Donnerstag, 6. Juli 1972
Min.Rat Fälbl ruft aus Sofia an und teilt mit, dass er bei den Ver-
handlungen mit der bulgarischen Delegation zu keinem Ergebnis kommt.
Die Bulgaren lehnen jede Formulierung über die Meistbegünstigung,
die zollähnliche Abgaben ausschliesst, ab. Unter diesen Umständen kann
ein neuer Handelsvertrag, der mit 1.1.1973 in Kraft treten soll, nicht
von mir unterzeichnet werden. Da wir bereits vor der Abreise unserer
Delegation erklärt haben, dass ich nur dann nach Sofia kommt, um den
Vertrag zu unterschreiben, wenn eine Lösung erzielt werden kann, empfiehlt
Fälbl im einem Telegramm, das nicht chiffriert war, und damit selbst
verständlich auch der bulgarischen Regierung zur Kenntnis gelangt, dass
ich von einer Reise nach Bulgarien Abstand nehmen soll. Fälbl nimmt an,
dass damit vielleicht doch noch eine Lösung zustandekommen könnte.
Ich informiere Kirchschläger, der dieses Vorgehen vom aussenpolitischen
Standpunkt aus deckt. Bei der Telegrammformulierung schlägt er am Abend
dann allerdings vor, sein Kabinettchef Hinteregger kommt ausdrücklich
deshalb ins Parlament zu mir, nicht die Formulierung: Der Herr Bundes-
minister Staribacher lehnt eine Reise ab, sondern eine nicht so harte
Formulierung zu suchen. Wir einigen uns auf den Text, dass ich meine
Reise verschiebe, solange, bis ein Vertragsunterzeichnung möglich ist.
ZS Blümel ist sehr verärgert, dass der ÖGB unseren Vorstandsbeschluss,
dass wenn eine Weizenpreiserhöhung erfolgt, dann auch unsere Löhne von
den Müllern und den Bäckern freigegeben werden müssen, um auch für diese
Gruppen so schnell wie möglich und auf alle Fälle heuer eine Lohnbe-
wegung abzuschliessen, nicht durchführen möchte. Blümel hat mit dem Leiten-
den Sekretär Hofstetter Besprechungen geführt und Hofstetter hat gemeint,
man sollte dem ÖGB ein diesbezügliches Ansuchen schicken. Die Tagesord-
nung des letzten Lohnunterausschusses vor den Ferien erfuhren wir, dass
unser Ansuchen nicht geht, weil eben der ÖGB einen diesbezüglichen Antrag
nicht gestellt hat. Eine diesbezügliche Aussprache mit Benya, Hofstetter
Blümel und mir bringt eine Kompromisslösung. Benya selbst will diesen
Unterausschuss vorübergehen lassen, damit nicht in der Öffentlichkeit dann
sofort wieder erklärt wird, dass der ÖGB die Stabilisierungsbemühungen
der Bundesregierung torpediert, indem er Lohnforderungen jetzt bei den
Müllern, Bäckern, Fleischern und Molkereiarbeitern stellt. Benya ist
sich vollkommen klar, dass spätestens im September diese Löhne erhöht
werden müssen. Richtig ist, dass die letzte Lohnbewegung erst mit 1.6.71
gewesen ist und dadurch erst 13 Monate verflossen sind. Die Frage ist nur,
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ob unsere Lohnverhandlungen bei diesen Gruppen, so wie dies bis
jetzt der Fall war, oft 6 Wochen und länger dauern und dadurch, wenn
sie erst im September freigegeben werden, unsere Kollegen dann sicherlich
nicht mehr eine lange Verhandlungsdauer akzeptieren werden. Ich erkläre
Benya, dass dann mit Kampfmassnahmen zu rechnen sein wird, wenn die Unter-
nehmerseite langwierige Verhandlungen nach der Freigabe durchführen möch-
te. Die Unternehmerseite drängt zwar jetzt, dass wir die entsprechenden
Verhandlungen sofort aufnehmen sollen, doch bin ich nicht so sicher,
dass wenn es im Herbst mit der Preisregelung dann Schwierigkeiten gibt,
sie sicherlich solange unsere Löhne auch nicht auszahlen werden. Sie
werden also wie dies bis jetzt auch üblich war, zwar die Lohnerhöhung
akzeptieren, aber den Geltungsbeginn mit Preisinkrafttretung abhängig
machen. Ich mache Benya auf diese Tatsache aufmerksam und wir einigen
uns dann, dass wir im August einen Lohnunterausschuss von der Unternehmer-
seite verlangen werden und dass in diesem dann die offenen Gruppen ein-
gebracht werden. Da aber am Nachmittag Präs. Harmer und der Sekr. des
Fachverbandes f. Nahrungs- und Genussmittelindustrie Riegler erscheint,
um bei Benya zu intervenieren, dass man doch unverzüglich mit den
Lohnverhandlungen beginnen sollte, erkläre ich, dass wir Vorbesprechungen
ja sofort aufnehmen können, wenn die Unternehmerseite dies will. Blümel,
der bei uns ja die konkreten Verhandlungen und insbesondere natürlich
auch dem Druck aus den Betrieben ausgesetzt ist, hat hier einen sehr
schweren Stand. Auf der einen Seite drängt insbesondere der ÖAAB in
den Molkereien, dass man jetzt unverzüglich Verhandlungen und gegebenen-
falls Kampfmassnahmen setzen sollte. Andererseits wollen die Unter-
nehmer auch, dass wir jetzt sofort mit ihnen über Lohnbewegungen ver-
handeln, allerdings denken sie daran, uns diese Lohnbewegungen, die
wir wahrscheinlich verhältnismässig leicht abschliessen könnten, nur
dann in Kraft zu setzen, nur dann in Kraft zu setzen, wenn eine ent-
sprechende Preiskorrektur gleichzeitig erfolgt. Ich bin überzeugt,
dass man dies insbesondere jetzt auch auf dem Fleischsektor von der
Unternehmerschaft gerne sehen möchte. Hier bin ich wirklich sehr froh,
dass ich noch nicht die Preisregelung habe, denn ich sehe hier in Hin-
kunft ganz grossen Konfliktsituationen entgegen. Was immer ich in dieser
Frage in Hinkunft entscheiden werde, man wird mir immer unterstellen,
dass ich dies ausschliesslich im Interesse der Lebensmittelarbeiter mache.
Die selbe Situation hat es ja schon gegeben, als ich noch in der AK
für die Preise verantwortlich gewesen bin. Zwar hat man auch damals
in keinem einzigen Fall mir nachweisen können, dass ich mich bei meinen
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Entscheidungen nach den Wünschen der Lebensmittelarbeiter gerichtet
habe, doch wurde mir immer unterstellt, dass ich eine solche Politik
zwar sehr geschickt, aber doch sehr zielstrebig durchführe. Ich glaube,
dass ich an diesem Konfliktstoff einmal scheitern könnte und vielleicht
sogar auch wirklich werde.
Mit Hofstetter, Eva Preiss als Obmann des Vereines für Konsumenteninfor-
mation, Reichard als der Defacto-Geschäftsführer, und Schmidt vom ÖGB
sowie Koppe besprechen wir die Möglichkeiten der weiteren Subventionie-
rung des Vereines. Mitterer hat 1969 nur 200.000 S dem Verein überwiesen,
obwohl die BHK daran beteiligt ist und insbesondere Mitterer, bevor er
Minister war, ein Funktionär dieses Vereins gewesen ist. Sicherlich
hat er damals aus budgetären Schwierigkeiten keinen grösseren Betrag
zur Verfügung stellen können. Im Jahre 1970 haben wir sofort 400.000 S
flüssig gemacht, allerdings haben wir damals bereits erklärt, dass es
sich hier nicht um eine Subvention handelt sondern dass wir dafür konkre-
te Projekte vom Verein haben möchten. Im Jahre 1971 wurden dann 560.000 S
ausgeschüttet und 600.000 S von uns im Dezember noch angewiesen, die im
Jänner 1972 im Verein erst eingegangen sind. Seit dieser Zeit ergibt sich
der Streit, ob dieser Betrag noch für das Jahr 1971 oder schon für das
Jahr 1972 anzurechnen ist. Im Jahre 1972 beabsichtigen wir noch 560.000 S
für Projekte zur Verfügung zustellen. Darüber hinaus müssen wir aber, um
die Preiskontrolle, die ich mit dem Preisbestimmungsgesetz jetzt über-
antwortet bekomme, einer wirklich effektiveren Art zu unterziehen als
dies bis jetzt der Fall war, dem Verein eine zusätzliche Subvention, d.h.
einen Auftrag erteilen. Koppe teilt mir mit, dass bis zu 2,2 Mill. S
incl. allerdings der 600.000 S von Vorjahr gehen könnte, soweit hätte
Marhold erklärt, sei im Budget eine Deckung vorhanden. Dieser Betrag
wird dem Verein für Konsumenteninformation noch nicht mitgeteilt, doch
hat Koppe damit einen Spielraum, um die Preiskontrolle auch mit ent-
sprechenden finanziellen Mitteln des Vereins zu unterstützen. Da er
sich mit Reichard schon immer verhältnismässig schwer gesprochen hat,
glaube ich, dass er ausschliesslich diese Zusagen machen soll, damit er
entsprechend leichter im Verein dann seine Ideen durchsetzen kann.
Der Bericht über die wirtschaftliche Lage ist sehr spät fertig geworden
und deshalb konnte er nicht einmal mehr in der Regierung im Rundlauf be-
schlossen werden. Kreisky dürfte sich dazu entschlossen haben, dass
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dieser Bericht nur als Information den Abgeordneten zugestellt wird.
Auch dies erfolgt verhältnismässig sehr spät und seine Rede, die er
am Vortag erst um 11 Uhr konzipiert hat, kann daher auch erst am Tage,
wo er sie hält, den Abgeordneten und insbesondere den Klubs zugestellt
werden. Zu meiner grössten Überraschung hält Androsch dann unmittelbar
beim Eingehen in die Debatte als erster Debattenredner ebenfalls
eine Wirtschaftsrede, die er überhaupt erst, wie sich dann in der Debatte
herausstellt, um 11 Uhr den Klubs zur Verfügung stellte. Wie wir in der
Opposition waren, haben wir uns ganz entschieden dagegen ausgesprochen,
dass ein so umfangreiches Material womöglich erst am Sitzungstag
den Abgeordneten oder gar beim Klub gar zur Verfügung gestellt wird.
Natürlich greifen die ÖVP und FPÖ-Redner diese Tatsache sofort auf und
kritisieren dies hart. Durch diesen Wirtschaftsbericht und die Debatte
darüber kommen wir im Nationalrat in einen ausgesprochenen Verzug
mit der Tagesordnung. Die Präsidialkonferenz hat noch beschlossen,
dass die Sitzung um etwa 1/2 10 Uhr beendet sein soll. Als 10 nach
9 Uhr Abgeordneter Zeillinger zu Wort kommt, weist der Präsident darauf
hin, dass er ihn um 10 Uhr unterbrechen wird, wenn er bis dorthin
nicht beendet hat. Zeillinger sieht darin einen Trick und erklärt, dass
die Vereinbarung gelautet hat 1/2 10 Uhr und er wird daher, wenn es
notwendig ist, bis 4 Uhr früh reden, denn er möchte am nächsten Tag um 9 Uhr
fortsetzen. Er erklärt auch unverzüglich, dass er es nicht zuletzt des-
halb macht, um in den Massenmedien, heisst Fernsehen, entsprechend be-
rücksichtigt zu werden. Er hat schon einmal, als die ÖVP noch Regierungs-
partei war und eine ähnliche Situation bestanden hat, zu erkennen ge-
geben, dass er auch damals sich hat nicht durch eine Nachtsitzung ab-
halten liess, solange zu reden, bis er eben am nächsten Tag fortsetzen
konnte, nachdem eben die ÖVP dann eingesehen hat und der Präsident die
Sitzung wie vorgesehen auch tatsächlich beendete. Er greift den Beschluss
des Präsidiums hart an, die in der Präsidentenkonferenz ebenen vereinbart
haben, dass immer um 1/2 10 Uhr Schluss sein soll und jetzt von Seiten der
Sozialisten, da Benya im Vorsitz ist, nicht eingehalten wird. Insbesondere
attackieren ihn Zwischenrufen und auch Zeillinger den Klubobmann Gratz,
weil er zu seinen Vereinbarungen nicht steht. Das Klima verschärft sich
zusehends und ich bin neugierig, wie diese letzten zwei Tage im Parlament
noch über die Runden kommen werden. Ich selbst bin über diese Entwick-
lung sehr unglücklich. Sicherlich war es unqualifiziert, dass die ÖVP
in der UNIDO-Sache einen Minderheitsbericht vorgelegt hat, wo sie ohne
Fakten, doch unter dem Schutz der Immunität auf Zeitungsmeldungen,
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die schon alt gewesen sind, das Argument der Schiebung aufbauten,
unterliessen konkrete Anschuldigungen mit Beweisen vorzubringen.
Denn die einzige Argumentation, dass Staber mit Fertigbauten arbeiten
will, die eine Baufirma herstellen könnte, eine Ausschreibung und ein Zu
schlag darüber ist ja bis jetzt soviel ich weiss nicht erfolgt. dass
wenn es zu diesem Zuschlag käme, dann eine der soz. Gemeindeverwaltung
nahestehende Organisation, nämlich der Bauring dieses Geschäft machen
könnte, ist mehr als vage. Daraus hat sich nun ergeben, dass die
Parteienverhandlungen in Hinkunft nicht mehr stattfinden sollen,
was wieder dazu führte, dass Weihs mit Minkowitsch als Parteiobmann
der ÖVP- und Bauernbundpräsident Besprechungen über den Weizenpreis
ablehnte. Kreisky hat Weihs empfohlen, dass er diesbezüglich nur
mit Lehner als Präsident der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammer
verhandeln sollte. Das Klima ist also derzeit äusserst schlecht und ich
fürchte, dass sich dies auch früher oder später auch auf die Sozialpart-
nerschaft auswirken wird, und muss. In diesem Fall würde eine 26-jäh-
rige Tätigkeit umsonst gewesen sein. Derzeit bin ich noch ziemlich
aus dem Schussfeld der Opposition, vielleicht auch deshalb weil die
ÖVP weiss und annimmt, dass ich als Anhänger der Sozialpartnerschaft
mich nach wie vor bemühe zumindestens auf meinem Sektor das Klima
nicht auch noch zu verschlechtern. Wie lange ich diese Politik
allerdings fortsetzen kann, weiss ich derzeit wirklich nicht. Zu glauben,
dass ich eine Insel der Seligen sein könnte, ist eine Illusion, die
wahrscheinlich, wenn es zu einer weiteren Anspannung der Situation
kommen wird, sehr bald bei denen, die das denken zerstört werden wird.
Von Broda habe ich einen Brief an Benya gelesen, wo er ihm mitteilt,
dass er die Arbeiten jetzt über die Novelle des Kartellgesetzes abge-
schlossen hat und sie in die Begutachtung schicken wird. Wir haben seiner
zeit in der wirtschaftspolitischen Kommission der Partei beschlossen,
dass wir Broda bitten werden, über diesen Entwurf mit den Genossen
zu diskutieren. Diese Diskussion ist leider infolge Zeitmangels und
da ein Termin nicht gefunden werden konnte, nicht zustandegekommen. Ich
glaube, dass wir unverzüglich unsere Wirtschaftspolitische Kommission
wieder mehr einschalten sollen und möchte auf alle Fälle im Herbst eine
Aktivität dort neu beginnen. Ich werde in Hinkunft nicht mehr auf die
Initiative des Sekretärs dieser Kommission, nämlich Veselsky, warten.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte für September eine Sitzung auf alle Fälle
jetzt bereits terminlich abstimmen und einberufen.
Turnauer hat mit ZS Teschl eine Besprechung im Parlament abgehalten
und mich gebeten, daran teilzunehmen. Soweit ich von der Regierungsbank
weg konnte, ich habe mir alle Redner ausser einigen Sozialisten bis
zum Schluss angehört, habe ich Turnauer auseinandergesetzt, dass nun
seine Forderung, 6 Mill. S zu bekommen, a fonds perdu für das Jahr
1972 erfüllt werden kann. Der Sozialminister hat mir zugesichert,
aus der produktiven Arbeitslosenfürsorge 3 Mill. zur Verfügung zu stellen.
Das Land Nö, welches auch zuerst erklärt hat, einen entsprechenden Zu-
schuss zu geben, wenn der Bund etwas tut, zieht jetzt insofern zurück
als nur mehr einen 2 Mill. S-Kredit bereit ist, zu geben, mit 4 % Verzin-
sung. Turnauer wird jetzt mit Maurer eine diesbezügliche Aussprache
haben, möchte aber auch aus Liquiditätsgründen, da er von Schlöglmühl
aus dem Lagerverkauf ca. 35 Mill. erwartet, auf alle Fälle den Be-
trieb schliessen. Teschl hat auch den Zentralsekretär des Neusiedler
NR Maderthaner dazu gezogen. Der Hinweis von Teschl, dass die Papier-
preise in Hinkunft und zwar in absehbarer Zeit wesentlich bald am
Weltmarkt steigen werden, entgegnet Turnauer mit dem richtigen Argument
dass auch auf der Börse immer wieder geglaubt wird, dass Aktien steigen,
und man damit nur Verluste weiter in Kauf nimmt. Diese muss man auch
frühzeitig verkaufen und nicht auf eine Hausse warten, die ja dann
meist erst kommt, wenn man es nicht mehr braucht. Ich habe auch
das Gefühl, dass die Papierpreise sicherlich nicht bis Jahres-
ende so anziehen werden, dass Schlöglmühl und Weissenbach mit seiner
Produktion kostendeckend sein würde. Abgesehen aber davon.
braucht die Neusiedler eine Liquidationshilfe und diese ist eben nur
im Verkauf zumindestens des Langers der beiden Fabriken scheinbar
derzeit realisierbar.
Tagesprogramm, 6.7.1981
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Titelblatt Erklärung Kreisky vor NR zur wirtsch. Lage, 6.7.1972
hs. Notizen (Titelblatt Erklärung Kreisky Rückseite)
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