Montag, der 12. Juni 1972

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Montag, 12. Juni 1972

Der Bundespräsident hat angerufen und mir mitgeteilt, dass am
Samstag ein Bild von Mitterer im Wiener Kurier mit der Unterschrift
war, dass er den Kommerzialratstitel verliehen hat. Jonas stellt
fest, dass lt. Verfassung dieses Recht ausschliesslich ihm zusteht
und ich dies zu vollziehen habe. Auf meinen Einwand, dass schon jahr-
zehntelang die Bundeskammer die Übergabe dieses Titels durchführt,
lässt er nicht gelten. Er erklärt, er hätte die Aufgabe die Verfassung
zu hüten, ohne allerdings mir eine entsprechende Weisung oder auch
nur dringliche Forderung, dies abzustellen, zu geben.

In der Besprechung mit Sallinger und Mussil stelle ich an die Spitze
die Beanstandung des Herrn Bundespräsidenten, deponiere, dass ich
einen diesbezüglichen Abänderungsvorschlag der Vorgangsweise von der
Handelskammer erwarte. Ich bin überzeugt, dass die Bundeskammer gar
nichts unternehmen wird, ausser Mitterer wegen dieser Vorgangsweise
sicherlich zu rügen Mussil hofft sicher, dass die ganze Angelegenheit
einschlafen wird. Ich werde aber in Zeitabständen immer wieder auf
diesen Vorfall zurückkommen.

ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte vormerken und gleichzeitig überlegen, ob
eine neue Taktik einzuschlagen ist, besonders wenn es Schwierigkeiten
mit Auszeichnungen geben sollte.

Mussil teilt mit, dass die Industriellenvereinigung die seinerzeitigen
Berechnungen der Bundeshandelskammer aufgegriffen hat, die 3 % Aufschlag
nicht die 6,6 Mia. S ausmachen, wie Kreisky und Androsch der Exportindu-
strie zugesagt haben. Auch nach Erhöhung dieses Satzes auf 5 %, die die
FPÖ durchgesetzt hat, wird maximal ein Betrag von 2,5 Mia. von Seiten
des Staates verzichtet werden müssen. Mussil meint, dass zugesagte Be-
träge auf alle Fälle von der Regierung eingehalten werden müssen und
deshalb ein weiteres Verlangen auf Erhöhung des Entlastungssatzes für
die Exportindustrie auf 6,6 Mia. S. Ich bin überzeugt, dass Androsch
dieser Forderung keinesfalls entsprechen wird und ziehe daraus nur
die Lehre, dass – wie ich allerdings immer selbst handhabe – mit
Ziffern sehr vorsichtig vorgehen muss.



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Die Forderung von der Handelskammer, die Bürges-Aktion jetzt durch
Änderung der Geschäftsordnung und Richtlinien zu ändern, erkläre ich,
müsste erst eingehendst geprüft werden. Mussil fragt, ob er mit
Min.Rat Wanke vom Finanzministerium sprechen soll, da er vermutet, dass
dort der grösste Widerstand zur Änderung liegt. Ich sage weder ja noch
nein, sondern erkläre nur, dass ich die Möglichkeit geschaffen habe, hier
für Fremdenverkehr Fälle in der Hausaktion zu übernehmen. Darüber hinaus
könnte man noch Bürges-Fälle in die Gewerbestruktur überstellen.

Ich setze Mussil auseinander, dass in der Vorsteuerabzugskomitee
Schwierigkeiten zu erwarten seien. Ich war von allem Anfang an der Mei-
nung, dass es in diesem Komitee nicht um eine rein mathematische Durch-
rechnung gehen kann, sondern dass auch preispolitische Gesichtspunkte
berücksichtigt werden müssen. Bei den Verhandlungen über die Verkehrs-
leistungen hätte sich nun ergeben, dass die Investitionsanteile im
Preis vollkommen unberücksichtigt bleiben sollten. In diesem Fall würde
bei der Elektrizitätswirtschaft und auch bei anderen anlageintensiven
Unternehmungen und Branchen eine wesentliche Verteuerung sich durch
die Nicht-Vorentlastung ergeben. In nächster Zeit könnte dann von
Arbeitnehmerseite gewisse Vorsteuerentlastung verlangt werden, obwohl
der Verschmutzungseffekt durch eine Investitionsentlastung sondern
ganz im Gegenteil durch eine gewisse Investitionssteuer aufrecht erhalten
bleibt. Mussil meint, dass sich eventuell vorstellen könne, dass man
gewisse Branchen, er denkt hier sicherlich nur an die Stromerzeugung von
der allgemeinen mathematischen Berechnung ausnehmen könnte oder müsste.
Dies lehne ich kategorisch ab und erkläre, hier müsste eine generelle
Lösung gefunden werden. Da sich Mussil nicht genau auskennt und keine In-
formation hat, ruft er mich nach einiger Zeit an und teilt mir mit,
dass er mit Hecke gesprochen hätte und dieser meint, es läuft alles in
Ordnung und ganz normal. Nach eingehender Diskussion mit seinen Beamten
lehnt er einen Vorsteuerabzug für Investitionen ganz entschieden ab.

Beim Mittagessen von der Bundeshandelskammer für die chinesische Handels-
delegation kann ich wieder feststellen, wie Sallinger sich bemüht, mit mir
gut auszukommen. Er erwähnt bei der Tischrede ununterbrochen das gute
Verhältnis und empfiehlt mich, nachdem er ja schon zweimal in China war,
der Delegation in sehr launiger Weise. Hier kann ich schon einen grossen
Unterschied zu Mitterer feststellen, wobei allerdings ein gewisser
Gegensatz zwischen den beiden ja offenkundig ist. Ich höre auch durch
reinen Zufall, wie Sallinger Mayer-Gunthof sagt, er hätte einen Riesen-


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krach mit Kohlmaier gehabt, wegen des Linksüberholens im Parteirat
im Burgenland. Neben mir sitzt ein bedeutender Mann der Delegation und
da ich nicht immer nur vom Wetter und Essen reden will, frage ich ihn,
ob dies Praxis wonach in den Kommunen Eisen und Stahl erzeugt wird, auf-
recht ist, da sie ja die VÖEST jetzt besichtigt haben. Der Übersetzer
der sicherlich ganz exakt und meine Frage ihm mitgeteilt hat, antwortet
mir zu meiner grössten Überraschung, dass der Vorsitzende Mao gesagt hat,
wird die Landwirtschaft, das Gewerbe und die Industrie gleichmässig be-
trieben. selbst hätte überhaupt keine konkrete Antwort – wie er
mir sagte – erwartet. Sehr konkret war diese Antwort allerdings auch nicht.

Der Präsident der nationalchinesischen Handelskammer und der ehemalige
Handelsdelegierte Dr. Grossmann, der jetzt als Konsulent für die National-
chinesen arbeitet, wollte von mir eine Zusage haben, dass wir eine Gemischte
Kommission errichten. Ich lehnte dies sehr höflich aber bestimmt ab und
erklärte, dass jedes offene Problem von Seiten des Vertreters National-
chinas, die ihren Sitzt jetzt nur in Rotterdam haben, nachdem sie bei
der Atombehörde ausgeschieden sind, an uns herangebracht werden, und
Meisl resp. Pschorn seine Wünsche bearbeiten werden. Bezüglich der
Zollfreistellung von Handicraft-Waren gibt er uns auf mein Drängen
eine Aufstellung von 2 Dutzend Produkten, die sie auf die Zollfrei
liste für handwerkliche Erzeugnisse wünschten. Ein offenes Problem ist,
wie Grossmann feststellt, ob man bei diesen Produkten ein gewisser An-
teil von Industrieprodukten sein darf. Z.B. bemalen sie Plastikpuppen.
Entscheiden muss dies das Finanzministerium, ich persönlich glaube aber
nicht, dass es von dem Gewichtsanteil sondern sicherlich von dem wert-
mässigen Abteil der Handmalerei ausgehen wird.

Der Bundeskanzler hat den LH-Stv. von Salzburg Steinocher und den Bürger-
meister der Stadt Salfenauer zu einer Aussprache mit Moser, Sinowatz
und mir – der Finanzminister ist im Finanzausschuss festgehalten – für
die Salzburger Gemeinderatswahlen im Herbst Unterstützung zugesagt. Salz-
burg will zwei Ausstellungshallen zweimal 4.000 m² zu je 20 Mill. bauen.
Die Handelskammer wird sich mit 5 Mill. beteiligen. Kreisky sagt ihnen
5 Mill. zu, wenn gleichzeitig auch das Land diese 5 Mill. zuschiesst.
Ebenso sollen im Mönchsberg eine Parkgarage entstehen und die derzeitige
Planungsgesellschaft in eine Parkgesellschaft mit Bundesbeteiligung wo-
möglich umgewandelt werden. Vom Bund erwarten sie 20 Mill. im Laufe
von drei Jahren. Der Finanzminister, der von Kreisky telefonisch um seine


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Zustimmung gebeten wird, akzeptiert die Verschläge. Bezüglich der
Ausstellungshallen komme ich mit Sinowatz und Salfenauer überein,
dass wir diese als nicht Förderung vom Handelsminister sondern als
Kulturförderung ähnlich der Bruckner-Halle und dem Bregenzer Festspiel-
haus machen wollen. Die Ausstellungshallen werden auch von der Kongress-
hausgesellschaft betrieben werden und es ist besser, in dem Fall die
Kongresshausgesellschaft zu unterstützen. Eine Förderung durch das
Handelsministerium könnte ein gefährliches Präjudiz für alle Ausstel-
lungen, Volksfeste usw. ergeben.

Salfenauer fragt mich, ob ich ihn nicht unterstützen kann, dass das
Hotel Winkler auch alle Fälle als Hotel weiterbestehen bleibt. Er meint,
es könnte gegebenenfalls Millwisch mit dem Verkehrsbüro den Betrieb
übernehmen. Steinocher dagegen erklärt, dass die Landesregierung jetzt
sich überlegt, ob sie nicht eine Fremdenverkehrsschule unterbringen
soll. In den Sommermonaten könnte dann als Ergänzung ein Hotelbetrieb
geführt werden. Bei dieser Gelegenheit kommt die Staffelung der Ferien
wieder zur Diskussion und ich ersuche Sinowatz, eine diesbezügliche
Lösung in seinem Ministerium zu versuchen. Er erklärt, dass er dies
bereits einmal versucht hätte, nochmals tun werde, aber die Lehrer
einen ungeheuren Widerstand leisten. Sinowatz wird mich auf alle Fälle
über den Verhandlungsverlauf immer informieren.

Dr. Daum vom Finanzministerium teilt Dkfm. Marsch mit, dass eine Be-
sprechung zwischen der Erdölindustrie und dem Finanzminister über den
Benzinpreis stattgefunden hat. Alle Teile seien übereingekommen, in Hin-
kunft nicht mehr über die Höhe zu polemisieren. Man ersucht das Handels-
ministerium als das sachlich dafür zuständige, ebenfalls in die Polemik
nicht durch Verlautbarungen einzugreifen. Ich habe dies sowieso nicht
beabsichtigt, sondern ganz im Gegenteil. Min.Rat Schleifer angewiesen,
dass er unter gar keinen Umständen Auskünfte und Verlautbarungen hinaus-
gehen dürfte. Trotzdem wird es jetzt notwendig sein, die propagandi-
stische Arbeit vorzubereiten, dass nicht dann bei einer Benzinpreis-
erhöhung es heisst, das Handelsministerium hat es wesentlicher verteuert,
als es das Finanzministerium beabsichtigte. Wahrscheinlich ist bei der
heutigen Aussprache von Seiten des Finanzministeriums doch nicht der
Nachweis gelungen, dass nur 30 Groschen notwendig seien. An dieser
Ziffern wird sich allerdings die Öffentlichkeit jetzt für die nächsten
Monate orientieren und es wird äusserst schwierig sein, taktisch dabei


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mit einem blauen Auge auszusteigen.

ANMERKUNG FÜR KOPPE: Bitte entsprechende propagandistische Massnahmen
vorbereiten.

Die Besprechung mit Dr. Lorenz vom Patentamt und am Abend mit Lorenz,
Präs. Thaler, Heindl und mir ergab, dass doch eine Möglichkeit besteht,
Lorenz zu einer Mitarbeit für das Dokumentationszentrum zu gewinnen.
Thaler hat in einer Zwischenfrage allerdings sofort erklärt, eine Be-
stellung zum Vizepräsidenten von Lorenz käme nicht in Frage. Diesen
Wunsch habe ich allerdings Lorenz bereits bei unserer Aussprache ab-
gelehnt. Thaler möchte vorerst eine Karenzierung von Lorenz erreichen.
Hier dürfte es sehr grosse Spannungen geben und deshalb glaube ich,
wäre er froh, wenn er Lorenz los wäre. Andererseits aber will in den
verbleibenden eineinhalb Jahren er weder mit mir noch sich mit Lorenz an-
legen und war letzten Endes doch einverstanden, da es im Interesse de
Patentamtes ist, mit der Patentverwertung ein gutes Verhältnis zu haben,
und dass Lorenz einen gewissen Zeitaufwand für diese Tätigkeit von
ihm freigestellt bekommt. Voraussetzung dafür ist, dass es Schipper
gelingt, einen rechtlich einwandfreien Vertrag, der in den Dienst-
ordnungen gedeckt ist, zu formulieren. Prinzipiell soll Lorenz ca.
ein Drittel seiner Arbeitszeit für die Patentdokumentation verwenden.
dürfen. Ich hoffe, dass wir damit das leidige Problem Lorenz auch
gelöst haben. Sicher hat Lorenz sich für die Erstellung des Dokumenta-
tionszentrums verdient gemacht. Andererseits aber wieder wäre er
vollkommen unmöglich als Geschäftsführer gewesen, da er viel zu wenig
Entschlusskraft besitzt. Lorenz erklärte zwar seine Mitarbeit, meinte
allerdings, dass es ihm vom persönlichen Standpunkt aus lieber wäre,
wenn er nur Aufsichtsratsmitglied der Patentdokumentation werden könnte.
Ich habe ihm eine solche Zusage niemals gemacht, scheinbar hat Auracher
bei seinen Besprechungen diese Möglichkeit auch erwähnt. Ich bin sehr
froh, dass Lorenz sich nun für die engere Mitarbeit, die ihm auch finan-
ziell wesentlich mehr bringt, entschlossen hat. Wenn Schipper eine Kon-
struktion findet, die im Dienstrecht möglich ist – und ich zweifle
nicht dass es so etwas gibt – können wir dann Gehart, der sich auch
mit Patentfragen sehr intensiv beschäftigt hat, in den Aufsichtsrat ent-
senden.

ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte Schipper zu einer schnellen aktenmässigen
Erledigung drängen.

11_0720_01

Tagesprogramm, 12.6.1972

11_0720_02

hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: Unterrichtsminister


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: SChef HM
    GND ID: 12195126X


    Einträge mit Erwähnung:


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: MR HM


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: (ehem.) Präs. Patentamt


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg., ÖVP-GS


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Generaldir. Österr. Verkehrsbüro [?]


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Beamter HM


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Finanzminister
                  GND ID: 118503049


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: MR HM


                    Einträge mit Erwähnung:


                      Einträge mit Erwähnung:


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: LH-Stv. Sbg., SPÖ


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: Bundespräsident bis 1974


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                                GND ID: 102318379X


                                Einträge mit Erwähnung:
                                  Tätigkeit: Leiter wirtschaftspolit. Abt. HK [1971 zuerst in einer Enquete; im Juni 1971 als Referent und Verantwortlicher f. Statistik und Wirtsch.pol. nach Klose bez.]


                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    Tätigkeit: Ministerialrat, Leiter Grundsatzabteilung


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                                      Tätigkeit: erst AK, dann GF INPADOC


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                                        Tätigkeit: Bautenminister


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                                          Einträge mit Erwähnung:
                                            Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


                                            Einträge mit Erwähnung:
                                              Tätigkeit: Bundeskanzler
                                              GND ID: 118566512


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                                                Tätigkeit: Bgm. Sbg.


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                                                  Tätigkeit: Handelsminister, ÖVP, Präs. HK Wien


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                                                    Tätigkeit: Hofrat Patentamt; evtl. Falschidentifikation


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                                                      Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


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