Freitag, der 11. Dezember 1970

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Freitag, den ll. Dezember l970

Um dem Klub Möglichkeiten zu geben über die Politikerbesteuerung
einen Bericht und eine Diskussion abzuführen wurde dieser bereits
für 8 Uhr früh einberufen. Kreisky war aber zu diesem Zeitpunkt
noch nicht erschienen und deshalb versuchte Pittermann die Zeit
zu überbrücken. Dies schädigt natürlich sein Ansehen, denn er
hätte natürlich meiner Meinung nach ganz offen erklären sollen –
Kreisky ist halt leider noch nicht hier und ich werde deshalb
über dieses und jenes Problem sprechen. Er dagegen hat wirklich
in loyalster Weise dies nicht zu erkennen gegeben und deshalb
wahrscheinlich noch weiter den Unmut der Klubmitglieder gestei-
gert. Als Kreisky erschien berichtete er zuerst über die Bundes-
heerreform. Der Salzburger Abgeordnete Preußler, der neben mir
sitzt, führte das Unglück darauf zurück, daß wir uns seinerzeit
nicht dazu entschließen konnten, den Vorschlag Körners zu akzep-
tieren. Der damalige Bundespräsident Körner hat gemeint es wäre
zielführender nur die B-Gendarmerie, die wir bis zum Staatsver-
trag gehabt haben, weiterhin zu lassen. Schärf, der damalige
Vizekanzler und Kreisky, als Außenminister, aber verlangten daß
wir auf Grund der Verpflichtungen des Staatsvertrages ein Heer
aufstellen müßten. Laut Staatsvertrag können wir ja sogar bis zu
55.000 Mann ein Bundesheer besitzen. Preußler sagt nun, daß wir
seit diesem Zeitpunkt die Personalkosten ununterbrochen erhöhen
und vergrößern und den Sachaufwand – relativ gesehen – verklei-
nern. Um 8,45 Uhr begann Kreisky dann über die Politikerbesteue-
rung zu berichten. Seiner Meinung nach müßte erst einmal der
Bericht der Kommission abgewartet werden, da er noch immer nicht
in der Endfassung vorliegt. Da natürlich um 9,00 Uhr bereits
die Haussitzung begann ergab sich fast keine Möglichkeit einer
Diskussion. Robert Weihs, zum Beispiel, erklärte er verzichte
auf seinen Diskussionsbeitrag, da er unter diesem Zeitdruck
über ein solches Problem nicht diskutieren könnte. Benya wieder
wies darauf hin, daß es nicht so sehr darauf ankommt, daß die
Politiker in Zukunft besteuert werden – bekanntlicherweise
werden ja jetzt auch bereits über 30 % Abgaben von den Politikern
bezahlt – sondern daß man über dieses Problem eben ausführlich
diskutieren müsse und nicht aus dem Fernsehen erfahren soll was
letzten Endes geschieht. Ich glaube daß es zielführender gewesen
wäre dieses Problem offen und ausgiebig zu diskutieren als aus-
schließlich eine Kommission damit zu betrauen. Die Kommission


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hat zwar jetzt indirekt erklärt, daß die Politikerbezüge als
nicht zu hoch zu betrachten sind, gleichzeitig aber auch
gemeint, sie sollten voll versteuert werden. Unter diesen
Umständen müßten daher die Politikerbezüge zuerst wesentlich
erhöht werden, dies aber wird von den meisten Genossen als
vollkommen unmöglich betrachtet. Ich sehe die einzige Möglich-
keit darin, daß man bereits jetzt bestehende Abzüge wie z.B.
den Klubbeitrag (10 %), oder die Parteisteuer (10 %), die die
Zentrale einhebt, nicht mehr bezahlt und dafür die staatliche
Steuer entrichtet. Dies würde allerdings auf die Parteifinanzen
einen sehr negativen Einfluß ausüben.

Der rumänische Botschafter Aninoiu und der Handelsrat Dimitreskou
kamen um mir mitzuteilen, daß sie mit der Österr. Kontrollbank
in konkreten Verhandlungen sich befinden, über den Kreditbetrag,
den die Österr. Kontrollbank der rumänischen Bank geben sollte,
einig sind aber über die Zinsen noch sprechen wollten. Die
Kontrollbank hatte mich zum Glück vormittag informiert, daß sie
8 1/2 % den Rumänen berechnen würde und dies als ein Entgegen-
kommen betrachtet. Ich hatte Kastelez von der Kontrollbank
darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung eine Verbilligung
möchte und deshalb er ja auch 3 Millionen Schilling von meinem
Budget aus der Exportförderungsabgabe bekommen wird. Ich konnte
deshalb dem rumänischen Botschafter versichern, daß gewisse
Möglichkeiten noch bestünden und er am Montag ja bei der Weiter-
verhandlung sehen würde, daß die Kontrollbank ein gewisses
Entgegenkommen an den Tag legen wird.

Direktor Scheiner, von der Österr. Krankenversicherung, welcher
die Hotelkette dieser Institution führt, wollte als Fachver-
bandsvorsteher für Beherbergungsgewerbe mit mir sprechen. Er
sagte es gebe zwei Punkte die für ihn von Bedeutung wären.
Erstens daß die Beherbergungsgruppe – das heißt Hotelgewerbe –
mehr Geld aus dem ERP bekommen sollte, wobei er darauf hinwies,
daß die ERP-Vorschriften zu kompliziert sind. Und zweitens die
Arbeitsmarktprobleme gelöst werden müßten. Seiner Meinung nach
müßte ein modernes Gastarbeitergesetz endgültig Platz greifen.
Mein Hinweis, daß die Sozialpartner übernommen hatten, die
Punktation eines solchen Gesetzes zu verhandeln, akzeptierte
er nicht. Seiner Meinung nach würde dies zu lange dauern.



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Derzeit muß er den jugoslawischen Arbeitern ein Kopfgeld von
300,- bis 800,- Schillingen bezahlen. Eine weitere Forderung
richtet sich an den Finanzminster – durch Verwaltungsgerichts-
hof-Urteil müssen die Bäder und Klosetts und sonstige Naßeinheiten
als Gebäudeteile betrachtet werden, weil sie mit dem Gebäude
verbunden sind, und entsprechend aktiviert werden. Dadurch haben
sie nur eine außerordentliche Abschreibung von 20 % und in
weiterer Folge nur mehr 2 %. Gerade diese Entscheidung trifft
aber die Hotels sehr hart.
Anmerkung für Dr. Wanke: Bitte Zeilinger verständigen, daß er über
dieses Problem nicht nur Androsch infor-
miert, sondern uns auch mitteilt, ob sie
eine diesbezügliche Gesetzesänderung
in Angriff nehmen
Die neue Hotelaktion der Gemeinde Wien, an der Scheiner maß-
gebend mitgewirkt hat, wird von ihm begrüßt. Bei 25 % Eigen-
kapital werden 75 % mit 2 % durch 5 Jahre, oder 2 1/2 % durch
4 Jahre mit Zinsenstützungen unterstützt. Diese Aktion wird
sich sowohl auf das Hotel der Austria Krankenversicherung im
2. Bezirk als auch auf das Hotel das die Bor AG auf den AEZ-
Gründen im 3. Bezirk und letzten Endes auf die Absicht des
Wienerwald-Restaurateurs, Jahn, in Liesing – das heißt am WIG-
Gelände – beziehen.

Im ÖVP-Coloir hatte ich Gelegenheit mit Mussil über die Japan-
Verhandlungen zu sprechen. Mussil selbst schlägt vor, daß wir
nur 15 Positionen den Japanern für die Vertragsverlängerung
anbieten sollen. Die Japaner verlangen aber, um den Artikel 35
vom GATT nicht anzuwenden, daß unsere negative Liste von 80 auf
60 Positionen reduziert wird. Mussil gab zu erkennen, daß er
bereits l8 Positionen mit den Fachverbänden sich erstritten hat,
aber außerstande ist auf 20 Positionen zu kommen. Er wird nächste
Woche weiterverhandeln und mich dann von dem Ergebnis unverzüg-
lich verständigen. Bei dieser Gelegenheit konnte ich feststellen,
daß Sallinger bereits meine Tätigkeit als Hilfskrankenträger
entsprechend herausgestrichen hat. Sein Chauffeur hat vormittag
einen Auffahrunfall verursacht, nachdem der vor uns fahrende
Diplomaten-Kombiwagen eine Frau niedergestoßen hatte. Die Frau
selbst blutete sehr stark aus der Nase und aus den Ohren, war
bewußtlos und ich hatte sie mit einem zweiten Mann nur auf die
Seite gedreht und dann den Kopf so gehalten, daß das Blut aus
der Nase herausgeronnen ist und nicht in ihre Lunge eingedrungen.



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Dies hat Sallinger, glaube ich, mächtig imponiert und er erzählt
es daher überall jetzt herum.

Um die Besprechung mit den Finanzlandesreferenten vorzubereiten
ersuchte ich Habel, Marhold und Gehart ins Parlament zu kommen.
Zum Glück war die Justizdebatte und das Budgetkapitel früher zu
Ende als wir geglaubt hatten und ich konnte dann in mein Büro
zurückfahren. Am Freitag, stellt sich doch immer wieder heraus,
wollen die Abgeordneten früher nach Hause fahren und deshalb
sind die Freitag-Sitzungen meistens vor 9,00 Uhr zu Ende.
In meinem Büro wurde ich dann verständigt, daß Dr. Basetti, der
neue Landesrat für Fremdenverkehr und Wirtschaft, beim Fremden-
verkehrstag in Tirol das Ministerium hart angegriffen hat. Erstens
behauptete er, daß wir kein Geld für den Fremdenverkehr zur
Verfügung stellen und zweitens, daß Tirol von den Organisationen
ausgeschlossen werden sollte. Diesbezügliche Mitteilungen hat
uns Dr. Schöpf, von der Arbeiterkammer, zukommen lassen. Ich
konnte deshalb in einem Rückruf Schöpf sofort auf den Tatbestand
und auf den wahren Sachverhalt aufmerksam machen. Er war darüber
sehr dankbar, da er bei der Sitzung ja nicht gewußt hat, wie sich
die Frage mit der Ausschaltung von Tirol aus dem Verhandlungs-
komitee mit den Landesfinanzreferenten verhalten hat. Auch Koppe
konnte dann noch im direkten Gespräch mit den Tiroler Zeitungen
den wahren Sachverhalt mitteilen. Poppinger, der bei dieser
Sitzung anwesend war, soll angeblich nur sehr weich argumentiert
haben. Vielleicht allerdings hat Poppinger die Details über die
Fremdenverkehrs- respective Finanzreferentenbesprechung nicht
gewußt. Auf alle Fälle wird es zielführend sein, von ihm einen
genauen Bericht zu verlangen und ganz besonders aber auf diesen
Punkt noch eine Spezialbesprechung abzuführen.

Am Abend hat mich die Berghauptmannschaft für Wien, die das
Gebiet Wien, Niederösterreich und Burgenland umfaßt, zu einer
Barbara-Feier nach Niederösterreich eingeladen. Da das Parlament
frühzeitig geschlossen hat, bin ich dort erschienen und wurde
von dem Berghauptmann sehr feierlichst als oberster Bergherr
begrüßt. Zu meiner größten Verwunderung bot er mir sogar an, den
sogenannten "Ledersprung" zu machen. Ich wußte, daß der Abge-
ordnete Pay, der sich im Parlament mit garnichts anderem be-
schäftigt als ausschließlich mit dem Bergarbeiterproblem (er


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kommt aus der Köflacher Gegend) seinerzeit darauf hingewiesen
hat, er hätte bereits den Ledersprung gemacht. Ich stimmte
natürlich sofort zu, die Zeremonie über mich ergehen zu lassen.
Als mir der Berghauptmann dabei vorher versicherte er würde nur
während der Zeremonie das bergmännische "Du" mir sagen, konnte
ich wieder einen guten Gag starten. Als ich auf dem Faßl stand
und über die Schürze springen mußte und die Verpflichtungs-
formel wiederholte, meinte er ich darf für die Zeremonie Ihnen
Herr Bundesminister, das bergmännische Du sagen – unterbrach ich
sofort und sagte – nicht nur für die Zeremonie. Die Feier endete
dann mit einem recht langen Bergmannslied mit gesalzenen und
ziemlich ordinären Strophen. Ich sang sie natürlich nach meiner
guten alten Methode alle mit – die alte Methode besteht darin,
daß ich auch beim Heurigen alle Heurigenlieder kenne und mit-
singe, obwohl ich kein einziges davon kann. Man braucht bekannt-
licherweise ja nur den anderen auf den Mund zu sehen und dann
ähnlich formulierende Laute von sich geben, sodaß alle Umstehenden
meinen man kennt den Text und die Melodie des Liedes ganz genau.
Bei der Barbara-Feier lernte ich auch die Firma, die in Öster-
reich nach Uran bohrt kennen. Der Firmeninhaber ist der Meinung,
daß Uran in Österreich fündig werden könnte, seine Frau aber,
die wesentlich realer denkt, bezweifelt dies, sagt mir allerdings
sie hat nichts zu reden. Ich selbst glaube auch kaum, daß nach
der jetzigen Sachlage, größere Uranstätten bei uns gefunden
werden könnten. Da auch Gen.Dir. Bauer von der ÖMV anwesend war,
machte ich ihn auf die unsinnige ÖVP-Aussendung betreffend den
Bleigehalt von Benzin aufmerksam. Er selbst war hell empört
über so viel Unsinn und erklärte er würde unverzüglich diesbe-
zügliche Schritte unternehmen.

Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
GND ID: 119083906


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    Tätigkeit: SChef HM
    GND ID: 12195126X


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      Tätigkeit: GD ÖMV


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        Tätigkeit: "Wienerwald"-Gründer


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              Tätigkeit: Finanzminister
              GND ID: 118503049


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                Tätigkeit: FSG-Vors., SPÖ-Klubobmann, Volksanwalt


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                      Tätigkeit: MR HM


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                        Tätigkeit: Sekretariat Androsch, Investitionskredit AG; Falschschreibung?


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                          Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


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                              Tätigkeit: MR HM
                              GND ID: 1035518031


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                                Tätigkeit: rum. Botsch. bis 1977


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                                  Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


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                                    Tätigkeit: Bundeskanzler
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                                      Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


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