Dienstag, der 21. September 1971

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Dienstag, 21. September 1971

Im ÖGB-Kongreß werden die Berichte als ein Block von Organisation
bis Kontrolle gegeben. Zwischendurch nur aufgelockert durch einige
Begrüßungsansprachen der ausl. Delegierten. Da sich sehr wenige
dafür interessieren, aber doch im Saale bleiben, ergibt sich eine
ungeheure Unruhe, die man im Präsidium ganz besonders stark merkt.
Die Verhandlungen über die künftige Zusammensetzung des Präsidiums
gestalten sich doch schwieriger als angenommen. Altenburger ist
nicht bereit, wahrscheinlich ist er auch nicht im Stande zu einer
Fraktion dies durchzusetzen, das Präsidium um einen öffentl. Be-
diensteten Vertreter, es soll dies Nationalrat Weisz werden, zu-
zustimmen. Benya hat deshalb vorgeschlagen, man sollte ein Ver-
handlungskomitee von soz. Seite bestimmen, welches mit einer größeren
Anzahl von ÖVP-Funktionären verhandelt. Scheinbar kann Altenburger
oder will er sich auch gar nicht in seiner Fraktion durchsetzen.
Ich plädierte nur, daß man unter gar keinen Umständen wegen einer
solchen Wahl die Zusammenarbeit auf dem Kongreß stören sollte und
vielleicht durch Kampfabstimmungen oder gar durch einen Exodus
der christl. Gewerkschafter das Klima vor den Wahlen verderben
würde.

Im Ministerrat wurde das Budget von Androsch ausgeteilt. Jeder
Minister erhielt nur ein Exemplar. Weihs mußte bei dem belg.
Königspaar in der Hofreitschule sein, so daß ich sein Exemplar
mitgenommen habe. Da Frühbauer keines hat und zum Schluß beim
Finanzminister natürlich auch eines verlangte, verdächtigte mich
freundschaftlich Androsch, ich hätte das zweite auch für mich
genommen. Daraus kann ich entnehmen, daß er größten Wert darauf
legt, daß nur wenige Exemplare im Verkehr, d.h. bei anderen
Ministern sind. Ich weiß nicht, ob so eine Geheimnistuerei not-
wendig ist, doch werde ich, da wir uns jetzt in einem Wahlkampf
befinden, das Exemplar auch unter Verschluß halten. Ich werde
Reithofer und Lachs nur Einblick nehmen lassen.

Laut Dienstpostenplan werden wir um etliche 300 Leute mehr als
1971 haben als 1972. Kreisky hat aber eine Berechnung, wonach
wir, da die Unterrichtsverwaltung 1.000 mehr benötigt und auch


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für den Strafvollzug einige 100 mehr doch in der allgemeinen
Bundesverwaltung um 6.000 weniger haben, wodurch sich die Ein-
sparung von 2 % ergibt, wie dies auch in der ÖVP-Zeit einige
Jahre der Fall. Er wird uns diese Berechnung zur Verfügung
stellen. Ich kann mir sie nicht genau vorstellen.

Moser legte einen mündlichen Bericht vor, wo die Autobahntrassen-
führung in Bregenz endgültig für die Tunneltrasse entschieden
wurde. Frühbauer erklärte, daß die ÖBB bereit sei, eine Studie
über die Freilegung der Ufertrasse im Prinzip zu machen. Die
Realisierung müßte aber eine Sonderfinanzierung voraussetzen.

Androsch berichtete, daß er an der Weltbanktagung teilnehmen
wird und dort für eine größte Brandbreite eintreten. Der freie
Welthandel müßte garantiert werden und Österreich verlangt des-
halb, daß wir bald wieder zu stabilen Wechselkursen zurückkehren,
da dies für unsere Exporteure von größter Bedeutung ist. Ausein-
andersetzung werden zwischen Amerika und den großen Wirtschafts-
partnern stattfinden. Österreich wird sich nicht wesentlich ex-
ponieren, doch wird es versuchen Amerika zu überzeugen, daß
Österreich mit der 5 % Aufwertung des Schillings eine Vorleistung
erbracht hat. Die schwierigste Situation hat die Bundesrepublik
Deutschland. Nach der Aufwertung in 1969 und dem floating umfaßt
bereits 10 % Aufwertung erreicht wurde, kommt die 10%ige Import-
abgabe und eine neuerliche Forderung der USA für eine weitere Auf-
wertung für die Exportindustrie, sehr ungelegen. Diesbezüglich
glaube ich unmöglich, daß die BRD dies alles verkraften kann.

Das olymp. Komitee hat für 1974 Wien mit 37 gegen 15 Stimmen für
Barcelona entschieden. Österreich muß deshalb im Budget entsprechende
Mittel bereitstellen, da zwischen Wien und dem Bund vereinbart
wurde, daß je 50 % der Kosten getragen werden. Gratz ist nur be-
reit aus seinem Budget, auch dann wenn er es vom Finanzminister
gedeckt bekommt, eine Finanzierung zu akzeptieren, wenn dies nicht
unter Sportförderung geschieht. Seine Sportverbände haben 46 Sparten
wehren sich ganz entschieden dagegen, daß die Sportförderung auf-
gebläht wird und dann nur eine Funktionärsförderung daraus bezahlt
wird.



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Bei der Sektionsleitersitzung kann man feststellen, daß die
Sektionen der Sektionsleiter in der Hand hat, auch bei den
Berichten entsprechend neues und bedeutendes sagen kann. Wenn
wir deshalb in Hinkunft diese Sektionsleitersitzung zu einer
wirklichen Arbeitssitzung machen wollen, müssen wird denen
einzelnen Abteilungen vor allem aber den Sektionsleitern vorher
mitteilen, welches Problem wir ganz kurz von ihm berichtet haben
wollen. Das jetzige System, wo ich die Sektionsleiter oder deren
Stellvertreter auffordere zu einem oder anderem Punkt ihre Meinung
zu sagen, kann vielleicht wirklich für einen nichtinformierten
Sektionschef sehr überraschend kommen. Die große Gefahr besteht
allerdings dann, daß die Sektionsleitersitzung überlang dauern,
wenn eine umfangreiche Information von Seiten Sektionsleiters
gegeben wird. Wenn jemand wirklich jemand diese Institution
boykottieren und sabotieren wollte, dann wäre er ja besser be-
raten wenn er anstelle des Nichtsagen sehr umfangreiche Informationen
gibt. Ich setze allerdings voraus, daß er die Probleme wirklich
sehr genau kennt.

Das Frühstück des Bundeskanzler mußte diesmal im Schloß Belvedere
stattfinden, da die Gästeanzahl glaube ich zu groß war. Der Rahmen
ist auch dort wirklich festlicher. Ich mußte mit Sallinger früher
weggehen und versäumte das beste Stück, nämlich die Sängerknaben
die beim Kaffee einige Lieder sangen. Diesmal hat das Protokoll
normale Kleidung vorgeschlagen und ich habe da so das Gefühl gehabt,
daß sich alle sehr wohl gefühlt haben. Meine Tischdame, Frau
Moser, erzählte mir, ihr Mann hat sich im letzten Augenblick auch
noch einen Frack machen lassen, daß gestern Abend sehr gestöhnt
wurde, über die unbequeme Kleidung. Andererseits habe ich das 1.
Mal erlebt, daß weil eben ein König kommt, mehrere Leute bei dem
Empfang anwesend waren, die selbst mich mit Beifall begrüßten.
Durch die Art der Berichterstattung der Massenmedien und insbe-
sondere durch das Fernsehen und den Film ist zwar ein geringer
Prozentsatz der österr. Bevölkerung, wie groß wäre direkt einmal
interessant zu testen, daran sind doch sehr viele
interessiert.

Anmerkung für K O P P E


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Vielleicht könnte man wirklich einmal bei Blecha anregen, er
sollte versuchen zu erforschen, wie weit die Bevölkerung wirklich
noch an diesem ganzen Kaiserrummel interessiert ist.

Bei der Miele-Eröffnung traf ich auch Abg. Mitterer. Da mir
die Herren des Hauses aus Deutschland früher vor-
gestellt wurde, konnte ich jetzt andererseits, da niemand anderer
hier war, ihm den Besitzern vorstellen. Auch in meiner Ansprache
kam ich auf seine positiven Arbeiten, Investoren nach Österreich
zu führen, zu sprechen. Ich glaube er wurde von Miele aber sehr
schlecht behandelt, denn man setzte ihn in die 4. oder 5. Reihe
und vor ihm waren Leute wie der Präsident des Statistischen Zen-
tralamtes und andere. Hier hat das Protokoll vollkommen versagt
und es wäre viel besser gewesen, man hätte die Leute hinsetzen
lassen, wo sie sich eben gerade hinsetzen. Wanke hat mir einige
Detailinformationen über Miele gegeben, wodurch es für mich leichter
war eine einigermaßen erträgliche Ansprache zu halten. Was ich
bei solchen Anlässen brauche, ist immer nur Detailinformation in
Form von Stichworten.

Anmerkung an A L L E
Bitte dies immer beachten.

Diskussion mit der International Advertising Association war
glaube ich wirklich ein Erfolg. Die Werbeagenturen aber auch
die Auftraggeber, die dort vereint sind, sowie die Motivforscher
und teilweise auch die Meinungsforscher haben im Grund genommen
das Bild des Konsumentenvertreter in mir noch immer nicht ganz
abgebaut. Deshalb befürchten sie, daß ich die billige Argumentation
der Konsumentenvertreter, wozu brauchen wir eine Werbung, die
kostet nur Geld und zieht den Konsumenten durch höhere Preise
dieses aus der Tasche, noch immer vertrete. Selbst wenn ich dies
aber täte, würde ich schon deshalb eine andere Politik machen,
weil niemand die Werbung einschränken oder vielleicht gar ver-
bieten könnte. In Wirklichkeit entspricht es meiner Mentalität,


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daß ich gegenüber jedweder Gruppe besonders wenn ich es so-
wieso nicht ändern kann, ausgeschlossen bin. Deshalb versuche
ich auf freiwilliger Basis eine entsprechende Beeinflussung in
unserem Sinne. Das Handelsministerium würde sich und könnte sich
gar nicht gegen die Werbemedien richten, der Werbeausschuß in
unserem Konsumentenforum leistet deshalb auch für uns positive
Arbeit und wir haben die verdammte Pflicht und Schuldigkeit
ihn auch tatsächlich zu unterstützen. Ich glaube, daß wir mit
der Idee einen Staatspreis für die gute Werbung auszusetzen,
diese Branche für uns gewonnen haben. Bevor wir über die fach-
lichen Fragen diskutieren, konnte ich feststellen, daß z.B.
Karmasin vom Gallup-Instiut, aber auch andere der Meinung waren,
daß die absolute Mehrheit der SPÖ nicht aufzuhalten ist.

Ich habe auch bei unserer Sektionsleitersitzung im Bezirk den
Eindruck gehabt, daß unsere Leute auch schon damit rechnen.
Unerklärlich ist für mich nur, daß die ÖVP, die dies ja auch
erkennen muß, keine entsprechenden Konsequenzen daraus zieht,
während in der SPÖ von der kleinsten Organisation der Sektion
über z.B. unseren Bezirks alle Differenzen wegen der Benach-
teiligung der Landstraße bei der Mandatserstellung zurückge-
stellt, wird scheinbar bei einer verlierenden Partei wie die
ÖVP jetzt ist, alle differenten Auffassungen noch härter aus-
getragen und sogar in die Öffentlichkeit gebracht. Das typischste
Beispiel ist die Nominierung der drei unabhängigen Kandidaten.
Ich habe das Gefühl, das stellt für die ÖVP wirklich eine Zerreiß-
probe ihrer Funktionäre war. Dies soll uns als warnendes Beispiel
dienen.

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Tagesprogramm, 21.9.1971

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Tagesordnung 69. Ministerratssitzung, 21.9.1971

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Nachtrag TO 69. Ministerratssitzung, 21.9.1971


Tätigkeit: Finanzminister
GND ID: 118503049


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      Tätigkeit: Bautenminister


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        Tätigkeit: Meinungsforscher


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          Tätigkeit: FSG-Vors., SPÖ-Klubobmann, Volksanwalt


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              Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
              GND ID: 119083906


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                Tätigkeit: Landwirtschaftsminister bis 1976
                GND ID: 130620351


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                  Tätigkeit: ÖGB-Vizepräs., FCG


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                    Tätigkeit: SChef HM
                    GND ID: 12195126X


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                      Tätigkeit: Unterrichtsminister, Bgm. Wien


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                        GND ID: 129507873


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                          Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


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                            Tätigkeit: Bundeskanzler
                            GND ID: 118566512


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                              Tätigkeit: Handelsminister, ÖVP, Präs. HK Wien


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                                Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


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                                  Tätigkeit: Verkehrsminister, LH-Stv. Ktn.
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