Dienstag, der 19. Jänner 1971

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Dienstag, 19. Jänner 1971

Präsident Poppovic, der Vorsitzende der Papierindustrie, hatte
drei Anliegen. Erstens teilte er mir mit, dass er im Umweltschutz
jetzt in der Industriellenvereinigung als österr. Komiteevorsitzender
tätig werden wird. Er hat wie er sich ausdrückt in Oberösterreich
seinerzeit ein Komitee ins Leben gerufen, das sich insbesondere mit
der Verschmutzung des Wassers beschäftigt hat. Er hat damals im
engsten Einvernehmen mit der Lenzinger Fabrik aber auch mit den Enns-
Kraftwerken und der Gemeinde Wien eine Studienkommission geführt, die
der oö. Landesregierung entsprechende Vorschläge unterbreitet hat.
Nun hätte Mayer-Gunthof ihn ersucht, er möge in Österreich für die
Industriellenvereinigung ein Komitee aktivieren, das sich mit allen
Landeshauptleuten ins Einvernehmen setzten wird. Er meint, es müssten
die Länder eine Bestandsaufnahme ihrer Probleme jetzt machen und dann
im Raumordnungsgesetz und im Raumordnungskonzept entsprechend mitwirken
zu können. Mayer-Gunthof hätte von diesem Schritt Kreisky verständigt
und er hätte sehr positiv auf diese Vorschläge der Industriellenver-
einigung reagiert. Zweitens hat Poppovic als Vertreter der Papier-
industrie sich mit dem Problem Landeck grosse Zellstoff-Fabrik-Er-
richtung in Österreich eingehend beschäftigt, er glaubt nicht, dass
Landegger nur die Absicht hat, eine Zellstoffabrik mit 165.000 jto
zu errichten, sondern auch auf 200.000 jto zu gehen und er veranschlagt
dafür einen Investitionsaufwand von 1,5 Milliarden Schilling. Landegger
hat bereit mehrere Fabriken in Kanada und in Asien gebaut, er ist auch
teilweise Mitbesitzer von solchen Fabriken, insbesondere hat er in
Amerika die grösste Papierfabrik erworben, hat aber bis jetzt alle
diese Neuerrichtungen auf Kosten von Entwicklungshilfegeldern oder
von Unterstützungen der entsprechenden Regierungen zustande gebracht.
In Österreich müsste er sich jetzt eine eigene Finanzierung erst suchen
und Poppovic glaubt, dass es unmöglich ist, die notwendigen Gelder
dafür aufzubringen. Seinerzeit hat Landegger die Papierfabrik Wels er-
worben und im Zuge der Restitution 1945 wieder bekommen. Da er keine
Zellstoffabrik besessen hat, hat er sich St. Michael um 12 Mill. S in
den Fünfzigerjahren gekauft und Poppovic meinte, sie eigentlich nie
richtig bezahlt. Seiner Meinung nach werde er, Landegger, versuchen
in Österreich sein Projekt zu verwirklichen. Dass er ein bekannter


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Fachmann ist, bestreitet auch Poppovic – der sagt, er ist ein Du-Freund
von ihm – nicht allerdings, dass er in Aschzell seinerzeit in der BRD
einen Misserfolg in jeder Beziehung gehabt hat. Betreffend der Integra-
tionsfrage, bekanntlich will ja die EG im Interimsabkommen die Papier-
industrie ausnehmen, steht Poppovic auf dem Standpunkt, dass es ziel-
führender ist, noch nicht jetzt alle Forderungen der EWG bezüglich
des ÖPA-Vertrages, die EWG steht auf dem Standpunkt, dass es sich hier
um ein Exportkartell handelt, zu erfüllen, da dann die EWG-Staaten,
resp. die Kommission nur neuerlich handelspolitische andere Forderungen
stellen wird. Poppovic ist sich vollkommen klar darüber, dass in Wirk-
lichkeit die EWG-Kommission und der Ministerrat die schwedische oder
die nordische Papierindustrie meint, und auf die österreichische Papier-
industrie losgeht. Als drittes hat er mir mitgeteilt, dass er als Auf-
sichtsratsmitglied WTK mit Kohlendirektor Zeininger gesprochen hat.
Zeininger hätte ihm mitgeteilt, dass er jetzt die Verhandlungen bezüg-
lich einer Einhand-Gesellschaft vorantreiben will. Er hätte sich auch
sehr positiv zu meiner Einstellung zur WTK bekanntlicherweise haben
wir ihnen ja 1,2 Mill. S mehr gegeben als ihm das Finanzministerium
zuerst zugestehen wollte, sehr positiv geäussert hat. Zeininger hat
nun aber mit dem Betriebsratsobmann Oberreiter, einem Landtagsabgeord-
neten, der neuerlich Forderungen für eine Lohnerhöhung gestellt hat,
schwere Auseinandersetzungen. Der BRO und auch das Aufsichtsratsmit-
glied LH-Stv. Demuth stehen auf dem Standpunkt, dass solange die Bergbau-
förderung ausschliesslich defizitären Betrieben eine grössere Unter-
stützung gewährt als gutgeführten Betrieben, denn auch die WTK entspre-
chende Lohnerhöhungen geben soll, damit eben gegebenenfalls sie in ein
Defizit kommen wird. Ich habe von Zeininger über Poppovic verlangt, er
sollte eine Expertise über aktive Gebarung der WTK auf lange Sicht sicher-
stellen, es haben sich deutsche Fachleute mit dem Problem beschäftigt
und sehr positive Ergebnisse gebracht, und dem Ministerium unverzüglich
zur Verfügung stellen und auch die Auswirkungen Lohnerhöhung für die
WTK bedeuten würde dem Ministerium unverzüglich mitzuteilen.

Im Ministerrat hat sich Vizekanzler Häuser bei Personalangelegenheiten
zu Wort gemeldet. Kreisky hat angenommen, dass es sich hier um eine
Sachfrage handelt und ihm natürlich ohne es zu ahnen, das Wort gegeben.
Häuser hat nun in einer sehr kurzen aber herzlichen Ansprache Kreisky
zu seinem kommenden 60. Geburtstag namens der Bundesregierung gratuliert
und ihm von uns eine Spende von 10.000 S für die Körner-Stiftung überreicht


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Kreisky war über diese Aktion sehr erfreut und hat sich auch mit bewegt-
ten Worten bedankt. Was mir aufgefallen ist, dass er mit demselben
Schmäh arbeitet wie auch ich, er hat natürlich sofort sich darauf be-
zogen, dass er mit Häuser eine Jahrzehnte lange Bekanntschaft und
Kampfgemeinschaft verbindet, er hat ja bekanntlicherweise als Ver-
treter der sozialistischen Mittelschüler mit Häuser als Vertreter
der soz. Ingenieure vor 45 Jahren bereits das erste Mal zu tun ge-
habt. Mit zum grossen Erfolg seiner Regierungs-
politik gehört es zweifelsohne, dass er jeden in irgendeiner Weise
immer wieder herausstreicht und Gemeinsamkeiten unterstreicht und
soferne es Ansätze von gegensätzlichen Auffassungen gibt, diese
zeitgerecht in der Öffentlichkeit übertücht und überdecken kann.
Ich glaube, dass dies mit ein Grund seines grossen Erfolges ist,
neben dem zweiten wichtigen Punkt, dass er jederzeit erfasst, wo
in Wirklichkeit ein politisch interessantes Problem ist und dass
er dieses Problem dann entsprechend aufgreift, hochspielt und
letzten Endes doch auch löst, oder zumindestens einen Lösungsansatz
in Aussicht stellt, die ihm die Bevölkerung und vor allem die
öffentlichen Massenmedien ihm dann auch tatsächlich abnehmen.

In der Sektionsleiterbesprechung berichtete ich über die Kompetenz-
aufteilungsverhandlungen, Detaillösungen sagte ich noch nicht, da
ich auf dem Standpunkt stehe, das würde vielleicht dann über andere
Ministerien noch grössere Unruhe auslösen. Im Prinzip aber hatte
ich ja bereits meine Herren vor Monaten schon informiert über die
Absichten, die die Bundesregierung hat. Die Abgrenzungsprobleme mit
dem Landwirtschaftsressorts wollte ich eigentlich auf Ministerebene
resp. auf der Sekretärsebene zwischen Plesch und Wanke abstimmen
lassen, doch Weihs hat vorgeschlagen, es sollen die ministerverant-
wortlichen Beamten, also bei ihm Pultar und bei mir halt Reiterer
ergänzt mit Hauffe, diese Vorbesprechung führen. Ich glaube, dass
wir die Rohprodukte der Landwirtschaft, auch wenn es sich um Obst
und Gemüse handelt, letzten Endes doch bei Weihs lassen müssten,
auch dann wenn Zöllner von der AK natürlich der Meinung ist, es
sollte womöglich alles ins Handelsressort herüberkommen.



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Dem Vorsitzender der Schiedskommission der internationalen
Handelskammer, Generalsekretär Eisemann konnte ich ein Ehren-
zeichen überreichen. Er befand sich zufällig von Paris in Österreich
und ich musste ihm deshalb diese Einzelüberreichung übergeben.
Zu meiner grössten Verwunderung kam gleich ein ganzer Schwanz
von höchsten Kammerfunktionären mit, u.a. Präsident Schoeller,
dann Generalsekretärstellv. Wakolbinger, Dr. Melis und zwei
Herren, die ich nicht im einzelnen kannte. Der eine dürfte ein
Professor gewesen sein, wo die Bücher von Eisemann erschienen und
ein Min.Rat scheinbar von einem anderen Ressort. Ich nützte die
Gelegenheit, um die Bedeutung der internationalen Handelskammer
und insbesondere des Ausgezeichneten herauszustreichen. Als z.B.
die Frage auftauchte, dass doch die Franzosen sehr grösszügig
seien und dass sie einem Elsässer in so bedeutende Funktionen auf-
rücken liessen, konnte ich sofort kontern, weil Eisemann auch in
der Résistance tätig war und sich daher auch mit ihm auch ideell
auch mehr verbindet als bloss der derzeitige zuständige Minister,
der einen Minister auszeichnet. Ich glaube, dass solche Details
immer von grossem Vorteil sind und vor allem aber österreichischen
Beamten und Funktionären zeigen soll, dass es auch Kämpfer auf
der anderen Seite gegeben hat, die sieh um Österreich sehr ver-
dient gemacht haben.

Dr. Riedl, der Vorstand des Markenverbandes und der Geschäftsführer
Dr. Zikeli wollten nur kommen, um mir ihre Mitarbeit im Konsumenten-
forum anzutragen. Da Koppe dieses Problem bearbeitet, konnte ich
nachdem ich mein grosses Interesse für den Markenverband ausge-
drückt hatte, die Verhandlungen Koppe überlassen. Sicher ist,
dass der Markenverband viel dazu beiträgt, dass Waren der gleichen
Güte und in gleicher Verpackung früher einmal auch des gleichen
Preises tätig ist. Jetzt hat er die Preisproblematik abgelegt
und wird, wie Riedl, meint damit Ministerien und unseren Intentionen
nur noch sympathischer.

Im ÖGB berichtete Kreisky über die politische Lage und er kam ins-
besondere auch auf die Ergebnisse der Meinungsumfrage vom Fessel-
Institut zu sprechen. Bekanntlich hat der Trend noch eine weitere
Zunahme der SPÖ-Stimmen gezeigt, die ÖVP verliert ununterbrochen.
Er meint und diese Meinung teile ich auch, dass dies bei unseren


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Funktionären dazu führen kann, dass sie die Bundespräsidentenwahl
zu leicht nehmen. Sie wird zwar jetzt immer wieder sofort in Zwi-
schenrufen auf die englischen Erfahrungen hingewiesen, obwohl die
meiner Meinung nach nicht zutreffen. In England hat man klar und
deutlich gesehen, dass die Labour-Regierung nicht imstande war,
die Probleme, die die Bevölkerung wirklich interessieren, auch nur
positiv abzupacken, von lösen war sowieso keine Rede. Kreisky be-
richtete auch über die Heeresreform und meinte, dass wir immer mit
den Ziffern argumentieren, die in Wirklichkeit ganz unbedeutend seien.
Z.B. sie im Brucker Gebiet, welches für die Ostverteidigung von
besonderer Bedeutung ist, 6000 Soldaten einsatzbereit und bei 6-Mona-
te-Wehrdienst sagen seine Fachleute und Generäle würde es nur ca.
4.700 sein, in Wirklichkeit sind 6.000 ungenügend und 4.700 natür-
lich genauso. Eine Bemerkung von Kreisky habe ich das erste Mal erst
gehört, dass nämlich die FPÖ, ohne dass eine schriftliche Vereinba-
rung existiert, doch bereit wäre, wenn die ÖVP auf Neuwahlen drängt
und wenn die politische Konstellation solche erforderlich macht, die
Freiheitlichen mitstimmen würden, dass der Nationalrat sich auflösen
sollte. Es wird also dann nicht mehr der Bundespräsident die Aufgabe
haben, den Nationalrat aufzulösen, sondern es würde nach Kreiskys Auf-
fassung eine Mehrheit im Nationalrat dafür zustandekommen.

Bei der Eröffnung des Seminars für sozialbauliche Einrichtungen in
der Industrie 80, die vom Institut für Industrieplanung durchgeführt
wird, hat Chefredakteur Dr. Peters einen Einleitungsvortrag: Experten
und die anderen, gehalten. Der Vortrag war sehr interessant, ich
würde Wanke empfehlen zu versuchen, die Originalfassung zu bekommen,
da er sich als Ergänzung sehr gut zur Institutsarbeit über die Expertise
als Entscheidungshilfe anbietet. Der Präsident Dr. Langhans und der
Geschäftsführer haben mir zwar versichert, dass es eine diesbezügliche
Zusammenfassung des Referates geben wird. Ich glaube, dass es ziel-
führender wäre, den Wortlaut für uns zu bekommen.

Mit einer Vorbesprechung über den zukünftigen Aufbau unseres
Bezirkes – wir müssen wieder eine Bezirkskonferenz ehebaldigst ab-
halten – wird von einigen Funktionären beabsichtigt, Heindl in den
Bezirksvorstand ja vielleicht sogar in das Präsidium zu entsenden.
Ich selbst bin mit dem Vorschlag sehr einverstanden, da ich auf dem
Standpunkt stehe, meine Leute sollen sich soweit wie möglich auch in


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Organisationen verankern. Ich bin mir allerdings vollkommen klar
darüber, dass er damit früher oder später unserer Tätigkeit verloren
gehen wird. Trotzdem glaube ich, kann man nur eine zielführende Personal-
politik betreiben, wenn man jedem die grösstmöglichen Chancen einräumt
und dadurch gute Mitarbeiter zu bringen.

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Tagesprogramm, 19.1.1971

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)

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Tätigkeit: Chefredakteur [nicht erwähnt, wovon; hält 1971 Eröffungsvortrag eines Seminars sozialbauliche Einrichtungen in der Industrie 80]


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: GD Bunzl & Biach, Präs. Zentralorganisation der österr. Papierindustrie


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: SChef HM
      GND ID: 12195126X


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Vors. Österreichischer Verband der Markenartikelindustrie [ev. ident mit einem schon erfassten Riedl?; vmtl. AR-Vors. Fa. Manner]


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: HK


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Papierindustrieller


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: GS-Stv. HK


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: AK


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Sektionschef HM, Diplomat, Verteter bei der EG


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Gf. Österreichischer Verband der Markenartikelindustrie


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: Gs. Schiedsgerichtshof Internat. Handelskammer


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Obmann Sekt. Ind. BHK


                        Einträge mit Erwähnung:


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: Landesrat, LH-Stv. OÖ, SPÖ


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: ehem. GD Siemens Österreich


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                                GND ID: 102318379X


                                Einträge mit Erwähnung:
                                  Tätigkeit: Kabinett Staribacher


                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    Tätigkeit: Landwirtschaftsminister bis 1976
                                    GND ID: 130620351


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                                      Tätigkeit: Vizekanzler, Sozialminister


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                                        Einträge mit Erwähnung:
                                          Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


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                                            Tätigkeit: Bundeskanzler
                                            GND ID: 118566512


                                            Einträge mit Erwähnung:
                                              Tätigkeit: Dir. WTK, Wolfsegg-Traunthaler Kohlenwerks AG


                                              Einträge mit Erwähnung:
                                                Tätigkeit: MR HM
                                                GND ID: 133521052


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