Mittwoch, 22. September 1971
Im Gewerkschaftskongreß hat Jesuitenpater Wallraff ein Referat
gehalten, das ich leider überhaupt nicht hören konnte. Das Konzert-
haus hat eine so schlechte Akustik, daß im Präsidium kein Wort zu
verstehen war. Die Lautsprecheranlage hat ihm sein eigenes Wort
mindestens 2x zurückgegeben und dadurch war oben kaum etwas zu ver-
stehen. Wir applaudierten halt, wenn der Saal unten Applaus spen-
dete. Mit einem Applaus konnte er natürlich immer rechnen und die
Wortfetzen, die ich auffangen konnten, waren starke Gewerkschaften
sind notwendig, dann die Gewerkschaften sind heute, morgen und
übermorgen die wichtigsten Institutionen.
Organisatorisch ergibt sich eine ungeheure Schwierigkeit. Die
öffentl. Bediensteten wollten bekanntlich das Präsidium um einen
Mann vermehren. Für sie war der Sprecher der öffentl. Bediensteten
NR. Robert Weisz vorgesehen. Benya und auch ich stehen auf dem
Standpunkt, daß eine Vergrößerung des Präsidiums auf alle Fälle
zielführend wäre. Da das Präsidium bei uns Entscheidungen trifft,
die ansonsten nur ein Vorstand decken kann, müßte er eine größere
Basis gefunden werden. Die Zweckmäßigkeit, daß das Präsidium die
Entscheidung trifft und nicht der Vorstand ergibt sich dadurch,
daß ja im Gewerkschaftsbund riesige Finanztransaktionen beschlossen
werden. Eine solche Ermächtigung wurde, ich war damals im Bundes-
vorstand noch nicht delegiert, bereits bei Beginn des Gewerkschafts-
bundes dem Präsidium unter Böhm gegeben. Damals war im Präsidium
noch Fiala von der kommunistischen Fraktion und Weinberger von
der ÖVP. Altenburger, als der derzeitige Vertreter der christl.
Fraktion, der nur mit ganz knapper Mehrheit wieder gewählt wurde,
sieht sich außerstande, eine Erweiterung des Präsidiums bei seinem
Leuten durchzubringen. In Wirklichkeit geht es um ein anderes Pro-
blem. Altenburger hat die Altersgrenze längst überschritten, sollte
das letzte Mal bereits schon seinen Nachfolger Wedenig nach einiger
Zeit in sein Amt einführen. Jetzt hat er sich bereiterklärt, nach
zwei Jahren Wedenig als seinen Nachfolger zu akzeptieren und sein
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Mandat zurücklegen. Ich bin nicht ganz sicher, daß er dies
tatsächlich macht. Ich nehme eher an, daß er in zwei Jahren
erklären wird, die Verhältnisse innerhalb der Fraktion sind
noch so ungeklärt, daß er die Periode bis zum nächsten Kongreß
wird weiter bleiben. Innerhalb der ÖAAB-Fraktion versucht der
Obmann der Bundesbediensteten, Gasperschitz, den Posten zu erlangen.
er stoßt aber auf den Widerstand der christlichen Arbeiter und
angeblich ist auch innerhalb seiner eigenen Gewerkschaft die
Kandidatur von ihm sehr umstritten. Natürlich kann jetzt Alten-
burger nicht dafür stimmen, daß ein sozialistischer Vertreter
der öffentl. Bediensteten in das Präsidium gewählt wird. Der
Versuch, ein Verhandlungskomitee bei den christl. Gewerkschaften
zustande zu bringen, die über dieses Problem mit einem Verhand-
lungskomitee von uns reden sollten, ist gescheitert. Niemand war
dazu bereit, niemand erklärte sich stark genug, Das einzige, was
wir aus wirklich verlässlicher Quelle erfahren konnten war, daß
wenn wir dies mit unserer Mehrheit am Kongreß beschließen, die
christl. Gewerkschafter den Saal verlassen würden. Ein solches
Eklat konnten und wollten wir uns nicht leisten. Im Hinblick auf
die bevorstehenden Wahlen hätte dies nur bedeutet, die soz. Partei
will im Österreichischen Gewerkschaftsbund unter allen Umständen
ihre Machtposition vergrößern. Zeitungsmeldungen, die vielleicht
lanciert wurden, haben ja schon angedeutet, daß Benya auf den
Posten des Präsidenten des Nationalrates abgeschoben werden soll,
damit eben der Gewerkschaftsbund von der Partei stärker infiltriert
werden kann. Die Obmänner der Gewerkschaften einigten sich, daß
wir den Antrag, den wir bereits unterschrieben haben, nicht von
80 Delegierten, die statutenmäßig notwendig wären, unterfertigen,
sondern daß wir die Vorschläge, wonach das Präsidium erweitert
werden soll, auch eine Frau soll in Hinkunft aufgenommen werden.
Der Antragsprüfungskommission zuleiten. Dort wird Dallinger als
der Vorsitzende diesen Antrag zweiteilen. Die Bestellung und Wahl
von leitenden Sekretären soll statutenmäßig verankert werden. Die
Forderung auf Erweiterung des Präsidiums soll dem Bundesvorstand
zugewiesen werden.
Ich hatte über den Gang der Verhandlungen die Reaktion der Lebens-
mittelarbeiter insbesondere Blümel einigermaßen informiert. Aber
die gesamte Fraktion der soz. Gewerkschafter informieren zu können,
wurde nach Schluß der Sitzung eine Fraktionsbesprechung anberaumt.
Dieser berichtete Benya und die Diskussion ergab, daß unsere
Genossen mit der Vorgangsweise teilweise sehr unzufrieden waren.
Sowie in der Partei, hat die Meldung in den Zeitungen, daß eine
Änderung im Präsidium vorgenommen werden sollte, wobei immer
wieder das Präsidium des Gewerkschaftsbundes mit dem Präsidium
des Nationalrates teilweise verwechselt wurde, große Unruhe aus-
gelöst. Sicherlich sind wir im Gewerkschaftsbund sehr amonolitisch
und straff organisiert. Trotzdem hat die Diskussion gezeigt, daß
bei einzelnen Delegierten und viele haben wahrscheinlich mich
gesprochen und teilen diese Meinung in diesem Punkt, ein großes
Unbehagen besteht. Andererseits wäre eine Information der Genossen
gar nicht möglich gewesen, weil man abwarten mußte, wie sich die
christl. Fraktion entscheidet. Am Sonntag, als die Gewerkschafts-
fraktion tagte, hat gleichzeitig auch die christl. Fraktion ihre
Besprechungen abgehalten und wie wir von dort erfahren konnten, waren
sie stundenlang bemüht, einen Kompromiß zu finden, daß ihnen ja
bekanntlicherweise ja doch nicht geglückt ist. In der Kampfab-
stimmung hat dann Altenburger ganz knapp gesiegt. Zu diesem Zeit-
punkt war die Fraktion der soz. Gewerkschafter schon längst zu Ende.
Am Abend vor dem Empfang des Bürgermeisters traf ich im Rathaus-
park Wedenig und dann auch Weisz. Robert Weisz ist über diese Ent-
wicklung natürlich sehr verärgert, denn er sagt, wenn Wedenig er-
klärt, wenn sie eine Periode Zeit haben, würden sie dies in ihren
Gremien besprechen und vielleicht auch durchbringen, daß er dann
bereits 65. ist und sicherlich aus seiner Funktion ausscheidet.
Wedenig erklärte zwar, daß Gasperschitz keine Chance hätte, ich
bin aber überzeugt und Robert Weisz teilte diese Meinung, daß
er stark genug sein wird, wenn er nicht in der Purzelbaum schlägt,
auch in der christl. Fraktion sich mit der Zeit durchzusetzen.
Ich war froh, daß ich zu diesem Empfang ganz kurz am Anfang ge-
kommen bin, denn in dem "Roten Saalon ", wo sich die Prominenz ge-
troffen hat, und ich wurde da, da ich mit meinen Delegierten
lieber beisammensitzen oder zumindestens reingehen wollte, sofort
von Mag. Beamten aufgefordert, unbedingt in den "Roten Saalon "
war kein einziger Minister anwesend, dies hätte auf die ausl.
Delegierten einen schlechten Eindruck gemacht.
Ich konnte allerdings dann nach dem Einzug nicht einmal die
Begrüßungsansprache hören, sondern wurde vom neuen Präsidial-
chef SenRat Vorrath über eine Hintertreppe wieder rausgeleitet.
Zur Muliar-Veranstaltung in den Kammerspielen kam ich des-
halb zu spät, doch war ich vor allem in der Pause schon anwesend
und konnte mit Heindl mit Muliar in.seiner Garderobe entsprechende
Gespräche führen. Ich bin überzeugt, daß Muliar dies auch als
Renommee vor seinen Mitspielern, insbesondere Böhm, der ein
ÖVP-Sympathisant, wenn nicht sogar Mitglied ist, dringend braucht.
Nach dem Theater fuhr ich dann wieder ins Rathaus zurück, wo
allerdings alle außer Slavik schon weg waren. Vorrath konnte
Slavik nicht erklären, warum Robert Weihs verhältnismäßig sehr
"stingert", wie er sich ausdrückte, ist. Im Radio hat man mitge-
teilt, ich habe dies nicht gehört, daß Weisz Präsident des NR.
werden sollte. Sicher ist, daß die Gewerkschaftsfraktion immer
einen solchen Posten gehabt hat und auch Waldbrunner auf Vor-
schlag oder besser gesagt mit Zustimmung der Gewerkschafts-
fraktion auf diesen Posten berufen werden konnte. Slavik meinte
nun es wird sehr schwer sein, Probst davon Mitteilung zu machen.
Wie weit Slavik heute noch der starke Mann ist, der auch diese
Angelegenheit mehr oder minder in der Wiener Organisation managt,
kann ich nicht feststellen, ich glaube auch, daß eine Diskussion
darüber oder eine Aussprache viel zu führ ist. Das einzige was
notwendig ist, ist jetzt die Wahlen zu gewinnen. Slavik meinte
sogar, es sei dringendst notwendig, daß wir die absolute Mehrheit
bekommen, damit auch ich weiterhin als Minister bliebe. Es
läßt sich halt nicht verhindern, daß bereits vor den Wahlen in
den verschiedensten Gesprächen mit den verschiedensten Leuten
immer wieder alle Kombinationen diskutiert werden. Natürlich
greifen diese Ideen oder Diskussionen, manche werden ja sicherlich
sogar als Indiskretion sehr gerne weitergegeben. Unsere Vertrauens-
personen und Funktionäre, jedenfalls beschäftigen, weiß aber nie-
mand heute etwas genaues, denn alle Kombinationen sind letzten
Endes vom Wahlergebnis abhängig.
Da ich einige Zeit zur Verfügung hatte, besuchte ich auch
Heinzi Nittel. Ich setzte ihm neuerdings auseinander, daß ich
es für ganz unnötig halte, daß der 3. Bezirk weiter so benach-
teiligt wird. Er verständigte mich, daß Jacobi bereits vor
einigen Tagen mit ihm gesprochen hatte, um die Nachfolge
von ihr zu besprechen. Sie selbst möchte ja, daß die Sekretärin
vom 3. Bezirk, Tischler, das Sozialreferat bekommt. Zweifels-
ohne ist Tischler eine der tüchtigsten Frauen, die wir in orga-
nisatorischer Hinsicht nicht nur im Bezirk, sicherlich auch
auf jedem anderen Posten dringend brauchen können. Nach Meinung
nach Jacobi bietet sich nämlich überhaupt keine Frau sonst an.
Ich selbst habe bei Nittel ein näheres Problem besprochen, nämlich
die Besetzung mit Bundesräten von Wien. Ich bin nicht überzeugt,
daß es tatsächlich gelingen wird, etwas durchzusetzen, doch glaube
ich muß durch ununterbrochene Forderung und Hinweis auf die Be-
nachteiligung der Landstraße versucht werden, tatsächlich eine
bessere Stimmung für unsere Wünsche vorzubereiten.
Tagesprogramm, 22.9.1971