Samstag, der 28. November 1970

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Im Fraktionsvorstand der Arbeiterkammer berichtete ich über
die wirtschaftlichen Probleme der Bundesregierung. Insbesondere natür-
lich über den Abschluss der preisdämgfemden Massnahmen.. Bei dieser
Gelegenheit hat der Vertreter der Textilindustrie mitgeteilt, dass
der Bekleidungsfachverband auch bei ihnen bereits interveniert hat,
sie befinden sich derzeit in einer Lohnverhandlung und der
Verband hat schon wissen lassen, dass jetzt wahrscheinlich sie nicht
so grosszügig sein könnten wie sie es gewesen wären, wenn es nicht
zu dieser Zollsenkung gekommen wäre. Ich glaube, dass dies nur eine
Ausrede ist, und vor allem dazu dienen soll, die Gewerkschaft gegen
die Regierung aufzubringen. Ich weiss, dass weder der Gewerkschaftsbund
noch die Arbeiterkammer mit den Fachgewerkschaften in dieser Frage
einen engeren Kontakt hätten. Für mich als Handelsminister ist es
natürlich schwer, wenn ich diese Kontaktaufnahme durchführe. An-
dererseits wieder beschwerte sich Millendorfer, dass ich Be-
triebe besuche, ohne dass die Gewerkschaft etwas davon weiss. Hier
könnte man glaube ich, der Gewerkschaft natürlich entgegenkommen und
ich werde in Zukunft ohne dass dies schriftlich geschieht auf telefon-
nischem Wege ganz formlos die entsprechende Gewerkschaft verständigen.
Bitte, unbedingt in Zukunft zu beachten!

Im Wiener Ausschuss gab es einen Bericht vom Geschäftsführer der
Neuen Zeitung, die Genossen Dipl.Kfm. Havlicek, ohne dass er
einzelne Ziffern nannte, gab er die sehr plausible Begründung,
warum jetzt die Neue Zeit auf eine Wochenzeitung umgestellt werden
soll. Seiner Mitteilung nach wird es möglich sein, diese Wochen-
zeitung aktiv zu gebaren. Die Neue wird auch 5 jährliche Postwurf-

sendungen machen, die – wie er glaubt, 200.000 S plus, d.h. also
für Wien je Postwurfsendung erbringen könnten. Angeblich sind die
Inserenten daran lebhaftest interessiert, dadurch dass für die
einzelnen Bezirke noch eine Mutation Platz greift, könnten hier
wirklich die Bezirksinteressen stärker herausgestrichen werden.
Der zweite Bezirk meldete sich sofort und fragte, wieweit man
diese Hauswurfsendung mit dem Bezirksblatt, welches der Bezirk
herausgibt, verbinden könnte. Wenn mit Hilfe dieser Insertion tat-
sächlich eine solche aktive Aktion, die der Partei 1 Mill. S bringen
kann im Jahr, wirklich zu erzielen ist, dann frage ich mich, warum
wir dies nicht schon längst gemacht haben. Ich bin allerdings sehr


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skeptisch,ob es tatsächlich zu diesem positiven Abschluss kommen
kann. Derzeit kostet ein Postwurfsendung der Partei, wenn sie eine
solche in Wahlzeiten gemacht hat, 700.000 S an Kosten. Als die
Neue Zeitung gestartet wurde und Slavik damals im Wiener Ausschuss
berichtete, dass sie positiv abschliessen könnte, wenn – und er dann
einige Berechnungen gab, die meiner Meinung nach nicht stimmten, hatte
ich auch grösste Bedenken. Ich fragte damals Slavik, da ich die Ziffern
anzweifelte, war ihm die Berechnungen gegeben hat und er erwiderte,
dass dies der Verlag gewesen sei. Die Neue Zeitung ist bekanntlicherwei-
se mit 35 Mill. gestartet worden und hat innerhalb kürzester Zeit die-
ses Geld verbraucht und wahrscheinlich noch die selbe Summe in den
nächsten zwei Jahren verwirtschaftet. Wenn man nun dazu rechnet, dass
auch der Express ein Defizit von 60 Mill. S hat und dazu noch eine
Liquidationsaufwand von 20 Mill. erforderlich ist, so muss ich sagen,
dass wir mit unseren Zeitungen und Zeitungsprojekten keine sehr glück-
liche Hand gehabt haben. Natürlich ist es kaum abzuschätzen, wie weit
die beiden Zeitungen zu den Erfolgen der letzten Wahlen beigetragen
haben. Das Experiment mit dem Express ist allerdings volkommen schief
gegangen. Ich glaube, dass eine Boulevard-Zeitung, wie ich auch glaube
jede Zeitung nur dann aktiv gebaren kann, wenn man ein entsprechendes
Führungsteam, einen Manager findet, der vollkommen unabhängig ist
und der auf keinerlei Einflüsterungen und Weisungen Rücksicht nehmen
muss. Allerdings würde dann wahrscheinlich – wenn unsere Genossen
wüssten, dass diese Zeitung eine Parteizeitung oder von der Partei be-
einflusste Zeitung ist, mit dieser Tatsache sich auch nicht abfinden
sowohl die Spitzenfunktionäre als auch die kleineren Funktionäre
würden immer wieder erwarten, dass dieses Blatt so schreibt, wie sie
es gerade wünschten. Dass dieses Blatt dann allerdings sich sehr schwer
verkaufen liesse, das würden sie wahrscheinlich kaum einsehen. Wie
sehr gerade ein sozialistisch beeinflusstes Blatt anders reagiert als
andere Zeitungen, zeigt der Streik beim Express. Günther Nenning hat
es wieder einmal verstanden, sich an die Spitze einer Bewegung zu stel-
len, die sehr populär scheint. Als Gewerkschaftsmann hat er allerdings
vollkommen versagt, denn in Wirklichkeit hat er letzten Endes dazu
beigetragen, in meinen Augen, dass die Arbeitsplätze der Kollegen
vom Express jetzt endgültig gefährdet sind. Wenn mann einem Gewerk-
schaftsgrundsatz entsprechend erkennt, dass irgendwo eine Überproduk-
tion vorhanden ist und die Arbeitsplätze damit automatisch gefährdet
sind, dann muss man wesentlich vorsichtiger vorgehen, als dies Nenning
getan hat. Als Obmann der Journalistensektion musste er wissen, dass


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an den Überkapazitäten der österreichischen Tageszeitungen
insbesondere in Wien in der nächsten Zeit ein wesentlicher Struktur-
wandel vor sich gehen muss und wird. Aus diesem Grund hätte er meiner
Meinung nach taktisch sich ganz anders verhalten müssen. Dass die
ganzen Zeitungsaffären in den lezten Monaten auch das Image der soz.
Partei und deren Pressekonzept sehr stark beeinflussen wird, steht
für mich ausser Zweifel. Ich bin überzeugt davon, dass wenn es jetzt
zu den Auseinandersetzungen um die Kronenzeitung kommen wird,
auch hier wir wahrscheinlich noch sehr ungute Zeiten erwarten können,
Nicht verstanden habe ich allerdings, dass bei der Sitzung im Wiener
Ausschuss Czernetz eine vollkommene Offenlegung der finanziellen
Situation sowohl der Neuen Zeitung als wie überhaupt jedwedes Zeitungs-
konzeptes verlangt hat. Ich wollte mich schon dagegen zu Wort melden,
als Havlicek, der jedem Anfrager sofort anwortete, selbst dieses An-
sinnen auf das Entschiedenste zurückgewiesen hat. Unsere Genossen glau-
ben scheinbar noch immer, dass es möglich ist, daß in diesem Dschungel-
krieg, in dieser schwierigen Pressesituation und in diesem Kampf
der Zeitungen, in diesem harten Konkurrenzkampf die Sozialisten mit
gutem Beispiel vorangehen sollten und vollkommen mit offenen Karten
spielen. Das Ergebnis müsste dann sein, dass wahrscheinlich die kommer-
zielle Situation jeder Zeitung sofort um etliche Millionen noch schelch-
ter wäre, die Inserenten würden ja sich nach diesen Angaben richten und
dass weiters unsere Vertrauenspersonen es noch schwieriger hätten,
den Mitgliedern zu erklären, warum wir so viele Millionen in diesen
Propagandazweig hineinstecken. Den Glauben nämlich, dass es leicht ist,
eine Zeitung aktiv zu gestalten, können nur wirklich naive Menschen
haben. Das Beispiel des Kuriers und der Kronenzeitung sind Fälle von
ganz spezifischen Situationen, die sich wahrscheinlich auch kaum wie-
derholen werden, die wichtigste Voraussetzung aber ist, wie ich schon
gesagt habe, dass ein Management hier freizügig handeln konnte, ohne
dass es entsprechender Beeinflussung unterlegen ist. Ich glaube, dass
wenn die Kronenzeitung jetzt, an Stelle auf die Regierung zu schimpfen
immer mehr sich mit den anderen Zeitungen wie dem Kurier und der Presse
in einen Kmapf einlässt, dann wird sie sehr bald auch bemerken, dass
auch ihre Leser daran kein besonderes Interesse haben und entsprechende
Auflagenrückgänge zu verzeichnen sein werden. Was den Leser interessiert
ist, Sensation auf der einen Seite , auf der anderen Seite aber Probleme
von denen er unmittelbar berührt ist. Wenn daher der Wiener, der gern
raunzt und kritisiert, in seinem Leibblatt entsprechende Angriffe
gegenStellen findet, die er selbst gerne kritisieren möchte, dann wird


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er an dieser Zeitung Wohlgefallen finden. Wenn dagegen diese Zeitung
mit ihrem Konkurrenzblatt sich auseinandersetzt, wird er das als
Sensation ein- oder zweimal hinnehmen und nachher wird er sich aber
eine andere Zeitung suchen. Allerdings, wenn es eine solche gibt.

Tätigkeit: Journalist
GND ID: 119318245


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    Tätigkeit: ÖGB


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