Samstag, 13. Feber 1971
Da Reiterer nächste Woche wegfährt und er mit Römer noch immer keine
Kompromisslösung in der Frage der Kooperationsarbeit in unserem Mini-
sterium gefunden hat, verlangte ich, dass beide am Samstag zu einer
Besprechung kommen. Reiterer hat sich sofort Fälbl mitgenommen und
Römer war auf Veranlassung – ich glaube von Wanke – mit Zembsch er-
schienen. Ich wies einleitend sofort darauf hin, dass ich es für un-
möglich halte, dass wir über ressortintern genau dieselbe Auseinander-
setzung führen, die ich jetzt mit Kirchschläger über die Fragen der
Kompetenzaufteilung zwischen Handelsministerium und Aussenministerium
führen muss. In meinen Augen muss eine entsprechende Lösung gefunden
werden, wonach die Kooperation, die eine reine industrielle Angelegen-
heit ist, bei Römer ressortieren wird. Ich unterstrich, dass ich sehr
froh bin, dass sich Zembsch für diese Aufgabe bereitgestellt hat, er
ist ja letzten Endes aus der Handelssektion gekommen und kennt deshalb
diese Probleme auch ganz besonders. Dies veranlasst Fälbl zu dem glaube
ich sehr treffenden Vergleich, dass die getauften Juden die grössten
Antisemiten sind. Da ich aber unzweideutig zu erkennen gab, dass ich
die industrielle Kooperation in der Industriesektion verankert wünsche
und Zembsch insbesondere als einen aktiven tüchtigen Mann herausstrich,
der diese Frage im Interesse auch des Ressorts am zweckmässigsten ver-
treten wird, glaube ich, dass sie dann als sie in die Detailbesprechungen
eingegangen sind, doch eine auch richtige und zielführende Lösung in
dieser Frage vereinbart haben. Die Aussenverhandlungen mit den Staaten
wird die Sektion I führen, die Durchführung aber wird selbstverständ-
lich von der Sektion III – Zembsch – gemacht werden.
Kreisky hat die Vertreter der Industriellenvereinigung zu einer Aus-
sprache, die sich über vier Stunden erstreckte, eingeladen. Von der
Industriellenvereinigung nahmen Mayer-Gunthof, Gen.Dir. der Radentheiner
Magnesit, Dr. Wick, der Besitzer der Tirolia-Werke, Heiss, Gen.Direktor
der ITT, Mayer, der Besitzer der Solzenauer Eisenwerke Gewerbe , Weinberger,
der Obmann der Sektion Industrie in der Bundeskammer, Schoeller, sowie
Kottulinsky und Helbich daran teil, unsererseits Kreisky, Androsch,
Kirchschläger, Weihs, Frühbauer, Veselsky nur ganz kurze Zeit, und ich.
Die Besprechung erstreckt sich natürlich auf die Forderungen der Industrie,
die sich insbesondere an den Finanzminister und teilweise an mich zu
richten hatten. Androsch konnte ihre Steuerwünsche mit so viel Detail-
kenntnissen erwidern, dass ich nur sagen kann, er ist mit Abstand
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wirklich unser bester Mann für diesen Posten. Die Problematik z.B.
über die vorzeitige Abschreibung, die sie ausgebaut wünsche, um vorzei-
tige Kapitalbeschaffung zu erreichen, konterte er, dass derzeit bei
einem Investitionsrahmen von 16,5 Milliarden S immerhin 6 Milliarden S
aus vorzeitiger AfA stammen. Das ganze Problem muss ja schon deshalb
neu durchgedacht werden, weil derzeit die vorzeitige AfA bei unbeweglichen
Gütern 1:2,5 für bewegliche Güter steht. Dies ist seiner Meinung und
ich glaube, da hat er vollkommen recht, ein ungesundes Verhältnis. Ausserdem
wenn eine Firma nicht imstande ist, innerhalb von 5 Jahren, wo sie einen
Verlustvortrag geltend machen kann, aktiv gebart, dann ist es besser,
sie sperrt zu. Betreffend den Wunsch, die Betriebsprüfungen legerer zu
gestalten, teilte er mit, dass er bereits bei seinem Amtsantritt bei
einer Besprechung mit den Vorständen der Finanzlandesdirektion darauf
hingewiesen hat, dass grosszügiges Vorgehen betreffen die Abgrenzung
zwischen den beweglichen und unbeweglichen Kapital sehr leger gehandhabt
werden soll.Z.B. hält er es für einen Wahnsinn, dass die Masseinheiten
in den Fremdenverkehrsbetrieben zu den unbeweglichen Gütern, d.h. zum
Gebäude dazu geschlagen werden müssen. Dasselbe gilt auch für die Küchen-
und Heizungseinrichtungen. Rigoros wird nach seiner Anordnung nur bei
Umsatzverkürzung, resp. bei der Abgrenzung der Kosten der privaten Lebens-
führung vorgegangen. Die Idee für Fremdarbeiter die Ubikationen, wie sich
die Industriellenvereinigung ausgedrückt hat, d.h. Wohnräume oder Baracken
vorzeitig abschreiben zu lassen, ist deshalb nicht möglich, weil dies
eine Trennung zwischen inländischen Arbeitern und Gastarbeitern bedeuten
würde und sofort vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben würde. Die Umsatz-
steuerrückvergütung, die derzeit bei ca. 5 Milliarden S, wie Helbich
meinte, um 1,5 Milliarden S über die tatsächliche Umsatzsteuervorbelastung
hinausgeht und damit eine Subvention unserer Exportindustrie bedeutet,
kann natürlich im Rahmen der Mehrwertsteuer nicht aufrechterhalten werden.
Androsch und ich gingen hier konzertiert auf die Industriellenvereinigung
los und erklärte, dass wenn die ÖVP weiterhin glaubt, auf diesem Sektor
Heckenschützentaktik betreiben zu können. d.h. ihn abzuschiessen, dann
werden sie sich wundern, wie wir uns gegen eine solche Vorgangsweise
wehren können. Die sogenannten flankierenden Massnahmen, die die Industriel-
lenvereinigung von der Regierung erwartet, um der Exportindustrie dann zu
helfen, würde von uns entsprechend behandelt werden. Dies veranlasste
Heiss sofort darauf hinzuweisen, dass sie ja hier nicht die ÖVP-Politik
zu vertreten hatten. Da auch die Probleme der Gastarbeiter und insbesondere
Betriebsrätegesetz zur Debatte standen, Häuser aber nicht anwesend war,
musste ich versuchen, einigermassen unsere Stellung gegenüber der
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Industriellenvereinigung zu begründen. Ich wies insbesondere
darauf hin, dass dieses Betriebsrätegesetz deshalb novelliert
werden muss, weil die Vorkommnisse in Schneegattern, aber auch
dem ORF eine gewisse Novellierung dringend erforderlich machen.
Bezüglich der Fremdarbeiter wies ich darauf hin, dass die Sozial-
partner ja erklärt haben, sie würden gemeinsam einen diesbezüglichen
Entwurf oder zumindestens die Punktation ausarbeiten, was aber bis
leider noch immer nicht geschehen ist. Heiss beschwerte sich bei
mir, dass in der Zollpolitik die Vormaterialien viel zu wenig be-
rücksichtigt werden. Seiner Meinung nach ist Reiterer hier als
nicht entscheidungsfreudiger Beamter ein Mann, der nur hemmt und
nur also immer wieder über Probleme redet und nichts wirklich
durchzieht. Ich schlug ihm vor, er soll mir seine Wünsche unver-
züglich bekanntgeben, da wir bei der letzten Zollsenkung mit Bedauern
festgestellt hatten, dass die Bundeshandelskammer aber auch die
Industriellenvereinigung viel zu wenig konkrete Vormaterial-
Zollsenkungswünsche an uns herangetragen hatten. Ich verwies dar-
auf, dass wir hier selbst initiativ vorgehen mussten. Da die
Herren nach Tirol und Salzburg zurückfahren mussten, schlug Kreisky
vor, dass wir uns in drei Monaten ungefähr wieder treffen sollten.
Was von den Anwesenden sehr freudig begrüsst wurde.
Anschliessend hatte ich mit Kreisky und Androsch noch die Diskussion
über die Acrylfaserproduktion in Österreich. Ausser Lenzing will
ja bekanntlicherweise auch Stickstoff eine solche Produktion auf-
bauen. Sowohl Kreisky als auch Androsch sind strikte dagegen, weil
sie auf dem Standpunkt stehen, dass die Stickstoffwerke, insbesonde-
re Gen.Direktor Buchner hier eine vollkommen falsche Politik betreibt.
Beide sind auf ihn – ich glaube wegen der Fusionsverhinderung zwi-
schen ÖMV und Stickstoffwerke und vor allem auch wegen angeblich
nicht sehr offener Aussprache über die BASF-Problematik noch
sehr verärgert. Sie sagen, nun will er über Acrylfaser auch noch
die dritte grosse chemische Unternehmung aus Deutschland, näm-
lich Bayer, nach Österreich hereinziehen. Ich erklärte ihnen,
dass ich mir Gen.Direktor Buchner vorladen werde, um mit ihm
dieses Problem zu besprechnen und dezidiert zu erklären, dass zwei
Acrylfaserwerke in Österreich nicht möglich sind.
Bei unserem Bezirksball, den einzigen, den ich ausser den Handels-
ministerium-Sportvereins-Ball besuche, da ich in beiden Fällen Haus-
herr bin, konnten wir eine Reihe von Festgästen begrüssen. Unter anderem
kam sogar der Bundespräsident, weiters der 1. Präsident des Nationalrates
Waldbrunner und ein halbes Dutzend von Stadträten. Beim BSA-Ball teilte
mir Waldbrunner mit, der gleichzeitig stattfand, waren auch alle Rektoren
der Hochschulen erschienen, obwohl zum gleichen Zeitpunkt der Akademiker-
ball stattgefunden hat. Man sieht, dass die Wissenschaftler sich jetzt
heraustrauen und vor allem der Regierung und der Regierungspartei und
deren Organisationen die Referenz erwiesen. Diese Erkenntnis muss für
die ÖVP ja verheerend sein, soll uns allerdings nicht veranlassen, uns
der Illusion hinzugeben, ein ähnliches Schicksal nicht auch wieder
eventuell erleiden zu müssen.
Tagesprogramm, 13.2.1971
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)