Dienstag, 13. Juni 1972
In der Ministerratsvorbesprechung aber auch im Klub berichtete
Kreisky über zwei Probleme: die Bezugsordnung für die Politiker
und vor allem Diskussion in Linz wegen der Stahlfusionierung. In
der Politikerbesteuerung und der Bezugserhöhung hat er seiner Mei-
nung nach jetzt eine Lösung gefunden, die er durchziehen wird und die
vor allem einmal dieses Problem ein für alle Mal so glaubt er
zumindestens, erledigt. Der Bundeskanzler mit 240 % des Sektionschef-
bezugs und der Vizekanzler mit 220 % haben auf diese Erhöhung gegen-
über den Ministern, die nur 200 % haben verzichtet. Sie werden in Hin-
kunft gleichstellt. Die höheren Ausgaben sollen nur durch entsprechende
steuerliche grössere Absetzbeträge kompensiert werden. Verfassungsrich-
ter, die 166 % aber bekommen, würden, da sie meistens einen Bezug z.B.
als ordentliche Professoren haben, jetzt 266 % haben und dann mehr als
der Bundeskanzler. Kreisky erklärte zwar, und ich glaube ihm das aufs
Wort, dass es ihm vollkommen wurscht ist, ob diese mehr bekommen als er
doch darf man nicht vergessen, dass – wie er sich ausdrückte – ein ge-
wisser Sozial-Prestige-Standpunkt verbunden ist. Aus diesem Grund wird
der Bezug der Verfassungsrichter entsprechend reduziert werden.
Der Einwand, von manchen Nationalräten, insbesondere von der ÖVP,
dass jetzt die Freien Berufe schlechter gestellt sind durch die Be-
steuerung und daher kaum sich als Nationalrat bewerben werden, stimmt
nicht, da jetzt eine Pensionsbestimmung sie jetzt erhalten, die sie
als freie Berufe überhaupt nie erworben hätten. Die Pensionsbestimmungen
sind überhaupt so verbessert worden, dass selbst jetzt Minister Mitterer
der bei Amtsübernahme bei mir sich ja beschwert hat, dass er jahrzehnte-
lang in der Politik tätig ist und keine Pension bekommt, jetzt durch
die Anrechnung der Nationalratsjahre mit einem Drittel auch die vier
Jahre-Erfordernis erfüllt und damit Pensionsberechtigung hat. Die Dis-
kussion im Klub über diese Probleme konnte ich nicht mehr mithören,
da Kreisky leider so spät in den Klub gekommen ist. Gratz wollte zwar,
dass zuerst über die Politikerbezüge gesprochen wird, doch meinte er,
das politische Wichtigere und Entscheidendere die Auseinandersetzung
über die Fusion ist. Wie weit im Klub dies Taktik war, kann ich nicht
beurteilen. Glücklich ist es. Es ergab sich nämlich dadurch trotz des
heissen Eisens von VÖEST eine allzu lange Diskussion. Für die Politikerbe-
züge war dann kaum mehr, so vermute ich, eine umfangreiche Diskussion
zu erwarten.
Die Bewegung in Linz möchte Kreisky nicht bagatellisiert wissen.
Die bisherigen Gegensätze innerhalb der Partei waren maximale Führungs-
differenzen und daher verhältnismässig leicht zu bereinigen. Hier aber
ist es das erste Mal, dass Arbeitermassen gegen andere Arbeitermassen
in der Steiermark, die Alpine, im Gegensatz stehen oder zumindestens hinein-
manövriert werden. Da beide zum überwiegenden Teil Mitglieder unserer
Partei sind, ergibt dies eine ungeheuer schwierige Situation für uns.
Durch die Unterschriftsaktion der Oberösterreichischen Nachrichten, an
der sich auch einige Spitzenfunktionäre in Linz beteiligt haben, ist
es dem Gegner gelungen, emotionelle Stimmung anzuheizen. Das ÖIAG-Gesetz
sieht die branchenweise Zusammenführung vor, die ÖVP will aber jetzt nur
mehr eine Holdinglösung. Eine solche kommt nicht in Frage, weil damit
das Problem überhaupt nicht gelöst ist, sondern nur auf zwei Jahre hinaus
der Vorschlag dann verschoben würde. Wenn ausserdem dann ausser der ÖIAG,
die schon Holding ist, auch eine Stahl-Holding unter ihr wäre, dann müssten
noch Kompetenzen, wie z.B. Personalfragen usw. auf die Stahlholding über-
tragen und die ÖIAG noch weiter ausgehöhlt werden. Kreisky erklärt, dass
er seinerzeit, als man ihn fragte, wie er das Problem lösen würde, in
der Oppositionszeit mitgeteilt hat, dass er in den branchenweisen Zu-
sammenführungen mit Hilfe einer Holding beginnen würde. Erst wenn diese
Holdings aber arbeiten, sollte dann eine ÖIAG-Gesetz über eine Super-Holding
darübergesetzt werden. Die ÖVP ist aber genau den umgekehrten Weg gegangen
hat zuerst das Dach geschaffen und keinen Unterbau, Jetzt muss man aber
durch die Fusionierung einen entsprechenden Unterbau zustandebringen.
Die Sitzfrage ist nur eine sekundäre. Man wird versuchen, mit der Steier-
mark gemeinsam eine Lösung zu erreichen. Wichtig und entscheidend ist
primär der Gesetzesauftrag, branchenweise Zusammenführung wie die ÖVP seine
zeit im ÖIAG-Gesetz verlangt hat, jetzt auch tatsächlich durchgezogen wird.
Wie mir Grünwald beim Essen versichert, ist dazu Kreisky und Benya fest
entschlossen, den Eindruck habe ich auch.
In der Ministerratsvorbesprechung meinte Broda noch, dass wir bis zum
26.6. die parlamentarischen Anfragen, welche Anträge wir an der erste
BÜG gestellt haben, beantworten müssen. Da dieses Gesetzt jetzt bereits
beschlossen ist, sieht Androsch überhaupt keine Schwierigkeiten, dass
jeder angibt, was er tatsächlich vom Finanzminister verlangt hat.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Soweit aktenmässig festgelegt, wahrheitsgetreu
beantworten.
Lütgendorf berichtet, dass die Flughafengesellschaft sich an ihn ge-
wandt hat, damit des Bundesheer die Kontrolle von Gepäckaufbewahrungen
und vor allem im Flugvorfeld die Sicherung mit Heeresstreifen übernimmt.
Im Einvernehmen mit Rösch, der jetzt sogar Funkstreifenwagen von der
Polizei abgestellt hat, lehnt er diese Anforderung ab. Laut Verfassung
kann überhaupt nur eine Gemeinde oder sonstige Behörde eine solche
Assistenz vom Bundesheer anfordern. Kreisky teilt mit, dass das Flug-
sicherungspersonal ca. 20 Personen Forderungen stellt und mit Streik
droht.
Kreisky erhält mehrere Berichte und Fragen von Österreichern, die gerne
wieder nach Österreich zurückkommen wollen. Er wird deshalb eine In-
formationsstelle im BKA einrichten.
Lütgendorf berichtet, dass der Verwaltungsgerichtshof unter Vorsitz
von Lenni Edlinger Recht gegeben hat, dass er ihn nicht abberufen hätte
dürfen. Interessant ist nur, dass Lenni der Schwiegervater von einem
Mann in der Personalvertretung vom Verteidigungsministerium ist. Lenni
dürfte auch als reaktionärer, vor allem ÖVP-prononcierter Obertricht
bekannt sein. Mit diesem Urteil wurde wieder einmal dokumentiert, welche
geringe Möglichkeiten ein Minister in seiner Personalpolitik wirklich hat.
Wem sagt man dies, wir können das bei Wanke jetzt selbst erleben.
Die 7. Konfrontation mit den Jugendorganisationen soll am 21.6. zwischen
10 und 17 Uhr stattfinden. Für mich käme nur als interessanter dritter
Teilbereich die Entwicklungshilfe in Frage.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte eventuellen freien Termin eintragen.
Im Ministerrat ist mir wieder aufgefallen, wie in anderen Ministerien,
insbesondere auch z.B. das Aussenministerium, wo eine gute Beamten-
schaft herrscht, jede DEtails eingehend registrieren . Beim Bericht des
Bundeskanzlers über die OECD-Ministertagung in Paris wurde von der damaligen
CSSR-Regierung gesprochen. In Wirklichkeit war zu diesem Zeitpunkt noch
die Bezeichnung CSR, d.h. sozialistisch noch nicht im offiziellen Titel
und ein Beamter des Aussenamtes hat dies sofort bemerkt und auch Kirch-
schläger hat es richtiggestellt. Ich beschwere mich ja nicht, dass in
unserem Ministerium sich scheinbar überhaupt niemand die Ministerratsvorträge
anschaut, ausser wenn es sich um Kompetenzeinteilungen handelt und mir
entsprechende Vorschläge oder Änderungsanträge stellt. Dieser Zustand ist
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deshalb ideal, weil niemand uns jemand wird vorwerfen könne, wir
hätten nicht auf die weisen Ratschläge unserer Beamten gehört. Wenn
sie sich nicht melden, kann ich mit ruhigem Gewissen annehmen und
will dies auch überall vertreten, dass sie eben zu den ganzen Anträgen
der Bundesregierung nichts gesagt haben und damit zugestimmt haben.
Unter mündlichen Berichten hat Kirchschläger mitgeteilt, dass sich
zwölf Akademien der Wissenschaften bemühen, ein internationalen Institut
für angewandte Systemanalyse zu gründen. Österreich hat grosse Chancen,
dass es nach Laxenburg kommen kann.
Da sonst niemand sich zum mündlichen Bericht meldete, habe ich ganz
kurz über die Anwesenheit von dem norwegischen Minister Kleppe berichtet.
Ich habe inhaltlich gar nichts gesagt, sondern ausschliesslich dafür
nur gesorgt, dass im Protokoll ein Vermerk aufgenommen wird. Alle
anderen Minister nämlich berichten sogar, wenn sie jemanden eingeladen
haben, sodass ich mich schön langsam doch dazu entschliessen werde,
dass wenn der Gast schon hier ist, ich dem Ministerrat ganz kurz be-
richte und es im Protokoll vermerkt wird.
Die Besprechungen mit dem Verband der Zeitungsherausgeber verlief
für uns überraschend sehr ruhig und vor allem nicht so ablehnend wie
wir es erwartet hatten. Von den Zeitungen war der Präsident Dr. Sassmann,
Kleine Zeitung, Egger, Vizepräsident von der AZ, Dkfm. Binder von den
oö. Nachrichten, Dr. Schrotta von der Wochenpresse, Dr. Haluschka vom
Kurier, Dkfm. Slavik von der Kronen-Zeitung, Komm.Rat Heilwag,
Dr. Enigl und Horak vom Österr. Zeitschriftenverband vertreten. Sehr
aktiv aber ist der Generalsekretär Dr. Schaffelhofer. Androsch
versuchte ihnen auseinanderzusetzen, dass sie bei der Mehrwertsteuer
Regelung 8 % voller Vorsteuerabzug besser fahren als jetzt, wo sie eine
einzige Endstufenbefreiung haben. Er behauptete auch, dass sich in Europa
die Europ. Wirtschaftsgemeinschaft Richtlinien durchsetzen, während
die Zeitungsherausgeber erklärten, in den Niederlanden und in Norwegen
seien echte Steuerbefreiung mit vollem Vorsteuerabzug bereits einge-
führt. Auch Schweden hat eine solche Regelung, die BRD möchte ebenfalls
dies einführen. Gleichartige Lösungen gibt es auch in Frankreich. Androsch
ist es dort zumindestens nicht geglückt, die Zeitungsherausgeber davon he
zu überzeugen, dass diese Regelung für sie ein grossen Vorteil ist. Be-
rechnungen, die sie angestellt haben, ergeben, dass sie maximal 4,97 bis
7,51 % Vorsteuerabzug zusammenbringen. Dies wurde durchgerechnet von den
Zeitungen und es wird jetzt ein Komitee Wirklich prüfen, ob Androsch
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recht hat oder die Herausgeber. Androsch erkläre aber, dass er gegebenenfalls
bereit sei, wenn sich wirklich herausstellt, dass in Westeuropa die
echte Befreiung überall Platz greift, dann auch seine Stellungnahme in
diesem Punkt noch zu ändern.
Der Wegfall der Gewerbesteuer, Lohnsummensteuer, Anzeigenabgabe und Gebrauchs-
abgabe kann deshalb nicht von den Bundesorganen beschlossen werden, weil
es sich hier um Länder- und Gemeindeabgaben handelt. Der Vorschlag der
Zeitungsherausgeber, dass eben dem Bund eben im Finanzausgleich die Länder
und Gemeinden entschädigen sollte, war wirklich nicht ernst gemeint.
Kreisky hat daher sie auf den Gemeinde- und Städtetag verwiesen. Die
Förderung durch Bildung von Investitionsrücklagen hat Androsch erklärt,
ist schon geregelt, denn es wird jetzt allgemein schon von 20 auf 25 %
angehoben und ausserdem von 3 auf 4 Jahre erstreckt.
Über den Wunsch von Investitionskrediten hat Kreisky erklärt, könnte
man reden und Zinsenstützungen vorsehen. Diesbezügliche Beratungen seien
im Handelsministerium zu führen.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte einen sehr restriktiven Vorschlag von den Ab-
teilungen ausarbeiten lassen. Ich selbst will dann ganz schnell eine ent-
sprechnede Verhandlung mit einem kleinen Komitee der Zeitungsherausgeber
führen.
Bei den Postgebühren und Sondertarifen wird der Verkehrsminister mit ihnen
verhandeln. Ebenso bei Ausbildung das Unterrichtsministeriums und For-
schungsförderung das Wissenschaftsministerium.
Für die Zuschüsse bei Papierbezug, ähnlich wie in Schweden und Norwegen
wünscht Kreisky, dass wir den Vorschlag der Papierindustrie abwarten. Diesem
Vorschlag käme eine Subvention a la Fohnsdorf, wenn sie gewünscht wird,
für die Regierung nicht in Betracht. Wohl aber meint Kreisky, könnte man,
um die Rotationspapierproduktion aufrechtzuerhalten, ein Arrangement
zwischen Zeitungsherausgebern, Papierindustrie und staatliche Hilfe
anstreben. Die Frage, ob ich das Elaborat schon besitze, habe ich erklärt,
dass dies von der ÖPA noch immer als strengst vertraulich behandelt wird und
wir eben zuwarten sollen und müssen, bis endlich die Papierindustrie sich
bequemt, uns das Unterlagenmaterial zu geben. Kreisky hat scheinbar so
wie ich auch nur Andeutungen gehört.
Über das Zweite Fernsehen wurde nur einleitend von Kreisky festgestellt,
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dass er noch immer glaubt, dass ein Ertrag von 40–60 Mill. heraus-
schauen könnte. Seiner Vorstellung nach würde das erste Fernsehen,
das staatliche, von Gebühren leben und das zweite ausschliesslich
die Werbeeinnahmen vorbehalten haben, Berechnungen die Bacher
aufgestellt hat, stimmen nicht und Kreisky fragt sich überhaupt, mit
welcher Berechtigung er diese Unterlagen bis in die einzelnen Schulen
geschickt hat. Da die Zeitungsherausgeber ja kein Interesse an dem
zweiten Programm wirklich zeigen, haben sie sich nur bereit erklärt,
in einem kleinen Komitee mit Kreisky über diese ganzen Probleme
neuerdings zu sprechen. Kreisky erklärte aber sofort, dass ein einzelne
oder gar ein Ausländer für ein zweiten Programm niemals die Lizenz
von der Bundesregierung erhalten würde.
In der Wirtschaftspolitischen Aussprache im Finanzministerium – Androsch
kam ein bisschen später – habe ich die Zeit genützt, um über die Pläne
des Vorsteuerabzuges für die Investitionsanteile mit den Interessen-
vertretungen zu diskutieren. Hecke und Klose beschwerten sich, dass
keine Protokolle über diese Sitzung bei uns geführt werden, dadurch
ergibt sich derzeit ein Streit. Die BHK hätte nämlich eine Grundsatz-
diskussion mit Verankerung der Ergebnisse gerne schriftlich
gehabt. In diesem Fall hätte hätte man eben im Prinzip festlegen
müssen, ob ein Steuerabzug auch von den Investitionsanteilen zu machen
wäre. Die BHK, genauso wie übrigens die öffentlichen Unternehmungen
wie Bahn usw., haben dies bis jetzt abgelehnt. Dr. Lachs vom ÖGB
hat dies auch unter Anwesenheit vom Finanzminister dann zur Sprache
gebracht, der aber ebenfalls darauf nicht besonders reagierte. Die BHK
hat erklärt, sie wird entsprechende Listen für die Industrie das nächst
Mal vorlegen. Ich glaube, dass es wirklich notwendig ist, eine Grund-
satzdiskussion über dieses Problem noch auf höherer Ebene zu führen.
Wir müssen deshalb fraktionell die entsprechenden Vorschläge vom ÖGB
und, wie ich hoffe, auch von der Arbeiterkammer vorbereiten.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte eine solche Aussprache mit Unterlagen-
material organisieren.
Seidel berichtete, dass sich das BNP von 4 auf 5 % erhöht hat, ich
habe die 4 % niemals ernst genommen und wahrscheinlich werden wir
ausser den 5 % noch ein bisschen höher kommen. Damit ist es das
erste Mal, dass Österreich – wenn die BRD im nächsten Jahr einen
Konjunkturaufschwung hat und uns dann automatisch wieder mitzieht –
ein Konjunkturtief von Westeuropa glatt ausgelassen hat. Auch der
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Verbraucherpreisindex wird jetzt korrigiert und man nimmt an, dass
nicht 4,7 wie im Vorjahr und wie auch prognostiziert, sondern 5 % wahr-
scheinlich Jahresdurchschnitt sein wird. Ich glaube hier liegt das
Institut ein bisschen zu tief. Die Bruttolöhne und Gehälter werden in
Summe mit 11 % angenommen. Ist-Löhne sollen um 7,5 % steigen, die
Kollektivvertragslöhne um 10 % und aus der Beschäftigungssituation wird
1 % plus gerechnet. Vranitzky berichtete über die Kreditmassnahmen,
ohne sie zu quantifizieren. Lachs ergänzte mit Recht, dass alle Mass-
nahmen solange die Kreditexpansion 19,6 % beträgt, als nicht sehr wir-
kungsvoll betrachtet werden müssen.
In der Mehrwertsteuer hat Androsch vorgeschlagen, die Sozialpartner
sollten einen Mässigungsakkord – ein guter Slogan, der Kreiskys würdig
ist – suchen. Er hat den Eindruck, dass jetzt in der Umsatzsteuer, die
immerhin 33 Mia bringt, alles nur von der Endstufe bezahlt werden müsste,
weil fast kein Vorsteuerabzug von den Unternehmungen zugegeben wird.
Die BHK wird nicht nur bei der Erstellung der Vorsteuerabzugslisten
mitarbeiten, sondern ist sich auch klar darüber, dass eine Sicherung
kommen muss, dass insbesondere zu erwartende Senkungen weitergegeben
werden müssen. Sie plädiert zwar immer noch, dass dies alleinige
Aufgabe der Sozialpartner ist, ist sich aber darüber klar, dass auch
eine gesetzliche Absicherung erfolgen soll und muss. Da Mussil aber
seine Position – wenn dann im Parlament über dieses Problem verhandelt
wird – nicht verschlechtert wird, der öAAB und die Frauenorganisa-
tion würden ihm ja vorwerfen, dass er bereits auf der Sozialpartner-
ebene im Prinzip dies zugestanden hat – erklärt die BHK offiziell,
dass sie gegen eine jedwede gesetzliche Regelung ist. Damit war Rösch
gezwungen, in den Klub zu gehen und einen Initiativantrag zu veranlassen.
Rösch hat dabei sehr richtig gehandelt, denn bis jetzt zur Debatte stehen-
den Entwurf, d.h. ohne Dienstleistungen, damit seine ursprüngliche Ab-
sicht in einem Gesetzentwurf festgelegt und nun auch eingebracht. Die
wichtigste Bestimmung ist, dass das Handelsministerium eine Verord-
nungsermächtigung bekommt, um die Vorsteuerentlastungslisten festzulegen.
Ich bin sehr gespannt, wie die ÖVP sich bei den Verhandlungen verhalten
wird und wie sich dann letzten Endes abstimmungsmässig entscheidet.
Beim Empfang in der chinesischen Botschaft für die chin. Handelsdelega-
tion nützt ich die Gelegenheit, um dem Botschafter auseinanderzusetzen,
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dass wir jetzt unsere maximale Lösung für den Handelsvertrag heute
überreicht haben. Der Botschafter sagte, er würde ihn sehr genau
studieren und er hoffe auch, dass es gelingt, so bald wie möglich
den Vertrag zu paraphieren, damit ich eben ihn im Herbst in China
unterzeichnen kann. Bei diesem Empfang war auch Frau Dr. Zimmermann
anwesend, die mir erklärte, sie möchte eine Studie über die Werbepolitik
– sie arbeitet im Konsumentenwerbeausschuss mit – durchführen. Zu diesem
Zweck möchte sie einen Auftrag, der von uns auch bezahlt werden müsste,
erhalten. Ich habe ihr erklärt, dass Koppe gegebenenfalls eine solche
Möglichkeit hätte, ohne ihr konkrete Zusagen zu machen.
ANMERKUNG FÜR KOPPE: Bitte überleg Dir, ob wir einen ganz kleinen
Zuschuss geben könnten.
Mit Min.Rat Meisl besuchte ich dann noch ganz schnell den Heurigen
wo der belg. Botschafter für Kommissionsmitglied der EG, Barre,
einen Empfang gegeben hat. Aus optischen Gründen wollte ich zumindestens
die Gelegenheit dort nützen, um ihm die Wünsche Österreichs zu den
Kommissionsverhandlungen jetzt noch einmal mitzuteilen. Meisl hat dann
vorgeschlagen, nachdem dies beim Heurigen ja wirklich sehr schwer
möglich war, dass wir ihm noch ein Papier mitgeben. Denn Barre erklärte
sich bereit, unsere Wünsche seine Kommissionsmitgliedern, die die Ver-
handlungen führten, zu übermitteln. Bei dieser Gelegenheit stellte sich
heraus, dass Barre am nächsten Tag mit Bundeskanzler und vor allem am
Nachmittag mit Finanzminister im Parlament verhandelt. Anschliessend an
diese Verhandlung um 16.15 Uhr werde ich nochmals mit ihm und Meisl
zusammentreffen. Ich bin mir mit Meisl vollkommen klar, dass aus
dieser Aussprache überhaupt nichts herauskommen kann und dass vor allem
auch die Einflussmöglichkeit von Barre äusserst gering ist, das er
die Verhandlungen gar nicht führt und auch dafür gar nicht zuständig ist.
Unser Weissbuch bekommt also wieder ein Blatt mehr.
Bei der Bezirksvorstandssitzung hat mir bereits Jodlbauer mitgeteilt,
dass Mitterer bei einer Wiener Präsidiumssitzung der Handelskammer er-
klärt hätte, dass meine Frau grössten Wert darauf legt, für Wolf das
Staatswappen zu bekommen. Jodlbauer hat dies bezweifelt und deshalb
erklärt, er stimme nicht für eine solchen Antrag, da er bis jetzt immer
von der Wiener Handelskammer abgelehnt wurde. Ich habe Jodlbauer sofort
erklärt, dass weder meine Frau noch ich persönliches Interesse haben,
sondern dass es sich hier um einen ehemaligen internationalen Fussballer
handelt, der insbesondere aus politischen Gründen glaubt, bei dieser
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Frage benachteiligt zu sein. Mitterer hat mir nun beim Heurigen, ohne
dass er wissen könnte, dass ich bereits mit Jodlbauer gesprochen habe,
erklärt, dass er sehr gerne, diesen mich persönlich so interessierenden
Fall erledigt hat. Ich erklärte ihm ebenfalls, dass ich persönlich daran gar
kein Interesse habe, sondern dass es aus sachlichen Gründen nach Auffassung
von meinem Büro möglich wäre, das Staatswappen der Firma zu geben. Aus
diesem Grund hätte ich auch bei Sallinger interveniert. Mitterer meinte
noch, dass er, obwohl wir natürlich politische Gegensätze haben, in
einem solchen Fall ich mich sicherlich gewendet hätte, da ich aber per-
sönlich in diesem Fall gar kein spezifisches Interesse habe, habe ich
dazu auch gar keinen Grund gehabt. Aus dem ganzen Vorfall habe ich die
Lehre gezogen, dass man hier noch sehr vorsichtiger vorgehen muss, als
wir dies wahrscheinlich sowieso machen. In Hinkunft werde ich deshalb nur
schriftlich unter Angabe der Gründe – wenn ein Ansuchen an mich kommt –
an die Handelskammer weiterleiten.
Tagesprogramm, 13.6.1972
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung 30. Ministerratssitzung, 13.6.1972