Mittwoch, 15. März 1972
Die gereizte Stimmung im Nationalrat hält nach wie vor an. Der Präsident
des Hauses in der Frage hat vergessen, das Mikrophon abzustellen, als
es zu einer Brüllerei in der Fragestunde gekommen ist. Deshalb hörte
man angeblich in den Couloirs wie er vor sich hinmurmelte: Halts die Go-
schen, resp. schreits weiter ihr Trotteln. Da im Haus mehrere Tonbän-
der mitlaufen, teilweise für den Rundfunk, teilweise für die Stenographen,
insgesamt 4 Bänder, so soll diese Aufzeichnungen auf einem Band vor-
#handen sein. Die ÖVP verlangte während des Tages dann sofort ein Sitzungs-
unterbrechung. In der anschliessenden Präsidialbesprechung erklärte
sich Benya sofort bereit, sich zu entschuldigen. Bei der Klubsitzung
ist sogar Pittermann erschienen. Broda meint zu mir, wenn es kriti-
sche Stunden im Haus gibt, dann erscheint Pittermann. Pittermann hat
nämlich irgendwo ausgegraben, dass alle Vorstandsmitglieder des Partei-
vorstandes das Recht haben, an Klubsitzungen teilzunehmen. Andere kommen
gelegentlich einmal, er besucht uns sehr häufig. Ich kann mich erinnern,
dass es auch in der ÖVP-Alleinregierung immer so war, dass man gesagt,
hat, na Gott sei Dank, dass die eine Session schon zu Ende geht. Da
sich gegen Ende einer jeden Session eine gewisse Spannung bemerkbar
gemacht hat.
Dr. Köllerer, der Vertreter der Industriemühlen im Mühlenausgleichs-
fonds, der mir untersteht, kam mit dem Gewerkschaftssekretär Panis
erkunden, ob ich bereit wäre, eine Verlängerung des Mühlengesetzes,
welches 1974 abläuft, sowie eine Erhöhung der Mühlenabgabe an den
Fonds zuzustimmen. Bis jetzt haben sie 400 Betriebe stillgelegt und
eine Kontingentkürzung von 16,7 % erreicht. Bis 1974 können sie noch
mit Einnahmen von 20 Mill. S rechnen, obwohl sie jetzt einige grössere
Mühlen, zwei oder drei insgesamt mit 30 Mill. S stillegen könnten.
Die Mühlen möchten deshalb die Abgabe auf Weizen von 1,70 S resp.
Roggen von 1.20 S wesentlich erhöhen können. Dazu bedarf es aber einer
Gesetzesänderung. Ich verwies darauf, dass die Voraussetzung für
einen solchen Antrag von mir unbedingt eine Übereinstimmung der Inter-
essenvertretungen sein müsste. Da diese im Mühlenfonds Sitz und Stimme
haben, sollte er da eine diesbezügliche Aussprache führen. Wenn es
nicht gelingt eine einvernehmlich Lösung zu erzielen, bin ich gerne
bereit, mich wieder einzuschalten.
Bei dieser Gelegenheit machte ich ihn auf Änderungen in der Getreide-
wirtschaft aufmerksam, die ich anstrebe, und die ja bekanntlicher-
weise auch Kreisky dringend wünscht. Die Industriemühlen könnten sich
sehr wohl, vorstellen, allerdings würde der Vorschlag niemals von ihnen
kommen, dass das Mühlenausgleichsverfahren aufgehoben wird. Köllerer
hat diesmal, sehr zum Unterschied von früheren Jahren, nicht mehr
abgestritten, dass durch die hohe Weizenabgabe von 48.– S damit der
Roggenzuschuss von 75.– S finanziert werden kann, die kleineren Müh-
len zu Durchstechereien fast veranlasst werden. Dadurch dass die Weizen-
preisstützung 10 Groschen beträgt, kann er wenn er eine solche
Mühlenabgabe sich erspart, den Bauern die 10 Groschen Stützung leicht
verkraften. Da bleibt ihm noch immer ein wesentlicher Betrag, wenn
er dem Bauern mehr als 10 Groschen bezahlt, über. Ausserdem kann er
mit diesem Weizen schwarzes Mehl erzeugen, da diese Mengen nicht
über sein Mahlpostenbuch resp. über die Finanzbücher gehen muss.
Dadurch kann er dann dem Bäcker und der wieder seinen Abnehmern z.B.
Gastwirten günstig Mehl anbieten ohne dass es eben über deren Bücher
ebenfalls läuft. Die Industriemühlen haben nur eine einzige Voraus-
setzung, wenn er zur Abschöpfung des Getreidefonds käme, dass die
Grenzen nicht für Getreide und für Mehl aufgemacht werden. Ich ver-
sicherte, dass dies möglich wäre, ausser, es kommt zu so exorbitanten
Steigerungen auf dem Mehlpreissektor. Köllerer befürchtet nur, dass
der Brotmehlpreis durch Wegfall des Roggenzuschusses steigen würde.
Er wird dieses ganze Problem mit seinen Berufskollegen durchsprechen
und mir gegebenenfalls Vorschläge erstatten. Wenn Kreisky eine Auf-
lockerung in den landwirtschaftlichen Gesetzen wünscht, dann ist es
jetzt der günstigste Zeitpunkt, durch Qualitätsverbesserung, d.h.
andere Ausmahlungssätze für Roggen und Weizen, die ebenfalls freige-
geben werden müssten, kann der Konsument mit besserer Ware bedient
werden. Ich glaube auch nicht, dass es zu einer so exorbitanten
Steigerung des Brotmehlpreises kommen wird, nur bei echtem Roggen-
brot, das heute bereits schon als Luxus-Brot teuer bezahlt wird, gäbe
es eine wesentliche Erhöhung. BRO Deutsch hat mir erzählt, dass der
Brotkonsum und die Produktion vor allem aber bei ihnen ständig zu-
rückgeht. Es wird jetzt in ganz starkem Masse geformtes Gebäck
aus besonderen Mischungen von Brotmehl verlangt und auch erzeugt.
Landwirtschaftsminster Weihs will eine Lockerung der Getreideablie-
ferung erreichen. Hier müsste sich zumindestens erste Schritt zum Ab-
bau der kriegswirtschaftlichen Lenkung und teilweise Bewirtschaftung
nach 26 Jahren machen lassen.
Direktor Bär von den Bregenzer Festspielen hat ersucht, ob es eine
Möglichkeit gäbe, dass wir für das Bregenzer Festspielhaus einen Zu-
schuss gewähren. Da der Bund sich seinerzeit bereiterklärt hat, ich
war bei den Besprechungen ja anwesend, sowieso 40 Mill. S bereitzustellen,
die restlichen müssten das Land und die Stadt tragen, sah ich dazu
keine Möglichkeit. Jagoda selbst erinnerte sogar daran, dass ja dies
dann mit einem eigenen Bundesgesetz geregelt werden muss, wies dies
auch z.B. bei dem Salzburger Festspielbau usw. durchgeführt wurde. Die
Stadt, sagt Bär, ist durch die Spitalsaufwendungen derartig blockiert,
dass keine finanzielle Kraft mehr zur Verfügung steht. Deshalb ist
die Stadtgemeinde mit ihrer finanziellen Leistung zum Festspielbaus
sehr im Rückstand. Würzl hat mich seinerzeit schon darauf aufmerksam
gemacht, dass Mayer eine grosszügige Planung der Stadt in Angriff
nimmt, dass er die ganze Region Bodensee jetzt für Milliarden-Projekte
zusammenfasst und hofft, dass er dafür auch für diese Milliarden-
Projekte vom Bund entsprechende Unterstützung durch Zinsenzuschüsse
usw. bekommt. Ich fürchte, dass er hier sehr enttäuscht sein wird über die
finanziellen Möglichkeiten, die sich letzten Endes herausstellen werden.
In Bregenz handelt es sich nicht um ein Notstandsgebiet, wo man so
wie in Aichfeld-Murboden durch entsprechende Erschliessung zusaätz-
liche Arbeitsplätze schaffen muss. Ich fürchte, dass sich hier Kreisky
trotz seiner spezifischen Vorliebe für Vorarlberg kaum zu grösseren
finanziellen Leistungen wird bereitfinden können. Was wir noch ver-
antworten konnten, war – und auch ich habe mich dazu nach reiflicher
Überlegung entschlossen – dass man nicht jetzt die Autobahn an die See-
ufertrasse legt, weil damit für Jahrzehnte zumindestens das Landschafts-
bild zerstört wird. Zusätzlich aber noch die Eisenbahn abzusiedeln,
was weitere Milliarden kosten würde, kann sich der Finanzminister kaum
aufringen. Umso mehr als ja wieder für den Arlberg-Tunnel Milliarden
Schilling aufgewendet werden müssen. Wenn auch der Arlberg-Tunnel als
Mautstrasse geführt werden wird, bin ich nicht so sicher, ob sie genau
so rentabel sein wird wie alle Nord-Süd-Verbindungen. In letzterem Fall
haben ja die Fremden durch das Bestreben, nach dem Süden zu kommen, die
Garantie gegeben, dass sie wahrscheinlich den kürzeren und schnellsten
Weg benützen werden. Ob dies auch bei einer West-Ost-Verbindung zutrifft,
wird erst die Zukunft lehren.
NR Kunstätter und der Architekt Krisch sowie Umschaden intervenieren,
damit sie für ihr Hotel-Appartement in Goding auf der Koralpe finan-
zielle Unterstützung bekommen können. Es modernes Restaurant für 110
Personen, Selbstbedienungsrestaurant für 260 Personen und ein Buffet
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eine Schwimmhalle 14 mal 5 m und ein Hotel mit 95 Zimmern soll für
einen Betrag von 25 bis 30 Mill. neu erstellt werden. Dieses neue
Wintersportzentrum in der Nähe Wolfsbergs soll ein neues Skigebiet
1.600 m hoch erschliessen. Da es sich bei der Koralpe um ein ausge-
sprochenes Notstandsgebiet handelt, wäre es sehr zielführend, wenn
tatsächlich dort etwas entstehen würde. Ich verweise deshalb sofort
auf die Hoteltreuhand damit noch in die Finanzierung der ERP-Ansuchen
gelangen können. Sima ist mit diesem Projekt sehr einverstanden, obwohl
es sich um Appartementregelung handelt, da er angeblich dafür die
Gewähr hat, dass nicht dann dieses Haus doch als Appartement an
einzelne Mieter verkauft wird. Scheinbar kann er sich doch mit Hilfe
eines privatwirtschaftlichen Vertrages absichern.
Anmerkung für HEINDL: Bitte dies mit dem Kärntner Fremdenverkehrsmann
besprechen.
Der Saalbacher Genosse Pasterer sowie der Leoganger Bürgermeister
Steidl, sicher kein Genosse, da er so bald wir fraktionell am Ende
etwas besprechen, sofort sich diskret absondert, wollen liftmässig
Leogang und Saalbach über die Asitz verbinden. Zu diesem Zweck soll
ihnen Frühbauer einen Sessellift, der in der ersten Station bereits
errichtet ist, durch Ausbau der zweiten Strecke – der Doppelsessel-
lift würde 8 Mill. S kosten – unterstützen. Oben würden sie dann
zwei Schlepplifte von je 2.000 Mann Beförderungsleistung pro Stunde,
der je 2 Mill. S kostet, von mir finanziert bekommen. Leoganger hoffen,
dass sie mit der Erschliessung des Gebietes für den Wintergast mit
einem Zuzug aus dem Münchner Raum rechnen können. Bei diesen Liften
hoffen sie sich an die 5 Saalbacher Liftgesellschaften anschliessen
zu können. Diese verschiedensten Gesellschaften haben sich schon
zu einer einheitlichen Liftkarte durchgerungen. Ich erklärte sofort,
dass dies die Voraussetzung sei, wenn wir überhaupt irgendwelche
Zuschüsse geben würden.
Der BRO Stöckl von der Radentheiner Magnesit hat grosse Sorge um
seinen Betrieb. Er fürchtet, dass jetzt noch ein Raubbau betrieben
wird, weil letzten Endes dann die amerikanische Gesellschaft den Be-
trieb in ein paar Jahren vollkommen stillegen wird. Der Berghauptmann
Merlin ist derzeit krank und sein Stellvertreter Dr. Mernik ist
nach seiner Angaben sehr tüchtig. Da Mernik den Betrieb längere
Zeit noch erhalten will, wird er den angeblich Raubbau dadurch be-
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kämpfen, dass er den Betriebsplan nicht genehmigen will. Dadurch
kann er meiner Meinung nach aber nur die Stillegung hinauszögern.
Die Idee nämlich des Betriebsratsobmannes, die übrigens auch Salcher
gehabt hat, dass man in Tux eine Plattenfirma errichtet, wird grosse
Schwierigkeiten haben. Stöckl meint, man könnte die Abnehmer in Tirol
zusammenfassen und diese Verpflichten, dass sie die Platten aus Tux
beziehen. Nach dem Motto: Tiroler kaufen nur bei Tiroler Firmen.
Derzeit wird dieses Gebiet von Radenthein aus beliefert. Ich kann
mir nicht vorstellen, dass sich wirklich eine Kapitalgruppe findet,
um diese Investitionen zu tätigen. Darüber hinaus ist aber die Haupt-
schwierigkeit, dass Radenthein einverstanden sein müsste, den Betrieb
an einen zweiten zu verkaufen, hier müsste die Berechnung ergeben, ob
überhaupt auf lange Sicht bei zeitgemässem Abbau der Magnesitvorräte
eine solche Investition lohnend wäre. Hier wird es notwendig sein,
dass wir eingehende Untersuchungen anstellen und vor allem aber ver-
langen.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte mit Salcher im Detail besprechen.
Min.Rat Böhm hat versucht, eine Personalaufnahme (Stenotypistin)
unter allen Umständen zu verhindern. Während alle Abteilungen klagen,
dass sie keine Schreibkräfte haben, hat er eine Genossin, die uns
empfohlen wurde, mit der Behauptung abgelehnt, dass sie nur 2.000
Anschläge macht. Voriges Jahr nach Schulentlassungen, die bei uns
angesucht haben, war er mit 1400 Anschlägen zufrieden. Er vertröstet
uns nun auf das Schulende und meint, dann würden wir gute Kräfte be-
kommen. Heindl hat letzten Endes so heftig interveniert, dass Böhm
dann meinte, ob er eine Weisung bekommen würde. Heindl hat dies Gott
sei Dank abgelehnt. Geschickt hat er damit den Ball an Böhm zurückgegeben,
allerdings gleichzeitig den Sekt.Chef Jagoda mit seinem berechtigten
Wunsch auf Schreibkräfte auf Böhm gehusst. Dieser musste letzten
Endes dann doch der Aufnahme zustimmen. In der Mittagspause unter-
hielten wir uns mit Vizegouverneur Fremuth über die Sabotagemöglich-
keiten von Beamten. Fremuth kennt durch seine jahrzehntelange Tätigkeit
in Ministerien dieses Problem sehr genau. Er erörterte uns, dass
ein Beamter stets die Möglichkeit hat, sich unzuständig zu erklären,
überfordert zu sein, zumindestens überlastet zu sein, um sich diszi-
plinär nicht einer Verfolgung auszusetzen wird er zwar nie zugeben,
dass er etwas übersehen hat, wenn er aber etwas sabotieren wird,
wird er von einem Missverständnis sprechen oder als letzter Ausweg
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dann von einem Hörfehler, der ihn veranlasst hat, eben nicht
weisungsmässig vorzugehen. Die Hauptschwierigkeit besteht eben darin,
in diese wichtige Personalpositionsstelle entsprechende Vertrauens-
personen zu bekommen. Die Frage ist nur, wie kann man dies bewerkstel-
ligen. Ein mühseliger Weg.
In der Paritätischen Kommission wurde der Streit wieder beigelegt.
Sallinger erklärte einleitend, dass es sich hier um eine freiwillige
Institution handelt, die auch auf dieser freiwilligen Basis bleiben
muss und sich ausschliesslich mit den Problemen zu beschäftigen hat,
die sie bis jetzt ebenfalls bearbeitet hat. Auch Lanner schloss sich
mit einer solchen Erklärung an. Die Autonomie der Paritätischen Kom-
mission wurde von beiden besonders herausgestrichen. Kreisky wies
darauf hin, dass dieses Phänomen der österreichischen Sozialpartner
selbstverständlich erhalten bleiben sollte und als aussergewöhnlich
in der Welt betrachtet wird. Er hatte keine Absicht, die Zusammenarbeit
zu gefährden, doch müsste er feststellen, dass man dies nicht für
Amt der Politik betrachten dürfte. Als Vorsitzender habe er nur die
Möglichkeit, zum ersten Tagesordnungspunkt autonom Erklärungen abzu-
geben. Dass sich daran eine Kritik entfesseln kann zu diesen Erklärungen
betrachtet er als selbstverständlich. Mussil wollte sich mit dieser
Erklärung nicht ganz zufrieden geben und meldete sich deshalb zu Wort,
um neuerdings auf die Tatsache hinzuweisen, dass nicht aus politischen
Gründen die Arbeit blockiert werden dürfte. Kreisky war aber nicht be-
reit, eine andere Erklärung abzugeben. Sallinger flüsterte mir, dass
Mussil eigentlich auch nichts anderes mit anderen Worten gesagt hatte,
als bereits er in seiner Erklärung zu erkennen gegeben hat. Beide
erkundigten sich nachher bei mir, ob sie vielleicht zu schaff gefragt
hätten. Man sieht, dass sie doch ein ungutes Gefühl gehabt haben,
weil ich letztes Mal sie sehr hart attackiert habe und unter vier resp.
sechs Augen sagte, dass sie doch nicht ganz einfach den Saal verlassen
könnten und durch Sitzungsunterbrechungen den starken Mann spielen.
Und damit die Zusammenarbeit ernstlich gefährden. Es dürfte also der
Handelskammer tatsächlich an einem weiteren Bestehen der Paritätischen
Kommission sehr viel liegen.
Auf der Tagesordnung war eigentlich nur der Punkt Fleisch- und
Wurstpreise interessant. Die Bundeskammer verpflichtete sich, auf
5 % Preiserhöhung, gerechnet per 1.7.1971 die Fleischpreise zurück-
zuführen, damit der Landwirtschaftsminister auf eine Preisregelung ver-
zichtet. Weihs hatte ihnen seinerzeit in einem Schreiben mitgeteilt,
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dass unter diesen Umständen eine Verordnung für Rind- und Schweine-
fleisch nicht erlassen würde. Eine Zeit lang flüsterten bei mir herüben
die Bundeskammervertreter, dass sie eine solche Preisanordnung eben-
falls zur Kenntnis nehmen würden. Hrdlitschka meinte nämlich, dass
eine Erhöhung um 5 % nur dann zugestanden werden könnte, wenn vorher
die Bundeskammer die Preise tatsächlich auf dieses Ausmass zurückge-
führt hat. Da Benya bei der Sitzung zeitweise abwesend war konnte sich
ein so eigentlich sinnloser Dialog entspinnen. Ob ich die 5 %-ige
Preiserhöhung auf Juni 1971 gleich anerkenne und damit sage, aber
auf dieses Ausmass muss sie zurückgeführt werden oder zuerst die
Zurückführung verlange und nachher zu sagen, ich werde sie anerkennen,
ist doch in Wirklichkeit vollkommen gleich. Hrdlitschka aber auch
Zöllner machen manchmal so komplizierte Systeme auf, die Benya in
Wirklichkeit sehr ärgern. Letzten Endes einigten wir uns, dass inner-
halb einer Woche die Preise zurückgeführt werden sollen, die anhängigen
Verwaltungsstrafverfahren davon unberührt bleiben, wenn die Preisent-
wicklung nicht gestoppt, resp. die Preiserhöhung nicht zurückgenommen
werden, wird der Landwirtschaftsminister unverzüglich eine Preisan-
ordnung erlassen. Auf das leichtfertige Spiel mit einer Preisregelung
von Seiten der Handelskammer habe ich die Herren aufmerksam gemacht
dass dies für die Fleischhauer ein Zustand, der sie sehr noch be-
lasten wird. Ich erkenne die Schwierigkeiten aus einer Preisbestimmung
zeit, mache daher besonders darauf aufmerksam, dass dann unendliche
Strafverfahren zu erwarten sind. Am meisten fürchte aber ich, dass
es uns nicht gelingen werde, einen wirklichen Kontrollapparat aufzu-
bauen.
Am Ende der Sitzung habe ich mit Hrdlitschka noch einmal über das
Problem Neusiedler AG gesprochen. Hrdlitschka meint, wenn es zu
keiner befriedigenden Regelung für die Betriebsräte kommt, die Wirt-
schaftskommission dann eine ganz harte Verurteilung der Firma durch-
führen sollte. Dies könne ich durch eine Weisung an den Vorsitzenden
Sekt.Chef. Römer erreichen. Trotzdem strebe ich auf alle Fälle an,
dass man versucht, eine einvernehmliche Lösung zu erzielen. Ich werde
bei der nächsten Sitzung nicht anwesend sein und habe deshalb schon
Wanke darauf aufmerksam gemacht, dass entsprechende Vorarbeiten
bereits jetzt geleistet werden müssten. Hrdlitschka verspricht seit
Tagen einen Entwurf vorzulegen. Am liebsten wäre ihm, wenn wir eine
Vertagung der Sitzung erreichen könnten. Ich habe mich seinerzeit
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bereits bereiterklärt, so etwas anzuordnen, wenn beide Vertragsteile
einer solchen Lösung zustimmen. Ich handle dann zwar noch immer contra
legem, habe dies auch Hrdlitschka mitgeteilt, doch der will das nicht
zur Kenntnis nehmen. Benya, der zeitweise bei diesem Gespräch mithörte,
meinte, Hrdlitschka könne sich ja gar nicht vorstellen, unter welchem
Druck jetzt die Regierung und insbesondere die soz. Seite im Parlament
jetzt kommt. Hrdlitschkas Auffassung, dass niemand, wenn ich hier so
contra legem entscheide, den Fall aufgreifen würde, wird von mir
und Benya nicht geteilt. Ich kann mir sehr wohl vorstellen, dass irgend-
eine Konstruktion gefunden wird, um mich dann im Parlament deshalb anzu-
schiessen. Ich fürchte aber einen solchen Angriff deshalb nicht, da
ich ja dann wenn beide Seiten einverstanden sind, darauf hinweisen
kann, dass sich bestrebt war, über die 8 Wochen hinaus eine gemeinsame
friedliche Regelung zu finden, wie dies z.B. eben bei Stuppach der
Fall gewesen ist.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte diesen Plan verfolgen, insbesondere aber
endgültig schauen, eine Formulierung zu finden, die gegebenenfalls,
wenn er nicht zustande kommt, einen gemeinsamen Beschluss doch noch
ermöglicht.
Tagesprogramm, 15.3.1972
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)