Freitag, 7., bis Sonntag 9. Juli 1972
Die Klubführung ist bei einer Präsidialsitzung schon deshalb beginnen
die einzelnen Abgeordneten zu murren, über die Taktik im NR. Fachlich
haben sie einen guten Anhaltspunkt, weil tatsächlich die Unterlagen
zum Wirtschaftsbericht auch unsere Genossen sehr spät bekommen haben.
Später noch als die Klubs der anderen Parteien. Niemand hätte sich
die Unterlagen tatsächlich angesehen, auch dann wenn sie früher gekommen
wären. Vor allem nicht Pölz, der sich darüber am meisten aufregt. Sekanina
wieder, der insbesondere die Taktik angreift und meint, der Klubvor-
stand hätte dies alles besser vorbereiten müssen. will – so habe
ich das Gefühl – auf Urlaub gehen und sieht, dass die Sitzungen sich
auf alle Fälle noch über Sonntag hinaus erstrecken könnten. Maier meint,
wer Vernunft jetzt zeigt und aus dieser Situation herausführt, gewinnt die
Partie. Sicher ist, dass die Kontakte, die die einzelnen Mitgliedern
des Klubs mit den anderen Parteien haben, dazu führen, dass selbst tak-
tische Überlegungen wie z.B. es werden mehr Redner in die Debatte geworfen
damit die Möglichkeit besteht, am nächsten Tag erst mit einem Problem zu
beginnen, Gratz versucht zwar dann zu erklären, dass eben z.B. die ver-
staatlichte Industrie von so grosser Bedeutung ist, dass eben mehrere
Redner sich zu Worte melden, letzten Endes wurden ja viele Abgeordnete
aus diesen Wahlkreisen von Beschäftigten der Verstaatlichten Industrie
gewählt und es ist daher selbstverständlich, das-s sie in der Wirtschafts-
debatte das Wort ergreifen. Dass normalerweise aber nur ein Sprecher für
die verstaatlichte Industrie zu Worte kommt, ist bekannt und deshalb
ergibt sich eine so grosse Fülle von Wortmeldungen, dass man eben
filibustert. Das kann dann wieder dazu führen, wenn um 9 Uhr Abends
eine Gesetzesmaterie dann doch abgeschlossen werden soll, wie z.B.
das Preisbestimmungsgesetz, dass dann nicht einmal mehr die Minister
das Wort ergreifen können. Beim Preisbestimmungsgesetz kann ich mir
das deshalb auch leisten, weil der Angriff, den z.B. Sallinger vorgetragen
hat, so charmant und vor allem einmal so mit Entschuldigung präsentiert
wurde, dass man wirklich darüber hinweggehen kann. Das Einzige, was er
wirklich vorbrachte, war, dass ich versucht hätte, bei der Benzin-
preiserhöhung die Unternehmer unter Druck zu setzen, indem ich ihnen
lange Zeit den Benzinpreis, der berechtigt war, den die Ölgesellschaften
gefordert hatten, nicht zugestanden habe, letzten Endes musste sie nicht
zuletzt, wie er sagte, durch meinen Charme die 20 Groschen akzeptieren.
Wenn die gesamte Preisregelung in unserem Haus konzentriert werden
wird, muss ich in wichtigen Preisbestimmungen resp. in wichtigen
Preisfragen, ob und welche Regelung man in Angriff nehmen wird, unbe-
dingt meine Taktik mit den Unternehmungen persönlich zu verhandeln,
durchziehen, dann kann ich damit rechnen, dass ich verhältnismässig wenig
Angriffe zu erwarten habe.
Minister Rösch, der froh ist, wenn er die Preisregelung los wird, koope-
riert wirklich phantastisch. Auf meinen Wunsch, uns entsprechende Leute
zur Verfügung zu stellen, meint er, er würde alle sofort abtreten,
wenn Singer davon zu überzeugen ist. Ich ersuche ihn aber insbesondere,
er möge eine Frau Dkfm. die in der Abteilung von Singer arbeitet und
sehr tüchtig ist, jetzt schon vorzeitig so wie Marsch uns zur Ver-
fügung zu stellen.
Mussil hat die Gelegenheit benützt, um bei der Wirtschaftsdebatte neuer-
dings die Bürges im Parlament zur Sprache zu bringen. Er weiss gar
nicht, welch grossen Gefallen er mir damit macht. Erstens kann ich
nachweisen, dass ich damit nichts zu tun habe, denn letzten Endes hat
ja der Aufsichtsrat beschlossen, die Geschäftsordnung den Richtlinien
anzupassen und zweitens sind diese Bestimmungen alle aus der Zeit meiner
Amtsvorgänger. Wichtig ist, dass ich die Bürges jetzt reorganisieren
werde und kündige dies auch im Parlament an. Wenn ich die Reorganisation
der Bürges auch durch den Austausch mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden
und vor allem den Mitgliedern im Herbst dann in Angriff nehme, kann
ich mich immer auf die Attacken des Bundeskammer-Generalsekretärs be-
rufen. Obwohl alle durch mein Wochenprogramm wissen müssen, dass ich des
öfteren in die Bürges zu Sitzungen gehe, trotzdem aber niemals einen
Bericht von den Aufsichtsratsmitgliedern bis jetzt erhalten habe, kann
und werde ich auf diesen Umstand ganz besonders hinweisen. Bei der
nächsten Sektionsleitersitzung werde ich auch ganz dezent, so dass es
niemandem auffallen soll, aber doch dann im Sektionsleiterprotokoll
verankert ist, auf die Tatsache der Attacke von Mussil wegen der Bürges
zu sprechen kommen.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte mich erinnern und Protokoll dann entspre-
chend abfassen.
Die Aussenhandelsstellenleiter von den Oststaaten berichten über ihre
Eindrücke, leider ist Meisl auf Urlaub und Hillebrandt traut sich
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natürlich auch nicht soweit die Staaten referieren, für die er
zuständig ist, in diesem Forum eine Kritik oder zumindestens entspre-
chende Fragen zu richten. Ich selbst habe, da die nächste Sitzung nach
1 1/2 Stunden bereits wieder festgesetzt ist und ich insbesondere auch
einige Male den Sitzungssaal verlassen muss, um zu Abstimmungen ins Haus
zurückzukehren, auch nicht die Möglichkeit, die Debatte so zu lenken,
wie ich es gerne hätte. Wichtig ist, dass wir auch mit den Staaten, die
mit der EWG assoziiert sind, wie Griechenland und die Türkei entsprechende
Verhandlungen werden führen müssen, um nach unserem Arrangement auch mit
diesen Staaten neue Übereinkommen zu erreichen. Griechenland wird durch
die EG-Vereinbarung bis 1981 die Zölle abbauen. Türkei, die mit 1.9.1971
den Assoziierungsvertrag mit den EG abgeschlossen hat, wird innerhalb von
12–22 Jahren die Zölle auf Null senken. Österreich müsste deshalb mit die
diesen beiden Staaten auf neuer Verhandlungsbasis Verträge abschliessen.
Für Griechenland gilt noch immer das Textil-Tabak-Abkommen, welches
Österreich auf dem Textilsektor sehr benachteiligt, weil eben aus
Konsumgründen die griechischen Tabake von der Tabakregie nicht mehr in dem
Umfang gekauft werden, wie man seinerzeit bei Abschluss des Abkommens
geglaubt hat. Jugoslawien wird ein neues Devisenregime einführen.
29 % war bis jetzt liberalisiert und 25 % war Einzelkontingent z.B.
für Eisen und Stahl und andere wichtige Produkte, der Rest war ein
sogenanntes Globalkontingent, wo die Firma über die Devisen, die sie
erarbeitet hat, selbst entscheiden könnte. Dieses Kontingent wird nun
aufgelöst und teilweise dem Liberalisierungskontingent resp.
den Einzelkontingenten zugeschlagen. Übereinstimmend stellen – soweit ich
anwesend war – die Aussenhandelsstellenleiter fest, dass man in Wirklichkeit
an dem Bilateralismus in den Oststaaten festhalten soll. Die von uns
beabsichtigte und auch den Oststaaten mehr oder minder zugesagte Liberali-
sierung bis zum Jahre 1975 wird uns keine Verstärkung des Osthandels
bringen. Ganz im Gegenteil, es besteht die Gefahr, dass die Planstellen
dann weniger Importe aus Österreich einplanen, da sie ja doch die Export-
möglichkeit, die sie haben, gegen freie Devisen nur in Österreich günstig
absetzen können. Wenn man sich die rückläufigen Ostexporte von unserem
Standpunkt ansieht, so haben sie scheinbar wirklich mit dieser Behauptung
recht. Ich bin überzeugt, dass ich in einigen Jahren von der Handelskammer
hart attackiert werde, weil ich eben durch diese Politik den Osthandel
nicht zu einem entsprechenden Aufstieg, sondern im Gegenteil zu einer
Stagnation verholfen habe. Sicherlich ist diese Politik von meinem Amts-
vorgänger bereits eingeleitet worden und ich werde mich natürlich auf ihn
mit Recht ausreden können. Ich glaube aber, dass es doch von Bedeutung
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wäre, zu überlegen, ob man nicht durch eine entsprechende andere Möglichkeit
den Osthandel wirklich verstärkt aufbauen könnte. Zweifelsohne werden
dazu die Kooperationsverträge, die jetzt abgeschlossen werden, beitragen.
Bevor aber diese Kooperationsverträge den Umfang des jetzigen normalen
Handels erreicht haben, wird es noch sehr lange dauern. Diese Durststrecke
wird durch eine Schrumpfung des Osthandels gezeichnet sein. Ausserdem
ergibt sich die Notwendigkeit, dass bei diesen Kooperationsverträgen den
Oststaaten entsprechende langfristige Kredite zur Verfügung gestellt
werden müssen. Nur unter diesen Bedingungen sind sie nämlich bereit,
entsprechende Anlagen von Österreich zu kaufen. Die Kreditgewährung
durch die österreichische Kontrollbank und ganz besonders auch die Aussen-
handelsförderung G 4, wo das politische Risiko abgedeckt wird, ist von
eminenter politischer Bedeutung.
Die langfristige Kreditgewährung spielt nicht nur im Osten eine Rolle
sondern auch in den Entwicklungsländern. Ich habe mit dem Kontrollbank-
direktor Castellez über dieses Problem z.B. wegen Tunesien eingehend ge-
sprochen. Castellez meint, dass er dies genau kennt und auch im Rahmen
seiner Möglichkeiten berücksichtigt. Er hat seinerzeit den Herrn Cifer
den 15-jährigen Kredit mit 5 Jahren Rückzahlungsfreiheit gewährt, um das
520-Mill.-S-Projekt zu ermöglichen. Cifer, so teilt mir Castellez mit,
ist ein äusserst vorsichtig zu handhabender Geschäftsmann. Er ist richtig,
dass Cifer ein ausgesprochen zwiespältige Figur ist. Er hat sowohl nach
dem Osten gute persönliche Beziehungen und schafft sich auch, wie z.B.
der Neffe Bourguiba beweist, auch in sogenannten Entwicklungsstaaten Ver-
treter, die ihm dann die Möglichkeit eröffnen, Geschäfte zu tätigen, die man
ihm gar nicht zutrauen würde. Castellez ist deshalb sehr vorsichtig,
obwohl bei ihm noch immer als einziger in der Kontrollbank überhaupt ent-
gegenkommt.
Wenn sich eine Wirtschaft, wie die österreichische, in einer derartigen
Hochkonjunktur befindet, wie dies jetzt in den letzten Jahren der Fall
war, kann und muss man wahrscheinlich auf Exportgeschäfte verzichten,
die durch derartig langfristige Kredite in Wirklichkeit überhaupt keine
Rendite mehr in dem Geschäft übriglassen. Ich halte nichts davon und
war niemals ein Anhänger von dem Motto "Export um jeden Preis".
Die Verhandlungen über den Entlastungskatalog der Mehrwertsteuer schleppen
sich furchtbar dahin. Die Handelskammer hofft scheinbar noch immer, dass
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sie auf Grund der Unterlagen, die sie zur Verfügung gestellt hat, die
Ausgangsbasis für den Entlastungskatalog nach ihren Gesichtspunkten
durchbringen kann. Die Arbeiterkammer andererseits versucht durch
berechtigte Einwände diesen Entlastungssatz wesentlich zu erhöhen. Prof.
Seidel, den wir leider zu spät zu unseren Besprechungen zugezogen haben,
kann uns jetzt erklären, warum er ausserstande ist, unverzüglich eine
makroökonomische Überschlagsrechnung vorzulegen. Die Input-Output-
Analyse aus dem Jahre 1964 ist jetzt erst fertig geworden. Auf Grund
dieser, seinerzeit vom Beirat angeregten und teilweise in der Arbeits-
gruppe fertiggestellten Unterlage, kann er nun eine globale Umsatz-
steuerrechnung anstellen. Damit könnte verifiziert werden, wieviel
globalmässig in jedem einzelnen Industriezweig und Industriesparte
an Umsatzsteuer anfallen müsste, resp. angefallen ist. Wir einigen uns
darauf, dass eine kleine Arbeitsgruppe bei ihm die diesbezüglichen
Endberechnungen anstellen soll. Die BHK möchte, dass wir – ausgehend
von ihrem Material – uns bei einzelnen Gruppen zumindestens jetzt be-
reits über die Entlastungssätze einigen, damit die Unternehmer damit
dann rechnen können. Wenn wir auf diesen Vorschlag eingehen, dann haben
wir die Grundentscheidung, ob und in welchem Umfang z.B. die Inve-
stitionsanteile dann doch zu berücksichtigen sind, bereits vorweggenom-
men. Die Möglichkeit die die Handelskammer mir eröffnet, dass ich dann
am Ende der Verhandlungen bei einer oder der anderen strittigen Gruppe
entsprechende Korrekturen vornehmen könnte, ich für mich unakzeptabel.
Ich erkläre sofort, dass ich doch alle Unternehmer gleichmässig behandeln
müsste. Richtig ist andererseits, dass die Firmen jetzt bereits natür-
lich die Entlastungssätze bräuchten, um ihrerseits ihre Kalkulationen er-
stellen zu können. Ich fürchte, dass wir bei den Grossbetrieben sowieso
mit unseren Ergebnissen viel zu spät kommen. Die Grossbetriebe und so
weit ich bis jetzt mit den Generaldirektoren bei anderen Anlässen spre-
chen konnte, haben ja bereits die Mehrwertsteuer ins einzelne im Computer
und auch schon durchgerechnet. Sie haben also ohne unsere Ziffern zu habe
den Vorsteuerabzug bereits nach ihren Erfahrungen oder Erhebungen in
Rechnung gestellt. Ich weiss nicht, ob sie dann, wenn wir unsere Ent-
lastungssätze bekanntgeben, ihre Berechnungen noch einmal korrigieren
resp. die Programme im Computer ändern. Ich bin nämlich überzeugt,
dass sie dort selbstverständlich die Entlastung für die Investitionen
resp. Kapitalkosten nicht durchgeführt haben, weil dies ja auch
steuerlich nicht resp. nur für den Exportanteil durchgeführt wurde.
Die Fachleute der Bundeshandelskammer kennen die Details
und auch vor allem, wie sie zu ihren Entlastungssätzen gekommen
sind, sehr genau. Sie sind deshalb wesentlich kompromissbereiter,
als Generalsekretär Mussil, der ganz kurz nur an der Sitzung teil-
genommen hat. Er meinte, zu diesem Zeitpunkt ist das Preisbestimmungs-
gesetz noch nicht im Parlament verabschiedet gewesen, wer würde so-
fort jetzt bei ihm im Klub das Problem neu zur Sprache bringen,
denn unter diesen Umständen könnte man einer solchen Regelung nicht
zustimmen. Da ich als Verhandlungsführer den Standpunkt der Ar-
beiterkammer am 1. Jänner überhaupt keine Umsatzsteuer und die Vor-
entlastung nach den Exportvergütungssätzen vortrug, hat er natürlich
darauf äusserst hart und scharf reagiert. Ich glaube, er weiss
aber genauso wie ich, dass ich zu einem Kompromiss
kommen will, ich muss ja sogar zu einem kommen, weil ich sonst
die Einzelfälle gar nicht administrieren könnte, und zeigt dann
auch bei einer Aussprache unter vier Augen, dass hier sehr wohl die
Handelskammer kompromissbereit ist. Bei dieser Aussprache erkläre
ich auch dezidiert, dass ich nicht bereit bin, die von der Handels-
kammer geforderten 20 Mill. S für die Vorarbeiten, die sie gelei-
stet hat, anzuerkennen. Ich führte in dieser Frage auch noch ein
Gespräch mit Androsch, damit nicht er, der Handelskammer dann
vielleicht einen diesbezüglichen Zuschuss gibt. Androsch erklärt,
dass die Handelskammer ja deshalb eine Pflichtumlage einhebe,
um diese Arbeit auch zu leisten.
Bei einer Fernsehsendung über die Frage, ob man Preise diktieren
kann, muss ich als Minister für Handel, Gewerbe und Industrie
natürlich eine wesentlich objektivere und vor allem nicht aus-
schliesslich den Konsumenten dienende Haltung einnehmen. Früher ein-
mal hatte ich es als Interessensvertreter bei solchen Diskussionen
wesentlich leichter. Obwohl ich einen Mittelweg eingeschlagen
habe und ich hoffe, dass dieser auch einigermassen geglückt ist
sehe ich bereits in den Fachzeitschriften den harten Angriff,
dass ich die Interessen von Handel, Gewerbe und Industrie nicht
entsprechend vertreten habe. Wenn die Preisregelung in unserem
Haus konzentriert werden wird, werde ich noch öfters zwischen
diesen beiden Standpunkten versuchen müssen, mich durchzuschwindeln.
Zu glauben, dass die österreichische Bevölkerung oder vielleicht
gar engere Interessensgruppe Handel, Gewerbe und Industrie dafür
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Verständnis hätte, dass ich den gesamtwirtschaftlichen Standpunkt
ausschliesslich zu berücksichtigen habe, ist eine Illusion. Die
Unternehmer werden alles daran setzen, um mich zu diskriminieren und
zu erklären, ich würde ihren Standpunkt immer wieder verraten und nicht
entsprechend vertreten. Andererseits darf ich nicht in eine Situation
kommen, wie dies jetzt teilweise leider dem Landwirtschaftsminister
passiert ist, der die berechtigten Standpunkte der Landwirtschaft
wie z.B. die Erstattungsfrage bejaht und dann in der Regierung zumindestens
in der ersten Phase vollkommen isoliert ist und hängen bleibt. Auf
lange Sicht wird dann meistens eine Lösung wie z.B. beim Weizen- oder
Zuckerpreis gefunden oder zugestanden, doch zwischendurch ist sein
Image stark angeschlagen. Die Bauern sind dann nicht bereit, wenn
es zu einer Lösung kommt, zu erklären, dass sich Weihs dann innerhalb
der Regierung durchgesetzt hat und ihm so Genugtuung leistet, sondern
erklärt dann womöglich, dass die Lösung viel zu gering sei und sie
deshalb auch dieser Lösung im Prinzip gar nicht zustimmen. Weihs ist
dann von der Regierung die ganze Zeit isoliert gewesen und hat dann
letzten Endes keinen Erfolg für sich sondern in Wirklichkeit nur harte
Kritik von allen Seiten. Dies hat sich auch bei der Fleischpreis-
regelung Wieder einmal gezeigt. Vielleicht hätten – wenn wir dieses
Problem zu lösen gehabt hätten – wir durch entsprechende Vorbe-
sprechungen und durch Abtasten, wie weit man bei den einzelnen Gruppen
gehen kann, eine Kompromisslösung gefunden, die jetzt nicht so hart
attackiert wird, wie seine auf Grund von Erhebungen des Marktamtes
durchgesetzte Preisfestsetzung. Die Industrie und der Handel erklären,
dass nur 117 Geschäfte erhoben wurden und deshalb die grosse Masse
der Lebensmittelkleinhändler und ganz besonders der Delikatessengeschäfte
unberücksichtigt geblieben sind. Die Industrie andererseits kann es sich
jetzt leisten, da sie auf die anderen Produkte leicht ausweichen
kann, gewisse eben preisgeregelten Waren in der Produktion eben einzu-
stellen. Das Endergebnis ist, dass derzeit noch die Bevölkerung dafür
ein gewisses Verständnis hat, sicherlich aber nach einiger Zeit sehr
schimpfen wird. Blecha, mit dem ich über dieses Problem eingehend dis-
kutierte, meint, es müsste jetzt eine Propaganda starten, um den Unter-
nehmer wieder schuldig werden zu lassen, wie dies ja auch in den ver-
gangenen Jahrzehnten von uns so geschickt dargestellt werden konnte.
Derzeit nämlich hat eine Erhebung über die Mehrwertsteuer ergeben,
dass nicht mehr für Preiserhöhungen die Unternehmer als schuldig er-
kannt werden, sondern dass man erklärt, dies sei auf die Lohnerhöhungen
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und auf die Regierungspolitik zurückzuführen. Während bis jetzt
in der ganzen Preisentwicklung und -debatte immer, ob Allein-
regierung oder Koalition, die Regierung verhältnismässig aus
dem Spiel geblieben ist, es hat immer der Unternehmer und damit
der schwarze Teil in der Regierung oder in der Öffentlichkeit
den grössten Vorwurf wegen der Preiserhöhungen bekommen, wendet sich
jetzt das Blatt, dass der rote Teil, die Gewerkschaften und die
Regierung, dafür verantwortlich sind. Diese Entwicklung be-
trachte ich mit grösster Besorgnis, da sie uns wahrscheinlich
für die nächsten Wahlen ganz grosses Kopfzerbrechen machen wird.
ANMERKUNG FÜR KOPPE: Was können wir propagandistisch dagegen tun?
Tagesprogramm, 7.7.1972
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)