Sonntag, der 25. Juni 1972 bis Dienstag, der 27. Juni 1972

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Sonntag bis Dienstag, 25.–27.6.1972

Botschafter Leitner und Min.Rat Hausberger haben mir bei der
Vorbesprechung meiner Interventionen zu erkennen gegeben, dass
sie erwarten, dass uns alle Minister empfangen, doch dass
es schwer sein wird, mit Schumann ins Gespräch zu kommen. Leitner
hat die Franzosen wissen lassen, dass es in ihrem Ermessen liegt,
ob sie eine solche Aussprache in Luxemburg wollen oder ob nicht doch
erst beim Schumann-Besuch in Wien unsere Wünsche zur Sprache
kommen sollen. Ich war mit dieser Vorgangsweise sehr einverstanden,
weil zu erwarten war, dass die Franzosen wahrscheinlich auf die
Interventionen sauerst reagieren werden. Ich glaube es gibt keinen
einzigen Staat, der so viel letzten Endes doch immer wieder inter-
veniert hat und seine Wünsche bei allen möglichen Gelegenheiten
und fast würde ich sagen, auch unmöglichen der franz. Regierung oder
Regierungsmitgliedern vorgetragen hat. Da die Widerstände von den
Franzosen scheinbar allein ausgehen, kommen sie dadurch in eine
wirklich ungünstige Verhandlungsposition. Ich sage deshalb
scheinbar, denn ich bin überzeugt, dass jetzt viele einzelnen Inter-
essensgruppen in anderen Staaten, die auf derselben Linie wie die Fran-
zosen liegen, sich nur deshalb nicht melden, weil sie sagen, es ge-
nügt vollkommen, wenn die Franzosen unsere und die Wünsche der anderen
Nicht-Beitritts-Kandidaten ablehnen. Bei den Vorsprache ergab sich
dann auch tatsächlich dieses Bild. Es gelang, im Laufe dieser zwei
Tage, Montag und Dienstag, tatsächlich alle Aussenminister und vor
allem deren Integrationsfachleute zu sprechen. Ich führe die
Namen jetzt deshalb an, damit sie festgehalten sind, da ich nicht
weiss, ob Hausberger resp. Leitner ein diesbezügliches Protokoll
anfertigen werden, was ich allerdings erwarte. Für mich überraschen
war, dass Leitner doch einige Male den bescheidenen Versuch unter-
nahm, mit mir allein zu den Ministern zu gehen, während ich natür-
lich immer darauf bestand, dass auch Hausberger mitgehen sollte. Nur
beim Luxemburger Aussenminister war Leitner der Meinung, dass der
österr. Botschafter Weidinger an Stelle von Hausberger mitgehen
sollte. Da wir nur den luxemburgischen Aussenminister Thorn, der
gleichzeitig jetzt Vorsitzender des Aussenministerrates war, in seinem
Amt und den belgischen Botschafter Harmel in seiner Botschaft besuchten,
die anderen aber am Tagesort in Kirchberg, hatte ich doch auch Gele-
genheit, den franz. Aussenminister Schumann dort zu treffen.



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Leitner war sehr überrascht, als wir diese Zusage des Treffens
in Kirchberg während einer Sitzung von den Franzosen bekamen.
Die Besprechungen am Kirchberg waren aber im wahrsten Sinne des
Wortes turbulent. Als wir in der Früh vorfuhren, glaubten die an-
wesenden Reporter, ich glaube, es waren einige Dutzend, sowie die
Fernsehkameras und sonstige Aufnahmeteams, dass wir zu der Aussen-
ministertagung dazugehören, stürzten sich sofort auf das Auto und
auf uns, um zu erfahren Stellungnahmen über die Pfund.Krise und
weiss Gott was sonst noch alles. Dies waren die ersten Enttäuschten,
als sie erfuhren, dass wir überhaupt nicht dazugehören, sondern
nur der österr. Handelsminister sei mit der Absicht, mit den an-
deren Kollegen Gespräche zu führen, gekommen. Das Haus war so
scharf bewacht, dass auch wir nicht sofort hineinkonnten, sondern
vor der Tür warten musste, bis endlich dann ein Vertreter der italie-
nischen Delegation kam, um uns zu sagen, einzulassen, da es scheinbar
am Anfang nicht einmal mit einem speziellen Permit, d.h. mit einer
speziellen Ausweiskarte möglich war. Interessant war, dass sich diese
strenge Kontrolle innerhalb von einer stunde scheinbar geändert
hatte, denn als wir das nächste Mal dann wiederkamen, konnten wir
verhältnismässig leicht alle Passagen und alle Absperrungen passieren.
Da die einzelnen Aussenminister mit ihren Integrationsfachleuten
und ganz besonders mit ganzen lobbies erschienen waren, ergab sich
eine ungeheures Gewurle bei einer einzelnen Delegation und für mich
war es überraschend, dass sich trotzdem die Verantwortlichen Zeit
mit uns zu reden. Es war sehr gut, dass wir das Memorandum wieder
hatten, denn dadurch konnte ich mich auf die wichtigsten Punkte beschrän-
ken und doch auf die Ausführungen des Memorandums verweisen. Meine
Ausführungen beschränkten sich nur auf die zwei Forderungen oder
Wünsche, die wir noch hatten, nämlich die sensiblen Produkte und
die Landwirtschaftsproblematik. Alle anderen Wünsche hatte ich und
mussten wir aus dem Memorandum weglassen und natürlich ganz be-
sonders bei meinen Ausführungen. Ich glaube, nämlich, dass der
Zeitpunkt gekommen ist, wo man nur mehr ein oder zwei höchstens drei
Punkte versuchen sollte, durchzusetzen, weil es schwierig sein wird,
selbst mit dieser eingeschränkten Forderung durchzukommen. Insbeson-
dere wies ich ergänzend zu dem Memorandum auf die politische Si-
tuation des Vertrages hin. Da die Bauern und die Unternehmer grössten-
teils in der Opposition organisiert sind und wir einen Zweidrittel-
mehrheit für den Vertrag im Parlament brauchen, müsste oder sollte


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der Vertrag doch so aussehen, dass die Oppositionspartei dem auch
zustimmen kann. Darüber hinaus müsste der Vertrag so sein, dass
die Unternehmer nicht allzu sehr dagegen polemisieren können und
dies auch nicht tun, damit die SU nicht die Chance hat zusagen,
dass selbst die österr. Kapitalisten mit dieser Vertragslösung unzu-
frieden seien und damit die Argumentation der Russen sich bewahrheitet,
dass wir einen schlechten Vertrag kriegen werden. Kossigyn hat mir
bereits bei seinem Gespräch von 1 1/2 Jahren in Moskau eine solche
Andeutung gemacht, die ich natürlich jetzt gegenüber den Aussen-
ministern ins Spiel brachte. Ausser den Franzosen waren alle nicht
nur zuvorkommend, sondern auch sehr wohlwollend unseren Wünschen
gegenüber und meinte, sie würden sich dafür einsetzen. Schumann und
der franz. Integrationsspezialist, dessen Namen ich vergessen haben,
dagegen waren verhältnismässig sehr negativ. Leitner war sehr erschüt-
tert. Ich selbst hatte eigentlich nichts anderes erwartet und da ich
überhaupt nicht Französisch verstehe, wahrscheinlich auch nicht die
Härte der Ablehnung so mitgekriegt durch die Übersetzung von Haus-
berger
als dies Leitner, der sich dann unmittelbar auch in die
Diskussion einschaltete, den Eindruck hatte. Ich verstand nur und
wartete fast bei jeder Aussprache, die ich mit einem Franzosen habe,
darauf, dass Wort cadeau royal, d.h. das Königsgeschenk, zu hören und
tatsächlich ist es auch dann gefallen. Die Verhandlungstaktik in der
EG ist ja auch unmöglich. Da die Aussenminister der Kommission in den
seltensten Fällen ein Verhandlungspouvoir geben, muss die Kommission
mit jeder Kleinigkeit in den Rat und bekommt dann kaum eine Chance,
wirklich zu verhandeln, sondern in Wirklichkeit nur gute Briefträgerdien-
ste zu erfüllen. Im selben Moment, wo das Mandat erteilt ist, weiss die
Gegenseite, d.h. der Österreicher oder die anderen Staaten bereits,
in welchem Umfang dies geschieht und kann sich auf die nächste Ver-
handlungsrunde entsprechend einstellen. Da aber das Verhandlungsmandat der
Kommission ziemlich beschränkt ist, gibt es auch in Wirklichkeit keine
Verhandlungen, sondern nur ein technisches Heckmeck, um eine ent-
sprechende Formulierung dem Mandatsauftrag entsprechend zu finden.
Bei bilateralen Verhandlungen versucht man herauszubekommen, was
die andere Seite wünscht und gibt dann in dem einen oder anderen Punkt
nach und kann auch dann seine Wünsche teilweise durchsetzen. Bei
multilateralen Verhandlungen versucht man, die hauptsächlichsten
Gegner einer Idee mit entsprechenden Zugeständnissen zu gewinnen
und kann man damit rechnen, dass die anderen sich damit abfinden


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so wird eben im GATT und andern internationalen multilateralen
Verhandlungen geführt. Bei den Verhandlungen in Brüssel ist das
eine unglückliche Mischung zwischen diesen beiden Verhandlungs-
methoden, die man entwickeln kann, niemand kann dabei und weiss es
im vorhinein, wie eine solche Situation und wie eine solche Verhandlung
letzten Endes endet. z.B. hat man einmal Israel bei allen einzelnen
sechs Staaten erklärt, jawohl, die Wunsch ist berechtigt und das würde
man auch dann beim Ministerrat so beschliessen und dann war Israel umso
mehr enttäuscht als eine einstimmige Ablehnung zustandekam. Sechs
bindende Zusagen der einzelnen Staaten ergeben in der Summe dann noch
nicht ein tatsächliches Ja.

Die Verhandlungen wurde natürlich auch noch überschattet durch die
Anwesenheit der Finanz- und Wirtschaftsminister wegen der Pfundkrise,
wo die EG ebenfalls eine entsprechende Lösung anstrebt, die sie aller-
dings nicht erreichte. Während des Sitzungsverlaufes, wo die Journa-
listen die ganze Zeit die Sitzungssäle umlagern, fand Hausberger eine
phantastische Methode, um doch etwas zu erfahren. Er hat mit den
einzelnen Mitglieder der Delegationen insbesondere der Deutschen
aber auch mit den Luxemburgern und den anderen ein so gutes Verhältnis,
dass er einzelne untergeordnete Referenten herausruft und die sind
bereit, ihn dann über Einzelheiten zu informieren. Ausserdem kennt er
sehr viele Journalisten und bekommt auch von dieser Journalistenbörse
die letzten Nachrichten, die allerdings meistens nur Gerüchte sind,
die sich oft sehr widersprechen. Von Österreich ist dort zumindestens
bei dieser Tagung Klaus Emmerich anwesend gewesen, der gleichzeitig
auch seine Frau immer mitbringt, die die Tiroler Tageszeitung vertritt.
Klaus Emmerich meinte, dass in seinen eigenen Redaktionen jetzt
schon grosse Schwierigkeiten hat, das EG-Problem noch entsprechend unter-
zubringen. Die Chefredakteure erwarten und insbesondere bei den Redak-
tionsbesprechungen kommt dies zum Ausdruck, dass man doch jetzt nicht
ununterbrochen über solche unwesentliche Details berichten könnte.
Durch die Länge der Verhandlungen sind sie des Mitteilens müde und
möchten in Wirklichkeit womöglich nur den Abschluss und zwar den
positiven und die Unterzeichnungsformalitäten gross berichten. Da
es ihnen auch nicht geglückt ist, ich weiss nicht, ob sie das auch
erwarten, aber immerhin wäre es für sie ein guter Reisser, zwischen
der Regierung und den Delegationsmitgliedern insbesondere der Inter-
essensvertretungen der Handelskammer und der Landwirtschaft grössere


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Gegensätze herauszuarbeiten oder vielleicht sogar einen Krach
berichten zu können, so gibt auch diese Seite keinen Aufhänger.

Während der Tagung erreichte mich ein Telefonanruf von Koppe, wo er
mir mitteilt, dass die Handelskammer das erste Mal jetzt einen Protest-
brief gestartet hat, weil wir, d.h. Reiterer mit der Kommission in
Brüssel einen Gegenvorschlag für die Herabsetzung der Zölle für die
sensiblen Produkte gemacht haben, die höher sind als die von der EG
angebotenen 5 %. Reiterer und die anderen haben einstimmig beschlossen,
dass wir mit 10 % Abbau beginnen wollen. Da wir von höheren Zöllen in
Österreich mit dem Zollabbau anfangen, ergibt sich am Ende für die meisten
Produkte trotzdem noch ein geringerer Zoll als dies bei den 5 % Abbau
auf der EG-Seite der Fall ist. Darüber hinaus wollen wir uns müssen wir,
um die Spiegelgleichheit nicht bis ins Letzte genau zu verlangen, ein
solches Kompromiss vorschlagen, um vielleicht doch der Kommission
die Möglichkeit zu geben, im Rat einen entsprechenden Beschluss herbei-
zuführen, da es sich ja hier dann wirklich im keine Retorsion und
keine Gleichmässigkeit sondern eben um einen anderen Vorschlag handelt,
der nur gleichwertig sein sollte. Die Vertreter der Handelskammer waren
bei dieser Sitzung dann schon abwesend, was den Vorschlag wieder rückgän-
gig mache. Scheinbar kommt es der Handelskammer jetzt darauf an, auf
die ÖVP-Taktik einzuschwenken. Die ÖVP möchte jetzt, da der Vertrag
doch in kürzester Zeit ins Parlament kommen wird, entsprechende Kritik
an den Vertragsteilen üben und daher braucht die Handelskammer glaube
ich eine Absprungbasis. Ich versuchte sofort Sallinger zu erreichen,
um mit ihm über die neue politische Linie der ÖVP aber ganz besonders
natürlich der Handelskammer zu sprechen. Wenn sich die Handelskammer
in diesen Punkten ebenfalls in die Reihen der ÖVP-Opposition einreiht,
dann werde und muss ich natürlich daraus Konsequenzen ziehen.

Bei der Ankunft in Wien wurde ich vom Rundfunk gefragt, was ich machen
würde, wenn keinerlei weitere Zugeständnisse mehr zu erreichen wären,
ob ich dem Vertrag so zustimmen könnte, wie er jetzt vorliegt.
Ich bin zwar innerlich überzeugt, dass ich dies mit ruhigem Gewissen
machen kann, habe aber natürlich diese Frage nicht beantwortet, sondern
ausweichend erklärt, dass sich darüber wird dann die Regierung unter-
halten müssen. Eine jede vorzeitige Ankündigung unserer Politik müsste
nämlich der Opposition neuerlich Material geben, dass wir bereits die
Verhandlungen als positiv abgeschlossen betrachten und damit unserer Ver-


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handlungsdelegation in den Rücken fallen, die noch weitere Wünsche
durchsetzen soll und vielleicht auch wird. Da die Kommission einen
sehr beschränkten Verhandlungszeitraum, nämlich bis 7. Juli nur
zugestanden bekommen hat, müsste bis zu diesem Zeitpunkt auch tatsäch-
lich unsere Verhandlung zwischen Wien und Brüssel abgeschlossen sein.
Die offenen Punkte würden dann, wenn notwendig, in einem ao. Ministerrat
der EG zur Sprache kommen und dort entschieden werden. Ich zweifle nicht,
dass dieser ao. Ministerrat notwendig sein wird, glaube sogar, dass
es allerdings dort rein technisch nicht möglich sein wird, dass dies
am 9., 10. bereits der Fall ist. Der normale Ministerrat am 19.7. soll
dann bereits den Vertrag endgültig fixieren und am 20. soll die Unter-
zeichnung erfolgen. Da der EG-Vertrag von der Kommission gefertigt werden
kann, aber der EGKS-Vertrag von allen sechs Aussenministern, müsste
dies eben bei einer Ministerratstagung in Brüssel der Fall sein.

Gleichzeitig laufen in Luxemburg auch die Verhandlungen über das Europä-
ische Patentamt. Österreich ist mit einer fünfköpfigen Delegation dort ver-
treten. Die Vorberatungen aber haben bereits gezeigt, dass Österreich
mit seinem Wunsch, ausser dem europ. Patentamt mitzumischen, auch
noch im Rahmen des PCT als internationales Research-Büro anerkannt
zu werden, gewöhnliches, reines Wunschdenken ist. Der Vorsitzende
der Europ. Patentamtskommission, wo die Verhandlungen jetzt geführt
werden, der Deutsche Haertel hat scheinbar vor längerer Zeit schon
zu erkennen gegeben, dass Deutschland sich dem franz. Wunsch beugt
und dem Europ. Patentamt den Vortritt gibt. Schweden hat sich seine
Stellung in geschickt geführten bilateralen Verhandlungen auf Grund seiner
sprachlichen Situation gesichert. Schweden hat die Zusicherung erhalten,
dass es für die nordischen Staaten als der entsprechende Staat für die
Patente gelten wird. Den Haag hat sich mit dem internationalen Patent-
institut seine entsprechende Einflussmöglichkeit gesichert und München
von der BRD wird überhaupt als das deutsche Patentamt für das europ.
Patentamt umgebaut und ausgebaut. Nur Österreich, das bedeutende vierte
Patentamt in Europa geht bei diesem Vertrag vollkommen unter. Wieweit
hier eine Schuld bei österr. Verhandlungsführung insbesondere Präs.
Thaler liegt, kann ich nicht beurteilen. Es wird allerdings behauptet,
dass er sich selbst in seine solche unglückselige Lage hineinmanövriert
hat, weil er viel zu wenig zeitgerecht aktiv wurde und vor allem das Problem
gar nicht erkannt hat. Da die Franzosen die Amerikaner von dem europ.
Patentgebiet womöglich abhalten wollen, wird der PCT-Vertrag und die


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internationalen Research-Büro nicht zum Spielen und zum Tragen
kommen. Das europ. Patentamt schliesst nämlich eine PCT-Behörde
als eventuell zweite Möglichkeit für uns glattwegs aus. Entweder
man ist Mitglied des europ. Patentamtes oder man ist draussen. Da
auch die Schweiz sich endgültig dazu entschlossen hat, beim europ.
Patentamt mitzuwirken, ergibt sich für uns aussenpolitisch schon gar
keine andere Möglichkeit, als dem auch beizutreten. Eine Rücksprache
mit Kirchschläger ergab, dass wir äusserstenfalls uns der Stimme ent-
halten können und auf gar keinen Fall gegen die entsprechende Vorschläge
der Kommission in Luxemburg stimmen könnten. Ob Österreich dem europ.
Patentamt beitritt oder nicht, ist für die Beschäftigten im österr.
Patentamt längerfristig ganz egal. Es wird auf alle Fälle eine wesent-
liche Reduzierung der Patentanmeldungen in Österreich zu verzeichnen
sein. Niemand wir deutschsprachige Patente in Österreich anmelden,
wie dies jetzt immerhin bei 9.000 Fälle im Jahr noch zutrifft, sondern
selbstverständlich sofort das Europa-Patent in München anstreben. Da-
durch wird der Umfang der österr. Patenttätigkeit auf ein Viertel in
15 Jahren solange wird die Übergangszeit in Aussicht genommen, reduziert
In Wirklichkeit hätte man in den vergangenen Jahren, um nicht zu
sagen, Jahrzehnten von Seiten des österr. Patentamtes einen solchen
weg zeitgerecht erkennen müssen und entsprechende Gegenmassnahmen
einzuleiten. Die einzige Lösung, die ich jetzt sehe, ist, dass man
noch für die österr. Seite so schnell wie möglich Zusicherungen
z.B. über das Weltdokumentationszentrum für Patente oder für sonstige
Vorteile Österreichs bei dieser Gelegenheit eintauschen und aushandeln
sollte. Österreich kann es sich nicht leisten, neben einem europ.
Patentamt dann als einziger Staat in Europa noch zu bestehen, der
nicht diesem europ. Patentamt beigetreten ist. Wenn wir nämlich jetzt
uns nicht dazu entschliessen, wird es für uns nur noch schwieriger,
um nicht zu sagen noch teurer kommen, wenn wir später einmal dem
europ. Patentamt beitreten, was uns ja sicherlich nicht erspart
bleiben kann.

Botschafter Leitner nützte die Gelegenheit, um mir in Luxemburg
auch seine privaten Sorgen, wie er sich ausdrückte, mitzuteilen.
Er hat bei seinem letzten Besuch in Wien auch mit Kirchschläger ge-
sprochen und dieser hat ihm mitgeteilt, dass ich beabsichtige, Leitner
nach Ende der Vertragsverhandlungen dem Aussenamt wieder zur Verfügung
zu stellen. Leitner meint nun, dass dies für ihn ein furchtbarer priva-


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ter Schlag sei. In Zwei Jahren gehe er in Pension und Kirchschläger
hätte ihm mitgeteilt, dass er keine Mission und auch in Wien
keine entsprechende Tätigkeit für ihn hat, sodass er eigentlich sich
frühzeitig pensionieren lassen müsste. Ich selbst erwiderte, dass
ich ja von ihm gehört hätte, dass er gerne einen anderen Posten mit
seiner jetzigen Tätigkeit tauschen möchte. Dies konnte er nicht ab-
streiten und hat nur gemeint, er hätte in dem jetzt durchgeführten
Revirement gehofft, dass er auf einen entsprechend interessanten
Posten zum Abschluss noch kommen könnte. Am liebsten wäre ihm glaube
ich China gewesen. Er verwies darauf, dass ich doch immer erklärt
hätte, mit seiner Arbeit sehr zufrieden zu sein und er möchte dieses
Werk doch bis zu seiner Pensionierung zu Ende führen. Allerdings habe
ich entnommen, dass er zumindestens sehr froh wäre, wenn er nicht
unmittelbar nach Vertragsabschluss, d.h. im Juli bereits von mir dem
Aussenamt zurückgegeben wird. Ich selbst erwiderte, dass an das
überhaupt nicht gedacht sei, sondern, dass nur mein Haus sehr darauf
drängt, dass wir die wichtigsten Auslandsposten doch immer mit
anderen Ressorts besetzen, ohne den Namen Reiterer zu erwähnen,
sagte ich nur, dass der Druck auf diese Posten von unsrem Hause
sehr gross ist. Menschlich gesehen ist es natürlich für Leitner
jetzt sehr schwer und von mir aus gesehen auch wirklich äusserst pein-
lich. Leitner hat sich mir gegenüber als sehr loyaler Beamter gezeigt
und entwickelt wirklich Aktivitäten, die man ansonsten von Aussen-
amtsbeamten, insbesondere in den Botschaften nicht bei allen fest-
stellen kann. Ich hatte Leitner keinerlei Zusagen gemacht, sondern
nur erklärt, dass ich das ganze Problem jetzt unter einem neuen
Gesichtspunkt, nämlich, dass er nicht weg will, sehe, und darüber
mit Kirchschläger Besprechungen aufnehmen werde. Ich hoffe, dass
es Heindl gelingt, kraft seiner guten Beziehungen zum Aussenamt und
vor allem wegen seiner jahrelangen Tätigkeit dort, eine Lösung
zu finden, die wirklich auch für Leitner erträglich ist. Bevor
ich nämlich mit Kirchschläger über dieses Problem im Detail reden
möchte, wäre es gut, wenn wir einen diesbezüglichen Ausweg ent-
sprechend im Aussenamt mit den uns nahestehenden Beamten vorbereitet
hätten.

ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte entsprechenden Ausweg suchen.

Tätigkeit: öst. Botschafter EWG


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    Tätigkeit: frz. Außenmin. bis 1973


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      Tätigkeit: Außenminister, Bundespräsident
      GND ID: 118723189


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Präsident der Europäischen Kommission


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          GND ID: 118715194


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Gesandter d. österr. Mission bei d. EWG in Brüssel


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
              GND ID: 102318379X


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


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                  Tätigkeit: (ehem.) Präs. Patentamt


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                    Tätigkeit: belg. Außenmin. bis 1972


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: Sektionschef HM, Diplomat, Verteter bei der EG


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                        Tätigkeit: ORF


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


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