Donnerstag, der 9. Dezember 1971

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Donnerstag, 9. Dezember 1971

Der Klubvorstand hat beschlossen, dass im Parlament am Mittwoch
die Preisdebatte von uns aggressiv geführt werden soll. Wir werden
deshalb auch als Minister, die unmittelbar damit irgendwie zu
tun haben, in die Debatte eingreifen. Sowohl Frühbauer als auch
ich wurden aufgefordert, uns entsprechend vorzubereiten. Rösch
hat – wie er mir unter vier Augen mitteilte – ebenfalls eine
schlechtes Gefühl und hat deshalb Androsch, der ebenfalls jetzt
sich nicht sehr glücklich fühlt, vorgeschlagen, man soll den Aus-
gleichsrentenempfängern eine Zulage gewähren. Erhöht man die Aus-
gleichsrente, die derzeit 1528.– S beträgt, um 10 S, so ergibt
dies laut Mitteilung von Häuser 70 Mill. Mehrbelastung.

Gen.Dir. Bauer von der ÖMV ist an einem Besuch des russischen
Gasministers Kortunow sehr interessiert. Er ist bereit, alle
Kosten zu übernehmen, wenn nur das Handelsministerium und ins-
besondere der Minister sich für den Gasminister bereithält.
Da er auf alle Fälle entweder Freitag, Samstag, Sonntag oder
Samstag, Sonntag, Montag, Dienstag kommen wird, ich aber am
Freitag und Montag wegen Parlamentssitzungen mich nicht ihm widmen
kann, wird sich das Programm insbesondere am Samstag, Sonntag
den 17. u. 18.12. abspielen. Die ÖMV hat schon beabsichtigt, eine
private Firma mit Hubschrauber zu chartern, damit er die Strecke
wie gewünscht abfliegen kann. Dies würde weit über 100.000 S
kosten. Ich vereinbarte mit Rösch, dass wir einen Gendarmerie-
Hubschrauber bekommen, der maximal 20.000 S kosten wird. Bauer
war damit sehr einverstanden. Rösch hat sogar noch Peterlunger
erklärt, dass dies für die Gendarmerie äusserst günstig ist und
Peterlunger meinte sogar, man müsste gar nichts verrechnen, weil
durch die Hubschaubereinsatz der Gendarmerie die Bewachung des
russischen Ölministers wesentlich einfacher ist und damit viele
Probleme der Bewachung und Sicherheit des Gastes wegfallen.

Sallinger und Mussil wurden von Marquet, wie er mir selbst sagte,
bereits in der Früh informiert und sie haben allerdings angenommen,
dass ich davon nichts weiss. Ich hatte ihnen deshalb ebenfalls
genau über die Verhandlungen in Brüssel einen Bericht gegeben.



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Als Endergebnis haben sie – wie ich erwartet habe – den Wunsch ge-
äussert, dass Leitner den Präsidenten eine Spezialinformation
geben soll und deshalb einberufen werden sollte. Für Montag, 14 Uhr,
wurde eine Besprechung im Parlament auf Präsidentenebene vereinbart.

ANMERKUNG PUR HEINDL: Bitte, den Saal im Parlament bestellen und vor
allem die Präsidenten der Interessensvertretungen verständigen. Für
16.00 Uhr dann die interministerielle Besprechung ins Parlament ein-
laden.

Sallinger und Mussil haben grosse Bedenken, ob wir nicht doch den
Japanern Zugeständnisse machen müssen für die Anwendung des Artikels
XXXV, GATT. Da Botschafter Thomas aus Tokio derzeit auf Heimaturlaub
ist, habe ich mit ihm eine Besprechung und er versicherte, dass ein
weiterer Abbau der 58 Positionen, die noch nicht liberalisiert sind,
im Jahre 1972 nicht nötig sein werden. Meisl hat nämlich mit den
Japanern vereinbart, dass wir die Kontingente vereinzelt um 100 %
erhöhen und dass auch andere Kontingente wesentlich erhöht werden.
Damit sind die Japaner zufrieden und auch die BHK ist glücklich,
dass wir nicht eine weitere Liberalisierung vornehmen. Botschafter
Thomas hofft, dass es in den nächsten Jahren gelingen wird, wenn
die Japaner eine gewisse Rezession in Amerika durch Einfuhrbeschrän-
kungen zu spüren bekommen, den europäischen Markt doch mehr Augen-
merk zuwenden müssen, bereit sein werden, eine Schutzklausel mit
Österreich zu vereinbaren. Ich teile diese Meinung nicht, denn die
Japaner haben mir dezidiert erklärt, dass sie auch nicht der
Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft eine solche Schutzklausel
zugestehen werden, d.h. auch wir Österreicher können nicht damit
rechnen.

Direktor Manderla und der BRO Schuster von der Inzersdorfer wollten
vom Handelsministerium wissen, wie sie die ca. 20 Mill. S, die sie
investieren wollen, anlegen sollen. Derzeit hat die Inzersdorfer
ca. einen Umsatz von 220 Mill. S, der sich in den letzten Jahren
um ca. 10 % erhöht hat. 60 % davon entfällt auf Fleischkonserven
35 % davon auf Obst- und Gemüsekonserven und nur 5 % auf Teigwaren.
Die Teigwaren-Umsätze sind so uninteressant, dass sie mit der Ankerbrot-
fabrik und dem grössten Teigwarenerzeuger Wolf versucht haben ein
Arrangement, indem sie auf die Teigwarenproduktion kooperierend


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verzichtet hätten. Dieses Arrangement ist an Wolf gescheitert.
Die Teigwarenindustrie und insbesondere auch die anderen Produktions-
stätten wie Recheis und Fritsch sowie die EPA in Innsbruck leiden
ganz besonders an dem Preis für Hartweizengries. Direktor Manderla
war jetzt nur für Fleischkonserven zuständig, soll aber nach Ableben
von Petrusch auch jetzt für Obst und Gemüsekonserven zuständig werden
Er wollte nun wissen, wie sich das Handelsministerium die weitere
Politik auf diesem Sektor vorstellt. Die Bundesrepublik Deutschland
hat durch ihre liberale Politik erreicht, dass 70 % heute der Im-
porte in der BRD den ansässigen Konservenfirmen härteste Konkurrenz
macht. Insbesondere ist die Obst- und Gemüsekonservenindustrie
hart geschädigt worden. Aus Polen aber werden in der BRD jetzt sogar
grosse Mengen von Fleischkonserven importiert. Manderla dürfte die
Absicht gehabt haben, von mir irgendwelche Zusicherungen für einen
Schutz in Zukunft zu erhalten. Er hat dies sehr geschickt aber in
eine Frage gekleidet, wie er investieren soll. Er möchte 3,5 Mill.
für einen Wohnblock für 74 Betten von Arbeitern aufwenden, die letzten
Endes dazu dienen sollen, NÖ-er nach Wien zu bringen. 8 Mill. muss
er in Lager und insbesondere Expedit investieren. Für 11 Mill. möchte
er ein Tiefkühlhaus für Fleischkonserven, um einen kontinuierlichen
Autoglasen aufstellen zu können. Er wird von der Weissblechkonserve
zur Alu-Aufreisskonserve übergehen. Vogl & Noot hat deshalb eine
eigene Maschinen angeschafft. Manderla sieht Möglichkeiten, dass
in den Export diese Aufreissdose gut untergebracht werden kann.
In Österreich ist er mit 85 % Brotaufstrichanteil marktbeherrschend.
Da Weissblech importiert werden muss, Aluminium aber bei uns selbst
erzeugt wird, sieht er darin eine grosse Leistung für die österreichi-
sche Wirtschaft. Oetker hat sich von Inzersdorf wieder zurückgezogen.
Der 10 %-ige Anteil wurde von Inzersdorf zurückgekauft. Die harte
Konkurrenz besteht aber zwischen Felix, Mattersburg, und Scana.
Matterburg hat nicht einen so günstigen Standortvorteil, wie man glaubt.
Sie müssen auch in der Umgebung Wiens die Erbsen und Bohnen kaufen.
Inzersdorf hat mit der Gemeinde Wien 35 ha Erbsen und 31 ha Bohnen
abgeschlossen, Mit Dreher 60 ha Erbsen und 25 ha Bohnen. Felixdorf
hat 35 ha Bohnen mit der Gemeinde Wien abgeschossen. Scana selbst
kauft ebenfalls aus der Umgebung Wiens 150 ha Erben und 150 ha Bohnen.
Der Vorteil dieser beiden Betriebe liegt nur darin, dass in der
Vergangenheit mehr investiert haben und deshalb besser ausgerüstet
d.h. moderner sind. Manderla ist einverstanden, dass alle Unterlagen,
die wir von Inzersdorf brauchen, von ihm geliefert werden, damit er


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in spätestens zwei Monaten eine entsprechende Studie bekommen
kann.

ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte diese Informationen an Marsch weiter-
geben und eine diesbezügliche Studie sofort veranlassen.

Direktor Schwarzkopf, Metallwerk Plansee, und sein Direktor wollten
über die weiteren Verhandlungen mit der EWG mit mir reden und vor
allem ihre Stellungnahme deponieren. Schwarzkopf hat keine Angst
vor der Integration, möchte aber nicht schlechter behandelt werden
als sein französischer Konkurrent Firma Ussin Kollman, die sich in
der letzten Zeit mit Pechiney, einem grossen Chemiekonzern, zusammen-
geschlossen haben, haben von Plansee scheinbar doch eine entsprechende
Angst, denn die waren es, die erreicht haben, dass umschmelzende
Metalle 81 01 bis 81 04 auf die sensible Liste gesetzt werden.
In der Aufstellung, die mir vom Ministerium zur Verfügung gestellt
wurde, ist die Ausfuhr mit 172 Mill. und die Einfuhr mit 120 Mill. S
angegeben. Dies ergibt aber ein falsches Bild, wie mir Schwarzkopf
versicherte, da die Einfuhren sich ausschliesslich auf Rohstoffe für
Treibach Wolfram erstreckt. Der Export dagegen beträgt von der
im Profile Draht bei Wolfram ca. 20 % bei Molybdän ca. 40 % und
Bei Tantal 10 %. Die Franzosen bemühen sich seit Jahrzehnten mit
Schwarzkopf, d.h. dem Planseewerk in ein besseres Verhältnis zu
kommen. Immer wieder bemühen sich neben anderen ausländischen Firmen
insbesondere die Franzosen finanziell in dieses Werk einzudringen.
Da ihnen dies bis jetzt nicht geglückt ist, versuchen sie auf diesem
Weg jetzt die Konkurrenz und fast würde man sagen den europäischen
Monopolbetrieb hart zu attackieren. Planseewerk hat derzeit
1.600 Beschäftigte und entwickelt für diese Gegend eine einmalige
Beschäftigungs- und Ausbildungsmöglichkeit. U.a. haben sie ein
Kursprogramm, das sie mir zeigten, wo sie allen Beschäftigten freie
Möglichkeit der Weiterbildung geben. Wenn einer z.B. im Sprachkurs
seine Prüfungen macht, wird der Kursbeitrag von 1.000 S von der
Firma übernommen. Die Firma hat in den letzten drei Jahren eine
50 %-ige Steigerung des Umsatzes erreicht. Der Export beträgt der-
zeit 90 % und mach 500 Mio. S aus. 40 % davon gehen in die EWG. Der
Rückschlag der deutschen und insbesondere westeuropäischen und selbst
der japanischen Industrie hat dazu geführt, daß sie von den 200 Gast-
arbeitern 100 Gastarbeiter abgeben müßten. Reiterer war sehr unglück-


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lich, daß ich den Schwarzkopf-Leuten die Vorschläge der EWG-
Kommission, nämlich vier Kategorien von sensiblen Gütern zu unter-
scheiden, erzählte, Reiterer meinte, dies hätten wir nicht offi-
ziell bekommen und es hätte bereits der Artikel von Graber in der
Presse in Brüssel großes Unbehagen ausgelöst. Ich bin zwar nicht
davon überzeugt, daß Brüssel wirklich deshalb sehr verärgert ist,
aber es entspricht ja Reiterers Geheimpolitik, nichts immer weiter
zu sagen. Meisl meinte dagegen sehr richtig, man müßte doch die
Firma über die Grundsätze der Politik der EWG informieren. Schwarz-
kopf
wird nun bei seinen Abnehmern z. B. der Siemens in Deutschland
intervenieren, damit man von dieser Seite versucht, die nötigen
Schritte gegen die französische Absicht zu unternehmen. Er hofft,
zwar daß es ihm gelingen wird noch andere Abnehmer gegen den franz.
Plan Molybdän und Wolfram auf die sensible Liste zu setzen, zu
mobilisieren. Er wartet aber, daß wir uns doch bemühen, ihm aus
diesem Dilemma herauszuhelfen. Er selbst gibt allerdings zu, daß
er selbst wenn es nicht gelingen sollte, damit seine Abnehmer nicht
schlechter gestellt werden als bis jetzt, daß aber die franz. Kon-
kurrenz natürlich dann weiter ihren Vorteil auf dem europ. Markt
ausbauen wird.

Die Aufwertung des Schillings, die 10 %ige Importabgabe von Amerika,
die weitere Abwertung des Dollars, die Mehrwertsteuer die noch
kommen wird und jetzt auch noch die Diskriminierung bei den EWG
Arrangement vereinen ganze Palette von Maßnahmen, die ihn hart treffen
Jede einzelne davon hätte er spielend überwinden könne. Selbst auch
die jetzige Rezession der westeuropäischen Industrie, aber alle
zusammen würden ihn doch einen schweren Schlag versetzen. Ich
strich besonders hervor, daß Reiterer sich ja sehr bemühen wird
in Brüssel, der die Verhandlungen führt, die Interessen der österr.
Industrie zu wahren. Schwarzkopf sagte, er sei dadurch sehr be-
ruhigt. Bei dieser Gelegenheit erläuterte ich ihm, daß ich gleich-
zeitig auf dem Standpunkt stehe, daß Reiterer als mein persönlicher
Vertreter des Ministers überall auftritt und auftreten kann und
daß eben durch die Arbeitsteilung bedingt entweder selbst zu Ver-
handlungen gehe oder wenn ich nicht kann, dann eben mein Sektions-
chef, der mich eben dann nicht überall hin begleiten kann, auftritt.
Schwarzkopf selbst sagte mir sofort, dies sei auch seine Methode
und entspräche einer modernen Managementführung. Ich hoffe, daß


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Reiterer verstanden hat, daß ich ihn hier besonders heraus-
streichen wollte, auf der anderen Seite aber erklärte, daß
ich nicht immer den Sektionschef zu allen Auslandsreisen oder
Besprechungen mitnehme, besonders wenn es zeitlich gar nicht
möglich wäre und nur eine Repräsentationsangelegenheit ist.
Vielleicht kann ich mit solchen Bemerkungen bei jeder Ge-
legenheit Reiterer wieder neutraler oder uns wieder wohlge-
fälliger stimmen.

Ich informierte die Handelskammer, Sallinger, Mussil, über
die Ergebnisse meiner Besprechung mit Präs. Minkowitsch,
Sallinger und insbesondere Mussil waren über die Vorgangs-
weise der Landwirtschaft einigermaßen empört. Insbesondere
der Wunsch, hier eine Wirtschaftsordnung zu schaffen, die
letzten Endes ja sozialistischen Zielsetzungen entsprechen
würde, da die einhellige Ablehnung konnte beim Weggehen von
Mussil dann noch eine Bemerkung gegenüber Sallinger auf-
schnappen, die ungefähr so gelautet hat "dies ist ein ein-
maliger Skandal von diesen" nun folgte ein schweres Schimpf-
wort. Diese Frage dürfte es noch zwischen den Bünden sowie
in vielen anderen Fragen eine ungeheure Spannung und gegen-
seitige Erbitterung geben. Mussil ersuchte um eine Kopie des
Briefes und ich habe ihn den selbstverständlich zugesagt und
schon übergeben.

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Tagesprogramm, 9.12.1971


Tätigkeit: Präs. Bauernbund
GND ID: 118894366


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Dir. Fa. Plansee, Reutte (Tirol)


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: GD ÖMV


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Dir. Fa. Inzersdorfer


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Journalist "Die Presse"


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: IV


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: sowj. Gasmin. bis 1972


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Beamter HM


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Verkehrsminister, LH-Stv. Ktn.
                    GND ID: 12053536X


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: SChef HM
                        GND ID: 12195126X


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                          GND ID: 102318379X


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: Ministerialrat, Leiter Grundsatzabteilung


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: Sektionschef HM, Diplomat, Verteter bei der EG


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: BRO Fa. Inzersdorfer


                                Einträge mit Erwähnung:
                                  Tätigkeit: Diplomat


                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    Tätigkeit: Innenminister bis 1977, danach Verteidigungsminister


                                    Einträge mit Erwähnung:
                                      Tätigkeit: GD f. öff. Sicherheit bis 1975


                                      Einträge mit Erwähnung:
                                        Tätigkeit: Vizekanzler, Sozialminister


                                        Einträge mit Erwähnung:
                                          Tätigkeit: Finanzminister
                                          GND ID: 118503049


                                          Einträge mit Erwähnung:
                                            Tätigkeit: GD Fa. Inzersdorfer bis 1971


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                                              Tätigkeit: öst. Botschafter EWG


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