführung
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Kreiskys wirklich oft schwierigste Probleme dadurch lösen kann, daß
er wie z. B. in der Stahlfrage Benya dafür gewinnen konnte und so
eigentlich Gewerkschaft und Partei einheitlich an den Konzept gear-
beitet und durchgezogen haben. Wahrscheinlich dürfte die Bevölkerung
diese Aktivität und vor allem auch dieses Entscheiden und Weiterbringen
denn sonst könnte sie nicht trotz der riesigen Preissteigerungen zu
einer positiven Einstellung noch immer kommen. Wenn auch die Gallup-
Ziffern insofern wieder falsch sind, als sie die Unentschlossenen
Wähler wieder aufgeteilt haben und so zu den 50,5 % SPÖ-Mehrheit kommen,
so zeigt sich doch, wenn man diesen Fehler auch wegläßt, eine starker
Verlust der SPÖ noch nicht festzustellen ist.
In der Grundsatzgruppe berichtet über unseren Vorschlag betreffend
der Versorgung der zuckerverarbeitenden Industrie mit Rohstoffen.
Zum Unterschied von der interministeriellen Kommission, wo ich auch
den Vorsitz immer übernehme, hatte ich natürlich gar nicht die Absicht,
Meisl irgendwie in seiner Tätigkeit zu beschränken. Ich ließ ihm des-
halb den Vorsitz führen und habe nur mich als Referent und Berichter-
statter zur Verfügung gestellt. Nach einer Grundsatzdebatte, die sehr
sehr lange dauerte, wurde aber dann letzten Endes doch entschieden, daß
ein kleines Komitee aus den Interessensvertretungen und dem Finanz-
ministerium und Landwirtschaftsministerium versuchen sollte, eine
Formulierung für diese Probleme zu finden. Ein kleines Detail am Rande:
In der Anwesenheitsliste, wo ich mich selbstverständlich dann zuletzt
auch immer eintrage, hatte sich zwar der anwesende SChef Römer einge-
tragen, wohl aber hat Reiterer darauf verzichtet. Nach der Sitzung kam
Dr. Smolka vom Fachverband der Nahrungsmittelindustrie zu mir und
meinte es wäre doch zielführend, wenn außer dem dominierten auch ein
Herr des Hauses noch bei dieser Arbeitsgruppe anwesend wäre. Da er mir
als den besten Fachmann Dr. Bachmayer vorschlug, ich hätte eigentlich
erwartet, daß an 1. Stelle Hauffe nennt, verständige ich unverzüglich
Meisl von diesem Vorschlag, der auch zustimmte, Bachmayer zuzuziehen.
Ich ersuchte ihn ausdrücklich bei der Nominierung von Bachmayer auf
den Wunsch des Fachverbandes hinzuweisen.
Reiterer klärte, mich unbedingt sprechen zu müssen und machte mir dann
den Vorschlag, er hätte bereits seit 1954 vergeblich den Minister da-
für zu gewinnen, daß wir Handelsattachés verlangen. Ausgelöst wurde
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dieser Vorschlag wahrscheinlich von der Mitteilung, daß jetzt auch
das Wissenschaftsministerium Wissenschaftsattachés bei den Botschaften
möchte. Ich bin überzeugt, daß Firnberg mit diesem Vorschlag nicht
durchdringen wird, schon allein aus finanziellen Gründen, habe aber
Reiterer nicht von seiner Schnapsidee abgebracht. Ich wies nur
darauf hin, daß doch die Handelskammer hier große Schwierigkeiten
machen würde, was er aber geflissentlich überhörte. Ich rief Koppe
und Heindl zu dieser Besprechung und ermächtigte Reiterer, seinen
Plan mit der Handelskammer, Dr. Gleißner, zu besprechen. Ich bin
überzeugt, davon, daß dies wie eine Bombe einschlagen wird. Die
Handelskammer, insbesondere Sallinger, wird vermuten, daß in diesem
Falle die Außenhandelsstellen unterlaufen werden sollen. Da die
Handelsattachés von anderen Staaten sich überhaupt nicht bewähren,
meisten sind es Graf-Bobby-Typen, die sich mit den Kleinkram von
Geschäftsabschlüssen gar nicht auseinandersetzen wollen, denke ich
nicht daran Handelsattachés tatsächlich zu verlangen. Im Prinzip
kann es aber nur sehr gut sein, wenn Reiterer jetzt mit seiner Idee
bei der Handelskammer einmal vorfühlt, um sich sicherlich genau die-
selbe Abfuhr zu wohle , wie dies seit 1954 der Fall gewesen ist.
Tagesprogramm, 13.9.1972