Mittwoch, der 3. Februar 1971

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Mittwoch, 3. Feber 1971

Durch die Sektionsleiterbesprechung und dadurch, dass Heindl einen
gewissen Redl vom Freien Wirtschaftsverband ins Parlament bestellt
hat, konnte ich erst sehr spät zur Klubsitzung kommen. Blecha er-
klärte mir allerdings, dass bisher keine interessante Mitteilung ge-
macht wurde. Kreisky selbst berichtete dann über die Probleme, die
er bereits einige Male, sei es bei der Gewerkschaftsfraktionsbe-
sprechung, bei der Regierungsvorbesprechung, beim Parteivorstand
referiert hat. Nur Benya meldete sich zu Wort und erklärte, dass
er auf dem Standpunkt stehe, man sollte die Parteibesprechungen über
die 6 Monate Bundesheer sehr kurz machen und dann dem Nationalrat
als Regierungsvorlage vorlegen. Ich hatte bis jetzt immer angenommen,
dass Benya für eine längere Verhandlung mit der ÖVP in diesem Punkt
wäre und Kreisky eigentlich für ein kürzeres Verfahren. Zu meiner
grössten Überraschung muss ich nun bemerken, dass ich entweder eine
falsche Auffassung in diesem Punkt gehabt habe oder es sich Benya
in dieser Frage anders überlegt hat. Sicher ist, dass Kreisky mit
diesem Problem in den Parteivorstand gehen wird. Im Klub wurde dann
eine einzige Frage diskutiert, wo es doch gut war, dass ich anwesend
war. Klubvorstand hatte beschlossen, dass ein Antrag von Schieder,
Metzker und Reinhart eingebracht werden soll, wonach die Werbung
für Tabakwaren, ob Alkohol dabei ist, weiss ich nicht genau, durch
Fernsehen und Rundfunk verboten werden soll. Ich meldete mich sofort
zu Wort und wies auf die Sinnlosigkeit eines solchen Antrages hin.
Vor allem versuchte ich das Argument besonders herauszustreichen,
dass durch die Werbung in den letzten Monaten und Jahren schon die
Bevölkerung dafür gewonnen werden konnte, anstelle der billigen und
starken Austria 3 teurere, aber dafür wesentlich gesündere Filter-
zigaretten zu kaufen. Durch diese Werbung wurde die Gesundheit der
Raucher mehr berücksichtigt, aber darüber hinaus vor allem auch dem
Finanzminister höhere Einnahmen aus der Tabaksteuer und dem Tabak-
monopol von den teuren Filterzigaretten gesichert. Ich hatte Schieder
vorher bereits vorgeschlagen, er sollte doch viel eher verlangen,
dass auf die Schädlichkeit des Rauchens auf jede Packung gedruckt wer-
den müsse. Häuser selbst meldete sich auch unmittelbar zu Wort und
meinte, man müsse in dieser Frage einmal mit ihnen reden und dies sei
eben ein erster kleiner Schritt. Ich bin nicht sicher, ob ich mit
meinen Argumenten durchgekommen wäre. Zum Glück meldete sich Blecha


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und meinte, man müsse dies auch vom Standpunkt der Öffentlich-
keitsarbeit betrachten. Es würde nun die Jonas-Nummer des Öster-
reich-Spiegels in drei Wochen erscheinen und darin sei eine ganze
Seite der Tabakwerbung vorbehalten. Jetzt waren die Würfel ge-
fallen und Pittermann erkannte sofort, dass hier am besten ein
Rückzug angetreten wird, indem er sagte, dieses Problem müsste
noch genau überlegt werden und man sollte jetzt zu keinerlei Ab-
stimmung kommen, weder über den Antrag, die Tabakwerbung zu verbieten
noch über meinen Antrag, den ich dann formulierte, nämlich durch
entsprechenden Aufdruck auf die Packung auf die Schädlichkeit
des Rauchens aufmerksam zu machen. Durch zwei dringliche Anfragen
zog sich die Nationalratssitzung wesentlich länger als geplant
gewesen ist. Ausserdem wurde in der ersten Fragestunde sowohl
von der Beantwortung der Minister als auch vor allem von den langen
Anfragen der Abgeordneten nur 10 Fragen erledigt und damit die gering-
ste Anzahl von Fragen, die jemals in einer Fragestunde beantwortet
wurden, festgestellt. Zeillinger regte sich darüber sehr auf, wurde
aber mit Recht von Präsidenten Waldbrunner auf die Gründe hinge-
wiesen. Waldbrunners Meinung sollten sich eben die Anfrager kurz
fassen. Ich hatte diesen Trend bereits seit Monaten erkannt und
deshalb bereits bei meinen Antworten, soweit ich sie nicht durch
Vorlesen von Erlässen lange machen muss, und da rede ich furchtbar
schnell, äusserst kurz gefasst, indem ich eben frei nur ein oder
zwei Gesichtspunkte bei meiner Antwort sage. Ich bin neugierig, ob
ich wegen dieser Methode einmal eine Anstand haben werde, ich
glaube aller eher nein. Wenn man nämlich das Problem wirklich bis
zum Ende durchdiskutieren würde, dann müssten natürlich die ent-
sprechenden Antworten bedeutend länger sein. Da die meisten Mini-
ster sich an das vorbereitete Konzept, sei es der Bürokratie oder
das sie sich selbst erstellt haben, halten, dauert es natürlich
eigentlich sehr sehr lange, bis eine Frage wirklich von ihnen be-
antwortet ist. Dann kommt die Gegenargumentation von Seiten des
Fragenden und damit kommen wirklich nur maximal 15–16 Fragen
in einer Fragestunde zur Verhandlung. Vor mir war Freihsler mit
4 Anfragen. Er war in einem furchtbaren Zustand. Er hat einen aus-
gesprochenen Horror vor dem Parlament und war deshalb sehr sehr un-
sicher. Er befindet sich leider in einem so trostlosen geistigen und
körperlichen Zustand, dass selbst Marwan-Schlosser auf eine Zusatz-


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frage verzichtete. Da gerade bei ihm die erste Fragestunde
abgelaufen war und er deshalb nach der dringlichen Anfrage
erst zum zweiten Teil aufgerufen wurde, ergab sich, dass er
von 11 Uhr bis ca. 2 Uhr an der Sitzung teilnehmen musste, Ich
war die ganze Zeit neben ihm auf der Regierungsbank, um ihm auf
der einen Seite Mut zuzusprechen und auf der anderen Seite aber
ihn immer wieder aufzurichten und ihm seine Fragen entsprechend
vorzubereiten und mit ihm durchzudiskutieren. Ich glaube, das
hat jetzt selbst jeder von der ÖVP erkannt, dass er sich hier
nicht um eine politische Krankheit handelt, sondern dass Freihsler
wirklich ein schwerkranker Mensch ist. Ich benützte deshalb die
Gelegenheit, um Marwan-Schlosser nach der Fragestunde, als ich ihn
im Couloir getroffen habe, zu danken für seine verständliche Haltung.
Durch die Verlängerung des Parlamentes konnten wir die Besprechung
zwischen Präs. Sallinger, Generalsekretär Mussil und mir nicht
abführen. Sallinger, mit dem ich darüber sprach, meinte, wir
müssen uns einen neuen Termin ausmachen. Da der Finanzminister
zu einer Veranstaltung abfahren musste, habe ich ihm versprochen,
für ihn auf der Regierungsbank zu sitzen. Dies war diesmal aber wirk-
lich sehr günstig. Mussil benützte die Gelegenheit, um die kleine
Novelle des Entwicklungs- und Erneuerungsfonds zu einem harten
Angriff auf die Wirtschaftspolitik der Regierung zu starten. Er
hatte in sehr geschickt formulierten Ausdrücken- wie z.B. das
Kaffee-Kränzchen bei Kreisky, oder dass der Genius Loci über die
Ökonomische Konferenz kommen sollte, als die Bundeskammer den
Kongressaal zur Verfügung stellte, natürlich die Lacher auf seiner
Seite. In einem solchen Fall tut es mir unendlich leid, dass ich
nicht als Abgeordneter darauf replizieren kann. Von der Regierungs-
bank kann man ja nicht polemisieren, d.h. ich stehe auch dem
Standpunkt, man sollte es so wenig wie möglich tun, denn es war
bis jetzt immer so, dass von der Regierungsbank nur sachliche
Erwiderungen oder Ergänzungen gemacht wurden oder werden sollten.
Diese Möglichkeit nützte ich aber reichlich, indem ich einige
Richtigstellungen vorgenommen habe. Wahrscheinlich würde man es
mir auch durchgehen lassen, wenn ich stärker polemisieren würde.
Ich glaube aber, dass dies wirklich nicht zielführend ist, zu-
mindestens nicht für meine Person, solange ich mit dieser Methode
auch noch sehr gut durchkomme. Als ich mich zu Wort meldete und


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erklärte, dass ich einige Richtigstellungen zu den Ausführungen
des Generalsekretär Mussil machen müsste, habe einige Abgeordnete
der ÖVP, ich nehme nicht an, dass es im Protokoll vermerkt sein
wird, aber doch laut und deutlich zu Mussil hingerufen: Richtig-
stellungen? Er selbst hat sich aber sehr korrekt verhalten, indem
er immer beifällig genickt hat oder erklärt: Ist in Ordnung, wenn
ich eine wirklich sachliche Berichtigung seiner polemischen Aus-
führungen gegeben habe. Es ist mir vollkommen klar, dass die ÖVP
den gesamten Angriff derzeit auf Kreisky richtet. Mit dieser Tat-
sache versuchte ich ja auch Freihsler aufzumuntern. Er hat die
Befürchtung, dass er nach den nächsten Freitag, wo Parteienver-
handlungen zwischen den Parteien wegen der 6-Monate-Heeresdienstzeit
beginnen sollen, eine dringlich Anfrage zu erwarten hat. Ich erklärte
ihm, dass sich doch die Angriffe wahrscheinlich nur auf Kreisky
konzentrieren werden. Ich bin auch überzeugt, dass jetzt verstanden
wird werden, warum Kreisky nicht Freihsler zu den Besprechungen
mitnehmen will. Wenn die Unterhändler den erbärmlichen Zustand
Freihslers sehen werden, dann nehme ich an, werden sie sich natürlich
primär auf Kreisky stürzen. Auch die zwei dringlichen Anfragen am
heutigen Tag zeigen mir deutlich, dass man sich ausschliesslich
auf Kreisky konzentriert. Beide waren nämlich an ihn gerichtet.
Wie lange er dieses konzentrierte Feuer aushalten wird, weiss
ich nicht. Nur seinem Geschick als Parlamentarier ist es zuzu-
schreiben und dass er vor allem an dieser Art des Gefechtes und
der Debatte Freude hat, dass er dies so gut bis jetzt überstanden
hat.

Vorhofer von der Kleinen Zeitung in Graz hat mit mir eine Be-
sprechung in den Couloirs geführt, wo er Erklärungen sucht, wieso
es zu den Spannungen zwischen Kreisky und Benya gekommen ist. Er
möchte – wie er mir sagte - eine Artikelserie verfassen über das
Verhältnis zwischen Gewerkschaftsbund und Sozialistischer Partei.
Ich versuchte ihn, ohne auf Details einzugehen, zu erklären,
wie es überhaupt zu der differenten Auffassung in den einzelnen
Punkten gekommen ist. Ich strich heraus, dass er leider und er
entschuldigte sich dafür, dass er damals keine Zeit gehabt hat,
bei dem Pressegespräch zwischen Benya im Institut für Gesellschafts-
politik und den anwesenden Journalisten, ganz andere Aussprüche


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von Benya gemacht wurden, als sie dann in der Presse am nächsten
Tag gedruckt zu lesen waren. Daraus erklärt sich ein gewisses Unbe-
hagen, das sowohl Benya als auch Kreisky derzeit über Probleme haben,
die eigentlich gar nicht so different sind als sie in der öffent-
lichen Meinung heute hingestellt werden. Natürlich hat der ÖGB seine
Selbständigkeit zu wahren, er hat es auch seit dem Jahre 1945 gegenüber
jeder Regierung getan, einen Gegensatz aber so herauszukristallisieren,
wie ihn derzeit die öffentliche Meinung dargestellt bekommt, ent-
spricht wirklich nicht den Tatsachen. Es geht meiner Meinung nach –
erkärte ich Vorhofer – innerhalb einer Partei oder eines Gewerk-
schaftsbundes gar nicht, dass immer alle Menschen einer Meinung sind
und deshalb also muss und wird es sachliche Differenzen in dem einen
oder anderen Punkt geben. Ich konnte aus dem Gespräch entnehmen, dass
sowohl Vorhofer als auch einige andere Redakteure darauf brennen, eine
entsprechende wunde Stelle innerhalb des Verhältnisses zwischen Gewerk-
schaftsbund und soz. Partei zu finden. Die Journalisten haben ein ganz
feines Gespür dafür, wo wirklich eine schwache Nahtstelle ist. Ob aller-
dings ihre Hoffnungen aufgehen werden, dass es hier wirklich zu einem
Verhältnis wie zur Zeit Olahs zwischen ÖGB und SPÖ kommen wird, kann
ich mit ruhigem Gewissen verneinen. Benya ist nicht Olah und Kreisky
viel gewandter als Pittermann, obwohl dieser schon sehr schlau die
Problematik zwischen Gewerkschaftsbundpräsident und Parteiobmann er-
kannt hatte und auch sehr vorsichtiger operiert hat. Damals allerdings
war die Parteiführung glaube ich noch nicht so einige wie sie derzeit
ist. Damals hatte man auch sachliche Probleme bis in die mittlere
Funktionärsschicht getragen und entsprechend wahrlich nicht in freund-
schaftlicher Art ausdiskutiert. Ausserdem hat ja Olah – wie sich nachträg-
lich herausstellte – wirklich alles daran gesetzt, um seinen persön-
lichen Ehrgeiz, wenn nicht sogar Machtstreben, zu befriedigen. Dies
trifft aber heute bei keinem der führenden Genossen zu. Die Journa-
listen dagegen glauben, dass diese Spannungsverhältnisse etwas schein-
bar natürliches innerhalb unserer Partei sein müssten und suchen jetzt
eine solche Möglichkeit wieder aufzustöbern. Ich bin davon überzeugt,
da werden sie sich aber kräftig irren. Ich glaube, dass mein Bonmot,
das ich damals prägte, der Gruss Freundschaft wird abgeändert, indem
das R gestrichen wird und des U in ein I, d.h. also Feindschaft heraus-
kommt, niemals mehr in unserer Partei Platz greifen wird.

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Tagesprogramm, 3.2.1971

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Bericht Pressekonferenz Kohlehandel, 3.2.1971

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Typoskript "Presseunbehagen"

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Presseunterlage betr. Brennstoffhandel, 3.2.1971

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Mitteilung Handelsministerium betr. Kokspreis, 1.2.1971

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Fernschreiben Löw, Fa. Gaskoks, an Koppe betr. Verfügbarkeit v. Koks, 1.2.1971

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Inst. f. Gesellschaftspolitik, Pressedienst Nr. 174, betr. Verfügbarkeit v. Koks, 21.1.1971


Tätigkeit: Vors. ÖGB-Frauenreferat, SPÖ-NR-Abg.


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    Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
    GND ID: 119083906


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      Tätigkeit: FPÖ-NR-Abg., Volksanwalt


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        GND ID: 118761595


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          Tätigkeit: FWV [wird 1971 von Heindl zu einer Besprechung (?) ins Parlament bestellt; hs. Notiz im Tagesprogramm ev. hilfreich?]


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            Tätigkeit: Verteidigungsminister


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              Tätigkeit: Bundeskanzler
              GND ID: 118566512


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                GND ID: 129507873


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                  Tätigkeit: SPÖ-NR-Abg.


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


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                      Tätigkeit: Bundespräsident bis 1974


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                        Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg.


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                          Tätigkeit: Journalist


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                            GND ID: 118937308


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                              Tätigkeit: Vizekanzler, Sozialminister


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                                  Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                                  GND ID: 102318379X


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                                      Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


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