Samstag, der 29. Jänner 1972

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Samstag, 29. Jänner 1972

Das Interview mit Hofbauer gestaltete sich ganz anders, als
Koppe und ich erwartet hatten. Hofbauer, der uns aus der Zeit der
ÖVP-Pressedienst-Tätigkeit sehr unangenehm in Erinnerung ist,
hat derzeit seinen Job beim Sparkassenverband. Er erklärte mir
gleich einleitend, dass er nicht mehr mit dem ÖVP-Pressedienst
zu tun hat. Trotzdem wollte er seine alte Methode neuerdings
anwenden. Er hat die Überzeugung, dass die neue Arbeitsgruppe für
Preise des Ministerkomitees nur optische oder propagandistischen
Zwecken dient. Immer wieder versuchte er deshalb auf verschiedensten
Wegen zu diesem Ergebnis zu kommen. Fairer Weise bot er aber zum
Schluss an, dass er das Interview gerne irgendjemandem zur Kenntnis
bringen wird, bevor er es endgültig abdruckt Ich habe ihm sofort
Koppe vorgeschlagen.

ANMERKUNG FÜR KOPPE: Bitte, wenn er Dich Montag nicht anrufen
sollte, setze Dich mit ihm ins Einvernehmen.

Im Vorstand der Wiener Arbeiterkammer, vor allem zuerst in der Fraktion
habe ich mich verabschiedet. Ich erklärte, dass ich noch niemals einen
Posten angestrebt habe, dass ich ab anderseits immer auf dem Stand-
punkt gestanden bin, wenn man einen Posten nicht mehr ausfüllen
kann, dann hat man ihn einem anderen zeitgerecht abzutreten. Durch
die Bestellung von Dr. Scheer zum Kammeramtsdirektor kann nun
Zöllner als einziger Wirtschafter ins Direktorium endlich nachrücken.
Zöllner ist zwar immer ein Querkopf gewesen, das wird sich sicher
auch in Hinkunft nicht ändern, er macht entsprechende Schwierigkeiten
jedermann, doch ist er zweifelsohne der fähigste für diesen Posten.
In den vergangenen Jahren hat er immer heftigst kritisiert, dass
die Arbeiterkammer drei Direktoren hat. Jetzt ist es selbst einer.
Eine Lösung war aber dringendst notwendig, da über die wirtschafts-
politische Seite in den Vorständen und Fraktionen viel zu wenig
referiert wurde. Um diesem Übelstand abzuhelfen, hat Hrdlitschka
z.B. für diese Sitzung Reithofer eingeladen, damit er über die Steuer-
probleme, Lohn- und Einkommensteuer und Mehrwertsteuer referiert.
Aus der Diskussion konnte ich entnehmen, dass Benya nach wie vor auf
dem Standpunkt steht, primär müsste sich der ÖGB um nicht zu sagen
fast ausschliesslich um die Lohnsteuer kümmern. Lachs versucht hingegen
Benya immer wieder zu erklären und ihn dafür zu gewinnen, dass sämtliche


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andere Regelungen, die Androsch für die Selbständigen trifft,
dann zu Steuerausfall führt, den die Unselbständigen in irgendeiner
Weise dann mitzahlen müssen. Benya dagegen kennt genau seine
Stärke, nämlich, dass er nur auf dem Lohnsteuersektor konkrete
Forderungen stellen kann und sie auch durchsetzen wird. Wenn er
sich dagegen allzu sehr, wie das z.B. Hrdlitschka gerne macht,
in die anderen Gebiete einmischt, muss man mehr oder minder entweder
dann in eine Kampfstellung mit dem Finanzminister geraten, wobei er
nicht sicher ist, wie dieser Kampf dann innerhalb der Partei und
des Parlamentes tatsächlich angeht. Für Forderungen, die der ÖGB
unmittelbar zu vertreten hat, wird jedermann Benya recht geben und
sagen, hier muss eine Lösung im Sinne Benyas gefunden werde. Für
Forderungen aber, die für andere Gruppen von Bedeutung sind, und
vom Finanzminister genehmigt werden, wird natürlich primär das Gremium
des Parteivorstandes, in Wirklichkeit der Exekutive zuständig sein.
Hier entscheidet natürlich Kreisky und der wird sich wahrschein-
lich auf den Rat von Androsch verlassen. Hrdlitschka wieder und das
zeigte die Aussprache, möchte in den allumfassenden Steuerproblemen,
dass die Arbeiterkammer nicht nur ihre Stellungnahme abgibt, sondern
letzten Endes auch sich womöglich durchsetzt, weshalb er sich ja
sehr engagiert. So sehr er vom sachlichen Gesichtspunkt aus recht
hat, so wird er politisch überbleiben. Ich komme immer mehr zu der
Überzeugung, dass die Stärke eines Politikers hauptsächlich darin
liegt, wie sehr er die Grenzen erkennt, innerhalb derer er agieren
kann. Wenn man nämlich diese Grenzen überschreitet, dann besteht die
grosse Gefahr, dass man nicht ernst genommen wird und letzten Endes
sich selbst nicht einmal mehr im ureigensten Interessenbereich
durchsetzen kann. Benya hat hier ein ungeheuer gutes Gespür und be-
gibt sich deshalb nur sehr selten aufs Glatteis.

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Tagesprogramm, 29.1.1972




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    Tätigkeit: Finanzminister
    GND ID: 118503049


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      Tätigkeit: [führt 1972 ein Interview mit JS und Koppe; ehem. ÖVP-Pressedienst, nun Sparkassenverband; vorerst nicht gefunden]


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          Tätigkeit: Kammeramtsdir. AK Wien


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            Tätigkeit: AK, ÖIAG
            GND ID: 128336552


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              Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
              GND ID: 119083906


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                Tätigkeit: AK


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                  Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


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                    Tätigkeit: Bundeskanzler
                    GND ID: 118566512


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