Dienstag, 11. April 1972
Die Aussenhandelsstelle der Handelskammer ist in einem sehr modernen
neuen Wohnhaus untergebracht und wirklich die schönste, die ich bis
jetzt gesehen habe. Jeder Aussenhandelsstelle hängt das Bild von
Präsident Sallinger, obwohl Steinacker behauptet, dass er sogar einmal
angeordnet hat, dass diese wegkommen müssten. Scheinbar hält sich
die Verwaltung nicht an diese Anordnung oder Mussil hat es aus Sozial-
betreuungsgründen weiter verfügt, dass sie hängen bleiben müssen.
Ich sagte, wenn der Aussenhandelsstellenleiter den Sallinger sieht, dann
hat er kein Heimweh. Botschafter Fawrowky, der mich begleitete, Leitner
legt grössten Wert darauf immer zu unterscheiden, wenn er mich begleitet,
nämlich wenn es sich um EWG-Angelegenheiten handelt, für alles andere
hat er mich gebeten, sollte ich immer Fabrovsky heranziehen,
denn der fühlt sich sonst in zweiter Linie erst als Ersatzbotschafter.
Er meint, dass das Heimweh eine ganz grosse Rolle spielt, denn bei
der EWG z.B. sind alle phantastisch bezahlt und trotzdem kommt es immer
wieder zu Nervenzusammenbrüchen und Selbstmorden usw. In Belgien ist
es angeblich auch für junge Mädchen äusserst schwer Kontakt und An-
schluss zu finden.
Dipl.Kfm. Knoll erklärt, dass wird durch das immer gleichartige
Nennen bei den EWG-Verhandlungen über die hier äusserst ausführlich be-
richtet wird, von Schweden, Schweiz und Österreich, Österreich jetzt
das Image eines industrialisierten Landes wie eben die anderen genannten
erhält. Wir haben durch diese Tatsache eine verhältnismässig billige
Aufwertung erfahren, ohne dass wir grosse Propagandaaufwände machen
mussten. Trotz der vergleichbaren leichten Präzision in Belgien
ist es gelungen, die Aussenhandelsziffern zu verbessern. Der Export
beträgt ca. 1 Milliarde und ist gegen 1,8 nach Frankreich ein wirk-
lich schönes Verhältnis. Frankreich hat dann bekanntlicherweise 2 Mia.
Handelsdefizit während Belgien nur auf 800 Mill. kommt, d.h. dem
Import aus Frankreich von 3,8 stehen ca. 1,8 von Belgien nach Öster-
reich gegenüber. Damit könnte meint Argument, das sich insbesondere
gegen Giscard d'Estaing verwendet habe, dass die Sprachschwierigkeiten
nach Frankreich der hauptsächlichste Grund des geringen Exportes ist,
falsch sein. Dies trifft aber doch nicht zu, denn tatsächlich meint
Knoll, könnte dann nach Brüssel oder überhaupt nach Belgien man mit
englischer Korrespondenz leicht auskommen, denn die Flamen benützen
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sie primär, da der flämische Bevölkerungsteil der aktivere und vor
allem in der Wirtschaft aggressivere ist, setzt er sich auch in
immer stärkerem Masse gegen die Wallonen durch. Für unseren Export
äusserst günstig, für die politischen Verhältnisse hier dagegen
katastrophal. Dies ist ja auch der Grund, warum es hier einen Sprachen-
streit gibt, der die Nation entzweit.
Auch die Fremdenverkehrszweigstelle ist in ein neues Lokal – sehr günstig
gelegen – übersiedelt. Bis jetzt hat ja der bisherigen Fremdenverkehrs-
leiter Graf Drahe sein Haus zur Verfügung gestellt gehabt und wir
haben jetzt schwere Auseinandersetzungen noch immer mit ihm. Bot-
schafter Fabrovsky erzählt mir, dass er ununterbrochen Briefe, 18
Seiten und mehr von ihm, der jetzt bereits 70 Jahre alt ist, bekommt
wo er sich sehr bitter beklagt. Angeblich werden Briefe, die er an die
Österreichische Fremdenverkehrsstelle oder Fremdenverkehrswerbung nach
Österreich richtet, nicht mehr beantwortet. Ich habe den Leiter ersucht
dass dies unbedingt mit zumindestens einem Bestätigungsvermerk: Brief
erhalten und Vorlage an die zuständigen Stellen oder Organe, geschehen
muss.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte auch in Wien dafür sorgen, dass zumindestens
die Brief formell beantwortet werden.
Der Botschafter schlug vor, dass wir dem Dore ? eine Auszeichnung geben
sollten und ich habe sofort zugestimmt. Er wird jetzt ein über den
Dienstweg entsprechendes Schreiben an das Handelsministerium richten.
Im flämischen Gebiet gibt es einen Geschäftsmann, der sich sehr um
die österreichische Fremdenverkehrswerbung annimmt. Deshalb soll
Uhl resp. Langer-Hansel von der ÖFVW ihm in Aussicht gestellt haben,
dass man ihn unterstützen wird, resp. man hat ihm sogar nach Wien
zum Opernball eingeladen und ihn wissen lassen, dass er dafür Konsul
werden kann. Fabrovsky sagt, dass dies eine Katastrophe wäre, wir
haben bereits jetzt im flämischen Raum zwei Konsuln und im wallonischen
nur einen. Es ist deshalb aus politischen Gründen ganz unmöglich,
dass ein dritter Konsul im flämischen Gebiet ernannt wird. Es be-
steht nämlich dafür auch gar keine Notwendigkeit. Abgesehen davon
ist es wirklich ein Unfug, wenn die Fremdenverkehrswerbung hier in
eine Kompetenz einmischt für die sie erstens gar nicht zuständig ist
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noch überblicken kann, welche politischen Folgen entstehen könnten.
Wenn nun der Botschafter sein Ansuchen ablehnt resp. negativ das
Aussenamt dazu Stellung nimmt, dann ist die ÖFVW scheinbar die gute
und das Aussenamt resp. Fabrovsky der böse Mann. Ausserdem erreicht
man deshalb nichts, weil der Mann wird so verbittert sein, dass er
dann ebenfalls für die ÖFVW kaum mehr etwas tun wird.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Vielleicht könnte man auch hier mit einem
Orden diesen Fehler gutmachen.
Die Fremdenverkehrsstelle hat mit 5 Beschäftigten viel zu tun
und mit Stolz verweist der Leiter darauf, dass er gegenüber der
Schweiz, wo 16 Beschäftigte tätig sind, doch jetzt diese über-
runden kann, weil wahrscheinlich heuer mehr Belgier nach Österreich
fahren als in die Schweiz. Ich liess ihm keinen Zweifel, dass trotz-
dem nicht daran zu denken ist, dass wir mehr Leute in den Zweigstel-
len beschäftigen können. Wichtig ist, dass durch die Trennung von
Doré jetzt der neue Leiter sich voll entfalten kann und dass auch
die Kolleginnen mit der jetzigen neuen Unterkunft sehr zufrieden
sind.
Die Aussprache mit dem Kommissar Borschette von der EG-Kommission und
seinem Budgetisten Müller sowie mit Baker, der mit Koppe
bereits die Vorverhandlungen geführt hat über die Public-relations-
Arbeit, war für mich ein bisschen enttäuschend. Borschette erklärte
nämlich, dass man alle Anstrengungen Österreichs unterstützen würde,
dass aber im Budget keine Mittel vorgesehen sind. Müller erklär-
te, dass Österreich nur unter p.m., das heisst pro memoria, aufge-
führt ist. Natürlich gibt es Möglichkeiten, aus anderen Budget-
posten Österreich zu helfen. Baker meinte, dass drei Möglichkeiten
in Frage kommen. Für die Stiftung, die wir in Österreich errichten
wollen, könnte für die Dokumentation und der Bibliothek durch
Bücherankäufe eine indirekte Subvention erfolgen. Für die Heraus-
gabe einer Basisbroschüre Fakten könnten die ca. 300.000 S kosten
werden, 50.000 S von der EG zur Verfügung gestellt werden. Drittens
könnten Seminare und Vortragende entweder in Wien oder vereinzelt
auch in Brüssel durchgeführt werden. Dass das Budget beschränkt ist,
möge man daraus ersehen, dass für Dänemark. welches beitreten wird,
nur 400.000 bfrs. vorgesehen sind. Deshalb würden die Dänen zwar
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eine ganz grosse Vortrags- und Seminartätigkeit in Brüssel ent-
wickeln, 1.200 Personen nach Brüssel zur EWG bringen, aber
auf ihre eigenen Kosten. Für Norwegen wäre nur ein Budget von 410.000
bfrs. vorgesehen. Nur bei Grossbritannien wären 12,9 Mill. veran-
schlagt. Darüber hinaus gibt es in Grossbritannien noch einen
Presse- und Informationsdienst und ebenfalls eine eigene EG-Dele-
gation in London. Koppe versuchte zu erklären, dass ja
die Stiftung auch eine Art Stützpunkt für die EG in Wien sein
könnte. Die Absichten Österreichs wurden als sehr positiv
und sehr zielführend betrachtet, doch hat man leider zum Beispiel
für diese Tätigkeit 10 Mill. angefordert und nur 300.000 bfrs.
bekommen.
Über die Wünsche Österreichs zum Vertrag konnte ich das Kommissions-
mitglied Borschette sehr für uns einnehmen, da er als Luxemburger sich
bereits immer als Freund Österreichs deklariert hat.
Beim Mittagessen, das Leitner für die ständigen Vertreter und
die vier Botschafter der Beitrittsländer gegeben hat, benützte
ich ebenfalls die Gelegenheit, natürlich auf den österreichischen
Wunsch einen baldigen und für uns positiven Abschluss hinzuweisen.
Insbesondere der Luxemburger Vertreter sicherte mir zu, er führt
jetzt den Vorsitz, dass er alles unternehmen wird, um uns zu
unterstützen, Genauso natürlich de deutsche Vertreter mit dessen
Mission für sehr gute Beziehungen, wie mir Dr. Hausberger versicherte
haben. Er ersuchte mich auch und ich kam diesem Ersuchen gerne nach,
dass wir insbesondere auf die gute Zusammenarbeit angewiesen sind
und ihm dafür entsprechend zu danken. Der italienische Botschafter
hatte natürlich das grösste Interesse, wie er mir versicherte,
dass die Landwirtschaft positiv erledigt wird, weil er sich
ja selbst dafür eine gewisse Lösung der Wein-, Obst- und Gemüse-
probleme von Italien, Export nach Österreich, erwartet.
Bei den Verhandlungen mit Präsident Mansholt war auch Dr.
Strasser von der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern
anwesend. Strasser war am Vormittag bereits aufgekreuzt und ich
sagte, wenn er früher gekommen wäre, hätte er selbstverständ-
lich auch bei den anderen Kommissionsmitglieder-Vorspachen anwesend
sein können, wo ich immer die Landwirtschaftsforderung an die Spitze
gestellt habe. Strasser bezweifelt dies nicht, meinte nur, er hätte
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gar nicht die Möglichkeit und vor allem das Pouvoir gehabt.
Er hat mir auch die Abschrift eines Briefes gegeben, wo ausdrücklich
festgehalten wird, dass er nur bei der Vorsprache bei Mansholt
anwesend ist und damit keinesfalls die Stellungnahme der Präsiden-
tenkonferenz präjudizieren werden soll. Scheinbar fürchtet man jetzt
doch, dass durch das Mitziehen der Interessensvertretungen und jetzt
ganz besonders durch den Wunsch Lanners mitzufahren, sich zu
präjudizieren. Mansholt, der ja jetzt nicht mehr die Landwirt-
schaft betreut, ging aber doch sofort auf die Landwirtschaftlichen
Forderungen ein. Er meinte, dass man natürlich Lösungen auch an-
streben müsste, denn eine Aufnahme der Landwirtschaft in den
Vertrag sei unmöglich. Ich meinte dazu, es müsste halt ein Wunder
geschehen und wir hoffen noch immer auf dieses Wunder. Falls dies
aber nicht eintritt so haben wir uns dann über die Rinder, Butter-
und Vollmilchsituation sehr im Detail unterhalten. Es war doch
auch sehr gut, dass Strasser anwesend war, denn er konnte sicherlich
noch bessere Detailinformationen Mansholt geben, als ich es im-
stande gewesen wäre. Der Export betrug, wie ich richtig gesagt
habe, 1.800 bis 2.000 t, aber Strasser meinte, früher hätte er bis
zu 3.000 t betragen und man müsste für diese Spezialbutter, die
über Salisbury ein Spezialgeschäft in England importiert wird,
vorsorgen, damit auch in Hinkunft diese Buttermengen verkauft
werden können. Ebenso ist es bei Vollmilchpulver, wo wir ca.
13.000 t hauptsächlich als Kakaomischung im Sprühverfahren herge-
stellt nach England exportieren. Ich erwiderte, dass wir
mit diesen Produkten niemals eine Schleuderkonkurrenz aufgebaut
haben, denn kein Land, nicht einmal Dänemark hat sich über
diese Exporte beschwert. Mansholt fragte nach den Preisen und
Strasser erwiderte, dass selbst als die Weltmarktpreise 7 – 8.– S
betrugen, Österreich noch immer 20.– S für diese Sauerrahm ungesalzene
Spezialbutter verlangte. Mansholt wunderte sich, dass dies damals
bezahlt wurde und auch in bin mir nicht ganz klar, ob tatsächlich
eine solche höhere Preisrelation in England zu erreichen war. Die
Preise konnten aber leicht deshalb von Österreich kontrolliert werden
weil ja bekanntlicherweise nur die ÖMOLK exportieren kann und mit
dem Bandwirtschaftsministerium darüber ein Spezialkontrakt besteht.
Die Minimum-Preise können daher leicht garantiert werden. Mansholt
empfahl der Landwirtschaft, sie sollte unverzüglich jetzt ein Ansuchen
an die EG richten, wie man diese Export aufrechterhalten kann,
nämlich wenn man sie als spezifische Produkte zu spezifischen Preise
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präsentiert. Ich habe nicht von den Gegenkonzessionen jetzt schon
bei Mansholt gesprochen, der scheinbar jetzt als Präsident doch
mit vielen anderen Problemen beschäftigt ist und z.B. gar nicht
erwähnt hat, dass wir ja Butter auf Grund der Übergangsbestimmungen
in GB-Vertrag wahrscheinlich in der Übergangsphase dorthin exportieren
können. Eine diesbezügliche Bemerkung wird ja im Kommissionsbericht
sein. Interessant war, dass er auch über die positive Rinderpreis-
erstellungserledigung im Kommissionsbericht nichts wusste. Er hat
sogar befürchtet, dass doch eine negative Bemerkung ist und den
Kabinettsdirektor beauftragt, dass man diese Stelle beeinspruchen
sollte. Ich selbst und insbesondere auch Leitner ersuchten ihn,
wir durften ja den Kommissionsbericht noch nicht kennen, dass wir
doch gehört hätten, dass dieses Problem ja für Österreich positiv ge-
löst werden soll. Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie es manchmal
zugeht, wenn zwei Politiker zusammenkommen, die ja nicht Zeit und
die Möglichkeit haben, sich über Details zu informieren, wie sie dann
oft wirklich irgendwelche Dinge vorschlagen, die genau konträr den sind
die sie eigentlich beabsichtigen. Wieder einmal hat sich bestätigt
für mich, dass man eben Detailkenntnisse haben muss.
In der anschliessenden Pressekonferenz ersuchte Strasser, dass er
sich unbedingt absentieren könne. Ich erklärte sofort, dass ich
ihn nicht daran hindern werde, sondern ganz im Gegenteil so wie
immer es im Ermessen jedes einzelnen liegt, ob er an Aktionen teil-
nehmen will oder nicht. Die Pressekonferenz war verhältnismässig
sehr harmlos. Ich hatte angenommen, dass harte Fragen kommen werden.
doch hat Rome gleich einleitend bemerkt, es wäre doch sehr gut, wenn
ich die einzelnen Arten gerne und vor allem die Punkte, die ich
verhandelt habe, detailliert schildere. Die Journalisten sind über
das Seminar, das sie bei der EG gehabt haben, nicht sehr begeistert.
Einige von ihnen, insbesondere Grabner und Hacker , die ja Detailkenntnisse
haben, waren über das tiefe Niveau erschüttert. Obwohl die Journalisten-
reise 200.000 bfrs. gekostet hat, war der Erfolg für die EG damit
eigentlich nicht sehr positiv. Wir werden sehen, wie die Berichterstat-
tung über meinen Besuch sein wird, dann haben wir immerhin eine
16-Mann-Delegation zur Ministerbegleitung auf Kosten der EG gehabt.
Bei dem Empfang der Handelskammer, wo wir stundenlang herumge-
standen sind, es waren ja nur die Journalisten anwesend mit
den Botschaftern und den Handelskammerangestellten, ergab sich
Gelegenheit über verschiedenste Probleme mit Journalisten
zu reden. Was mir gefallen hat, war, dass alle ganz besonders
herausgestrichen haben, dass zwar zuerst die SPÖ die ÖVP
angegriffen hat wegen der Pressereferenten, jetzt aber und sie
ja sehr positiv damals und jetzt schon dafür gewesen, stellt
sich heraus, dass dort wo gute Pressereferenten des Ministers
vorhanden sind, ein phantastischer Kontakt existiert. Insbesondere
die Arbeit Koppes wurde ganz besonders herausgestrichen. Ich
selbst erklärt gleich grosszügig, dass ich eben alles das zu tun
habe, was Koppe mir anschafft und Steinacker selbst sagte bei
ihm in der Handelskammer sei gerade das Gegenteil der Fall,
aber Koppe allein nicht nur p.R.-Arbeit zu erfüllen hat. Ich ver-
kaufte wieder unsere Idee, dass eben nur durch eine Stabsführung wie
in unserem Büro organisiert, ein Minister imstande ist, überhaupt
seine Arbeit leisten zu können. Ich habe die Arbeit von Koppe
natürlich primär den Charakter des Pressemanagers, darüber hinaus
aber glaube ich muss man wirklich der Journalistengruppe und auch de
Öffentlichkeit immer wieder mein Büro als die Stabsstelle präsentiert,
was sie auch tatsächlich ist.
Handelskammer, Steinacker, obwohl er scheinbar in der Presse
in Wien und auch im Ausland nicht viel zu reden, insbesondere
seine Funktionäre kaum beeinflussen kann, hat dafür ein umso
grösseres Budget zur Verfügung. Er hat daher die Delegation
in ein ungeheuer nobles Restaurant am schönsten Platz der Welt, der
herrlich beleuchtet war, eingeladen. Dies nützte ich gleich wieder
um zu sagen, da sieht man eben den Unterschied, der Handels-
minister lädt die Journalisten in eine Tenne ein, es war wirklich
ein umgebauter Gutshof, und die Handelskammer eben in das teuerste
Lokal von Brüssel.
Ich bin sehr froh, dass ich jetzt zu demselben Zeitpunkt hier
bin, wo die Journalisten da sind, denn dadurch nützte ich
jede Gelegenheit, um mit ihnen zusammen zu sein. Das beginnt bereits
beim Frühstück, wo ich mich stundenlang mit ihnen unterhalte,
auch jede Autobusfahrt wird von mir mit ihnen mitgemacht und
ich versuche immer den engsten Kontakt mit ihnen zu halten.
Schon allein, weil ich mich wirklich bei ihnen wohl fühle und
darüber hinaus aber weiss, wie empfindlich gerade Journalisten
in dieser Hinsicht sind. Ein Journalist hat mich gefragt, wie
ich denn und was ich von der EG-Kommissionsbürokratie halte. Ich
selbst erklärte sofort, dass ich viel zu wenig Kontakt habe und
nach zwei Tagen, wo ich doch nur mit den Spitzenleuten zusammen-
gekommen bin, überhaupt kein Urteil abgeben könnte. Er meinte,
dass ich hier vielleicht doch kneife, doch haben alle anderen einge-
sehen, dass dies nicht der Fall ist. Nachher hat man mir erzählt,
dass Mitterer glaube ich irgendwo in Genf einmal über die EFTA-
Bürokratie eine Bemerkung gemacht hat, wahrscheinlich, da er sehr
angerührt war, ist er irgendwo nicht entsprechend bevorzugt be-
handelt worden und das Endergebnis war, dass man von ihm nur mehr von
Jux-Baron mit der Zigarre geredet hat. P.R.-Arbeit, die man sich
für sich macht, besteht primär darin, dass man nicht überheblich sein
soll, sondern vielleicht auch wenn es gegen das Protokoll ver-
stösst, was bei mir immer sehr passt, eben mehr Tuchfühlung mit
den Kolleginnen und Kollegen des Journalismus halten muss.
Tagesordnung 21. Ministerratssitzung, 11.4.1972