Donnerstag, 14. September 1972
Im Nationalrat kommt vor der Sitzung noch Schleinzer zu mir und
erklärt, daß er von mehreren Seiten erfahren habe, daß ich gestern
bei der Sitzung im Handelsministerium mich ganz entschieden gegen
die Prüfung einer Erstattung gewehrt hatte. Ich erkläre ihm, daß
ich richtigerweise keine Ermächtigung habe über die Erstattungsregelung
die Verhandlungen abschließen zu können und deshalb auch aus zeit-
ökonomischen Gründen es für unzweckmäßig halte, über dieses Problem
so lange zu diskutieren. Ich glaube und erkläre dies auch nachher
in der Haussitzung ganz öffentlich, daß es zweckmäßiger ist, zuerst
einige Möglichkeiten für die Süßwaren und chem. Industrie zu finden,
wie man den Zucker zu Weltmarktpreisen an diese Industrie weitergeben
kann. Wenn über dieses System eine Einigung erzielt wird, dann wäre
als nächster Schritt die Mehlregelung zu suchen. Als letztes bliebe
dann das Problem der stärkeverarbeitenden Industrie. Sollte sich da-
bei herausstellen, daß wir nicht imstande sind diese Probleme befrie-
digend zu lösen, bin ich natürlich gerne bereit, als 3. Punkt oder
3. Phase natürlich auch die gewünschte Erstattungsregelung zu diskutieren
Diese Vorgangsweise muß ich versuchen der anderen Seite aufzuzwingen.
Wenn dies nämlich nicht gelingt fürchte ich, daß letzten Endes natürlich
dann bei der Verhandlung über das Globalabkommen eine neuerliche Phase
der Konfrontation zwischen der ÖVP und der Bundesregierung in dieser
Frage stattfindet, ohne daß wir einen entsprechend gemeinsamen erarbei-
teten Vorschlag hätten. Kommen wir nämlich zu einer gemeinsamen Lösung
dann ist gesichert, daß nicht nur das Globalabkommen einstimmig be-
schlossen wird, sondern was noch viel wichtiger in meinen Augen ist,
wir nicht wieder in dieselbe Verhandlungssituation kommen, als wie
bei den Interimsabkommen. Als die ÖVP ihre Begleitmaßnahmen gefordert
hat, hat Kreisky zuerst das Konzept vorgeschlagen man sollte der ÖVP
keinerlei bedeutende Zugeständnisse machen, sondern dann in einer ei-
genen Konzept die ÖVP übertrumpfen. Dadurch hat allerdings jetzt die
Regierung zweimal zahlen müssen, wenn man von den Einnahmeverzichten
des Finanzministers ausgeht. Bei den Verhandlungen mit der Handelskammer
mußte Androsch doch einige Zugeständnisse machen, wobei auch er aller-
dings im Klub erklärte, er hätte dies sowieso beabsichtigt gehabt, auf
der anderen Seite aber mußte er dann noch um der Wirtschaft zu zeigen,
12-1099
daß wir ihre Situation vollkommen verstehen, dann weitere Zugeständnisse
machen. Wieweit diese Punkten finanziellen Ausfall bedeuten, kann ich
überhaupt nicht abschätzen. Ich hoffe, daß Androsch dies weiß, denn
Kreisky fragte mich während seiner Erklärung, was die einzelnen Punkte
bedeuten sollten und ich erklärte ihm rundwegs, daß ich dies nicht be-
urteilen kann. Der von Kreisky beabsichtigte politische Effekt ist in-
sofern natürlich eingetreten, als Schleinzer als erster Redner sehr
verärgert über die Vorgangsweise erklärte, er hätte zu spät die Vor-
schläge vom Finanzminister gestern abends erst bekommen und habe des-
halb abgelehnt, sie überhaupt nur zu lesen. Da Androsch diese neuen
Steuervorschläge in das Einkommensteuergesetz zusätzlich einbauen muß,
wird der ÖGB eine weitere kritische Stellungnahme dazu abgeben. Da man
mich vom Klub ersuchte, ich sollte nach Sallinger in die Diskussion
eingreifen, mußte und versuchte ich die Erstattungsfrage in Details zu
erörtert. Aus diesem Grunde benützte ich nur einen Teil der Unterlagen
von Wanke, bis sich später herausstellte, zu meinem Glück, dieselben
Unterlagen hat auch Sekanina gehabt. Dadurch entstand bei ihm der Ein-
druck und er hat mir dies auch zwar in freundschaftlicher aber deut-
licher Weise zu verstehen gegeben, daß ich ihm einen Teil seiner Rede
damit weggenommen habe. Die beste und einzige Konsequenz ist in meinem
Augen ja doch nur auf die Debattenreden einzugehen. Dies ist meine
Stärke bis jetzt gewesen und gibt mir die Möglichkeit, auch die ent-
sprechenden Konzepte, Pläne oder Verhandlungen im eigenen Haus zu er-
örtern und zu begründen. Der Nachteil ist, daß die mit der Materie nicht
so vertrauten Abgeordneten insbesondere der FPÖ, die ja keinen direkten
Draht zu den Verhandlungen im Handelsministerium hat, dann mit Recht
erklären können, wie dies der nachfolgende FPÖ-Abgeordnete Broesigke,
sagte, sie kennen sich jetzt überhaupt nicht mehr aus. Ich hätte keine
Ermächtigung über die Erstattung zu verhandeln heißt in seinen Augen,
daß ich ja doch für die Erstattung bin und mich nur nicht in der Re-
gierung durchgesetzt habe. Hier sei also die Regierung in sich nicht
einig. Dr. Lanner meinte dann sogar noch mit Recht, daß Weihs sich
für die Erstattung ausgesprochen hat und sogar einen Brief an die Prä-
sidentenkonferenz richtete, wo er die Erstattungsregelung ausdrücklich
forderte. Koren fragte bei mir an, ob ich neuerdings das Wort ergreife,
weil dann auch er in die Debatte einsteigen muß. Da er dies aber nicht
wollte, was ich klar und deutlich aus seinen Bemerkungen entnehmen
konnte, erklärte ich mich bereit, nicht mehr zu den aufgeworfenen Fragen
12-1100
Stellung zu nehmen. Wiedereinmal mehr bestätigt sich meine Auffassung.
Das Finanzministerium, welches für die Erstattungsfrage kompetenzmäßig
und auch der Sache nach zuständig ist, hat bis jetzt nur eine negative
Einstellung zu diesem Problem geäußert. Der Finanzminister und ganz be-
sonders der Bundeskanzler haben eine solche Lösung entschieden abgelehnt.
Der 2.-zuständige Landwirtschaftsminister hat aber aus welchen Gründen
immer, ich kann sie nicht überprüfen, mehr oder minder eine Erstattungs-
regelung akzeptiert. Wir im Handelsministerium können nun gar nichts
anderes tun, als zu versuchen, einige andere Lösungen zu finden. In
letzter Phase aber bin ich überzeugt, wird es auf eine beschränkte Er-
stattungsregelung hinauslaufen, der man nur einen anderen Namen wird
geben müssen. Der Bundesrat der Schweiz hat in seiner Botschaft auch
noch nicht dezidiert erklärt, daß er sich dem System der EWG anpassen
wird, aber doch bereits Andeutungen gemacht. Diese Botschaft vom 16.8.72
hat das Finanzministerium aber auch das Handelsministerium besessen.
Als nämlich Kreisky mich ersuchte die Unterlagen ihm zur Verfügung zu
stellen, ging ich zu Reiterer und Steiger, in der Hoffnung, daß sie
sie verschaffen können. Ich war auf der einen Seite sehr positiv über-
rascht, als Steiger die Tasche öffnete und sofort diese Unterlage her-
auszog. Auf der anderen Seite war ich natürlich ein bisschen verärgert,
weil eine solche Unterlage ich auf alle Fälle vorher sehen wollen. Viel-
leicht hat man im Hause befürchtet, daß wenn man mir diese Unterlagen
zeigt, ich darauf bestehen würde, daß wir dies unverzüglich auch für
Österreich ausarbeiten sollten.
Anmerkung für WANKE
Bitte sofortigen Auftrag geben für das Globalabkommen eine ähnliche
Schrift vorzubereiten.
Ich glaube, daß wir, wenn das Globalabkommen im Parlament zur Debatte
steht, eine solche Erklärung die sie die Botschafter des schweizerischen
Bundesrates an die Bundesversammlung bedeutet, ebenfalls vorlegen. Sie
braucht keinesfalls so umfangreich sein, doch muß ich im Prinzip nach
derselben Art und Weise, als dies die Schweizer getan haben. Ich weiß,
daß damit schon die Arbeit des zu erstellenden Kommentars weitgehend
vorweggenommen wird, doch halte ich eine solche umfangreiche Ausarbei-
tung für dringendst notwendig, um unsere Reputation zu retten. Schleinzer
12-1101
hat nicht zu unrecht bei der Eröffnung seines Debattenbeitrages auf
diese Botschaft hingewiesen. Androsch hat hier eingehackt und mit Recht
darauf verwiesen, daß die Botschaft nur den Inhalt des Vertrages wieder-
gibt. Wenn Schleinzer mich in diesem Punkte angegriffen hätte, wäre mir
nichts anderes übrig geblieben, als darauf hinzuweisen, daß eben für
das Interimsabkommen es sich nicht ausgezahlt hätte, eine so umfang-
reiche Arbeit infolge der Arbeitsüberlastung der Beamten in Angriff zu
nehmen. In Wirklichkeit muß ich sagen, eine sehr weiche ausrede. Ich
glaube, daß diese Arbeit nun Priorität 1 haben muß.
Auf der Regierungsbank urgierte ich bei Kreisky neuerdings die Lösung
der Brüsseler Mission. Vorher hatte ich Kirchschläger bereits mitgeteilt,
daß ich ihm jetzt einen Briefentwurf über die Ablöse von Leitner schicken
werde. Kirchschläger ist zwar nicht sehr glücklich, aber als guter Freund
erklärt er mir, er wird irgendeine Lösung mit Leitner anstreben, um den
Posten freizumachen. Vor Schluß der Sitzung teilt mit dann Kirchschläger
noch mit, daß er mit Leitner gesprochen hat und ihm zu verstehen gegeben,
daß er mit Jahresende doch damit rechnen muß, Brüssel zu räumen. Leitner
hatte auch eine Aussprache mit Kreisky, wie mir Kirchschläger mitteilte,
wobei Kreisky angeblich von diesem Problem zu sprechen begonnen und
Leitner zugesichert hat, daß er eine entsprechende Verwendung für ihn
suchen wird. Da Kirchschläger mir erklärt, daß normalerweise nicht am
1., sondern am 15., d.h. Mitte des Monates eigentlich die entsprechenden
Wechsel der Botschafter erfolgen, ersuche ich Kirchschläger den 15.12.
in Aussicht zu nehmen. Kirchschläger sagte mir, daß es üblich ist 3
Monate vor Abberufung den Botschafter zu verständigen. Diese Frist wäre
eigentlich formell jetzt eingehalten. Allerdings ist Leitner dies noch
nicht offiziell mitgeteilt worden.
Anmerkung für HEINDL
Bitte unverzüglich einen Briefentwurf auch vielleicht mit dem Außen-
ministerkabinettschef besprechen und vorbereiten.
Bei der dringlichen Anfrage über die Schulbuchaktion kam mir der furcht-
bare Gedanke, daß wir mit unserer Aktion über die Kennzeichnung der
Kraftfahrzeuge bezüglich Überprüfung eine ähnliches Debakel erleben
könnten. Ich kann mir sehr gut vorstellen, daß die Beamten des Unter-
richtsministerium diese Schulbuchaktion ebenfalls mangelhaft vorbe-
reitet haben. Wenn Koppe nicht, vielleicht sogar durch einen reinen
12-1102
Zufall auf die Zustände bei uns im Haus gestoßen wäre, hätte sicherlich
auch die Abteilung weitere Monate noch verstreichen lassen, ohne kon-
kret die entsprechenden Veranlassungen zu treffen. Um dem vorzubeugen,
sollten wir jetzt unverzüglich einen Zeitplan erstellen, wo wir genau
festlegen, was und wer zu welchen Zeitpunkt Maßnahmen setzen muß.
Dem Hinweis der Abteilung, daß es sich hier um die Durchführung nicht
kümmern muß, denn dies sei Landessache oder gar Angelegenheit der Bezirks-
hauptmannschaften, d.h. auf alle Fälle irgendwelchen nachgeordneten
Stellen, kann ich nicht akzeptieren. Niemand nimmt bei einem solchen
Debakel dem Minister eine solche Entschuldigung ab. Verantwortung
liegt natürlich ausschließlich bei ihm. Wenn auch der Kurier, als
Koppe dies aufdeckte, sehr zurückhaltend schrieb, kann ich mir sehr
gut vorstellen, wenn dann dieses Problem an die Millionenkraftfahrer
herangetragen wird, sehr wohl eine wesentlich andere Schreibweise
in den Massenmedien zu verzeichnen ist. Mein eventueller Hinweis dann,
daß bis jetzt die Autos überhaupt nicht, wie im Gesetz vorgesehen ist,
überprüft wurden, wird dann niemanden veranlassen, mich in Schutz zu
nehmen. Für den Autofahrer ist es nämlich von seinem engeren Standpunkt
ganz egal, wenn er durch mangelnde organisatorische Möglichkeit jetzt
nicht alle 2 Jahre zur Überprüfung mußte. Er empfindet dies sowieso
nur als eine Belästigung.
Anmerkung für HEINDL und KOPPE
Mit Metzner Zeitplan erstellen und kontrollieren.
Tagesprogramm, 14.9.1972
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)