Donnerstag, 16. März 1972
Der Stellvertreter des Berghauptmannes von Tirol, Mernik, berichtet mir,
dass er den Betriebsabbauplan Magnesit Tux beeinspruchen wird. Aus Si-
cherheitsvorschriften, wie mir auch Min.Rat Gasser sagt, wird er ver-
suchen, die Bestrebung des Betriebsrates nicht Raubbau zu betreiben auch
zu unterstützen. Die Radentheiner Magnesit hat die Absicht, den Tuxer
Bergbau stillzulegen. Dadurch würden 250 Arbeiter beschäftigungslos.
Die Begründung ist darin zu suchen, dass sie erklären, sie hätten durch
höhere Transportkosten durch die Bahnfrachterhöhung keine Möglichkeit
mehr, den Betrieb rationell zu führen. Gasser meint, dass das ganze ausge-
löst wurde, als man seinerzeit die Scheelit-Abbau als der Wolframpreis ge-
fallen war. Die dort beschäftigten 26 Arbeiter wurden zwar von der Magne-
sitproduktion übernommen. Den wirklichen Grund verrät mir dann Dr. Mernik.
Er hat mit einem Betriebsdirektor von Hochfilzen, einem zweiten Werk
der Radentheiner gesprochen. In Tux wird kaustischer Magnesit herge-
stellt. Dieser wird nach Limbach in Bayern, wo Platten daraus hergestellt,
werden, exportiert. Die Jahresproduktion ist 87.000 t und kann in Hoch-
filzen, wo 428 allerdings Sintermagnesit erzeugt werden leicht unterge-
bracht werden. In Hochfilzen hat man 50 % Magnesit erzeugt, 50 % des ge-
wonnenen Minerals hat man aber auf Halden gelegt, weil darin Kalk und
andere Mineralien enthalten waren. Diese Halden kann man nun abbauen und
daraus kaustischen Magnesit erzeugen. Allerdings müsste ein neuer Dreh-
ofen aufgestellt werden und dies könnte aus Umweltschutz- und vor allem
Fremdenverkehrsgründen hart bekämpft werden. Der Vorteil für die Raden-
theiner liegt aber darin, dass eben der Haldenabbau wesentlich billiger
kommt als die Produktion in Tux, wo man bergmännisch Magnesit gewinnen
muss. Die Vorratslage ist so, dass mindestens noch 700 wahrscheinlich
sogar auf 2,2 Mill. t vorhanden sind. Die Stillegungsabsicht von Tux
ist damit ein reines Kostenproblem und keinesfalls die Frage, ob Magne-
sitgestein noch vorhanden ist. Was so erfreulich ist bei dieser ganzen
Angelegenheit, dass hausintern doch auch gleichzeitig jetzt eine Schnell-
information gekommen ist, die vielleicht ein bisschen falsch aussagte,
nämlich dass Radenthein die Magnesitproduktion einstellt und nicht
darauf hingewiesen hat, dass es sich um das Werk Tux handelt, dass aber
immerhin doch jetzt in dieser ersten Phase bereits eine erste Meldung
weitergegeben wird. Sicher ist es so, dass eigentlich auch die OB eine
Schnellmeldung hier durchführen hätte sollen. Die Sektion III hat es
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über den Fachverbandssekretär Dr. Denk bekommen. Die Sektion IV
hätte eigentlich über die Berghauptmannschaft vor längeren Zeit viel-
leicht schon eine Schnellinformation weitergeben müssen.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Die Schnellinformation sollte nicht nur auf die
Sektion III beschränkt bleiben.
Bei der Klausurtagung in Vöslau hat Hrdlitschka als Hausherr begrüsst.
Bei dieser Gelegenheit legte er umfangreiches Material über die
Preisentwicklung vor. Insbesondere hat er die 6 Punkte, die mit der
Einführung der Mehrwertsteuer auf dem Preissektor beachtet werden
müssen, dargelegt. Als er Weisz Robert den Vorsitzenden der Gewerk-
schaftsfraktion sah, meinte er, er könne ja auch hierbleiben. Weisz
allerdings erwiderte sofort, dass er eingeladen wurde. Kreisky hat das
zwar nicht gehört, aber nach dem Referat von Hrdlitschka repliziert
und darauf hingewiesen, dass er diese Bemerkungen deshalb macht, solange
noch Hrdlitschka anwesend ist. Dies war ein deutlicher Wink mit
dem Zaunpfahl. Als ich Hrdlitschka dann noch weiter in Vöslau auf-
hielt, wurde er von den Journalisten bestürmt und hat, wie uns dann
mitgeteilt wurde, das Material den Journalisten zur Verfügung ge-
stellt. Da sich auch eine Preisprognose darunter befand, fürchtete
ich das allerschlimmste. Zum Glück hat Frank mit dann mitgeteilt,
daß sie eigentlich nur die 6 Punkte ausgegeben hat. Diese 6 Punkte
waren nämlich in genügender Anzahl vorhanden, das andere Material
war so knapp bemessen, daß nicht einmal jeder Tagungsteilnehmer
ein Exemplar bekommen konnte.
Die Preisdiskussion bildete auch die Hauptausführungen des Kreiskys.
Er meinte, daß die ÖVP ein Konzept entwickelt, die Lohnerhöhungs-
forderungen des ÖAAB, die Budgetanforderung des ÖVP-Parlamentsklubs
und die Preishysterie müßte man als ein ganzes sehen. Landeshauptmann
Maurer hätte wie ein Direktor ihm mitgeteilt hat, bei seinen Be-
sprechungen oder Versammlungen sogar darauf hingewiesen, warum er
noch sparen soll bei dieser Preisentwicklung. Die Leute sollten
lieber für ihr Geld was kaufen.
Kreisky ist davon überzeugt, daß ein Preisgesetz in Österreich sehr
wirksam eingesetzt werden könnte, wenn wir eines hätten. Da wir uns
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derzeit in einer Konjunkturlage befinden, wo volle Lager vorhanden
sind. Die Preisregelung würde nur versagen, wenn ein Mangel, d.h.
wenn leere Lager, meistens infolge eines Krieges, existieren. Ich
teile diese Meinung keinesfalls, denn die Erfahrungen der westeurop.
Staaten, die ebenfalls alle bei vollen Lagern die Preisregelung ein-
geführt haben, vom Preisstopp bis zur punktuellen Regelung, haben
ein anderes Ergebnis gezeigt. Kreisky meinte allerdings, daß auf
alle Fälle ein Rückstau mit einem Preisstoppgesetz erreicht werden
könnte und dies sei schon Erfolg. Darüber hinaus müßte man jetzt
endlich die Konsumenten mopolisieren und die Konkurrenz fördern
und überhaupt käme nur eine indikative Zollpolitik in Frage. Ohne
die Polizei einzusetzen, meinte er, müßte man hergehen und Firmen
denunzieren, wie er sich ausdrückte, wenn wie z.B. das Plattenwerk
in Ferndorf eine Tariferhöhung der Bundesbahnen um 378,–– dazu be-
nützt, um ihre Produkte um das 10-fache zu verteuern und dies
dann mit der Tariferhöhung begründet. Gratz meinte in der Diskussion
es müßte jetzt eine Aktion gestartet werden, wo man auf die dunklen
Mächte der Preispolitik hinweist. Firnberg ergänzt, daß seinerzeit
die SPÖ-Frauen die Aktion "Hausfrauen wehrt euch" gegen Klaus ge-
führt haben, Es müßte jetzt eine solche Aktion für Kreisky gestartet
werden. Ich erörtere unser Preiskonzept und weise darauf hin, daß
außer dem Punkt 2, der sich mit den währungspolitischen Fragen be-
schäftigt, wo Androsch mir kurz vorher erklärte, daß er dagegen
Stellung nimmt, Einvernehmen mit den beteiligten Ministerien durch
die Sekretäre vorliegt. Kreisky meinte, daß er zuerst dieses Papier
nicht bekommen hätte, dann erinnerte er sich legt es aber als viel
zu kompliziert ab. Er meinte, daß die Leute nicht daran interessiert
seien hier die einzelnen Maßnahmen zu erfahren, spricht sich insbe-
sondere jetzt ganz entschieden gegen weitere Zollsenkungen aus,
weil kein Verzicht mehr von staatlichen Einnahmen hingenommen werden
kann. Die preisdämpfenden Maßnahmen seien fehlgegangen, da die
Millionen sinnlos geopfert wurden. Er überlegt, ob er für die Pro-
pagandaaktion, die er jetzt starten will, durch Plakate, Anzeigen
in der Zeitung, usw. nicht ein Werbebüro beauftragen sollte. Die
Aufwendungen für eine solche Aktion, daß die Konsumenten erfahren,
wo sie billiger kaufen können usw. sei keine Regierungspropaganda
und deshalb könnten sie auch vom Staat bezahlt werden. Ein Hinweis,
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ich dieses Papier noch nicht allen Ministern geschickt habe, weil
das eingesetzte Preiskomitee noch nicht endgültig entschieden
hat, wird nur teilweise akzeptiert. Insbesondere Firnberg und
Marsch meinten, sie hätten sich sehr für unsere Arbeit interessiert
und hätten dieses Material unter dem Vermerk "streng vertraulich"
gerne gehabt. Häuser und Broda interessieren sich ebenfalls für
diesen Entwurf, erklären allerdings, daß sie ihn bis jetzt noch
nicht erhalten haben.
Anmerkung für KOPPE:
In Hinkunft werden wir ein solches Material entweder direkt an
die Minister schicken, oder wenn es zielführend, weil noch ver-
traulich, in einem kleinen Komitee behandeln, dann doch den Se-
kretären unter der Hand zukommen lassen.
Kreisky will auf diesem Sektor jetzt scheinbar eine andere Taktik
einschlagen, als wir dies bis jetzt getan haben. Er wünscht kein
umfassendes Konzept, meint, die Leute könnten sich unter Nettopreis-
verordnung, usw. nichts darunter vorstellen, sondern eine große
Aktion der Konsumenten gegen die Preiswelle. Er verfällt jetzt in
denselben Fehler, den auch die Arbeiterkammerfunktionäre vor Jahren
schon gemacht haben, daß sie glauben, man kann mit einer großange-
legten Aktion die Bevölkerung dazu bringen, daß sie preisbewußter
einkauft und daß dann diese Bevölkerung dies dann der Regierung
danken wird. Androsch weist besonders darauf hin, daß die Lohn-
politik jetzt explodiert. Die Bankangestellten hätten im Vorjahr
15 % bekommen und verlangen jetzt 1972 bereits wieder eine 19 %-ige
Gehaltserhöhung, auch die Bauarbeiterlöhne seien als überhöht zu
betrachten. Hier kommt es zum ersten Disput zwischen Häuser
und Androsch, der natürlich die Privatangestellten verteidigt und
darauf hinweist, daß auch die Bauarbeiter in zwei Etappen ihre
letzte Lohnbewegung mit 8 % in einem Jahr und 7 % im 2. Jahr ver-
einbart hätten und damit im normalen Maße gelegen sein. Derzeit
hätten die Unternehmer das größte Interesse, daß die Löhne wesent-
lich erhöht werden, damit aus den westlichen Bundesländern die Bau-
arbeiter nicht nach Deutschland, in den bayrischen Raum, arbeiten
gehen.
Zusammenfassend habe ich den Eindruck, daß die Preispolitik in
Wirklichkeit als Zentralproblem von uns nicht in den Griff zu be-
kommen ist. Die einzelnen dafür zuständigen Ministerien Rösch
und Weihs haben sich an der Diskussion überhaupt nicht beteiligt,
werden daher weiter ihre individuelle Politik machen. Kreisky
selbst möchte mit einer große angelegten Propagandaaktion die
Bevölkerung beschwichtigen oder zumindestens neutralisieren.
Maßnahmen, die etwas kosten, wie z.B. punktuelle Zollsenkungen,
die ich vorgeschlagen habe, lehnte er glattweg ab, weil er meinte,
im Rahmen des EWG-Vertrages wird sowieso eine Zollsenkung mit ent-
sprechendem Ausfall des Staates eintreten. Da ich noch nicht die
Kompetenz für Preisfragen tatsächlich habe, ist es glaube ich sehr
gut wenn wir weiterhin unsere Taktik verfolgen, alles vorzubereiten
um gegebenenfalls wirklich, insbesondere wenn sich herausstellt hat,
daß die Propagandaaktion im Sande verlauft, oder sich zumindestens
nicht so bewährt, um mit konkreten Maßnahmen dann einsteigen zu
können. Kreisky ist von der punktuellen Politik heute mehr über-
zeugt als wie von allumfassenden Preiskonzepten. Er meinte, so wie
er seinerzeit die Margarinepreiserhöhung verhindert hat, vergißt
allerdings, daß er durch die Umsatzsteuersendung viel Geld geopfert
hat, so sei auch seine Entscheidung jetzt gegen die Zuckerpreiser-
höhung zu verstehen. Sicherlich sind so markante Maßnahmen für die
Bevölkerung sehr eindrucksvoll. Andererseits darf man jedoch nicht
vergessen, daß in Wirklichkeit hunderte Preise das Preisniveau
beeinflussen, auch für den Konsumenten und natürlich auch letzten
Endes die entsprechende Gesamtwirkung dem Konsumenten so verstimmt.
Da kann man, wie die preisdämpfenden Maßnahmen zeigten, keine große
spektakulären Erfolge erzielen, sondern vielleicht um zehntel Prozent
den Index und die gesamte Preisentwicklung wirklich dämpfen und be-
einflussen. Ich wies in meinem Diskussionsbeitrag insbesondere da-
rauf hin, daß die Aktion des Innenministers gegen die Fleisch-
preiserhöhung punktuell sehr wirksam war und wenn er jetzt auf
Waschmittel oder Kosmetika umsteigen will, so kann dies auch nur
gut sein, wobei allerdings dann eben der Apparat, der jetzt die
Fleischpreise kontrolliert, dann für andere Produkte blockiert ist.
Rösch hat mir mitgeteilt, daß Kreisky über die Waschmittel gar
nicht so erfreut sei. Rösch meinte allerdings, daß die Hausfrauen,
wenn sie Kosmetika ebenfalls jetzt kontrolliert bekommen, dann für
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diese Aktion noch mehr zu gewinnen seien. Vielleicht ist es ganz
gut, daß Rösch jetzt noch die Preisregelung hat, denn er kann
immerhin mit seinem Apparat ein bißchen Hand gegen die Preissteigerung
machen. Aus der ganzen Diskussion habe ich folgenden Schluß ge-
zogen:
Kreisky will nach seinen Gesichtspunkten die Preispolitik gestalten.
Er wird bis in die kleinsten Details, selbst die Propaganda im ein-
zelnen ausarbeiten, ausarbeiten lassen vielleicht, aber letzten
Endes bestimmen. In kürzester Zeit wird und muß es hier auch
Spannungen mit dem ÖGB und der AK geben, weil diese in der Pari-
tätischen Kommission doch Preiserhöhungen zustimmen. Die Regierung
wird dann entweder sich auf die Paritätische Kommission ausreden,
was früher oder später zu einem entsprechenden Eklat mit dem ÖGB
insbesondere Präsident Benya führen muß oder er wird versuchen auf
ihrem Sektor, d.h. bei den preisgeregelten Waren besonders hart
verhandeln. Dies führt wieder zu ganz großen Spannungen innerhalb
der Ministerien, da natürlich Weihs z.B. für Zuckerrübe, aber auch
für Getreide gewisse Zusagen scheinbar gemacht hat. Weihs habe ich
das Gefühl, hat längst schon die Konsequenzen gezogen und beteiligt
sich weder an Diskussionen noch ist er bereit, wirklich entsprechende
Informationen den anderen Ministern zu geben. Er wartete günstige
Gelegenheiten ab und wird dann die Preiserhöhungen doch letzten
Endes durchführen. Ich muß allerdings zugeben, auch durchführen
müssen. Den wirklich möglichen preisdämpfenden Maßnahmen wie Zoll-
senkungen usw. wird man die Zustimmung des Finanzministers
brauchen, der kaum auf Grund der Äußerungen Kreisky auf weitere
Einnahmen durch Zollverlust zu verzichten. Gott sei Dank habe ich
mich in dieser Frage nicht allzu sehr vorgewagt. Sicherlich wird
Koppe jetzt sagen, daß es unserem Ansehen im Hause sehr schadet
und insbesondere in der Öffentlichkeit nicht gut aufgenommen wird,
wie auch jetzt auf Sparflamme drehen. Viel schlimmer wäre es
aber, wenn wir große Pläne ankündigen würden und da wir die Kompe-
tenz dafür nicht haben, in Wirklichkeit nur einen Bruchteil, um
nicht zu sagen gar nicht, durchsetzen zu können.
Für den Parteitag wollte Kreisky dann von den einzelnen Ministern
gerne hören, was sie eigentlich in ihrem Diskussionsbeitrag leisten
werden. Häuser wies darauf hin, daß für ihn die Mitbestimmung von
größter Bedeutung sei, daß er aber sehr vorsichtig operieren müsse.
Wenn er nämlich am Parteitag ganz groß die Problematik aufzeigt und
ankündigt, würde zwar die Linke des Parteitages sehr zufrieden
sein, er sich aber dadurch die Kodifikation noch mehr erschweren
würde. Der Widerstand von Seiten der Unternehmer würde nur noch
größer werden. Von meinem Beitrag erwartet Kreisky, daß ich über die
Konsumentenpolitik sprechen soll und insbesondere wird er in seinem
Referat auf die europäische Wirtschaftsgemeinschaftsverhandlungen
eingehen und die sollte ich ergänzen. Natürlich könnte ich unter
dem gesellschaftspolitischen Aspekt unter denen der Parteitag steht,
über die Konsumentenpolitik einiges sagen, aber ich würde mir noch
genau überlegen, wie ich "den 5. Zwerg" anlegen werde. Ich werde
natürlich vor allem warten wie die Diskussion läuft und ob nicht die
Regierung auf Gebieten, wo ich zuständig bin, attackiert wird.
Androsch hat den ersten Entwurf einer Budgetvorschau fertig, die
er wahrscheinlich dem Beirat, zur Stellungnahme übermitteln wird.
Er weist insbesondere darauf hin, daß er jetzt als Inflationsge-
winner dargestellt wird und nur 30 % seiner Einnahmen, nämlich
die Einkommen und Lohnsteuer in Wirklichkeit von dieser Entwicklung
profitieren. Die Ausgaben, wo er Inflationsverluste durch die Dy-
namisierung der Gehälter z.B. erleidet, sind aber nach seiner
Meinung nach 70 %. In seiner Vorschau nimmt ein 9 %-iges Wachstum
nominell an und kommt für 73 auf 13 Milliarden, 74 15 und 75 19 Md.
Defizit. Für 73 meinte er könnte diese Ziffer die Maximalziffer
sein, aber dann für die Ressorts dann fast kein Bewegungsspielraum
mehr hat. Die Personalkosten würden um 6 Md. steigen und auch
das gesetzliche Sozialverpflichtungsaufwand um 3 Md. In dieser
Prognose hat er eine Steuersenkung von 2 Md. und eine Zoll-
senkung von 1 Md. eingebaut. Die Steuersenkung soll aber seines
Dafürhaltens 5 Md. ausmachen. Er möchte einen Arbeitnehmerfreibetrag
davon ca. 2,5 Md. opfern. Hier entspannt sich dann die zweite Dis-
kussion zwischen Häuser und Androsch. Häuser meint, daß zuerst
festgestellt werden muß, wieviel von den 5 Md. für die Lohnsteuer
und wieviel für die Einkommensteuer zur Verfügung gestellt werden
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soll. In den vergangenen Jahren hat die Lohnsteuer eine exorbitante
Steigerung erfahren. 70 auf 72, 10–15 Md., während die Einkommen-
steuer von 7,4 auf 9,2 gestiegen ist. Die größte Diskussion entwickelte
sich aber dann über die unmittelbaren steuerlichen Maßnahmen, die
durch die Vorausleistung erbracht werden soll. Der ÖGB beharrt
auf den 1. Juli und Androsch möchte dies sehr verschieben. Kreisky
selbst aber erklärt dann, daß dieser Termin unbedingt eingehalten
werden muß. Weitere große Streitfrage ist, daß der ÖGB jedes Monat
einen entsprechenden Absetzbetrag will, während Androsch im Sept.
Oktober einen einmaligen Betrag auszahlen möchte. Dies steht im
glatten Widerspruch zu den Zusagen, die scheinbar Kreisky Benya
gegeben hat mit Jahresmitte etwas zu machen und vor allem aber
gegen den Beschluß der Gewerkschaftsfraktion, wo die Angestellten
zwar dagegen waren, aber doch die Mehrheit dann beschlossen hat,
es sollte alle Monat diese Vorleistung in Abzug gebracht werden.
Die Regierungsmitgliederneigen natürlich mehr zur Androsch-Lösung,
einen einzigen Betrag einmal auszugeben, weil dadurch sich Androsch
ja doch noch etwas erspart und er argumentiert ja sehr geschickt,
daß er dann die Ressorts entsprechend nicht so kürzen muß, als wenn
der ÖGB-Vorschlag angenommen wird. Ich sehe einen einzigen Ausweg
und schlage deshalb vor, es hätte keinen Sinn jetzt hier einen
Beschluß zu fassen sondern es wäre zielführend, wenn eine kleine
Gruppe mit ÖGB in diesem Falle verhandeln würde. Kreisky meinte,
es wird ja in der Klaus hier nichts beschlossen und zu diesem Zeit-
punkt muß ich dann leider die Sitzung schon verlassen.
Kreisky hat auch vorher angekündigt, daß er den § 67 des Beamten-
schutzgesetzes jetzt bearbeiten läßt, um diese unmögliche Bestimmung,
daß wir einen Abteilungsleiter oder Sektionsleiter wenn er unfähig
ist, nicht versetzen können, zum Verschwinden gebracht werden soll.
Weisz meinte, es könnte nur im Einvernehmen mit der Fraktion von der
öffentl. Bediensteten besprochen und in Angriff genommen werden. Kreisky
dagegen meinte, die könnten niemals zustimmen und er werde trotzdem
diese Lösung anstreben. Hier meinte Weisz mit Recht, daß er doch
nicht gegen die Gewerkschaft einen solchen Beschluß herbeiführen
sollte. Ich sehe in der versteiften Haltung eine sehr sehr große
Gefahr. Ein Vorschlag, daß die Gewerkschaft ja doch vielleicht ak-
zeptieren kann, wenn sich dies nur auf Sektionsräte aufwärts beziehen
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sollte, wird aus verfassungsrechtlichen Gründen von Kreisky
abgelehnt und er meinte, daß auch B-Beamte in eine Position
kommen können, wo man sie gar nicht brauchen kann.
Moser berichtet, daß die Gebäudereparaturen aller Bundesgebäude-
verwaltung 9,2 Md. betragen würden. Sinowatz berichtet, daß
die Schulbücher, die man jetzt doch ins Eigentum übergeben würde,
das Leihsystem, wie es in Wien gehandhabt wurde, würde zu we-
sentlich höheren Aufwendungen bei den Lehrern führen, ca. 500 Mio.
kosten müßten. Es sind 1 Mio. Schüler und von der 2. Kl.
Volksschule mit 250,–– bis zur 5. Kl. Mittelschule mit Pausen 200,––
Bücherbons, würde der Durchschnitt ca. 500,–– betragen.
Das unerfreulichste an dieser Tagung war, daß es scheinbar zwischen
Gewerkschaft öffentlicher Dienst und der Verwaltung, die Robert
Weisz mitteilte, zu weitestgehenden Einvernehmen zu Personal- und
Besoldungsfragen kommt. Dann soll Robert Weisz immer bremsen, um
die Linie zu halten. Jankowitsch , von dem Weisz nicht genug warnen
kann ist der Feschak und macht entsprechende Zugeständnisse, wo-
rauf dann die Regierungsmitglieder, insbesondere Kreisky und letzten
Endes auch Androsch ablehnen sollen. Dadurch entsteht der umgekehrte
Eindruck, die Bürokratie ist Forderungen der Gewerkschaft zugänglich,
aber die bösen Minister sind dagegen. Was im kleinen, die Personalab-
teilung MR. Böhm geschieht, wird eben im Bundeskanzleramt und in den
anderen Ministerien auch gespielt.
Tagesprogramm, 16.3.1972
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)