Freitag, 12. Feber 1971
Im Unterausschuss des Handelsausschusses über das Kraftfahrgesetz
erläuterte ich, weil der Obmann Fiedler in einem Radiointerview
erklärt hat, das Handelsministerium ist für die Bleigehaltpolitik
zuständig, meine beabsichtigten Etappensenkung, wenn ich die ge-
setzliche Ermächtigung haben werde. Fiedler erklärte, er würde dieses
Problem in seinem Klub noch einmal besprechen und dann könnten wir
gegebenenfalls noch zusätzliche Diskussionen über dieses Problem
führen. Wenn er dies auch wahrscheinlich nicht machen wird, so habe
ich dennoch die Möglichkeit in Zukunft darauf hinzuweisen, dass die Er-
gebnisse der Besichtigung bei der ÖMV als auch die Diskussion, die
bereits bisher im Unterausschuss abgeführt wurde, gezeigt haben,
dass ich nicht nur – wie der ÖVP-Pressedienst behauptet hatte – nichts
machen, sondern darüber hinaus er – der ÖVP-Pressedienst – die Öffent-
lichkeit falsch informiert. Ich glaube, ich kann jetzt mit ruhigem
Gewissen behaupten, dass die Argumentation – der zeit beträgt der
Bleigehalt 0,4 Gramm pro Liter – wie der ÖVP-Pressedienst immer wieder
hinausposaunt als falsch auch vom Unterausschuss erkannt wurde. Die
Verhandlungen über das Gesetz gingen diesmal verhältnismässig sehr schnell
weiter, da Hobl erkrankt war und deshalb eigentlich niemand mehr
die Materie so beherrscht. Min.Rat Metzner hat allerdings genauso
wie ich ein sehr schlechtes Gefühl, denn die Änderungen, die teils
durch die Regierungsverordnung, teils durch die jetzt von Min.Rat
Steinhart vorgelegten Abänderungsanträge mir zumindestens nicht
immer sehr einleuchtend sind. Ich gebe allerdings zu, dass ich mich
mit der Materie viel zu wenig beschäftigt habe und die Detailkenntnisse
die hier zur Debatte stehen, mich auch gar nicht interessieren. Ich
halte es nach wie vor für Wahnsinn, dass man in das Gesetz derartige
Einzelbestimmungen aus dem Kraftfahrrecht aufnimmt. Ich kenne ein
kasuistisches, wirtschaftliches oder technisches Gesetz wie dieses
Kraftfahrrecht. In meinen Augen ist es nur mit dem ASVG zu vergleichen,
wo auch für jede Einzelperson ihr Problem der Rentenbezug unter dem
Gesichtspunkt der sozialen Sicherheit und der Gerechtigkeit scheinbar.
gelöst wird. Nach einer Mitteilung von Metzner wird er, wenn das ganze
Problem das erste mal durchdiskutiert sein wird, mit Dr. Hehenberger
aus einer anderen Abteilung die entsprechenden Gesetzesstellen auf
jeden Beistrich untersuchen lassen. Er sagt mit, dass Steinhart
darüber nicht sehr begeistert ist, weil er sich mit Dr. Hehenberger
nicht verträgt, aber er glaubt, dass dies unbedingt notwendig ist,
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damit er auch die Gewähr hat, dass hier nicht ein Fehler passiert.
Bei der Gesetzwerdung des Kraftfahrgesetzes wurde nämlich im letzten
Moment in der Plenarsitzung noch seitenweise Abänderungsanträge ge-
bracht, weil ansonsten das Gesetz aus lauter Fehlern bestanden hätte.
Dies verlangte ich von Metzner, dass diesmal auf gar keinen Fall
passieren dürfe.
Die Neutralenbesprechung für die Brüsseler Verhandlungen fanden dies-
mal in Wien statt. Vormittags konnte ich durch die UA-Sitzung im Par-
lament nicht daran teilnehmen, aber nach dem Mittagsessen, das wir
im Hotel Imperial gegeben hatten, hatte ich doch eine sehr lange
Zeit die Möglichkeit, diesen Gesprächen zu lauschen. Die überragende
Persönlichkeit ist Jolles von der Schweiz, er weiss ganz genau,
welche Politik und Taktik er einschlägt und ist auch imstande, dies
in einfachen Worten den anderen klarzumachen und entsprechend zu be-
gründen. Der schwedische Sprecher, der bisherige Botschafter bei den
Vereinten Nationen, der extra jetzt mit dieser Sonderaufgabe zurück-
berufen wurde und der jetzt nur mehr mit den Verhandlungen Schwedens
mit Brüssel konzentriert, Åström, hat einen besonders schwierigen
Stand. Die Schweden wissen genau, dass Brüssel ihnen nicht die
Möglichkeit geben wird, eine Zollunion, wie sichs die Schweden vor-
stellen, auch tatsächlich anzubieten. Andererseits wollen die Schweden
aus innerpolitischen Verhältnissen nicht erklären, dass sie eben dann
mit einer Freihandelszonenlösung auch zufrieden sind. Deshalb führen
sie einen richtigen Eiertanz auf und hoffen, dass die Brüsseler Kommis-
sion ihre Vorschläge ablehnt.Dann haben sie innerpolitisch Grünes
Licht, eine andre Lösung anzustreben. Die Zollunion streben sie des-
halb an, gegebenenfalls sogar einen Betritt, mit entsprechenden Vorbe-
halten, weil die anderen Nordischen Staaten, Dänemark, auch dem EWG-
Block beitreten wird und damit Dänemark und Norwegen eine andere
Linie und Richtung verfolgen, als dies Schweden derzeit beabsichtigt.
Die Schweden haben sich deshalb bei den Besprechungen über die
Ursprungszertifikationsregelung sehr zurückhaltend gezeigt, sie
wollen über dieses Problem womöglich nicht diskutieren. Verständlich,
denn wenn sie die Ursprungszertifikatregelung stark in den Vorder-
grund rücken, dann sofort erkannt werden kann, dass sie sich mit einer
Freihandelszonenregelung einverstanden erklären, denn nur dort wird eine
solche benötigt. Die Frage des Problems der zweiten Generation will
Schweden dahingehend verstanden wissen, dass man z.B. auch über die
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Konjunkturpolitik, die in der EWG gemacht werden kann und soll,
sich eingehend unterhält. Jolles dagegen möchte, dass man in der
zweiten Generation erst über das Problem der Mitverantwortung
diskutiert, wenn bedeutet, dass man in die Organe der EWG irgend-
welche Mitbestimmung und damit natürlich auch Mitverantwortung über-
nehmen müsste. Dies bedeutet aber, dass die Beteiligungen an den
Organisationen der EWG diskutiert wird und die Schweiz will natür-
lich, dass man so wenig wie möglich in diesen Organen überhaupt
indirekt nur mitwirkt. Eine direkte Beteiligung kommt ja schon
allein deshalb nicht in Frage, weil damit ja klar und deutlich
gegen die Neutralitätspolitik der Schweiz verstossen würde. Sie
kann sich – wie Jolles meint und ich habe diese Meinung bereits
bei meinen Besprechungen mit Brugger voriges Jahr festgestellt –
unter gar keinen Umständen an internationalen Organisationen und
Unterausschüssen oder Kommissionen im Rahmen der EWG beteiligen.
Als letzten Punkt fragte Jolles, ob Klarheit bei den Ländern herrscht,
wer zukünftige Generalsekretär der EFTA werden sollte. Der der-
zeitige Generalsekretär, ein Brite, hat klar und deutlich zu er-
kennen gegeben, dass er mit Herbst sein Mandat niederlegen werde.
Jolles meint nun, man müsste jetzt sich bereits klar werden,
welche Politik man einschlagen will. Marquet machte mich aufmerk-
sam, dass die Schweden beabsichtigen, einen Generalsekretär-Kandi-
daten zu stellen. Jolles meint nun, dass die Englandverhandlungen jed
jede erfolgreiche Verhandlung mit EWG in eine Krisensituation kom-
men muss und dies wahrscheinlich im Herbst der Fall sein dürfte.
Dann einen britischen Generalsekretär für die EFTA neu zu wählen,
würde bedeuten, dass das als eine Massnahmen von GB gegen die
EWG aufgefasst wird. Deshalb sollte man sich so schnell wie mög-
lich jetzt gleich entschliessen, welche Politik man in dieser
Frage einschlagen will. Da ich bemerkte, dass die Schweden hier
nur sehr zögernd bereits waren zu diskutieren, schlug ich vor,
dieses Problem zu vertagen.
Komm.Rat Hinteregger, der Präsident der deutsch-österreichischen
Handelskammer, wird, ersuchte mich, dass ich im Rahmen der inter-
nationalen Handelskammer am 21. April im Imperial bei einem Essen,
das der deutsche Botschafter für die Delegierter der BRD gibt,
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eine Ansprache halte über die Konjunktursituation, die Preisent-
wicklung insbesondere über das Phänomen, das die BRD sehr inter-
essiert, wie wir den sozialen Frieden solange aufrechterhalten konnten.
Gekommen war er aber, um seine Aktivität im Kuratorium für Verkehrs-
sicherheit mir dazulegen. Bekanntlich will er den ÖAMTC aus seiner
beherrschenden Stellung dort verdrängen. Er möchte nun einen neuen
Beirat schaffen, der sich mit den Problemen der Verkehrssicherheit
befasst. Ich habe ihm seinerzeit bereits zugesagt, dass ich bereits
bin, wenn sich im Rahmen des Kuratorium für Verkehrssicherheit so
etwas findet, ich natürlich bereit bin, auch diese Gruppe zu unter-
stützen. Ich meinte, er hätte bereits mit allen gesprochen und sie
hätten ihm sogar auf einen Zettel, wo er die Gedanken dargelegt hat,
schriftlich bestätigt, dass sie einverstanden sind, u.a. soll er
auch mit Rösch und anderen Ministern gesprochen haben.
Da ich nun sehr vorsichtig bin, wenn es darum geht, in einem Verein
eine Gruppe durch eine andere zu ersetzen, erklärte ich mich nicht
bereit, eine Unterschrift zu leisten, sondern schlug vor, er sollte
doch im Rahmen des Kuratoriums alle Möglichkeiten, die sich ihm
bieten, wahrnehmen und wenn dann das Kuratorium für Verkehrssicherheit
eine solche Lösung mir vorschlägt, werde ich sie selbstverständlich
auch akzeptieren. Er wies weiters darauf hin, dass er bereits mit
Bürgermeister Slavik gesprochen hätte, damit wir eine
Erziehung der Jugend zu Verkehrsfragen reaktivieren sollten. Er
zählte mir eine Reihe von Beamten auf, die er zu sich einladen will
und er möchte auch mich zu diesem Abend einladen. Ich entschuldigte
mich sofort, dass ich derzeit sehr unter Druck stehe und empfahl ihm
aber, unsere Beamten dazu zu laden. Da Min.Rat Metzner sowieso bei
dieser ganzen Besprechung anwesend war, wies ich gleich Hinteregger
darauf hin, dass er in meinem Haus die ganzen Verkehrsfragen jetzt zu
behandeln hat und mein vollstes Vertrauen geniesst.
Der neuernannte Präsident des Gemeindebundes, Bürgermeister von Zisters-
dorf, Reiter, kam mit Generalsekretär Hammer, um sich vorzustellen.
Bei dieser Gelegenheit wies er darauf hin, insbesondere Hammer als Gene-
ralsekretär führt natürlich die Gespräche, dass sie sich vielmals be-
danken, dass wir die 2 Mill. S Zinsenzuschüsse für die Gemeinden auf
Grund des Finanzausgleichsgesetzes von 4 Mill. S im heurigen Jahr
erhöht haben. Er war über diese Entwicklung sehr erfreut, da er vor
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nicht allzu langer es Zeit es doch verboten war, Zinsenzuschüsse
zu geben, wie das auch derzeit ja noch nicht möglich ist, den
Gemeinden ERP-Mitteln zukommen zu lassen. Sie ersuchten dann auch
noch, dass wir sie bei den Fremdenverkehrsfragen stärker heranziehen
da ja letzten Endes, die Gemeinden Träger jedweden Fremdenverkehrs
sind. Zuletzt baten sie noch um eine Subvention für die Verschöne-
rung des Ortsgebietes, eine Aktion, die 187.000 S kostet, die Handels-
kammer hat ihnen voriges Jahr 30.000 S zugesagt. Heuer würde die
Handelskammer 50.000 S geben, wenn auch das Ministerium einen Bei-
trag leistet. Sie erwarten sich 70.000 S, die ich rundweg ablehnte,
da ich erklärte, wir würden uns höchsten in demselben Ausmass betei-
ligen wie die Handelskammer dies zugesagt hat. Dieser Ortsbild-
Wettbewerb soll dazu dienen, um die Orte wirklich zu entrümpeln.
Was die Begrünung der Anlagen betrifft, so hat ja die Landwirtschafts-
kammer ich glaube im Einvernehmen mit den Landesregierungen seit
Jahren eine diesbezügliche Aktion laufen.
Redakteur Voska vom Profil, der an unserer Journalistenrunde im
Institut für Gesellschaftspolitik das letzte Mal teilgenommen hat,
wollte unbedingt ein Interview haben. Wie sich sehr bald herausstell-
te, hat er eine Reihe von Fragen an Benya, aber scheinbar auch an
snere Minister gestellt, um dann die Ausführungen der einzelnen
gegenüberzustellen. Koppe, der anwesend war, meinte, es handelt
sich hier um ähnliche Quizfragen, wie dies bei dem Fernsehspiel
"Wünsch Dir was" geschieht, auch dort weiss die eine Familie nicht
von der anderen, was sie geantwortet hat und man kommt sich vor,
wie wenn man einen Sack über dem Kopf hätte. Ich habe ohne meine
Gesinnung zu verleugnen, d.h. schon meine Meinung zu dem Problem
grosse oder kleine Koalition sehr deutlich gesagt, trotzdem wie
ich hoffe, ich mich politisch aus dieser Schlinge herausgezogen habe.
Allerdings weiss man ja nicht, was dann noch alles im Druck erscheinen
wird. Ich habe nur eines vergessen und dies werde ich ihm Montag
sofort telefonisch mitteilen, dass ich mich eigentlich seit eh und
je für das Schweizer Proporzsystem eingesetzt habe, da ich glaube,
dass es am stärksten dazu beitragen kann, den sozialen Frieden und
Ruhe in einem Staate zu garantieren. Ich kenne das Gegenargument,
dass dies zu einer Frustrierung der aktiven politischen Leute in
einem Lande führt und die so notwendige politische Auseinandersetzung
damit eigentlich grösstenteils aufgehoben wird. Trotzdem glaube ich,
dass die Vorteile diesen Nachteil wesentlich kompensieren.
Tagesprogramm, 12.2.1971
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)