Dienstag, 8. Feber 1972
Eine Delegation unter Führung von Präsident Fritsch von den Wirt-
schaftstreuhändern und auch Androsch, in diesem Fall aber als
Berufskollege, wollte eine Tariferhöhung. Ihre Stundensätze betragen
derzeit von 66.– S angefangen bis zu einem Tagessatz von 1.100 S.
Sie wollen nun alles wesentlich erhöhen, da die Löhne um 30 % ge-
stiegen sind. Die Kollektivverträge sind zwar wesentlich tiefer,
doch ein leitender Assistent bekommt 15–20.000 S im Monat. Ein
Prüfer 7–10.000 S. Von den 2.500 Wirtschaftstreuhändern hätten
nur 50 Konsulentenverträge, d.h. mit grossen Firmen wie z.B.
Philips. Dort soll der Jahresvertrag 300.000.– S betragen. Ich habe
ihnen keinen Zweifel gelassen, dass ich nicht daran denke, die un-
tere Grenze zu erhöhen, sondern nach eingehendster Überprüfung und
Rücksprache mit der Bundeskammer und den anderen Interessensver-
tretungen maximal mit einer Erhöhung von einzelnen Sätzen zu rech-
nen ist. Ich habe ihnen erklärt, dass ich auf alle Fälle versuchen
werde, eine einstimmige und einvernehmliche Lösung zu erzielen.
Der zweite und wichtigere Punkt für sie war die Abgrenzung ihrer
Aufgaben. Laut Gesetz haben sie gewisse Vorbehaltsaufgaben. In
Salzburg hatten sie aber mit der Handelskammer vereinbart, dass
die Lohnverrechnung durch ein Rechenzentrum erfolgen kann. Die
Bundeskammer steht nun auf dem Standpunkt, dass selbstverständlich
auch in ganz Österreich ihre Mitglieder nicht unbedingt nur Wirt-
schaftstreuhänder für diese Arbeit heranziehen müssen. IBM macht
grosse Propaganda, dass sie natürlich die Buchhaltung auch machen
können und dies wesentlich billiger kommt als wenn man ein Wirt-
schaftstreuhänderbüro benützt. Seinerzeit haben sie mir erklärt,
wurde im Handelsministerium mit 16 Punkten genau die Tätigkeit
der Wirtschaftstreuhänder abgegrenzt.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte mir diese 16 Punkte zu verschaffen.
Was sie befürchten, ist, dass in weiterer Folge, wenn die Programme
von IBM dann ausgearbeitet sind, auch die Bilanzierung und vielleicht
sogar in der letzten Phase auch die Steuerberatung EDV-mässig erfolgt.
Sie selbst aber haben ein Werbeverbot und die anderen EDV-Produzenten,
ob IBM, Olivetti usw., können aber werben. Ich bot ihnen sofort an,
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das Werbeverbot könnte man ja durch eine gesetzliche Novelle aufheben.
Ich wusste allerdings, dass sie diesen Weg nicht bestreiten wollten
und sie haben deshalb auch diesen Vorschlag sofort abgelehnt. Derzeit
wird sogar von der BRD her geworben und die Daten wertet die Ergebnisse
sogar in der BRD aus. Hier wird es ganz schwer Auseinandersetzungen
im Rahmen der Gewerbeordnung und der Abgrenzung geben. Jagoda hat eine
gute Idee gehabt. Die Rechenbüros waren früher freie Gewerbe und
er meinte, die elektronische Datenverarbeitung müsste jetzt auch zuge-
lassen werden, allerdings nur soweit es um die Eingabe der Daten handelt.
Er wird ähnlich wie bei Ziviltechnikern oder Ärzten auch für die Wirt-
schaftstreuhänder eine generelle Abgrenzung versuchen. Die Erstellung
des Programmes, die Aufwertung des Ergebnisses wird Angelegenheit der
Ärzten Ziviltechniker und Wirtschaftstreuhänder sein. Das Eingeben von Da-
ten aber müsste auf alle Fälle den einzelnen resp. der EDV-Gesellschaft
überlassen bleiben. Androsch hat hier als Berufskollege natürlich grösstes
Interesse daran, dass die Abgrenzung so erfolgt, dass man wirklich die
Wirtschaftstreuhänder nicht schädigt. Er meint, dass heute der Wirt-
schaftstreuhänder auf Grund von Unterlagen, die sehr unvollständig sind
von den vielen tausenden Gewerbetreibenden dann eine entsprechende
Bilanz erstellt werden muss. Das heisst, das Material wird eigentlich
von den Wirtschaftstreuhändern so aufgearbeitet und von den Buchprüfern,
dass man die Bilanz als glaubhaft dem Finanzbeamten vorlegt. Im
Burgenland soll nun durch EDV-Anlagen Bilanzen vorgelegt worden sein,
die hinten und vorne nicht gestimmt haben. Unter anderem hat es negative
Kassen gegeben usw. Ich stehe allerdings auf dem Standpunkt, dass es
doch viel zielführender für einen Finanzminister sein müsste, wenn er
Rohmaterial von seiten der Gewerbetreibenden bekommt, welches viel-
leicht in sich nicht geschlossen ist, dafür aber umso eher richtig ist
als wenn ein Wirtschaftstreuhänder oder Buchprüfer dieses bereits
bearbeitet hat. Natürlich steht im Gesetz, dass er – der Buchprüfer – die
erste Vorprüfung damit durchführt und eigentlich manipuliert richtigere
und in sich geschlossene Bilanz erbringt. Klarer wird sie aber dadurch
keinesfalls. Derzeit ist es aber leider so und Androsch will scheinbar
auf alle Fälle daran festhalten, dass wenn die Unterlagen zwar die
wirklichen sind aber in sich nicht ganz stimmen, dass dann die Buch-
haltung verworfen wird und dann entsprechende Satzungen erfolgen. Hier
wird es noch im Parlament harte Auseinandersetzungen im Zuge der
neuen Gewerbeordnung geben. Androsch meinte, ich hätte den Handelskammer-
leuten zu sagen, dass nicht richtig erstellte Bilanzen durch die
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elektronische Datenverarbeitung dazu führen, dass seine Beamten,
d.h. die Finanzbehörde dann die gesamte Buchhaltung verwirft und
das Risiko der Haftung nicht von den elektronischen Datenverarbei-
tungsfirmen übernommen wird, während der Wirtschaftstreuhänder
haftet, er ist ja sogar meistens versichert, trifft ihn der Fall,
dass der Gewerbetreibende sich einer elektronischen Datenverarbei-
tungsfirma bedient, das Risiko ausschliesslich den Gewerbetreibenden.
Die Haftung wird sowohl von IBM als auch von allen anderen Gesell-
schaften abgelehnt.
Im Ministerrat berichtete Kreisky über das neue Komitee und den Heraus-
geberverband, der Hilfe für die Zeitungen verlangt, mitzuteilen,
dass sich die Bundesregierung mit allen materiellen Fragen beschäf-
tigen wird. Sinowatz schlug das Ehrenzeichen für Verdienste um den
Sport vor. Hie wird ein neues Bundesgesetz und ein neuer Orden ge-
schaffen. Maximal 36 Inländer und 36 Ausländer sollen dieses Ehrenzei-
chen bekommen können. Verliehen wird es durch den Bundespräsidenten
auf Vorschlag der Bundesregierung und über Antrag des Unterrichts-
ministeriums. Ein Kuratorium wird über die Verleihung Sinowatz beraten
In Wirklichkeit müsste man dieses Ehrenzeichen "Schranz-Orden" nennen.
Der Gipfel wäre, wenn man für Verdienste um den Sport dann noch dem
österreichischen Olympischen Komitee auch verleihen würde. Mit liegt
jede Ordensproblematik vollkommen fern und ich habe dafür überhaupt
nichts über. Es war nur typisch, dass Schleinzer vorgeschlagen hätte
man sollte Karl Schranz das Grosse Goldene Ehrenzeichen verleihen.
Für mich typisch ist in der ganzen Angelegenheit, dass durch Massen-
medien die Emotion der Bevölkerung, die sicherlich sowieso vorhanden
war, noch wesentlich aufgepulvert wurde. Nicht zuletzt durch das
Fernsehen haben sich Kreise der österreichischen Bevölkerung
die mit Sport überhaupt nichts zu tun haben, und die wahrscheinlich
niemals im Leben Ski gefahren sind, jetzt mit dem Idol Schranz
zu verbunden gefühlt, dass es für sie eine persönliche Kränkung, Be-
leidigung und Zurücksetzung gewesen ist. Ich habe, als das Problem erst
begonnen hat, Rösch schon gesagt, der wird die schwierige Aufgabe
haben, alle zu beschützen, die letzten Endes dabei unter die Räder
kommen werden. Ich erinnere mich noch sehr genau, wie Wanke mir erzählt
hat, wie das Fernsehen z.B. im Prager Frühling damals die Politiker
fertig gemacht hat, die sich gegen diese Entwicklung gestellt haben.
Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie dies auch in Österreich sein
könnte. seien nicht mit so extremen Auswüchsen, wie das in
einer Diktatur möglich ist. Allerdings war damals im Prager Frühling
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auch eine weiche Welle in der CSSR im Anlaufen. Hier müsste auch in
Österreich der Grundsatz gelten, schon am Anfang sich gegen eine solche
Entwicklung zu stellen. Ein Massenmedium, wie das Fernsehen, dürfte
einen einzelnen beim besten Willen nicht ausgeliefert werden. Bacher
hat hier als ehemaliger Fahrschüler von seinem Skilehrer Schranz
die Grenze des Erlaubten meiner Meinung nach wesentlich überschritten.
Von einer objektiven Information und von einer werturteilsfreien Beurtei-
lung des Falles und damit entsprechende Beruhigung der Bevölkerung kann
wahrlich nicht geredet werden. Die Parteien wollten nun auf dieser Emo-
tionswelle mitschwimmen.
Sowohl in der Fraktion des ÖGB, wo neben der Information des Steuerkomitees
nur noch der Fall Slavik verhandelt wurde, als auch in der Vorstands-
sitzung im dritten Bezirk, zeigt sich für mich, dass es tatsächlich diesen
Fall Slavik gibt. Auch hier sagt die Bevölkerung und damit auch unsere
Funktionäre, dass irgendetwas nicht in Ordnung sein kann. Der grosse
Fehler war, dass Slavik nicht sofort entsprechend hart in der Öffent-
lichkeit reagiert hat. Er hat zwar gegen die verleumderischen Behaup-
tungen Anklagen erhoben, d.h. Anzeigen erstattet. Wahrscheinlich aber
hätte müssen viel früher die Wiener Organisation und die anderen Funktio-
näre sich mit ihm solidarisieren und klar und deutlich zu erkennen geben
dass es sich hier um eine Verleumdung handelt. Da aber in der Wiener
Organisation in diesem Fall leider keine geschlossene Gruppe der Spitzen-
funktionäre ist, sondern viele dazu beitragen, dass sie sich jetzt schon
von Slavik distanzieren, um später einmal die Chance haben eventuell
selbst Bürgermeister zu werden oder zumindestens dadurch ihre Abneigung
ihm gegenüber zu dokumentieren, ergibt sich das Bild einer nicht geschlos-
senen Führungsspitze. Eine solche Entwicklung ist in einer politischen
Partei aber verheerend. Die Funktionäre und insbesondere die kleineren
haben ein gutes Gespür und ein gutes Gefühl für eine solche Situation.
Waldbrunner und ich konnte uns deshalb vergeblich bemühen, dies beson-
ders aufzuzeigen, ohne natürlich Namen zu nennen. Die Genossen waren
vielleicht mit den Auskünftigen befriedigt und zufrieden. Überzeugt
glaube ich haben wir sie nicht.
Tagesprogramm, 8.2.1972
Tagesordnung 13. Ministerratssitzung, 8.2.1972
09_0164_03hs. Notizen (TO Ministerratssitzung Rückseite)
SL-Besprechung, 8.2.1972
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